Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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BeitragVerfasst: So 16. Jul 2023, 09:00 
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Folge 1885: In der Schwüle der Nacht

Spieltage: Donnerstag,13.07 – Freitag, 14.07.2023

Den ganzen Tag lang hat die Hitze wie eine Glocke über der Stadt gelegen und München buchstäblich in einen Dampfkessel verwandelt. Zudem macht sich zunehmend eine unangenehme Schwüle breit und auch der einsetzende Abend verspricht keine Abkühlung, die Meteorologen sagen eine Tropennacht voraus…

Obwohl Lovis wegen ihrer Aktivisten-Tätigkeiten immer noch unter Hausarrest steht, hat sie am heutigen Abend von Kerstin und Nils die Erlaubnis bekommen, gemeinsam mit ihren Schwestern Maite und Merle noch auf ein Eis ins Marcellas gehen zu dürfen – schließlich jobbt Annalena mittlerweile dort und kann ein Auge darauf haben, dass sie dort auch wirklich ankommt und sich danach ohne Umschweife auf den Heimweg begibt… Kerstin scheinen in der kinderfreien Wohnung derweil die sommerlichen Temperaturen zu Kopf zu steigen, denn plötzlich kramt sie ein zerfleddertes Taschenbuch aus ihrer Handtasche hervor und präsentiert es begeistert ihrem Mann.
„Was ist das denn?“ fragt Nils.
„Das habe ich von einer Arbeitskollegin bekommen“, erklärt Kerstin mit verschwörerischem Unterton.
„Und was ist das?“ hakt Nils nach – und Kerstin berichtet ihm kichernd von einem »kleinen versauten Buch voller ungewöhnlicher Sexpraktiken«.
Nils schaut sie irritiert an. „Sowas wie das Kamasutra?“, fragt er irritiert.
„Mmmmh, ein bisschen vielleicht, aber viel versauter“, kichert Kerstin.
Nils starrt seine Frau ungläubig an. „Was ist denn mit dir heute los?“ fragt er grinsend.
„Nichts“, meint Kerstin schulterzuckend. „Ich dachte nur so, dass die Kids den lauen Abend bei ihrem Eis eh schamlos ausnutzen werden und wir die sturmfreie Bude da ja auch für uns nutzen könnten und mal wieder ein bisschen Spaß haben, ein bisschen rumexperimentieren…“
„Rumexperimentieren?“, fragt Nils lachend. „Hast du gekifft, Kerstin?“
„Nein, hab ich nicht!“, protestiert Kerstin sogleich. „Aber, mein Gott, wir sind doch noch keine 80. Und nur weil wir vier Kinder haben, müssen wir ja jetzt nicht wie im Zölibat leben…“
„Willst du noch ein fünftes Kind?“, erkundigt Nils sich leicht provokativ.
„So weit müssen wir ja nun auch nicht gleich gehen! Nur ein bisschen Spaß haben und was Ausgefallenes ausprobieren!“ Sie wedelt mit dem kleinen Taschenbuch auffordernd vor seiner Nase herum – und Nils entledigt sich seines verschwitzen Hemdes…
Derweil hocken Lovis, Maite und Merle noch vor dem Marcellas und blicken in den Abendhimmel, obwohl ihr Eis schon längst aufgegessen ist.
„Darf ich euch jetzt abkassieren?“, erkundigt sich Annalena.
„Wir wollen eigentlich noch ein bisschen sitzen bleiben“, erklärt Lovis.
„Wenn ihr nichts mehr bestellt, könnt ihr hier nicht ewig den Tisch blockieren, hier wollen bei dem Wetter auch noch andere Leute sitzen“, erklärt Annalena. „Außerdem gibt das nur wieder Ärger, wenn ihr so lange weg bleibt. Morgen ist Schule und du hast eh Hausarrest. Sei froh, dass sie dich überhaupt rausgelassen haben…“
„Schon ätzend, dass in Bayern die Sommerferien immer so spät anfangen“, motzt Maite. „Die meisten anderen Bundesländer haben längst Ferien…“
Die drei bezahlen und machen sich auf den Heimweg. Doch auf Höhe der Lindenstraße Nr. 1 werden sie aufgehalten, denn Mika, Paul und Romy aus der WG haben den Jacuzzi auf den Gehweg vor das Haus gepackt und mit ein paar anderen jungen Leuten eine Art Bade-Session gestartet. Während Maite und Merle völlig fasziniert sind und am liebsten gleich selbst ins Nass hüpfen würden, ist ihre ältere Schwester einfach nur empört.
„Was für eine Wasserverschwendung!“, legt Lovis sogleich los. „Ey, ihr spinnt doch! Wisst ihr, wie knapp das Wasser wird? Sowas sollte echt verboten werden!“
Abgesehen von ein paar dummen Bemerkungen von Mikas Seite, bekommt Lovis nicht allzu viel Beachtung. Doch sie ist nicht die einzige, die empört ist.Lisa kommt vorbei und zeigt sich ebenfalls fassungslos.
„Ihr seid ja wohl total bescheuert!“, zetert sie los. „Paul, sag mal, geht’s noch? Wir sind hier doch nicht am Ballermann! Was sollen denn die Nachbarn von euch denken!“
„Hey, chill mal, Schwiegermutti!“, grölt Mika. „Hol deinen Bikini und komm rein zu uns!“
„Ey!“, zischt Paul mit hochrotem Kopf seinen Freund an, während Lisa ihn böse anfunkelt und bissig fragt: „Bist du wieder bekifft, Mika? Und überhaupt: Als ich dich kennengelernt habe, warst du irgendwie noch nachhaltiger und umweltbewusster unterwegs. So ein Whirlpool wäre damals für dich nur übertriebener Luxus gewesen!“
„Ey, das ist ein Jacuuuuuuzziiiii! Kein Whirlpoooooooool“, lacht Mika und spuckt ihr einen Strahl Wasser entgegen. „Das ist Kult!“
„Ja, wahrscheinlich auch nur deshalb, weil mein Sohn diesen Kult von seinem schwer verdienten Geld zahlt!“ zetert Lisa. „Wie sieht’s überhaupt aus mit deinen Abschlussprüfungen, Paul? Bist du gut vorbereitet?“
„Oh, Mama, echt jetzt, das ist erst nächste Woche!“ mault Paul. „Und, ja!!! Ich bin bestens vorbereitet!“
„Und übernimmt dich der Fröhlich im Naro?“, bohrt Lisa weiter.
„Der Vertrag liegt schon auf seinem Schreibtisch, ich muss nur noch die Prüfung bestehen“, erwidert Paul genervt.
„Nur noch“, mosert Lisa und setzt eingeschnappt ihren Weg nach Hause fort.
Auch Lovis drängt ihre Schwestern zum Weitergehen, obwohl die gerne noch geblieben wären, und wirft Mika noch einen verächtlichen Blick zu. Als Quittung spuckt er auch ihr einen Schwall Wasser hinterher und trifft sie sogar im Nacken – woraufhin sie ihm einen noch vernichtenderen Blick schenkt…
Zur gleichen Zeit erstrecken sich Kerstin und Nils in einer nahezu grotesken Position, die sie sich aus dem seltsamen Ratgeber von Kerstins Kollegin abgeguckt haben, in der verzweifelten Bemühung, ein sexuelles Highlight zu erzielen. Von Lustgewinn ist dabei jedoch nicht sehr viel zu spüren, eher von Krämpfen in den verschiedensten Extremitäten, die darin gipfeln, dass beide einen hemmungslosen Lachanfall bekommen.
„Ich würde sagen, du gibst deiner Kollegin dieses komische Machwerk morgen zurück und wir gehen ins Bett wie zwei ganz normale Menschen und haben dort ganz normalen Sex“, schlägt Nils vor.
„Einverstanden“, lacht Kerstin und befreit sich mühselig aus der verkrampften Position, in der sie unter ihrem Mann auf dem Tisch liegt. „Wer denkt sich so einen Mist nur aus?“
„Und vor allem: Wer glaubt, dass so etwas stimulierend sein könnte?“, lacht Nils.
In diesem Moment wird die Wohnungstür aufgeschlossen und man hört Lovis durch den Flur rufen: „Wir sind wieder daaaa!“
„Jetzt schon?“, keucht Kerstin entsetzt. Hektisch fahren die beiden auseinander und springen in aller Eile in ihre Klamotten. Im letzten Moment pfeffert Kerstin den Sexualratgeber zwischen die Blumentöpfe auf der Fensterbank…
Als die drei Mädchen in diesem Augenblick die Küche betreten, bietet sich ihnen ein abstruses Bild: Ihre Eltern stehen links und rechts vom Küchentisch, mit hochroten Köpfen, völlig zerzausten Haaren und Schweißperlen auf der Stirn. Kerstin trägt ihr Sommerkleid auf links, Nils hat Boxershorts an und ein vollkommen falsch geknöpftes Hemd, während seine Hose auf dem Fußboden liegt.
„Was macht ihr da?“, fragt Lovis misstrauisch.
„Nichts!“, antwortet Kerstin atemlos und wischt sich hastig eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Hattet ihr Sex?“, fragt Maite gerade heraus.
„Nein!“, sagt Kerstin schnell.
„Auf dem Küchentisch, von dem wir essen?,“ fragt Merle angewidert.
„Wir haben… geputzt“, erklärt Nils keuchend.
„Geputzt?“ fragt Lovis. „Um die Uhrzeit?“
„Und in der Aufmachung?“, fragt Maite und deutet auf die Boxershorts und das falsch geknöpfte Hemd ihres Vaters.
„Uns war heiß dabei“, erwidert Nils.
„Ja, das glaub ich“, sagt Lovis trocken.
„Sehr gut geputzt und aufgeräumt sieht das hier aber nicht aus“, stellt Merle fest. Sie lässt ihren Blick durch die Küche schweifen und bleibt dann kurz bei dem Buch zwischen den Blumen hängen.
„Wir gehen dann mal schlafen, morgen ist schließlich Schule“, erklärt Lovis. „Viel Spaß noch beim… Putzen.“
Die Mädels verschwinden und Nils und Kerstin stehen noch einen Moment lang da wie vom Donner gerührt, ehe sie prustend in Gelächter ausbrechen …
Als Merle nach dem Zähneputzen nochmal in die Küche kommt, um sich etwas zu trinken zu holen, fällt ihr Blick erneut auf das Buch, das immer noch merkwürdig deplatziert zwischen den Blumen auf der Fensterbank liegt und sie nimmt es neugierig an sich. Sie blättert kurz durch die Seiten, dann eilt sie damit zu ihrer Schwester. Und weil die Hitze des Tages sich nach wie vor unerträglich in den Zimmern der Wohnung staut, verdünnisieren die Zwillinge sich damit in deutlich kühlere Treppenhaus, um die Lektüre genauer in Augenschein zu nehmen.
Derweil wird auch Lovis von der Hitze und der unerträglichen Schwüle wieder aus dem Bett getrieben. Sie geht hinaus auf den Balkon und ihr Blick geht hinüber zum Jacuzzi vor der Lindenstraße 1., wo immer noch das pralle Leben tobt. Warum nur beschwert sich keiner der Anwohner über die späte Ruhestörung? So etwas sollte die Polizei unterbinden und nicht ihre gut gemeinten Demos …?
Während Mika, Paul, Romy und ihre Freunde ausgelassen die Sommernacht genießen, kommt Ludde die Lindenstraße hinunter, nur mit Badehosen und Badelatschen bekleidet, lässig ein Handtuch über der Schulter hängen.
„Ist hier noch ein Platz für mich frei?“, fragt er, als er den Pool erreicht hat. Während Romy ihn mit großer Freude begrüßt und sogleich Platz für ihn macht, ist Mika alles andere als begeistert und sofort knistert die Feindseligkeit gegen den Neuankömmling wie ein aufziehendes Gewitter in der schwülen Hitze der Sommernacht.
Lovis beobachtet das Spektakel missbilligend weiter. Als sie sich gerade wieder in die Wohnung zurückziehen will, geschieht aber plötzlich etwas: Mit nur wenigen provokanten Bemerkungen in Richtung Ludde, bringt Mika diesen binnen Sekunden auf die Palme. Der Disput beginnt mit wüsten gegenseitigen Beschimpfungen zwischen den beiden und endet damit, dass Ludde hochgeht wie eine (Wasser)bombe und sich plötzlich auf Mika stürzt und ihn mehrfach unter Wasser drückt. Einige der Anwesenden halten das Ganze zunächst wohl für ein Spiel, eine harmlose Kabbelei, begreifen dann aber doch den Ernst der Lage und trennen die beiden mit Leibeskräften…
Während Mika wieder auftaucht und keuchend und nach Luft schnappend über dem Pool-Rand hängt, tobt Ludde immer noch und spuckt weiterhin hochaggressiv Beschimpfungen in Richtung Mika aus – bis er sich der Enttäuschung bewusst wird, die Romy wegen seines Verhaltens ins Gesicht geschrieben steht.
„Ey, das tut mir leid“, sagt er zu ihr.
„Was?“ Dass du uns hier alles versauen musst?“, fragt sie mit einer Mischung aus Wut und Trauer. „Es war so ein schöner Abend, aber du musst alles kaputt machen!“
„Ey, der hat mich provoziert!“, verteidigt sich Ludde.
„Und deshalb musst du ihn gleich halb ersäufen?“, fragt Romy fassungslos. „Dann lass ihn doch einfach links liegen.“
„Sorry“, murmelt Ludde.
„Vielleicht ist es besser, wenn du jetzt wieder gehst“, schlägt Romy vor.
„Dein Ernst?“, fragt Ludde.
„Ja!“ erwidert Romy unterkühlt und ihr Blick lässt keine Zweifel zu, dass sie dies nicht voll und ganz so meint.
„Na dann…“, brummt Ludde und zieht tropfnass ab in Richtung Villa, während sich der Rest der Anwesenden aufgeregt um Mika kümmert. Kopfschüttelnd geht Lovis zurück ins Bett…
Derweil sitzen ihre Schwestern Maite und Merle kichernd über dem Sex-Ratgeber, als sie plötzlich Schritte von unten die Treppe hinaufkommen hören. Im nächsten Augenblick kommt Dagmar um die Ecke und Merle versteckt schnell das Buch hinter ihrem Rücken.
„Könnt ihr vielleicht mal Platz machen?“, faucht Dagmar, die wegen der warmen Temperaturen noch einen späten Abendspaziergang gemacht hat. „Hier kommt ja kein Mensch durch!“
Die Zwillinge rücken auseinander und geben den Mittelteil der Treppe frei.
„Was macht ihr hier überhaupt noch?“, keift Dagmar. „Gehört ihr nicht längst ins Bett?“
„Was machen Sie überhaupt noch hier? Gehören Sie nicht längst ins Altenheim?“, gibt Maite frech zurück.
„So eine unverschämte Frechheit!“, schimpft Dagmar. „Euch gehört mal wirklich der Hintern versohlt. Na wartet, morgen werde ich mit eurer Mutter reden!“
„Mach doch, Petze!“ zischt Maite.
„Was versteckst du denn da hinter deinem Rücken?“, will Dagmar von Merle wissen.
„Nichts!“, sagt diese schnell und drückt sich fester mit dem Buch hinter ihrem Po an die Stufe.
„Zeig mal her!“, zischt Dagmar und ehe die Mädels es sich versehen, hat sie das Buch bereits hinter Merles Rücken hervor geschnappt und an sich gerissen.
„Das dürfen Sie nicht, das gehört Ihnen nicht!“ protestiert Maite, während Dagmar angewidert durch die Lektüre blättert.
„Das ist ja wirklich ekelhaft!“, zetert Dagmar. „Woher habt ihr sowas?“
„Gefunden!“ behauptet Maite.
„Gefunden?“, fragt Dagmar. „Wo?“
„Hier im Treppenhaus!“, lügt Maite.
Nachdenklich blickt Dagmar sich um. Solch ein Schweinkram? Sollte das tatsächlich wahr sein? Mit dem Buch in der Hand, setzt sie ihren Weg nach oben fort.
„Ey, geben Sie das zurück, das gehört nicht Ihnen!“, ruft Maite ihr nach.
„Ja, euch ja wohl auch nicht, wenn ihr es wirklich nur gefunden habt“, erwidert Dagmar und geht weiter. Zerknirscht blicken die Zwillinge sich an und hören kurz darauf, wie oben die Wohnungstür hinter Dagmar ins Schloss fällt…
Diese blättert kurz darauf angeekelt durch die Seiten des schlüpfrigen Machwerks, als Hermann aus dem Bad kommt.
„Was liest du denn da Schönes?“, erkundigt er sich.
„Das ist einfach nur widerlich“, antwortet Dagmar und erstattet ihm Bericht.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass das von den Wendlands ist“, sagt Hermann Benodakt und betrachtet das Buch ebenfalls mit einem Gesichtsausdruck, als handle es sich dabei um etwas hochgradig Giftiges. „Das sind anständige Leute. Die Töchter sind zwar ein wenig vorlaut, aber ansonsten…“
Dagmar denkt kurz nach. „Wenn die Mädchen das Buch im Treppenhaus gefunden haben, dann muss es aber jemand hier aus dem Haus verloren haben“, grübelt Dagmar.
„Vielleicht die Halbitalienerin und ihr jugendlicher Partner“, stellt Hermann in den Raum.
„Ich wette, das ist von der rothaarigen Zenker!“, ruft Dagmar plötzlich aus. „Die war doch schon als Jugendliche völlig verdorben, nicht von ungefähr hat die mit 15 ihr erstes Kind gekriegt!“
Dagmar schnappt sich das Buch und eilt zur Tür.
„Wo willst du hin?“, ruft Benodakt ihr nach.
„Dieses primitive Machwerk zurückbringen“, entgegnet Dagmar – und schellt kurz darauf bei Zenkers Sturm.
„Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?“, fragt Valerie erbost, als sie ihr öffnet. „Ich bin Krankenschwester. Das ist ein sehr anstrengender Beruf. Und ich habe morgen Frühdienst! Ich brauche meinen Schlaf!“
„Ist Ihre Schwester da?“ fragt Dagmar völlig unbeeindruckt.
„Die schläft ebenfalls schon“, erwidert Valerie gereizt.
Dagmar hält Valerie das Buch unter die Nase und faucht: „Geben Sie ihr das bitte? Und richten Sie ihr aus, dass es schön wäre, wenn sie in Zukunft ihren Schmuddelkram nicht mehr im Treppenhaus rumliegen lässt!“
„Schmuddelkram?“ fragt Valerie irritiert, doch Dagmar ist bereits abgerauscht. Neugierig beginnt Valerie in dem Büchlein zu blättern, als plötzlich Iffi und Roland in ihrer Schlafzimmertüre stehen.
„Wer war denn das?“, fragt Iffi schrill. Valerie zuckt zusammen. „Die blöde Hoffmeister von oben“, erwidert sie. „Du sollst besser auf deinen Schmuddelkram aufpassen!“
„Schmüddelkröm?“ fragt Roland.
„Das hier!“, zischt Valerie, drückt ihrer Schwester das Buch in die Hand und verschwindet in ihr Zimmer.
„Wos üs’nn dös?“ fragt Roland neugierig.
„Keine Ahnung“, erwidert Iffi, „mir gehört das nicht…“
Dennoch beginnen beide, interessiert in dem Buch zu blättern – und finden sehr bald Gefallen an den darin beschriebenen Praktiken, die ihnen die Schlaflosigkeit in der schwülen Tropennacht kurzweiliger macht – so kurzweilig, dass sich Valerie bald darauf Oropax aus dem Bad holen muss, um heute überhaupt Ruhe zu finden…
Als die Wendlands am nächsten Morgen am Frühstückstisch sitzen, blickt Kerstin sich immer wieder nervös in der Küche um und scheint mit ihren Blicken alles abzutasten.
„Suchst du was?“, möchte Annalena wissen.
„Nein“, sagt Kerstin hastig – doch ihr Blick spricht eine andere Sprache.
Vielsagend sehen sich die Zwillinge an und senken den Blick. Hoffentlich wird die blöde Hoffmeister sie nicht bei ihren Eltern verpetzen…
„Hast du das Buch weggeräumt?“, möchte Kerstin kurz darauf von Nils wissen, doch der verneint.
„Scheiße“, flüstert Kerstin.
„Wenn’s deiner Kollegin so wichtig ist, bestellen wir einfach ein neues im Internet“, meint Nils.
„Darum geht’s mir doch gar nicht“, erwidert Kerstin. „Es wär mir halt einfach so peinlich, wenn den Mädels das in die Finger fällt.“
Einen kurzen Moment lang sehen die beiden sich betreten an, grinsen – und brechen schließlich in schallendes Gelächter aus...

Als Gung am heutigen Abend das Akropolis betritt, sitzt lediglich Andy am Stammtisch, von den anderen ist nichts zu sehen.
„Trink ruhig erstmal was“, begrüßt Andy den Vietnamesen. „Aber nicht zu viel. Wir bleiben heute nicht hier, wie haben noch was anderes vor.“
„Was haben wir vor?“ fragt Gung irritiert.
„Ich hab dir doch gesagt, dass ich dir, nun ja, nennen wir es, ein amouröses Abenteuer organisieren werde“, lacht Andy und Gung schießt sogleich die Röte ins Gesicht.
„Was hast du vor?“ fragt er nervös.
„Trink erstmal was“, erwidert Andy. „Dann wirst du schon sehen.“
Nachdem beide bei Vasily ein Bier bestellt und zügig getrunken haben, machen sich Andy und Gung gemeinsam auf den Weg quer durch die Stadt. Dabei wächst Gungs Anspannung zunehmend. Wen sollte Andy für ihn »organisiert« haben…?
Schließlich stehen die beiden vor einem alten Backsteingebäude, das eigentlich völlig unauffällig sein könnte, wäre da nicht die Leuchtreklame, die darauf hinweist, dass es sich hier um ein ganz bestimmtes Etablissement handelt…
Gung schnappt empört nach Luft. „Du gähst mit mir in einen… in ein…“, keucht er.
„In einen Puff, ja“, vollendet Andy ungerührt seinen Satz. „Nun stell dich doch nicht so bieder an!“
Gungs Gesichtsfarbe wechselt zwischen kreideweiß und knallrot und er bringt kein Wort heraus.
„Von mir aus nennen wir es auch Bordell“, meint Andy diplomatisch.
„Konfuse sagt…“, presst der Vietnamese mühsam hervor, wird aber sogleich barsch von Andy unterbrochen: „Ach, jetzt laber keinen Müll! Dein Konfuzius wird wohl nichts gegen ein anständiges, im Melderegister eingetragenes Bordell haben.“
„Käufliche Liebe ist…. Ist nichts für mich!“ stöhnt Gung gequält.
„Das ist heutzutage nun wirklich nichts Verwerfliches mehr“, versucht Andy ihn zu beruhigen. „Und ich habe dir heute Nacht eine ganz besonders sympathische Dame gebucht. Vielleicht kennst du sie sogar noch. Komm, wir gehen rein!“
„Ich känne solche Frauen nicht“, wimmert Gung, während er Andy mit ungutem Gefühl ins Innere des Hauses folgt. Andy führt Gung eine Treppe hinauf in den zweiten Stock und einen langen Flur entlang, der mit einem roten samtenen Teppichboden ausgelegt ist. Gung fühlt sich mit jedem Schritt unwohler, das alles wirkt so klischeehaft – und er mittendrin. Noch nie hat er ernsthaft in Erwägung gezogen, solche Dienste für sich in Anspruch zu nehmen…
Andy klopft schließlich an eine Tür am Ende des Flures und eine weibliche Stimme bittet sie hinein. Die Dame, die Gung nun in aufreizender, sehr knapper Kleidung gegenüber steht, kommt ihm tatsächlich vage bekannt vor, allerdings kann er sie im Augenblick nicht zuordnen.
„Du erinnerst dich an Pia Lorenz?“, fragt Andy.
„Also ich jedenfalls erinnere mich an dich“, sagt Pia und macht einen Schritt auf Gung zu, der erschrocken ein Stück zurückweicht.
„Keine Angst, Süßer, ich beiße nicht“, lacht Pia.
„Ich lasse euch mal alleine“, beschließt Andy. „Und ich garantiere dir, bei Pia bist du in den allerbesten Händen…“
Ehe Gung noch irgendetwas erwidern kann, lässt Andy ihn einfach mit dieser Frau alleine. Gung läuft es heiß den Rücken hinunter und sein Magen verkrampft sich – und das liegt nicht nur an der drückenden Schwüle dieser Nacht und vermutlich auch nicht an den ätherischen Ölen, die durch diese Räumlichkeit wabern…
Pia streicht Gung sachte über die Wange. „Auf was stehst du denn so?“, fragt sie. „Ich könnte dir alles Mögliche anbieten, Andy hat im voraus großzügig bezahlt.“
„Toilette“, presst Gung hervor und Pia deutet ihm dem Weg.
Nachdem der Vietnamese sich erleichtert hat – wobei er sich außerordentlich viel Zeit ließ – kehrt er zögerlich in Pias Zimmer zurück. Pia sitzt auf dem Bett und schlägt die Beine übereinander, Gung nimmt auf einem Stuhl Platz.
„Nun sei doch nicht so schüchtern“, lacht die Prostituierte. „Andy hat mir schon erzählt, dass du möglicherweise ein wenig verklemmt sein könntest, aber dass es so schlimm ist, hätte ich nun wirklich nicht erwartet.“ Sie deutet ihm an, sich zu ihr aufs Bett zu setzen, doch Gung rührt sich nicht vom Fleck.
Pia blickt ihn nachdenklich an. „Okay“, sagt sie. „Wir haben ja Zeit. Jetzt musst du erst einmal ein bisschen lockerer werden. Wir können ja erstmal ein bisschen reden. Wo kommst du denn her?“
„Ich wohne in där Lindenstraaße“, erklärt Gung. „Wie Andy!“
„Das weiß ich“, lacht Pia. „Habe da auch mal kurzzeitig gewohnt. Ich wollte eigentlich wissen, woher du ursprünglich kommst.“
In diesem Moment macht sich in Gung die Erkenntnis breit. „Sie sind die frühere Freundin von Oooolaaaaf Kling!“ sagt er.
„Unschönes Kapitel meines Lebens“, meint Pia schulterzuckend. „Und? Woher kommst du? China? Japan? Thailand?
„Vietnam“, erwidert Gung.
Und in den nächsten Stunden erzählt er ihr ausführlich von seiner Kindheit und Jugend in Vietnam, die vom grausamen Vietnam-Krieg geprägt war, vom Tod seiner Eltern und wie er mit seinen Geschwistern aus dem Land floh und dabei auch seinen Bruder und seine Schwester verlor. Pia hört ihm interessiert und aufmerksam zu. Als sie aus ihrem Leben berichtet, u.a. auch von ihrer unglückseligen Beziehung zu Olaf Kling, beginnt auch bei Gung das Eis zunehmend zu brechen…
Zum Geschlechtsakt kommt es trotzdem nicht, dafür darf Pia zu fortgeschrittener Stunde ihre Massagefähigkeiten bei Gung unter Beweis stellen.
„Mein Gott, bist du verspannt!“, stellt sie fest, während sie seine Schultern und seinen Rücken knetet.
„Du kannst das gut“, sagt Gung und genießt die Situation sichtlich.
Pia berichtet ihm von ihrer Ausbildung zur Masseurin und dass sie in diesem Beruf kurzzeitig im Hotel Bei den Linden arbeiten durfte, ehe es zu der schrecklichen Katastrophe im letzten Herbst kam.
„Warum du arbeitest nicht woooanders als Masseurin?“, möchte Gung wissen. „Warum du arbeitest wieder hier? Du bist wirklich gut!“
„Hier bin ich aber auch wirklich gut!“, lacht Pia. „Außerdem ist es nicht so leicht. Ich habe jahrzehntelang als Nutte gearbeitet. Und so ein lückenhafter Lebenslauf macht sich bei den Personalern nicht so gut. Wenn die hören, dass ich mein Leben lang anschaffen war, dann wollen die mich direkt nicht mehr. Und wenn ich irgendeine Vita erfinde, wollen die natürlich Arbeitszeugnisse und sowas. Es ist so oder so eine verfahrene Kiste, aus der ich nicht rauskomme. Ich mach mir da keine Illusionen. Meine Anstellung in dem Hotel war ein einmaliger Glücksfall, sowas passiert mir nicht nochmal im Leben.“
„Warum du hast nie gelärnt was Richtiges?“ fragt Gung.
„Weil mein Hauptschulabschluss mehr schlecht als recht war“, gibt Pia zu. „Ich wusste auch gar nicht so recht, was ich mit meinem Leben anfangen soll. Habe mal irgendwann eine Friseurlehre angefangen und schon nach ein paar Wochen gemerkt, dass das nichts für mich ist. Dann hab ich halt gejobbt, mal hier, mal da. Und mit Anfang 20 bin ich dann in diesem… nun ja… Metier gelandet. Ich hab das aber gar nicht als schlimm empfunden. Geld für Sex! Hab ich nicht als schlechten Deal empfunden… Aber, weißt du was, mit dem Anschaffen ist es wie mit dem Modeln. Je älter du wirst, desto schlechter wird dein Marktwert.“ Pia lacht bitter auf.
„Das ist traurig“, sagt Gung ernst.
„Ach was, so schlimm ist es nun auch nicht“, lacht Pia. „Immerhin lebe ich noch nicht auf der Parkbank.“
Gung und Pia unterhalten sich weiter, bis der Morgen zu grauen beginnt. Zum Sex kommt es nicht. Und dennoch fühlt Gung sich gut, als er Pia Etablissement verlässt.
„Hat mich sehr gefreut, dich kennenzulernen“, sagt Pia zum Abschied lächelnd. „Oder eher gesagt, besser kennenzulernen. Wirklich kennengelernt haben wir uns ja vorher nicht.“
„Es war sähr schön“, findet auch Gung.
„Vielleicht sieht man sich ja mal wieder?“, fragt Pia. „Zum Plaudern oder… oder auch mehr?“
„Vielleicht!“ sagt Gung und verabschiedet sich. Während Pia es nicht fassen kann, auf solch einfache Weise Geld für eine ganze Nacht verdient zu haben, hat Gung Andy gegenüber ein schlechtes Gewissen. Das hat er sich sicherlich nicht dabei gedacht, als er auf diese Weise sein Geld für ihn investiert hat. Er muss ihm das auf jeden Fall zurück zahlen, alles andere wäre unanständig… Dennoch zehren sowohl Pia wie auch Gung an diesem Morgen von den vergangenen Stunden, gefüllt mit angenehmen Gesprächen. Und in beiden regt sich der Wunsch, den anderen mal wiederzusehen…

Völlig verschwitzt kehrt Popo am heutigen Abend von ihrer Schicht im Café Bayer in die Alten-WG zurück. Das Wetter macht ihr zu schaffen. Und die Kundschaft im Café sowieso. Sie hasst diesen Job. Nun schnell eine erfrischende Dusche, neue Klamotten und dann raus ins Münchener Nachtleben. Das hat sie sich mehr als verdient nach diesem beschissenen Tag.
„Du kommst mir wie gerufen“, empfängt Helga sie sogleich. „Mach dich ein wenig frisch, wenn du magst, und dann kannst du mir helfen!“
„Helfen?“, fragt Popo misstrauisch.
„Ja, ich möchte die Küchenschränke auswaschen“, erklärt Helga. „Die haben es mal wieder bitter nötig.“
„Now?“, ruft Popo fassungslos aus. „It’s evening. Da machen normal people Feierabend!!!“
„Ich wollte das nicht in der Hitze des Tages machen und habe dafür extra die Kühle des Abends abgewartet“, erklärt Helga, während sie sich den Schweiß von der Stirn tupft.
„Welche Kühle?“, fragt Popo gereizt. „Es gibt keine Kühle! Es soll bleiben so heiß die ganze Abend und die ganze night!“
„Nun stell dich nicht so an, wir schalten den Ventilator an“, sagt Helga. „Mach dich frisch, ich fang schon mal an!“
„Warum du machst so etwas nicht mit Gabi?“, fragt Popo verständnislos. „Die hängt die ganze Tag rum in die Wohnung!“
„Gabi geht es nicht gut!“, erklärt Helga streng. „Da muss man Rücksicht nehmen!“
Popo fehlt gerade die Energie für eine Diskussion mit Helga. Also springt sie unter die Dusche, zieht sich um und stylt sich so schnell wie es nur geht auf, während im Hintergrund Helga in der Küche zetert, dass sie sich gefälligst mal ein bisschen beeilen solle…
Als Popo fertig ist, schnappt sie sich Handy, Geld und Handtasche und stiehlt sich heimlich aus der Wohnung, während Helga meckert auf den Knien in der Küche rumrutscht.
Die WG aus dem Haus Nr. 1 hat einen Pool auf dem Gehweg aufgestellt und feiert eine wilde Party. Popo bleibt stehen und schaut eine Weile amüsiert zu. Gerne würde sie sich dazu gesellen. Das macht bei dieser Hitze sicher Spaß. Aber so in unmittelbarer Nachbarschaft ist das Risiko viel zu hoch, dass Helga sie entdeckt und zum Küche putzen in die Wohnung zurück beordert…
Also springt Popo in den nächsten Bus und fährt in Richtung Innenstadt. In den letzten Wochen hat sie das Blue Bayou für sich entdeckt, ein netter kleiner Club mit guter Musik, coolen Leuten und tollen Cocktails.
Auch an diesem Abend ist die Stimmung gut und es ist trotz der Hitze und trotz der Tatsache, dass das Wochenende eigentlich ja erst morgen beginnt, ziemlich voll. Popo trinkt und tanzt und hat Spaß. Und für einen Flirt ist sie auch immer zu haben. Allerdings weiß sie nicht so recht, was sie von dem jungen Typen halten soll, der ihr von der Bar aus zuprostet, als sie sich auf der Tanzfläche auspowert. Okay, er sieht ja nicht schlecht aus, trotzdem ist er eher nicht so ihr Typ mit seinem gebügelten Designer-Hemd, der schicken Brille und der akkuraten Frisur. Sie würde mal sagen, er ist eher so der Typ Bänker oder Jurist. Sie steht ja mehr so auf die verwegenen Typen mit langen Haaren, Bart und Tattoo. Typ Abenteurer… Kurz muss sie sehnsüchtig an Kolja denken. Andererseits: Vielleicht hat der Typ ja wenigstens Kohle … Mit Kolja hatte sie beides; den Abenteuer-Typen und einen, der Kohle hatte – zumindest bis sein Vater ihm den Geldhahn zugedreht hat. Und dieses Vatersöhnchen hat sich ja gleich von ihm gängeln lassen… Popo wischt den Gedanken an Kolja weg und widmet sich nun doch dem Typen an der Bar…
„Du bist häufiger hier, nicht wahr?!“, begrüßt er sie. „Letzte Woche hab ich dich hier auch schon gesehen.“
„Ich dich nicht“, entgegnet Popo.
„Ich bin Joris“, stellt er sich vor.
„Ihr Deutschen habt manchmal so komische Namen“, meint Popo.
„Wie heißt du denn?`“ fragt Joris.
„Popocatepetl!“
„Oh! Ja, das ist… schön“, lacht Joris. „Bist du Engländerin? Amerikanerin?“
„Canadian!“
Doch so sehr Joris sich auch bemüht und so viel guten Willen wie Popo auch zu zeigen versucht – der Funke will einfach nicht überspringen. Joris ist genau das, was der erste Eindruck für Popo versprochen hat: Langweilig und uninteressant. Daher passiert es auch sehr schnell, dass sie sich wieder von ihm abwendet, tanzt und andere Flirts sucht. Aber Joris lässt nicht locker und tigert im weiteren Verlauf der Nacht immer wieder um sie herum.
„Ich werde gehen jetzt“, lässt Popo ihn zu später Stunde wissen und hofft, dass er endlich von ihr ablässt.
„Ein letzter Drink zum Abschied?“, fragt Joris. „Nochmal den Cocktail von eben?“
„Meinetwegen“, gibt Popo sich geschlagen. Denn der Cocktail war wirklich lecker und wenn der Typ ihn bezahlt, warum nicht…
Joris ordert das gleiche Getränk wie Popo und die beiden stoßen an.
„Auf dich!“ sagt er.
„Lieber nicht“, erwidert Popo genervt und dreht sich ein wenig von ihrem aufdringlichen Verehrer weg, während sie an ihrem Strohhalm nuckelt. Nachdem sie ihr Glas geleert hat, verabschiedet sie sich von Joris und lässt sich von ihrem Hocker gleiten. Dabei merkt sie, dass sie nicht mehr ganz so sicher auf den Beinen ist, wie sie es sein sollte und muss sich festhalten.
„Ooops“, entfährt es ihr. „Vielleicht doch a little too much Drinks tonight.“
„Alles klar?“, erkundigt sich Joris. „Kommst du zurecht?“
„Ja“, lacht Popo verkrampft. Sie hat das Gefühl, dass ihre Beine sie kaum noch tragen können. Ihr Herz beginnt zu rasen und der Raum scheint sich zu drehen. „Nur kurz zur Toilette“, flüstert sie, wischt sich den Schweiß von der Stirn und steuert die Toiletten an. Dann wird alles schwarz…
Als Popo zu sich kommt, sticht das grelle Morgenlicht ihr wie ein Dolch ins Hirn und sie muss die Augen abschirmen, um überhaupt etwas sehen zu können. Sie liegt auf dem Fußboden in einem Hausflur, hat einen pelzigen Geschmack auf der Zunge. An der Wand steht ein ziemlich mitgenommen aussehender Kinderwagen, daneben Müllsäcke voller Pampers. Es riecht nach Fäkalien, Urin, Schweiß und Essensausdünstungen und Popo muss sich übergeben. Anschließend richtet sie sich mühsam auf. Ihr ist immer noch schrecklich schwindelig, ihr Kopf scheint gleich zu zerplatzen und ihr Unterleib schmerzt höllisch. Als Popo an sich hinab sieht, erkennt sie, dass ihr Rock zerrissen ist und angetrocknete Blutreste an den Innenseiten ihrer Oberschenkel kleben.
Popo stolpert zur Tür hinaus. Das Tageslicht draußen trifft sie noch einmal wie ein Schlag ins Gesicht. Sie stützt sich gegen die Hauswand und übergibt sich erneut. Dann blickt sie sich um. Sie hat keine Ahnung, wo sie hier ist. Dann stellt sie fest, dass ihre Handtasche fehlt und somit auch ihr Handy. Erneut stolpert sie in den Hausflur zurück, kann aber nichts finden… Fuck! Wieder draußen auf der Straße stolpert Popo auf die nächste Ecke zu und sieht sich das Straßenschild an: Heliusstraße. Wo soll das denn sein? Popo erblickt auf der anderen Straßenseite eine dickliche alte Frau, die mit ihrem Dackel Gassi geht und stolpert zu ihr hinüber.
„Sorry, please…“, sagt Popo.
„Geh, schleich di, du dreckige Schlampn, du!“ fährt die Frau sie an und zerrt eilig ihren Dackel in den nächsten Hauseingang.
Verzweifelt sieht Popo ihr nach, dann stolpert sie weiter…
Gefühlte Ewigkeiten später kommt sie in der Lindenstraße an und schleppt sich entkräftet die Treppen zur Senioren-WG hinauf.
Als sie die Wohnung betritt, kommt Helga wie eine Tarantel aus der Küche geschossen.
„Wo kommst du jetzt her?“, schimpft sie. „Wo bist du die ganze Nacht gewesen? Du solltest mir doch mit den Küchenschränken helfen. Und wie siehst du überhaupt aus? Und wie du riiiiechst!!! Oh, mein Gott, das ist ja wirklich ekelhaft! Eine Schande bist du, eine Schande. Wenn das dein Großvater sehen würde…“
Helga schnappt sich ein Paket Eier aus dem Kühlschrank und setzt eine Pfanne mit Fett auf.
„Helga, ich…“ flüstert Popo zaghaft. „Ich… ich glaube… ich bin… vergewaltigt worden.“
Mit einem lauten Klatschen fallen die Eier zu Boden. Mit weit aufgerissenen Augen starrt Helga Popo sekundenlang an.
„Dass du dich nicht schämst...!“ brüllt sie plötzlich. „Reicht es dir immer noch nicht, was du mit deinen Verleumdungen Herrn Hülsch gegenüber angerichtet hast? Ich verbiete dir, unter meinem Dach je wieder solche infamen Lügen zu erzählen! Ansonsten kannst du nämlich wirklich sehen, wo du bleibst!!!“
Helga lässt die am Boden liegenden Eier Eier sein und rauscht mit energischen Schritten an ihr vorbei ins Bad. Popo blickt ihr fassungslos hinterher – und sinkt weinend am Rahmen der Küchentüre zu Boden…

CLIFFHANGER auf: Popo Wolfson


Mitwirkende Personen
Gung Phan Kien
Pia Lorenz
Andy Zenker
Valerie Zenker
Iffi Zenker
Roland Landmann
Nils Wendland
Kerstin Wendland
Annalena Wendland
Lovis Wendland
Maite Wendland
Merle Wendland
Hermann Benodakt
Dagmar Hoffmeister
Lisa Dagdelen
Paul Dagdelen
Mika Arlen
Romy Brinkmann
Ludde Mayer
Popo Wolfson
Helga Beimer
Vasily Sarikakis
Joris
Passantin mit Hund

© ´popo wolfson` 2023

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: So 16. Jul 2023, 09:00 


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BeitragVerfasst: Mo 17. Jul 2023, 20:01 
Offline

Registriert: Mi 29. Sep 2010, 00:11
Beiträge: 11588
eine sehr extreme Folge.
Anfangs habe ich sehr gelacht. Ich fand die Story mit dem Buch sehr witzig.
Das Ende...zwischendurch dachte ich, Listra-Popo wird ermordet, muss ich gestehen, weil der Typ, so wie Du es aufgebaut hast, Popo-real, unheimlich gewirkt hat. Insofern war ich froh, dass die Geschichte "nur" diese Wendung genommen hat. Bin gespannt, wie Listra-Popo das verarbeiten wird.

sehr gute Folge!!!


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