Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1802 - (Über)forderungen
BeitragVerfasst: So 3. Okt 2021, 06:55 
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Folge 1802: (Über)forderungen

Spieltag: Donnerstag, 30.09.2021

„Gibt’s eigentlich was Neues von deiner Eiskönigin?“ will Lea beim Frühstück von Konstantin wissen.
„Sie ist nicht MEINE Eiskönigin“, motzt Konstantin.
„Ist doch egal“, meint Lea, „was treibt sie denn noch so?“
„Hält sich Gott sei Dank zurück und lässt mich in Ruhe“, berichtet Konstantin. „Vielleicht hat sie ja inzwischen begriffen, dass sie bei mir nichts erreicht.“
Tatsächlich läuft auch der heutige Schultag ohne besondere Zwischenfälle und ohne übermäßige Begegnungen mit seiner Chefin ab – zumindest fürs erste…
Denn als der eigentliche Unterricht bereits beendet ist, klopft es an Konstantins Bürotür und zwei etwa 13jährige Jungs treten ein. Zunächst stehen die beiden eine Weile zögernd im Raum, ehe sie sich ihm schließlich als Cedric Heltau und Lenny Kroon aus der 7c vorstellen.
„Und was kann ich für euch tun?“ fragt Konstantin.
Die Jungs blicken sich erneut unschlüssig an. Schließlich sagt Cedric: „Sie müssen mit der Klöckner sprechen. Heute noch. Am besten sofort!“
Bei der Vorstellung, die Direktorin aufsuchen zu müssen, zieht sich Konstantin für einen kurzen Augenblick der Magen zusammen, doch dann hat er sich wieder im Griff und fragt: „Und worüber soll ich mit der… äh… mit Frau Doktor Klöckner sprechen?“
Wieder tauschen die beiden unentschlossene Blicke aus.
„Vorhin nach der 6. Stunde“, beginnt nun Lenny zaghaft, „da haben wir… also… also wir haben, hinter der Turnhalle…“
„Wir haben hinter der Turnhalle gekifft“, fällt Cedric ihm ins Wort.
„Also, wir wollten kiffen“, stellt Lenny richtig. „Aber so weit ist es gar nicht erst gekommen.“
„Weil der Fucking Hausmeister uns erwischt hat“, erklärt Cedric.
„Und der hat uns dann zu der Klöckner geschleppt“, ergänzt Lenny.
„Die hat dann versucht, unsere Eltern anzurufen“, berichtet Cedric, „hat aber niemanden erreicht.“
„Weil die ja auf Arbeit sind“, erklärt Lenny.
„Und jetzt will sie denen Briefe schreiben“, sagt Cedric.
„Okay, und was kann ich da jetzt für euch tun?“ fragt Konstantin.
„Sie müssen ihr das ausreden“, sagt Lenny. „Die darf denen auf gar keinen Fall schreiben. Ey, mein Alter rastet aus.“
„Und der Freund von meiner Mum schickt mich sofort ins Internat“, erklärt Lenny.
„Also, Drogenkonsum auf dem Schulgelände geht natürlich gar nicht“, sagt Konstantin nun. „Zumal seid ihr dafür wohl ohnehin noch ein bisschen zu jung, findet ihr nicht?“
Während Lenny schuldbewusst zu Boden sieht, pflaumt Cedric: „Das geht Sie ja wohl mal einen fucking Scheißdreck an! Sie sollen nur der alten Bitch ausreden, dass sie das unseren Eltern schreibt!“
Konstantin sieht Cedric einen Moment lang fassungslos an und der murmelt: „Sorry!“
Konstantin atmet tief durch, dann sagt er: „Okay! Ich kann mal mit Fr. Dr. Klöckner reden. Wenn ihr versprecht, dass das eine einmalige Sache war!“
Die beiden Jungs nicken eifrig.
„Ich kann mit ihr reden“, erklärt Konstantin. „Aber ich kann euch nicht versprechen, dass sie sich umstimmen lasst.“
Kurzes Schweigen, dann meint Lenny: „Doch, Sie schaffen das. Die Klöckner fährt voll auf Sie ab!“
„Wie bitte?“ Konstantin starrt den Jungen entsetzt an. „Naja“, erklärt dieser. „Ich hab letztens gehört, wie die zu der Reli-Paschulke gesagt hat, dass Sie das Beste sind, was dieser Schule passieren kann und so. Bei der haben Sie echt einen Stock im Arsch!“
„Einen Stein im Brett, heißt das, du Hirni“, motzt Cedric ihn von der Seite an.
„Einen Stein im Bett“, versucht Lenny, sich zu verbessern und Konstantin muss unwillkürlich grinsen.
Er verspricht den beiden erneut, sein Bestes zu versuchen – und macht sich kurze Zeit später mit sehr gemischten Gefühlen auf dem Weg zum Rektorat.
„Herein“, ertönt ihre dunkle Stimme, als Konstantin an ihre Tür klopft und vorsichtig den Raum betritt.
„Na, so etwas, der Herr Landmann“, begrüßt Dr. Brigitte Klöckner ihren Mitarbeiter. „Was führt Sie zu mir.“
Konstantin fühlt sich augenblicklich wieder an die unangenehmen Annäherungsversuche seiner Chefin erinnert, streift diesen Gedanken dann aber schnell ab und bemüht sich, möglichst sachlich und professionell sein Anliegen vorzutragen.
„Und nun wollen Sie, dass ich diese kleinen Scheißer gewissermaßen… begnadige?“ fragt die Klöckner kopfschüttelnd. „Warum sollte ich das tun? Sie haben auf dem Schulgelände Drogen konsumiert. Mit 13. Das kann ich wohl kaum unter den Teppich kehren.“
„Haben wir nicht alle mal solche… Erfahrungen gemacht?“ fragt Konstantin.
„Sie haben Drogenerfahrungen gemacht?“ entfährt es der Klöckner belustigt. „Herr Landmann, jetzt erstaunen Sie mich aber wirklich, wer hätte das von Ihnen gedacht!“
Konstantin räuspert sich verlegen und wird nun tatsächlich rot – was er ganz und gar nicht wollte. „Ich… äh… wollte damit sagen, dass junge Menschen nun mal ihre Erfahrungen machen und dass man das nicht verhindern kann. Jeder… also die meisten… also irgendwann… macht man halt…“
„Natürlich können wir das nicht verhindern“, fällt Klöckner ihm ins Wort. „Aber wenn diese jungen Menschen ihre Erfahrungen hier auf dem Schulhof machen, dann unterliegt das unserer Aufsichtspflicht. Und dann ist es auch unsere Pflicht, nicht unsere Augen davor zu verschließen und die Eltern darüber in Kenntnis zu setzen. Und dieser Pflicht komme ich nun nach!“
„Aber letzten Endes ist es ja gar nicht dazu gekommen, dass die beiden den Joint geraucht haben“, unternimmt Konstantin einen neuen Versuch, die Situation zu entzerren.
„Weil der Hausmeister rechtzeitig eingreifen konnte“, kontert Klöckner. „Wäre er nicht zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen, dann sähe die Sache jetzt ganz anders aus.“
„Ich finde, Sie schießen gerade mit Kanonen auf Spatzen“, findet Konstantin.
„Und ich finde es gerade zu rührend, wie Sie versuchen, diesen beiden Jungs beizustehen“, erwidert die Klöckner und grinst breit. „Dennoch bleibe ich bei meiner Meinung, dass wir hier nicht einfach unter den Teppich kehren können, dass zwei 13jährige Jugendliche am helllichten Tag auf dem Schulgelände einen Joint rauchen wollten. Daher werde ich nun die Eltern informieren und Sie bereiten für die 6. , 7. und 8. Klassen ein Drogenpräventions-Seminar vor.“
„Ein was?“ fragt Konstantin irritiert.
„Sie werden in jeder dieser Klassen einen Vortrag zum Thema Drogenprävention halten, in einem Umfang von, sagen wir, einer Doppelstunde“, erklärt die Direktorin. Und als Konstantin sie immer noch ratlos ansieht, fügt sie hinzu: „Das können Sie doch, oder?“
„Äh… ja...aber“, stammelt Konstantin.
„Schön“, sagt Klöckner. „Dann möchte ich Sie jetzt bitten, mein Büro zu verlassen, denn ich habe noch zu tun.“
Und ehe Konstantin es sich versieht, steht er draußen auf dem Flur und hat rein gar nichts erreicht.
Als er Lea am Abend zuhause davon erzählt, findet diese die ganze Situation ziemlich belustigend. Konstantin ärgert sich hingegen darüber, dass er sich von der Klöcknerin so hat überrumpeln lassen und nicht mehr unternommen hat, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Obwohl ihm klar ist, dass seine Chefin mit ihrer Argumentation im Grunde recht hat, hätte er doch gerne mehr getan, um Cedric und Lenny zu helfen…

Ludde schiebt seit einer Woche Frust: Seine Attacke auf Mika hat ihn nicht nur seinen Job im Flair gekostet, sondern auch noch eine Anzeige von Mika eingebracht – die ihn nun aufgrund seiner Vorstrafen möglicherweise wieder zurück ins Gefängnis bringen könnte.
„Willst du jetzt den ganzen Tag im Bett legen und erst wieder rauskommen, wenn du von den Kadi geschleift wirst?“ fragt Jack, als sie an diesem Vormittag sein abgedunkeltes, nach Körperausdünstungen, Alkohol und Zigaretten stinkendes Zimmer betritt und ungefragt die Vorhänge aufzieht.
„Ey, mach die wieder zu!“ schnauzt Ludde seine Schwester an.
„Nee“, entgegnet Jack, „ich finde, du könntest dich jetzt langsam mal wieder aufraffen.“
„Was soll ich’nn machen?“ murrt Ludde. „Der Job ist weg, einen neuen find ich auch nicht mit meiner Vorgeschichte. Kann ich auch hier liegen bleiben!“
Ludde zieht sich wieder die Decke über den Kopf, doch Jack ist mit drei Schritten an seinem Bett und zieht sie ihm schwungvoll weg.
„Ey, was soll das?“ schnauzt Ludde.“
„Du könntest bei mir in der Werkstatt aushelfen, bis du was anderes gefunden hast“, schlägt Jack vor. „Und du solltest nochmal mit diesem Mika reden. Und ich meine reden. Und nicht einprügeln. Vielleicht kannst du ihn ja dazu bringen, die Anzeige zurück zu ziehen.“
„Was soll ich denn bei dir in der Werkstatt?“ mault Ludde. „Ich bin doch kein Mechatroniker.“
„Du sollst ja da auch keine Motoren ausbauen und auseinandernehmen, sondern mir einfach nur ein bisschen zur Hand gehen“, erklärt Jack. „Etwas Hilfe könnte ich schon gebrauchen, jetzt, wo Ben in Afrika ist und ich keinen Mitarbeiter habe. Und mal so am Rande; Ben ist auch kein gelernter Mechatroniker.“
„Aber er ist handwerklich geschickter als ich“, nölt Ludde und versucht, mit dem ausgestreckten Arm seine am Boden liegende Decke zu erreichen. „Und mit diesem schwulen Wichser brauch ich auch nicht reden, der lässt sich sowieso nicht umstimmen.“
„Woher willst du das wissen, wenn du es nicht mal versuchst!“ drängt Jack weiter, sieht dann aber schließlich ein, dass sie so nicht an ihren Bruder ran kommt.
Eine Weile später verlässt er dann aber doch seine Höhle, allerdings in erster Linie aus dem Grund, weil er keine Zigaretten mehr hat. Als er, nur in Boxer-Shorts bekleidet, in Richtung Bad schlurft, begegnet ihm ausgerechnet Gung.
„Konfuse sagt, wer sich gehen lässt…“, beginnt der Asiate.
„Halt die Fresse, du Freak!“ fährt Ludde ihm über den Mund und knallt die Badezimmertür hinter sich zu.
Etwas später macht er sich auf den Weg zum Zigaretten kaufen. Und bei all seinem Frust, wird ihm draußen an der frischen Herbstluft in der wärmenden Spät-Septembersonne plötzlich dennoch bewusst, dass er seine Freiheit nicht wieder gegen den Knast eintauschen will. So beschissen, wie es auch für ihn laufen mag – zumindest ist er frei. Und das will er auf keinen Fall wieder verlieren. Also schlägt er, nach einem Besuch im Supermarkt, den Weg zur Werkstatt ein und stellt sich bei seiner Schwester als neuer Handlanger vor, zumindest so lange, bis er etwas gefunden hat, was seinen Fähigkeiten eher entspricht – was auch immer das sein soll…
Jack ist hocherfreut darüber, dass Ludde es sich anders überlegt hat.
„Ich muss aber zuerst noch was anderes erledigen“, erklärt Ludde. „Weißt du, wo dieser Mika wohnt?“
„Gleich nebenan in der Nummer 1“, erklärt Jack und wünscht ihrem Bruder Glück bei seinem Vorhaben, Mika die Anzeige doch noch auszureden.
Als Ludde im Erdgeschoss der Lindenstraße 1 klingelt, öffnet Romy ihm die Tür, nur in einem schlabbrigen T-Shirt mit Krümelmonster-Aufdruck bekleidet, die langen dunklen Haare hängen wild und wirr in alle Himmelsrichtungen – und Ludde steht sofort buchstäblich in Flammen.
„Ja?“ fragt Romy verschlafen, während ihr Gegenüber sie nur mit offenen Mund und noch weiter geöffneten Augen anstarrt.
„Ich… ähm… äh...äh...öööh...ähä…“, stottert Ludde.
„Brauchst du Starthilfe, oder was?“ fragt Romy schnodderig.
„Wä… Häh?“ macht Ludde irritiert.
„Du hörst dich an, wie mein Minchen, wenn es draußen kalt ist und ich sie längere Zeit nicht benutzt habe“, erklärt Romy.
„Mi...Min...Min...chen?“ stammelt Ludde und ist nun offensichtlich völlig verwirrt.
„Du weißt schon, dass man sich logopädische Hilfe holen kann?“ erkundigt sich Romy. „Gegen dieses Gestotter.“
Ludde ist buff. Da steht ihm dieses Mädel im Sesamstraßen-Shirt gegenüber, beleidigt ihn… doch statt Wut zu empfinden, wie es sonst seine Art ist, ist er einfach nur hin und weg von ihrer Schlagfertigkeit, von ihrem Aussehen, von ihrem gesamten Auftreten…
„Also, was willste jetzt?“ fragt Romy. „Mir was verkaufen? Siehst eigentlich nicht aus, wie ein Vertreter… Oder haste dich in der Tür geirrt?“
„M...Mika“, bringt Ludde mühsam hervor – und ärgert sich über sich selbst. Ihm ist klar, dass er gerade einen Eindruck hinterlässt, dass er aus einer Einrichtung für Behinderte entlaufen sein könnte.
„Sag das doch gleich!“ Romy dreht sich um und brüllt in die Wohnung: MIIIIKAAAA! BESUCH FÜR DIIIICH! Einer von deinen Wohnwagenleuten!!!“
Wohnwagenleuten?
Als alles still bleibt, meint Romy: „Scheint nicht da zu sein. Musste später nochmal wiederkommen!“
Und ehe Ludde noch irgendwas erwidern kann, hat das Krümelmonster-Girl ihm schon die Tür vor der Nase zugeschlagen.
Ludde bleibt noch einen Augenblick lang überrumpelt im Hausflur stehen. Dann tritt er schließlich den Rückweg Richtung Werkstatt an – als Mika ihm glatt auf dem Bürgersteig entgegenkommt.
„Zu dir wollte ich!“ Ludde stellt sich ihm in den Weg.
„Warum?“ fragt Mika gereizt. „Willste mir nochmal eine verpassen!“
Ludde kostet es viel Überwindung, den folgenden Satz über die Lippen zu bringen, doch er springt über seinen Schatten und presst hervor: „Ich… wollte mich bei dir entschuldigen. Das… Das war absolut nicht okay von mir. Es tut mir leid!“
„Tja, das hättest du dir mal vorher überlegen sollen, du Aggro!“ schnauzt Mika und will sich an ihm vorbei schieben.
„Ich...ähm“, beginnt Ludde, „ich… wollte dich fragen, ob… du nicht eventuell die Anzeige wieder zurückziehen kannst.“
„Warum sollte ich das tun?“
„Ich… ich bin vorbestraft“, gesteht Ludde. „Wegen… also…. Jedenfalls kann es sein, dass ich dafür wieder zurück in den Knast muss.“
„Hättest du dir vorher überlegen sollen“, wiederholt Mika. „Und jemand, der seine… Impulse so schlecht unter Kontrolle hat, wie du, der ist im Knast vielleicht sogar wirklich besser aufgehoben.“
Ludde spürt schon wieder den Zorn in sich aufsteigen, schafft es aber, ihn runterzuschlucken und fragt so ruhig wie möglich: „Ey, was hast du denn davon, wenn du mich jetzt in den Knast bringst?“
„Genugtuung“, antwortet Mika und setzt seinen Weg fort. Kurz bevor er den Hauseingang erreicht hat, hat Ludde ihn eingeholt, packt ihn, presst ihn gegen die Wand und drückt ihm den Hals zu.
„Willste mich jetzt erwürgen“, keucht Mika und sieht Ludde herausfordernd an. Als dieser noch fester zudrückt und ihm zunehmend die Luft weg bleibt, bekommt Mika dann aber doch Panik und versucht sich, aus dem Würgegriff zu winden. Aber Ludde ist stärker. Der drückt noch einen Moment lang fester zu, dann lässt er von Mika ab. Dieser lässt sich röchelnd zu Boden fallen und würgt mit hochrotem Kopf Schleim hervor, spuckt ihn auf den Gehweg. Als er wieder halbwegs zu Atem gekommen ist, rappelt er sich auf und brüllt Ludde an: „Du Scheiß Psycho! Dafür kriegst du die nächste Anzeige. Dafür bring ich dich sowas von in den Bau, der Irrer!“
Damit verschwindet Mika endgültig im Haus Nr. 1 und Ludde begibt sich wütend in die Werkstatt. Er erzählt Jack nichts von dem jüngsten Vorfall, sondern teilt er lediglich mich, dass Mika sich nicht umstimmen lässt. Als Jack ihm anbietet, dass sie ja nochmal versuchen könnte, mit Mika zu reden, lehnt Ludde das vehement ab.
Später sitzen Mika, Paul und Romy in ihrer WG gemeinsam beim Essen und die Sprache kommt auf Ludde.
„Der machte auf mich schon irgendwie den Eindruck, als ob der nicht alle Tassen im Schrank hätte“, meint Romy. „Aber eher im harmlosen Sinne…“
„Ihr hättet diesen Blick mal sehen sollen, als er mich gewürgt hat“, berichtet Mika. „Völlig irre. Wie ein komplett Wahnsinniger. Dem sprühte der Irrsinn buchstäblich aus den Augen.“
Im nächsten Augenblick klingelt es an der Wohnungstür. Paul steht auf, um zu öffnen und kommt wenige Sekunden später gemeinsam mit Jack in die Küche. Diese versucht gegen den Willen ihres Bruders, ein gutes Wort für ihn einzulegen – und fällt aus allen Wolken, als sie erfahren muss, was Ludde sich nun wieder gelappt hat.
Später, zuhause in der Villa, spricht sie Ludde darauf an.
„EY!“ brüllt dieser fassungslos. „Ich hab dir gesagt, du sollst es lassen! Hörst du eigentlich nie auf das, was man dir sagt? Musst du dich ständig einmischen?“
„Ja, dich kann man ja offenbar nicht alleine losschicken“, hält Jack gegen. „So machst du’s bestimmt nicht besser!“
Wütend pfeffert Ludde seine Bierflasche gegen die Wand. „Sorry“, sagt er im nächsten Moment und beginnt, die Sauerei aufzuräumen.
„Hast du… eigentlich schon mal darüber nachgedacht, so ein Anti-Aggressions-Programm mitzumachen?“ fragt Jack vorsichtig.
„Ey, bleib mir weg mit so einem Psycho-Scheiß!“ mault Ludde und droht bereits wieder hochzukochen.
„Das muss ja keine Therapie sein“, sagt Jack schnell. „Heutzutage gibt es doch für alles mögliche Workshops. Es gibt bestimmt auch irgendwelche Kurse an der Voklshochschule oder im Internet oder so, wo man lernt, ...naja, sich… zu beherrschen. Seine Wut, seine Emontionen irgendwie…. anders zu kanalisieren…“
„Ich kanalisiere dich gleich!“ brüllt Ludde und verschwindet Türe knallend in seinem Zimmer. Gung lugt daraufhin vorsichtig durch die Tür zu Jack ins Wohnzimmer und sagt: „Konfuse sagt, wer die Gewalt im Blut hat, der ist nicht mehr zu retten.“
Jack verdreht die Augen, steht auf und verlässt die Wohnung. Mit Ludde ist heute eh nicht mehr zu reden und auf Gungs Zitate hat sie nicht die geringste Lust. Sie muss nochmal an die frische Luft…

In der Praxis Brooks herrscht Stress. Mit dem beginnenden Herbst und den wieder steigenden Inzidenzzahlen haben sich in den letzten Tagen doch noch viele Zögerer zur Impfung entschlossen, bevor die kalte Jahreszeit beginnt, und haben sich Termine geben lassen. Zudem möchte Iris ab Oktober die Auffrischung für die Patienten anbieten, deren zweite Impfung bereits im April stattgefunden hat. Hinzu kommen natürlich noch die anderen Patienten mit ihren alltäglichen Beschwerden und somit geht es zur Zeit in der Praxis drunter und drüber. Und Lisa hat bereits vor der Arbeit Stress, weil sie natürlich nicht auf ihre morgendliche Grundsatzdiskussion mit Murat verzichten konnte und zudem Deniz zur Eile antreiben muss, damit sie ihren Bus nicht verpasst. Als sie sich gerade auf den Weg zur Praxis machen muss, klingelt ihr Handy. Genervt geht Lisa ran, während sie die Treppen hinunter hetzt.
„Hier ist deine Mutter“, meldet sich Dagmar am anderen Ende. Lisa verdreht genervt die Augen, während Dagmar ihr erklärt, dass ihre Werte sich weiterhin verbessern und dass sie am kommenden Montag vom Krankenhaus aus in eine Reha-Klinik ins Berchtesgadener Land geschickt wird.
„Ich dachte… vielleicht möchtet ihr mich am Wochenende nochmal besuchen kommen“, sagt Dagmar zögerlich, „bevor ich erstmal für mehrere Wochen weg bin.“
„Vergiss es“, zischt Lisa. „Es ist schön, dass es dir besser geht, aber das sollten wir nun auch zum Anlass nehmen, um unseren Kontakt nun wieder abzubrechen. Ich wünsche dir weiterhin gute Besserung und noch ein schönes Leben.“ Damit drückt Lisa das Gespräch weg. Kurz und schmerzlos. Vermutlich die beste Entscheidung, die sie diesbezüglich treffen konnte…
In der Praxis geht es auch heute drunter und drüber und der Ansturm ist gewaltig. Plötzlich steht Murat im Vorzimmer. Andrea grüßt ihn nur knapp und wendet sich sofort verlegen anderen Aufgaben zu...
„Was willst du denn jetzt hier?“ fragt Lisa genervt, „ich hab grad echt keine Zeit…“
„Ich hab mit deiner Mutter telefoniert, Baby“, erklärt er.
„Warum telefonierst du mit meiner Mutter?“ fragt Lisa empört.
„Weil sie angerufen hat“, antwortet Murat. „Sie möchte endlich Deniz kennenlernen. Und, werden wir sie am Wochenende im Krankenhaus besuchen?“
Lisa starrt Murat fassungslos an. „Das werden wir ganz bestimmt nicht!“
„Baby, sie geht nächste Woche…“
„Ich weiß, dass sie nächste Woche in Reha geht“, keift Lisa. „Ich hab auch mit ihr darüber gesprochen, aber ich hab ihr auch gesagt, dass mir das egal ist und dass wir nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen. Und ich will auf gar keinen Fall, dass sie und Deniz sich kennenlernen.“
„Baby, sie ist ihre Oma. Und Deniz hat ein Recht, ihre Oma…“
„Ein Scheiß ist sie!“ keift Lisa. „Deniz hat nur eine Oma. Und das ist deine Mutter. Dagmar ist eine Fremde für sie und das soll sie auch bleiben.“
„Wäre es möglich, dass ihr eure familiären Diskussionen in der Mittagspause oder nach Feierabend austragt?“ fragt Iris, die gerade das Behandlungszimmer verlassen hat. „Wir haben echt eine Menge zu tun, Lisa. Es kommen heute noch zig Impf-Patienten.“
„Hörst du?“ zischt Lisa ihren Mann an. „Wir sind jetzt hier durch mit dem Thema!“
„Wir reden heute Abend weiter“,beschließt Murat.
„Nein, tun wir nicht!“ Lisa steht kurz davor, überzukochen. „Das Thema ist erledigt!!!“
Murat räumt zerknirscht das Feld, aber Lisa ist nun ziemlich von der Rolle und setzt ihre Arbeit sehr fahrig und unkonzentriert fort. Sie kennt Murats dämliche Gutmütigkeit nur zu gut und sie weiß, dass er in der Lage ist, Deniz hinter ihrem Rücken mit zu Dagmar zu schleifen, nur damit Oma und Enkeltochter sich kennenlernen. Doch das darf auf gar keinen Fall passieren und das muss Lisa um jeden Preis verhindern.
Irgendwann am Nachmittag nimmt Iris Lisa zu Seite und sagt: „Lisa, bitte lass deine privaten Probleme auch wirklich zuhause. Wir haben hier gerade eine echt stressige Zeit, aber gerade deshalb müssen wir voll bei der Sache sein, damit wir das alles gewuppt kriegen.“
„Ja, klar“, entgegnet Lisa – bleibt mit dem Kopf aber weiterhin bei Murat, Deniz und Dagmar…
Und mitten in ihrem Gedanken-Karussell passiert es dann: Lisa ist gerade dabei, im Labor hektisch eine neue Charge mit Impf-Ampullen auszupacken, als diese ihr aus den Händen rutscht und klirrend zu Boden fällt. Erschrocken starrt Lisa auf die zerbrochenen Fläschchen auf dem Boden.
„Was machst du denn da?“ fragt Andrea aus dem Vorzimmer.
„Nichts!“ ruft Lisa. „Hab nur… was umgeräumt.“ Hektisch fegt Lisa die zerbrochenen Fläschchen zusammen, packt die Scherben in einen Müllsack und versteckt ihn erstmal in der hintersten Ecke des unteren Schrankfachs, wo eigentlich nie jemand rein guckt.
„Wir brauchen neuen Impfstoff“, ruft Andrea.
„Ich komme!“ antwortet Lisa und packt die nächste Charge aus – diesmal unfallfrei.
Für den restlichen Arbeitstag gibt Lisa sich alle Mühe, sich zusammen zu reißen. Als endlich Feierabend ist, macht sie sich mit ziemlich mulmigen Gefühlen auf den Heimweg. Und dort wartet gleich der nächste Tiefschlag.
„Ich freu mich total auf Sonntag“, begrüßt Deniz sie. „Da lerne ich endlich meine andere Oma kennen.“
Lisa blickt Murat vernichtend an. Dann wendet sie sich mit ruhiger Stimme an ihre Tochter: „Deniz, das geht leider nicht!“
„Aber warum denn nicht?“ nölt Deniz. „Ich möchte Oma Dagmar auch endlich mal kennenlernen.“
„Nein!“ sagt Lisa – nun bestimmter. „Du hast doch Oma Medine. Und Tante Hatice, und Tante Özgün… Die sind doch auch wie Omas für dich. Da brauchst du doch nicht noch eine Oma!“
„Aber Oma Dagmar ist doch nun mal meine Oma“, quengelt Deniz. „Sie ist deine Mutter. Und ich will sie kennenlernen!“
„Deniz, das geht nicht!“ fährt Lisa sie an. „Wir haben am Wochenende keine Zeit, ich muss so viel im Haushalt machen, da komme ich unter der Woche nicht zu, weil ich grad so viel auf der Arbeit zu tun habe!“
„Dann gehe ich eben mit Papa!“ beschließt Deniz.
„Papa hat auch keine Zeit“, lenkt Lisa ein. „Der muss die Shisha-Bar wieder zum Laufen bringen.“
„Baby, ein paar Stunden…“, beginnt Murat – und wird von Lisa mit Blicken förmlich aufgespießt.
„Wir haben am Wochenende keine Zeit“, legt Lisa fest, „und Oma… also Dagmar, ist sowieso eine Frau, mit der wir nichts zu tun haben wollen.“
„Aber warum denn nicht?“ jammert Deniz.
„Deniz, hör jetzt auf und deck den Tisch!“ bestimmt Lisa. Und dann an Murat gewandt: „Fall mir nie wieder so in den Rücken!!!“ Ihre Stimme und ihr Blick sind eiskalt und die Raumtemperatur scheint um mehrere Grade zu fallen. „Was war daran nicht zu verstehen, als ich dir gesagt habe, dass ich nicht möchte, dass Deniz und Dagmar sich kennenlernen? Was ist so schwer daran zu begreifen, du Hornochse? Wie kannst du es wagen, mich so zu hintergehen???“
„Baby, ich…“
„HALT DEN MUND!!! Halt einfach deinen Mund!“ Lisa blitzt ihn nochmal vernichtend an. Beim Abendessen fällt kein einziges Wort und im Anschluss verlässt Lisa nochmal ohne jeden Kommentar die Wohnung…
Sie läuft die Lindenstraße entlang, schleicht sich in die Praxis und schaltet nur eine kleine Notbeleuchtung an. Dann packt sie den Sack mit den zerbrochenen Impf-Ampullen beiseite, um ihn später zur Entsorgung mitzunehmen und beginnt, leere Ampullen zusammen zu suchen und bereit zu stellen. Plötzlich schreckt sie zusammen. War da ein Geräusch im Eingangsbereich?
Im nächsten Moment ertönt ein „Hallo? Ist da jemand?“ Und Sekundenbruchteile später steckt Jack ihren Kopf zu Tür ein.
„Ach, du“, sagt Jack irritiert. „Ich bin grad nach Hause gekommen und hab was gehört. Was machst du denn noch hier?“
Lisa baut sich so vor ihren bereitgestellten Ampullen auf, dass Jack sie von ihrem Standpunkt nicht sehen kann und sagt schnell: „Ich muss dringend noch ein paar Abrechnungen fertigmachen. Quartalsende!“
„Ach so, okay“, erwidert Jack. „Na, dann mal gutes Gelingen. Und schönen Abend noch!“
„Ebenso“, sagt Lisa und wartet, bis Jack die Praxisräume definitiv verlassen hat.
Und als alles ruhig ist, beginnt sie, die leeren Impf-Ampullen mit Kochsalzlösung aufzufüllen…

CLIFFHANGER auf: Lisa Dagdelen

Mitwirkende Personen
Lisa Dagdelen
Murat Dagdelen
Paul Dagdelen
Deniz Dagdelen
Mika Arlen
Romy Brinkmann
Dr. Iris Brooks
Andrea Neumann
Jack Aichinger
Ludde Mayer
Gung Phan Kien
Dagmar Hoffmeister
Konstantin Landmann
Lea Starck
Dr. Brigitte Klöckner
Cedric Heltau
Lenny Kroon

© `popo wolfson‘, 2021

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: So 3. Okt 2021, 06:55 


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1802 - (Über)forderungen
BeitragVerfasst: So 3. Okt 2021, 09:48 
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Beiträge: 10009
Wieder eine echt klasse Folge, Popo top


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1802 - (Über)forderungen
BeitragVerfasst: So 3. Okt 2021, 19:07 
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Registriert: Mi 29. Sep 2010, 00:11
Beiträge: 11590
super spannend !!!
Ich freue mich schon auf nächstes Wochenende.


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Forum: Lindenstraße morgen
Autor: popo wolfson
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