Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1918 - Dicker als Wasser
BeitragVerfasst: Sa 11. Mai 2024, 23:34 
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Folge 1918: Dicker als Wasser

Spieltag: Donnerstag, 09.05.2024 (Christi Himmelfahrt)


Wie Ines es bereits befürchtet hat, ist der Biergarten des Akropolis am heutigen Vatertag und bei herrlichstem Maiwetter bereits am Vormittag so gut besucht, dass sie hier keinen Platz mehr findet. Schade um den schönen Sonnenschein. Aber Ines betritt stattdessen den Gastraum, der auch gut besucht ist, aber in dem sie zumindest noch einen freien Platz findet – wenn auch in unmittelbarer Nähe zur Tür, so dass jeder, der rein oder raus will direkt an ihr vorbei kommt. Ines nickt Vasily freundlich zu, der hinter dem Tresen steht. Der nickt zurück, dann stutzt er und beginnt plötzlich aufgeregt mit seiner Freundin Simone zu tuscheln, die mit ihrem Laptop vor dem Tresen sitzt. Beide blicken immer wieder zu ihr hinüber. Plötzlich kommt Mary aus dem hinteren Teil des Lokals, sagt etwas zu Simone und Vasily und geht dann auf den Ausgang zu.
„Ach, Sie sind wieder in München?“, fragt Ines überrascht, als Mary an ihrem Tisch vorbeikommt.
„Hallo, nur vorübergehend“, erwidert Mary und verlässt das Lokal.
Kurz darauf tritt Vasily mit finsterer Miene an Ines’ Tisch.
„Ich hätte gerne einfach nur eine Apfelsaftschorle“, sagt Ines freundlich.
„Sie werden hier nicht bedient!“, knurrt Vasily sie finster an, während Simone wie gebannt zu ihnen hinüber starrt.
„Wie bitte?“, fragt Ines verständnislos.
„Jetzt spielen Sie hier mal nicht die Unschuldige!“ brummt Vasily. „Sie gehören doch auch zu diesem Verein!“
Schlagartig wird Ines bewusst, dass es hier mal wieder um ihre Zugehörigkeit zu Society geht.
„Erstens gehöre ich zu keinem VEREIN“, erklärt Ines. „Und zweitens wüsste ich nicht, was das damit zu tun hat, dass ich hier etwas trinken möchte. Ich bin ein zahlender Gast, wie jeder andere auch.“
„Sie haben doch schon häufiger Leute denunziert, die etwas gegen Ihren Verein gesagt haben“, sagt Vasily. „Jedenfalls hört man das so!“
„Ich weiß wirklich nicht, was Sie von mir wollen“, wehrt Ines sich.
„Kann es sein, dass Sie meine Freundin unter Druck setzen, weil sie es gewagt hat, ein Buch über Ihren Verein zu schreiben?“ Vasily deutet mit dem Kopf zur Theke in Richtung Simone.
„Ach, das ist die Autorin von diesem schmierigen Machwerk?“, lacht Ines auf. „Da kann man Sie und Ihre Freundin ja wirklich nur bedauern für so viel Engstirnigkeit… Aber ernsthaft, damit habe ich nichts zu tun!“
„Das können Sie mir nicht erzählen!“, schimpft Vasily. „Es ist doch kein Zufall, dass Sie ausgerechnet jetzt hier in München auftauchen, wo dieser Psychoterror gegen meine Freundin beginnt!“
„Ich bin rein privat hier in München“, kontert Ines. „Aber wenn Ihre Freundin ein solch verleumderisches Buch über unsere Gemeinschaft schreibt, dann muss sie sich auch nicht wundern, wenn sie dafür Gegenwind bekommt!“
„Gegenwind?“, spuckt Vasily wütend aus. „Das ist Psychoterror!!!“
„Denken Sie doch, was Sie wollen!“ Ines erhebt sich und schnappt sich ihre Handtasche. „Und glauben Sie nicht, dass ich Ihr Lokal je wieder betrete. Da, wo man so wenig Toleranz für die Weltsicht anderer Menschen hat, werde ich zukünftig bestimmt nicht auch nur noch ein Glas Leitungswasser trinken!“
„Glauben Sie bloß nicht, dass Leute wie Sie bei mir auch nur noch ein Glas Leitungswasser bekommen!“, brüllt Vasily ihr nach, während Ines hoch erhobenen Hauptes sein Lokal verlässt …
Auf der Straße blickt sie sich wütend um. Was fällt diesem Kerl eigentlich ein? Und überhaupt, was soll dieser Hass, diese Vorurteile gegen die Gemeinschaft, die ihr so viel Kraft und Stärke gibt …?
Ines ist die Lust darauf vergangen, den Feiertag unter Menschen und an der frischen Luft zu genießen. Missmutig kehrt sie zurück in ihr Bed & Breakfast, zieht sich in ihr Zimmer zurück und liest. Am liebsten würde sie zurück nach Rom fahren. Aber andererseits will sie David nun auch nicht im Stich lassen, der ihre Hilfe gerade so gut gebrauchen kann und den sie viel zu lange vernachlässigt hat …
Ines legt sich mit einem Liebesroman auf ihr Bett und ist voll und ganz in der seichten, aber herzerwärmenden Lektüre versunken, als es plötzlich an ihrer Zimmertür klopft. Wer mag das denn sein? Vielleicht David…? Ines öffnet die Tür – und weicht erschrocken zwei Schritte zurück …
„O… Olaf?“, presst sie fragend hervor und starrt dabei in das verwahrloste Gesicht ihres Ex-Mannes… Der ringt sich nun ein Lächeln ab und flüstert: „Hallo Ines! Gut schaugst aus! Koan Tag öider ois wia I di kennt hob’…“
„W… was machst du hier?“, presst Ines atemlos hervor.
„I woid di seng“, sagt Olaf, immer noch versonnen lächelnd.
Ines braucht mehrere Sekunden, um ihre Fassung wiederzufinden. Dann will sie Olaf die Tür vor der Nase zuschlagen, doch der ist schneller und schiebt seinen Fuß dazwischen.
„Olaf, bitte verschwind von hier!!“, fordert Ines ihn auf.
Doch Olaf schiebt sich an ihr vorbei ins Zimmer und schließt die Tür hinter sich.
„Nu kemma in Rua reden“, sagt er und lächelnd unverdrossen weiter.
„Geh oder ich… rufe um Hilfe“, keucht Ines.
„Mei, Ines, muast doch koane Angst vor mir ned hom“, sagt Olaf beschwichtigend. „I würd dir doch nix antuan. I lieb dich doch. Du bist doch die große Liab von mei Leben…“
„Olaf, bitte geh!“, sagt Ines, so ruhig und gleichzeitig so nachdrücklich wie möglich.
„Mei, Ines, wie lang hob I von diesem Augenblick draamt“, sagt er – ungeachtet ihrer Aufforderungen. „Dir noch amoi gengüberstaan…“
„Wie schaugst dann du überhaupt aus?“, fragt Ines fassungslos. „Lebst auf der Straß?“
Olaf nickt bekümmert. „Ines“, flüstert er fast zärtlich. „Nie hab I an Frau g’liebt wie di! Du bist und bleibst die einzig Wahre für mi! Lass uns … all die olden G’schichten vergesse. Bittschön, Ines …lass uns a Neuanfang mocha …“
„Was redst du? Olaf, du wirst polizeilich gesucht! Jahrelang warst verschollen und plötzlich tauchst hier einfach so auf! Wie stellst denn dir das vor? Ein Neuanfang?! Nach allem, was war?!“
„Aber, schau Ines, es war doch so schee mit uns. Woast es dann nimmer?“
„Olaf, bitte verschone mich!“, drängt Ines. „Es ist zu viel passiert und überhaupt… Ich… bin heut a anderer Mensch. Weißt, i hab endlich den Sinn meines Lebens gefunden. I gehört jetzt zur Society!“
„Society?“, fragt Olaf ungläubig. „Die High Society moanst? Die Münchner Schickeria?“
„Naa, I mein Society!“, erklärt sie. „Die Glaubensgemeinschaft!“
Für einen Moment starrt Olaf sie völlig konsterniert an. „Wirklich?“, fragt er und denkt nach. „Vielleicht wär des ja auch was für mi?!“
„Naa, des glaub i net“, winkt Ines eilig ab. „Olaf, bittschön, du musst jetzt gehen!“
„I werd net gehen!“, sagt Olaf entschlossen. „I hab di endlich wieda und I loss di nimmer gehen, hörst!“ Olaf packt Ines an den Schultern und versucht, sie an sich zu ziehen. Sein Blick wirkt dabei fast fiebrig und dieses Fiebrige steigert sich in Sekundenbruchteilen zu einer Intensität, die Ines einen kalten Schauer über den Rücken jagt. Das muss dieser Wahnsinn in seinem Blick sein, von dem auch Anna Ziegler gesprochen hat.
„Olaf, lass mich!“ Panisch reißt Ines sich aus seinem Griff und weicht mehrere Schritte zurück.
„I mog di nimmer valieren!“, klagt er. Der Wahnsinn aus seinem Blick ist plötzlich verschwunden, stattdessen wirkt er jetzt wie ein Häufchen Elend.
„Olaf, bitte!“, sagt Ines beschwörend. „Wenn du jetzt nicht gehst, dann muss ich die Polizei verständigen. Aber wenn’s jetzt gehst, dann … dann hab ich dich nie g’sehen. Dann hat diese Begegnung nie stattgefunden, hörst? Ich weiß sowieso net, warum du immer noch in Bayern bist! Geh fort von hier! Verlass das Land! Verlass am besten den Kontinent! Und fang irgendwo an ganz neues Leben an…“
„Und wia soi I des doaner Meinung nach anstellen?“, fragt er. „Wie soll I ohne Papiere des Land verlassen? Oder den Kontinent? I hatte doch scho versucht, neu anzufangen, in der Provinz. Aber da tauchts dann ja plötzlich die hoibate Lindenstraß'n auf. Erst die Italiener-Töchter! Dann die Zenkers! Dann die Ziegler!“
„In Sankt Aloyisbeuern,…“, flüstert Ines.
„Ach? Des woast?“, kräht Olaf.
„Meinst, sowas schlägt keine Wellen?“ fragt Ines. „Interpol sucht nach dir, Olaf. Sieh zu, dass du verschwinst und ich erzähl niemanden was!“
„Aber wohin denn?“, brüllt Olaf aufgebracht. Doch dann hält er plötzlich inne und fragt: „Konnst ma koane neia Papier besuang?“
„Ich???“, fragt Ines fassungslos.
„Ja, über doane Society! Die ham doch überoi eana Kontakte!“!
„Wir sind doch nicht die Mafia!“, empört Ines sich entrüstet. „Ich kann nichts für dich tun! Und ich will auch nicht! Geh fort von hier und komm nie nie mehr zurück, hörst!?!“
Und was nun aus Olafs Augen blitzt, ist nicht nur Wahnsinn, sondern blanker Hass.
„Du bist aa net besser ois die andern Schlompn“, zischt er kalt und bedrohlich. „Die Zenkerin! Die Zieglerin! Die Mary! Ihr Schlompn seid’s doch oi gleich! Varrecken soit’s! Varrercken und in der Hölle schmoren! Alle miteinand!!!“
Damit dreht er sich um und verschwindet. Zitternd lehnt Ines sich an die Wand und gleitet dann langsam zu Boden … Völlig durch den Wind braucht sie Minuten, um überhaupt wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Als sie dazu in der Lage ist, überschlagen sich ihre Emotionen. Am liebsten würde Ines nach dieser unverhofften Begegnung sofort wieder nach Rom abreisen, doch dann wird ihr bewusst, dass Gabi, Anna und Mary möglicherweise in Gefahr sind; Olaf hätte sie alle schon einmal eiskalt getötet. Und Mary ist gerade in München – Gabi und Anna sowieso. Olaf hat sie gerade alle buchstäblich auf dem Präsentierteller – und bei dem Wahnsinn, den sie da gerade in seinen Augen gesehen hat, muss sie damit rechnen, dass er zu allem fähig ist …
Ines verständigt die Polizei und sieht sich eine Stunde später einem großkotzigen jungen Kommissar namens Patrick Heister gegenüber. Der dankt Ines für die sachdienlichen Hinweise, dass der seit langem Gesuchte Olaf Kling sich aktuell wieder in München aufhält, glaubt aber, dass Ines’ Befürchtungen, er könne es auf Gabi, Anna und Mary abgesehen haben, völlig aus der Luft gegriffen sind…
„Sie hätten ihn sehen müssen!“, bekniet Ines ihn. „Seine Augen! Dieser Blick!! Und schließlich wollte er sie schon einmal umbringen!“
Doch Heister hält Ines’ Befürchtungen für völlig überzogen.
„Wir sind hier schließlich nicht im Wilden Westen“, meint er lapidar. „Und dieser Mann steckt ohnehin schon tief genug in der Scheiße, er wird sich sicher nicht noch tiefer reinreiten, indem er hier mitten in München einfach so drei Frauen tötet.“
„Des is’ ihm egal“, meint Ines. „Er hat doch ohnehin nix mehr zu verlieren“
„Vielleicht beruhigen Sie sich jetzt erstmal“, versucht Heister, auf sie einzuwirken. „Wir sind die Polizei, wir wissen schon, was wir tun müssen und was nicht ...“
„Na hoffentlich …“, flüstert Ines skeptisch, nachdem der Kommissar gegangen ist…
Doch sie bleibt Heister gegenüber misstrauisch. Er kennt Kling nicht, er weiß nicht, wozu dieser Mann fähig ist. Und er hat nicht gesehen, was sie gesehen hat … Also beschließt Ines, seine drei potentiellen Opfer selbst zu warnen und macht sich erneut auf den Weg in die Lindenstraße…
Der erste Weg führt sie ins Akropolis, wo Simone immer noch mit ihrem Laptop an der Theke sitzt.
„Ist die Frau Sarikakis vielleicht zu sprechen?“, fragt Ines sie grußlos.
„Was wollen Sie denn schon wieder hier?“ kommt es von Simone pampig zurück. „Soweit ich weiß hat mein Lebensgefährte Ihnen doch heute erklärt, dass Sie hier nicht erwünscht sind!“
„Bitte, es ist wirklich dringend“, bekniet Ines sie.
„Was wird das hier?“ Vasily schreitet bedrohlich aus der Küche kommend auf sie zu. „Sie haben hier Hausverbot! Verschwinden Sie und hören Sie auf, meine Freundin zu belästigen!!!“
„Bitte, ich muss dringend mehr der Mary sprechen“, fleht Ines ihn an.
„Die ist nicht da! Und jetzt raus!“ Vasily packt Ines am Arm und zerrt sie unsanft aus seinem Lokal. Draußen auf der Straße faucht er sie an: „Und wenn Sie sich noch einmal hier blicken lassen, rufe ich umgehend die Polizei!“
„Herr Sarikakis, ich…“
Vasily kommt drohend einen erneuten Schritt auf sie zu und schäumt innerlich vor Wut. Ines sieht ein, dass es keinen Zweck hat.
„Ganz wie Sie wollen“, sagt sie. „Dann richten Sie aber bitte der Mary aus, dass Olaf Kling wieder in München ist.“
Damit dreht sie sich um und überquert die Lindenstraße in Richtung Haus Nummer 3. Doch der letzte Satz hat gesessen, denn Vasily starrt ihr mit weit geöffneten Mund und Augen hinterher…
„Olaf Kling…“, murmelt er fassungslos…
Derweil hat Ines bei Anna geklingelt, wo Gung ihr erklärt, dass diese ihre Cousine Gabi besucht.
„Umso besser“, befindet Ines, als sie Minuten später auf die Klingel der Alten-WG drückt.
„Ach, Sie schon wieder“, begrüßt Helga sie ein wenig abschätzig. „Wie lange bleiben Sie denn noch?“
„Ich müsst mit der Gabi und mit der Frau Ziegler sprechen“, erwidert Ines.
Helga deutet auf die Küche, wo Gabi und Anna am Tisch sitzen und Tee trinken.
Nach einer knappen Begrüßung beschließt Ines, gleich zur Sache zu kommen.
„Olaf Kling ist zurück“, sagt sie und berichtet aufgeregt davon, wie er heute Mittag plötzlich vor ihrer Tür gestanden hat … Gabi weicht sämtliche Farbe aus dem Gesicht … Und auch Anna ist um Fassung bemüht, findet sie aber als erste wieder.
„Wenn die Polizei sagt, dass wir nichts zu befürchten haben, dann können wir das ja wohl glauben“, meint sie.
„Ich bin mir da nicht so sicher…“, gibt Ines zu.
„Was will der denn hier?“, fragt Anna. „Wie kann er so blöd sein, ausgerechnet hierher zurückzukommen?“
„Ich weiß gar nicht, woher der weiß, dass ich auch in der Stadt bin“, sagt Ines. „Aber er war wohl tatsächlich der Meinung, wir beide hätten noch eine Chance…“
„Wir ham ihn aufg’schreckt, in Sankt Aloyisbeuern“, flüstert Gabi mit bebender Stimme. „Und nun will er sich rächen…“ Und dann geht alles ganz schnell: Gabi beginnt am ganzen Leib zu zittern, ehe sie sich mit einem markerschütternden Schrei von Stuhl fallen lässt und wimmernd auf dem Küchenboden zusammenkauert. Sekunden später erscheinen Helga und Andy in der Küche, fassungslos über das sich ihnen bietende Bild.
„Was ist hier denn los?“, poltert Andy.
Nachdem Gabi sich halbwegs beruhigt hat und Helga und Anna sie in ihr Bett gebracht haben, berichtet Ines auch Andy von ihrem Erlebnis mit Olaf Kling.
„Und damit kommst du dann ausgerechnet zu ihr, obwohl sie doch sowieso schon vollkommen verstört ist?“, fragt Andy vorwurfsvoll.
„Ich hab gemeint, dass ich sie warnen müsste“, erklärt Ines kleinlaut.
Andy verdreht die Augen. „Jetzt wird sie noch mehr Angst habe als ohnehin schon…“
Derweil hat auch Vasily Mary über das informiert, was er von Ines erfahren hat.
„Ich glaub dieser Frau nicht!“, schimpft Vasily. „Das ist nur wieder einer ihrer Psychotricks. Die Frau ist bei Society. Die weiß genau, welche Knöpfe sie drücken muss, um andere einzuschüchtern und zu manipulieren.“
„Du meinst, sie hat das nur erfunden, um sich über mich an Simone zu rächen?“, fragt Mary. „Wegen des Buchs? Ist das nicht ein bisschen weit hergeholt?“
„Was weiß denn ich, wie die tickt! Aber Olaf Kling ist seit Jahren verschollen. Warum sollte der ausgerechnet jetzt wieder in München auftauchen, wo du auch wieder hier bist? Das ist völlig lächerlich. Kling ist irgendwo im Ausland. Oder tot. Aber bestimmt nicht hier in München!“
„Hoffentlich hast du recht“, flüstert Mary. „Ich will diesen widerlichen Kerl nie wiedersehen!“
„Das wirst du auch nicht!“ versichert Vasily ihr...

Lea und Tristan haben beschlossen, heute einfach in den Tag hinein zu leben und liegen noch im Bett, als Tristans Handy zu klingeln beginnt.
„Das ist jetzt aber hoffentlich kein Klient, heute am Feiertag“, nörgelt Lea. Tristan quält sich aus dem Bett und Lea hört ihn ein Weilchen im Flur telefonieren, ehe er ins Schlafzimmer zurückkommt.
„Meine Mutter…“, erklärt er.
„Was?“
„Sie will uns heute Nachmittag zum Kaffee besuchen.“
Lea verdreht genervt die Augen. Sie gönnt es Tristan ja, dass er sich wieder mit seiner Mutter ausgesöhnt hat, aber nach allem, was sie ihr angetan hat, legt sie selbst überhaupt keinen Wert darauf, mit dieser Frau noch in irgendeiner Form in Kontakt zu treten. Dennoch will sie keine schlechte Stimmung machen und wenn sie nun mit Tristan zusammen ist, gehört seine Mutter nun einmal auch irgendwie mit in dieses Leben – ob sie will oder nicht … Und möglicherweise hat sie ihr Verhalten ja mittlerweile wirklich überdacht …
„Das Bayer hat heute nur bis 11 Verkauf, danach ist nur noch Café-Betrieb“, erklärt Lea, während sie sich hastig anzieht. „Ich laufe schnell rüber, damit wir Kuchen für heute Mittag haben …“
Lea verflucht die Frau schon wieder innerlich, wenn sie sich schon selbst einladen muss, hätte sie das dann nicht vielleicht wenigstens ein bisschen zeitiger machen können?
So spät, wie sie mit ihrer Selbsteinladung war, so pünktlich auf die Minute steht Ortrun von Sassnitz hingegen am Nachmittag bei ihnen auf der Matte - und überschlägt sich fast vor Freundlichkeit.
„Wie schön, dass wir beide endlich einen Neuanfang machen können, meine liebe Lena!“ flötet sie und drückt Lea links und rechts ein Küsschen auf die Wangen.
„Lea“, korrigiert Tristan seiner Mutter.
„Aber selbstverständlich!“ lacht Ortrun. „Mein Namensgedächtnis!“
Im Verlauf der nächsten Stunden ist Ortrun überaus freundlich, zeigt sich sehr interessiert an Lea und ihrem Leben und schafft es sogar, sich ihren Namen zu merken. Während Tristan immer gelöster wird, ist Lea sich jedoch nach wie vor nicht sicher, ob das alles nur Show ist oder ob Ortrun es wirklich ernst meint. Trotz ihrer Zweifel nimmt Lea das Angebot an, als Ortrun ihr das Du anbietet.
Irgendwann gibt Leas Handy einen Signalton von sich.
„Oh, Entschuldigung“, sagt Lea und springt auf.
„Du hast doch nicht etwa noch einen Termin?“, fragt Ortrun. „Am heutigen Feiertag?“
„Nein, nein!“ winkt Lea ab. „Ich bin sofort wieder da …“
Lea verschwindet in der angrenzenden Küche und Ortrun beobachtet durch die halb geöffnete Verbindungstür, wie Lea ein kleines Döschen aus einem Küchenschrank holt und eine Tablette daraus nimmt…
„Bist du krank?“, erkundigt Ortrun sich bei Lea, als sie wieder am Kaffeetisch sitzt. Und als sie Leas fragenden Blick sieht, fügt sie schnell hinzu: „Du siehst ein wenig blass aus …“
„Nein, alles gut. Bisschen wenig Schlaf letzte Nacht.“ Sie grinst Tristan zu und Ortrun räuspert sich verlegen.
Eine Weile später äußert Ortrun, mal die Toilette aufsuchen zu müssen, stattdessen nimmt sie vom Flur aus allerdings die nächste Tür in die Küche. Von dort schleicht sie zunächst zur Verbindungstür zum Wohnzimmer, um sich zu vergewissern, dass diese wirklich so weit geschlossen ist, dass Lea und Tristan sie nicht sehen können. Dann eilt sie an den Küchenschrank, nimmt sich eine Tablette aus dem Döschen und notiert sich eilig den Medikamentennamen.
„Sie gibt sich doch wirklich alle Mühe“, hört Ortrun die Stimme ihres Sohnes aus dem angrenzenden Wohnzimmer.
„Ja, das macht sie“, gibt auch Lea zu. „Trotzdem bin ich mir halt nicht sicher… ob sie das nicht doch nur dir zuliebe macht…“
„So schlimm ist sie gar nicht“, verteidigt Tristan seine Mutter. „Und sie ist einsam, außer mir hat sie doch niemanden. Ich bin mir sicher, dass sie das, was vorgefallen ist, längst bereut. Warte nur ab. Wenn sie dich erstmal richtig kennengelernt hat, wird sie dich lieben!“
Ortrun wartet noch einen Moment, dann kehrt sie ins Wohnzimmer zurück, um sich kurze Zeit später überschwänglich für den köstlichen Kuchen und den hervorragenden Kaffee zu bedanken und dann herzlich von beiden zu verabschieden.
„Willkommen in der Familie von Sassnitz!“, sagt Ortrun zum Abschied und drückt Lea fest an ihre Brust.
„Das war jetzt wie ein Ritterschlag!“, erklärt Tristan seiner Freundin, nachdem die Wohnungstür hinter seine Mutter ins Schloss gefallen ist.
„Ich werd mir alle Mühe geben, zu vergessen, was gewesen ist“, versichert Lea Tristan, nachdem die beiden die Küche aufgeräumt haben.
Ortrun empfängt derweil in ihrer Villa Besuch von ihrem guten, alten Bekannten Dr. Alfons Brachvogel. Aufgeregt berichtet sie ihm vom Besuch bei ihren Sohn, liest ihm den Namen des Medikamentes vor, das sie bei Lea gefunden hat, und zeigt ihm die mitgenommene Pille.
„Das ist ein HIV-Medikament“, erklärt Brachvogel.
„Wie bitte?“ Ortrun reißt entsetzt die Augen auf. „Aids?“
„HIV-positiv zu sein ist nicht gleich Aids“, erklärt Alfons Brachvogel lachend.
„Aber das bedeutet ja, dass sie dieses Virus in sich trägt“, sagt Ortrun naserümpfend. „Und dann schläft sie mit meinem Sohn?“
„Sie ist sich ihrer Infektion ja offenbar bewusst und geht entsprechend vernünftig damit um“, sagt Brachvogel mit Blick auf die kleine, weiße Tablette.
„Ich dachte immer, HIV sei nicht heilbar…“ Ortrun nimmt skeptisch die Pille in Augenschein.
„Das ist richtig“, sagt Brachvogel. „Die Tablette hilft vielmehr, einen Ausbruch zu verhindern. Mit einer guten medikamentösen Einstellung und einem entsprechenden Lebensstil ist HIV heute kein Todesurteil mehr. Und auch kein Grund, auf Geschlechtsverkehr zu verzichten, wenn man gewisse Regeln und Vorsichtsmaßnahmen beachtet.“
Ortrun seufzt. „Es wird immer schlimmer“, stöhnt sie. „Dieses Mädchen ist immer wieder für neue böse Überraschungen gut. Wir müssen sie dringend loswerden…“
Bravhvogel nimmt die Tablette zur Hand. „Hiermit können wir arbeiten, meine Liebe“, sagt er grinsend.
„Inwiefern?“ fragt Ortrun.
„Ich kann dir ein Medikament besorgen, das sieht genauso aus wie diese kleine Pille hier!“ Brachvogel dreht Leas Tablette zwischen seinen Finger. „Wer kein Pharmazeut oder keine medizinische Fachkraft ist, dürfte da kaum einen augenscheinlichen Unterschied feststellen. Du müsstest dann nur noch dafür sorgen, dass die Pillen ausgetauscht werden und die kleine Lena zukünftig dieses Psychopharmakum einnimmt statt ihrer Medikation…“
„Und was macht dieses Medikament?“ erkundigt Ortrun sich.
„Es ist eigentlich für Menschen gedacht, die infolge von Drogenmissbrauch unter Wahnvorstellungen oder psychotischen Schüben leiden, um die Symptome zu lindern“, erklärt Brachvogel. „Nimmt ein psychisch gesunder Mensch das Medikament über einen längeren Zeitraum, bewirkt es genau das Gegenteil.“
„Und das heißt?“
„Halluzinationen, Angstzustände bis hin zu Panikattacken, zunehmender Realitätsverlust…“, erklärt Brachvogel süffisant grinsend. „Nicht sofort. Aber wenn sie das Medikament über mehrere Wochen und Monate regelmäßig einnimmt, wird sich das wie ein schleichender Prozess entwickeln. So wie eine psychische Erkrankung ein schleichender Prozess ist…“
„So so“, meint Ortrun hochnäsig grinsend.
„Die süße Lena wird glauben, dass sie allmählich ihren Verstand verliert!“ Brachvogel bleckt sein Haifischgebiss.
„Da gibt es bei ihr nicht viel zu verlieren“, lacht Ortrun.
„Und wenn es dann soweit ist“, erklärt Alfons Brachvogel, „dann werde ich ihr liebend gerne auch noch eine entsprechende Diagnose stellen, die sie für viele, viele Jahre in eine psychiatrische Klinik bringen wird…“
„Wie bedauerlich“, meint Ortrun abfällig - und die beiden stoßen schallend lachend miteinander an …

Die Stimmung zwischen David und Jeremy befindet sich seit einer Woche auf dem Gefrierpunkt. Jeremy verweigert es strikt, sich auf ein vernünftiges Gespräch mit David einzulassen. Stattdessen verbarrikadiert er sich in seinem Zimmer und zockt. Und seit neuestem hat er eine Vorliebe für Video-Chats mit seinem Onkel Ronny, dem Bruder seiner verstorbenen Mutter, entdeckt. Von ihm fühlt Jeremy sich weitaus mehr verstanden als von David.
Phoebe verbringt den heutigen Tag derweil mit Carl, der über das lange Wochenende bei seinem Vater in der Lindenstraße ist. In Carl hat sie einen wirklichen Freund gefunden, mit dem sie sich hingebungsvoll in eine kindliche Phantasiewelt flüchten kann, aus der sie allen Schmerz und alle Härte des Lebens aussperren kann. Die beiden sind ein Herz und eine Seele …
Nachdem Carl sich am Abend verabschiedet hat, findet Phoebe Jeremy am Bettchen von Hope vor. Beide Geschwister starren auf das schlafende Baby. Schließlich fragt Phoebe ihren Bruder: „Gibst du ihr wirklich die Schuld dran, dass Mama nicht mehr lebt?“
Langsam und nachdenklich schüttelt Jeremy den Kopf. „Sie kann ja auch nichts dafür. Nur er!“ Er deutet mit dem Kopf in Richtung Küche, wo David das Abendessen zubereitet.
„Aber er hat das auch nicht gewollt“, insistiert Phoebe. „Und er vermisst Mami auch …“
„Er hat sie geschwängert! Und er hätte ihr das ausreden müssen, dass sie Hope behält. Er hat gewusst, dass sie sonst sterben muss!“
„Aber das hat Mami auch gewusst“, wirft Phoebe ein.
Jeremy denkt einen Moment nach, dann sagt er: „Und trotzdem ist er Schuld.“
Beim Abendbrot herrscht wieder mal eisiges Schweigen am Tisch, aber als David später vor dem Fernseher sitzt, kommt Jeremy plötzlich ins Wohnzimmer.
„Ich würde gerne mal mit dir reden“, sagt der Junge und setzt sich.
„Na klar“, erwidert David und schaltet den Fernseher aus, einen Funken Hoffnung, dass vielleicht doch noch ein vernünftiges Gespräch möglich ist.
„Ich hab mit Onkel Ronny gesprochen“, kommt Jeremy dann auch ohne Umschweife zum Punkt. „Und ich werde zu ihm ziehen…“
„Nach Jena?“, fragt David fassungslos.
„Nein, auf den Mond“, antwortet Jeremy rotzig. „Ja, natürlich nach Jena, Mann!“
„Was willst du denn in Jena? Und überhaupt, was willst du denn bei Ronny. Du kennst den doch kaum!“
„Kenn ich denn dich?“, fragt Jeremy frech. „Und außerdem ist er mein Onkel! Und bei dir will ich nicht mehr bleiben!“
„Und was sagt er dazu?“, will David wissen.
„Er freut sich auf mich und ich kann jederzeit zu ihm ziehen, sagt er.“
David verdreht die Augen. „Ist klar! Und dann lebt ihr von Kindergeld und Arbeitslosenhilfe, oder wie?“
„Er hat jetzt einen Job! Als Nachtwächter bei irgendeiner Firma!“
„Ach so. Und du bist dann jede Nacht alleine, oder wie?“
„Dafür ist er dann tagsüber immer da“, motzt Jeremy. „Und du arbeitest ja auch! Und nachts schlafe ich.“
„Jeremy, das ist völliger Unsinn. Deine Schule ist hier und deine Freunde und deine Geschwister. Du kannst nicht einfach nach Jena ziehen zu einem verantwortungslosen Onkel, den du zweimal in deinem Leben gesehen hast!“
„Das wollen wir doch erstmal sehen!“, erwidert Jeremy bockig und verlässt das Wohnzimmer…

CLIFFHANGER auf: David Krämer

Mitwirkwende Personen
Ines Krämer
David Krämer
Hope Krämer
Jeremy Peschke
Phoebe Peschke
Carl Sandmann
Andy Zenker
Gabi Zenker
Anna Ziegler
Helga Beimer
Olaf Kling
Mary Sarikakis
Vasily Sarikakis
Simone Stadler
Lea Starck
Tristan von Sassnitz
Ortrun von Sassnitz
Gung Phan Kien
Ronny Peschke
Dr. Alfons Brachvogel
Patrick Heister

© ´popo wolfson` 2024

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: Sa 11. Mai 2024, 23:34 


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1918 - Dicker als Wasser
BeitragVerfasst: So 12. Mai 2024, 08:35 
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Beiträge: 10023
Die arme Lea, dieser Brachvogel jagt einem kalte Schauer über den Rücken. Bei Ines dachte ich schon, ihr letztes Stündchen hätte geschlagen...


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1918 - Dicker als Wasser
BeitragVerfasst: Sa 18. Mai 2024, 13:06 
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Registriert: Mi 29. Sep 2010, 00:11
Beiträge: 11598
Schöne Folge. Habe ich jetzt erst gelesen.
Gossi, ich glaube, Ines hat nicht mehr allzuviele Stündlein, denn nun hat sie ja auch noch Olaf verraten. Ines hat alle anderen gewarnt. Sie sollte die Beine in die Hand nehmen und nichts wie weg... Mir schwahnt Böses.


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Autor: popo wolfson
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