Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1800 - Die Chefin
BeitragVerfasst: So 19. Sep 2021, 12:59 
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Folge 1800: Die Chefin

Spieltag: Donnerstag, 16.09.2021

Konstantin kehrt seit Beginn des neuen Schuljahres am Montag jeden Tag mit sehr gemischten Gefühlen in die Schule zurück. Seiner Chefin ist er bislang nicht begegnet und im Grunde ist er auch immer noch der Meinung, nichts falsch gemacht zu haben – schließlich war sie diejenige, die ihn im betrunkenen Zustand nahezu schamlos angebaggert hat. Und die Tatsache, dass er sie dann einfach in ihrer Haustür zurückgelassen hat, ist nun allemal besser, als wenn er ihren Zustand schamlos ausgenutzt hätte. Er hat sich nichts zu Schulden kommen lassen und wenn irgendwem die ganze Sache peinlich sein sollte, dann ihr. Vermutlich ist es das auch. Und vermutlich ist das auch der Grund, weshalb sie ihm in den letzten Tagen so konsequent aus dem Weg gegangen ist. Und dennoch: Obwohl Konstantin bewusst ist, dass er genau richtig gehandelt hat und ihm nichts unangenehm zu sein braucht, ist ihm die Sache dennoch unangenehm – und zwar nicht zu knapp. Die Klöckner ist immerhin seine Chefin und er weiß gar nicht, wie er ihr begegnen soll, ohne dass das Ganze zwangsläufig peinlich verläuft. Und so vertraut er sich an diesem Morgen beim Frühstück Lea an und erzählt ihr endlich, was am letzten Donnerstag geschehen ist.
„Sie hat WAS?“ fragt Lea fassungslos, nachdem ihr Mitbewohner mit seinen Ausführungen geendet hat. „Na, hallo, die hat aber wohl mal echt gewaltigen Notstand!“
„Was soll ich ihr denn sagen, wenn ich sie wiedersehe?“ murmelt Konstantin.
„Na, wieder nüchtern?“ schlägt Lea vor. „Oder: Haben Sie es schon mal mit einem Callboy versucht?“
„Haha, sehr witzig“, erwidert Konstantin genervt.
„Mal im Ernst“, sagt Lea. „Die sollte sich eher überlegen, was sie zu dir sagt. Wenn du sie jetzt flachgelegt hättest, in ihrem desolaten Zustand, dann hättest du Grund, dir Gedanken zu machen, wie das nun weitergehen soll. Aber so? Sie war halt betrunken und fand dich geil. Ich an deiner Stelle, würde einfach so tun, als wäre nichts. Die ersten ein, zwei Male, wenn ihr euch seht, ist das vielleicht ein bisschen klemmig, aber dann ist Gras drüber gewachsen und sie wird wahrscheinlich froh sein, dass das Thema vom Tisch ist. Ihr seid doch beide erwachsene Menschen. Und es ist kein Weltuntergang. Damit werdet ihr ja wohl klar kommen.“
Konstantin findet, dass Lea recht hat – und macht sich schließlich wesentlich entspannter auf den Schulweg, als das an den vergangenen Tagen der Fall war.
Als Konstantin später in seinem Büro sitzt, klopft es an der Tür. Auf sein „Herein“, betritt allerdings kein Schüler den Raum, sondern Dr. Brigitte Klöckner. Konstantin fühlt sich augenblicklich einen Tick unwohler, ruft sich dann aber erneut ins Gedächtnis, dass er nichts falsch gemacht hat und es für ihn keinen Grund gibt, sich für irgendwas zu schämen.
„Herr Landmann“, beginnt die Klöckner mit ihrer tiefen Stimme zögerlich. Dann bricht sie ab, räuspert sich und fährt sich verlegen durch die Haare. Schließlich setzt sie wieder an: „Ich, äh… also, was da letzte Woche passiert ist … ich hab da wohl ein wenig die Kontrolle verloren.“ Als Konstantin sie nur schweigend ansieht, redet sie weiter: „Ich… vertrage eigentlich nicht so viel Alkohol… Ich weiß gar nicht, was da in mich gefahren ist. Sie müssen ja einen schrecklichen Eindruck von mir haben.“
Konstantin räuspert sich verlegen und weiß nicht so recht, was er nun antworten soll. „Es ist ja nichts passiert“, bringt er schließlich hervor. „Also ich meine… wir haben ja alle schon mal zu viel getrunken. Und dann vielleicht Dinge getan, die wir hinterher bereuen.“
„Sie sind mir jetzt also nicht böse?“ fragt Klöckner.
„Nein, natürlich nicht!“ entgegnet Konstantin schnell.
„Puh, da bin ich aber erleichtert!“ Die Klöckner lacht heiser auf.
„Ja, nein, also… äh… alles in Ordnung“, versichert Konstantin nochmal.
„Es wäre schön, wenn dieser kleine... Fauxpas vielleicht unter uns bleiben könnte?“ fragt die Klöckner vorsichtig an. „Ich möchte nicht unbedingt, dass das im Kollegium die Runde macht. Und dann womöglich noch bei der Schülerschaft… Oh Jesus Christus!“
„Nein, natürlich nicht, das bleibt unter uns“, verspricht Konstantin.
„Gut.“ Die Klöckner bleibt vor seinem Schreibtisch stehen und betrachtet ihn aufmerksam.
„Ist sonst noch was?“ fragt Konstantin, den es sichtlich nervös macht, von seiner Chefin so angestarrt zu werden.
„Sie sind ja nun auch nicht unbedingt…“, beginnt Dr. Klöckner. „Also, wie soll ich sagen…? Wenn ich Sie mir so ansehe… Also, es ist ja nicht zu verdenken, dass eine Frau da auf so dumme Gedanken kommen könnte.“
„Wie bitte?“ fragt Konstantin perplex.
Die Klöckner lacht wieder heiser auf. Dann sagt sie: „Naja, und dann sind Sie auch noch so ein unglaublicher Gentleman. So attraktiv. Und gleichzeitig noch so höflich und zuvorkommend. Da muss eine Frau ja schwach werden.“
„Äh, Frau Dr. Klöckner…“ Konstantin ist mit der Situation, die sich da gerade in seinem Büro anspielt, fast noch überforderter als mit dem betrunkenen „Angriff“ in der letzten Woche – denn schließlich ist die Klöckner jetzt nüchtern (vermutet und hofft er zumindest) und sie befinden sich an ihrem Arbeitsplatz.
„Haben Sie eigentlich eine Freundin?“ fragt Klöckner völlig unvermittelt und setzt sich dabei auf seine Schreibtischkante, wobei ihr ohnehin viel zu kurzer Rock ein wenig hoch rutscht.
Konstantin, inzwischen völlig aus dem Tritt geraten, will zunächst verneinen, sagt dann aber schnell: „Ja! Sie heißt Lea und ist Friseurin. Wir wohnen zusammen.“
„Oh“ entfährt es der Klöckner und sie erhebt sich wieder.
„Wir sind sogar verlobt“, lügt Konstantin. Plötzlich hat er den Gedanken, dass es nur positiv für ihn sein kann, wenn sie ihn für so gebunden wie nur möglich hält. Diese Frau, denkt er, ist sexuell offenbar vollkommen ausgehungert.
„Wie schade“, erwidert die Klöckner. Sie dreht sich um und geht zur Tür. Dort hält sie nochmal inne und ehe sie den Raum verlässt, sagt sie: „Falls Ihnen das mal zu langweilig wird, mit Ihrer Lea… Sie wissen, wo Sie mich finden. Meine Tür steht Ihnen immer offen.“
Konstantin ist nun fix und fertig mit den Nerven. Was war das? Hat diese Frau völlig den Verstand verloren? Erst entschuldigt sie sich für ihr aufdringliches Verhalten in der Vorwoche, nur um sich dann im nächsten Moment völlig ungehemmt ein weiteres Mal an ihn ranzumachen?
Den restlichen Arbeitstag lang ist Konstantin fahrig und unkonzentriert.
Als er nach Feierabend gerade sein Fahrrad aufschließt, ertönt hinter ihm plötzlich eine sonore Stimme: „Wo haben Sie denn Ihr Auto gelassen?“
Konstantin fährt herum. An der Fassade des Schulgebäudes, wenige Meter von ihm entfernt, lehnt Brigitte Klöckner und raucht.
„Ich… äh… hab gar kein Auto“, erklärt Konstantin. „Das Auto letzte Woche, da gehört einer Verwandten. Ich fahr normalerweise nur Fahrrad.“
Während Konstantin seine Tasche am Gepäckträger befestigt, tritt die Klöckner von hinten an ihn heran. „Sportlich!“ sagt sie und gibt ihm einen Klaps auf den Hintern.
Konstantin spürt, wie ihm das Blut in den Kopf schießt. Das Verhalten dieser Frau überfordert ihn zunehmend.
„Mögen Sie auch eine Zigarette?“ fragt Klöckner.
„Im Moment nicht, danke“, lehnt Konstantin ab und schwingt sich auf sein Rad.
„Schade“, erwidert die Klöckner und streift dezent mit ihren Fingern über seinen Arm.
„Ich muss jetzt“, sagt Konstantin schnell. „Schönen Feierabend.“
Während er davon braust, hört er noch, wie sie sagt: „In Ihrer Gesellschaft wäre er definitiv noch schöner.“
Zuhause überlegt Konstantin lange, ob er Lea von den heutigen Geschehnissen erzählen soll, und entscheidet sich dann dafür.
„Die Alte tickt ja wohl nicht richtig“, stellt Lea abschließend fest.
„Tja, das finde ich auch. Erst entschuldigt sie sich lang und breit für ihren Ausrutscher letzte Woche und tut so, als ob ihr das weiß Gott wie peinlich sei – und dann macht sie genauso weiter...“
„Das ist ja schon sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz“, findet Lea. „Die kannst du anzeigen.“
„Wofür soll ich die denn anzeigen?“ fragt Konstantin. „Sie hat mich angeflirtet, nicht vergewaltigt.“
„Sie hat dich sexuell belästigt“, erklärt Lea. „Das reicht wohl für eine Anzeige. Du hast ihr gesagt, dass du das nicht willst, und sie macht trotzdem weiter.“
„Sie ist wahrscheinlich einfach nur einsam und sexuell frustriert“, überlegt Konstantin.
„Ja, das war Jack The Ripper wahrscheinlich auch“, meint Lea.
Konstantin lacht auf. „Es ist ja nichts passiert.“
„Aber es nervt dich doch“, erwidert Lea. „Willst du, dass das jetzt ewig so weitergeht? Mal ehrlich, wenn die Notstand hat, soll sie sich einen Callboy nehmen, aber nicht ihre Mitarbeiter anbaggern.“
Konstantin denkt an diesem Abend noch lange über Leas Worte nach. Ist das, was die Klöckner da macht, wirklich schon sexuelle Belästigung und würde eine Anzeige rechtfertigen? Und würde er überhaupt so weit gehen wollen? Und wenn ja, was würde das für Folgen haben…?

Klaus verlässt am Morgen das Haus, um im Bayer Brot zu kaufen und wird auf dem Gehweg vor dem Café Zeuge einer aufgebrachten Diskussion zwischen seiner Mutter und Roland.
„Aber es kann doch nicht sein, dass das Wohl aller Menschen von so ein paar Uneinsichtigen wie dir abhängt“, klagt Helga lautstark.
„Jö, was heißt denn ein pöör Uneinsichdigen?“ röhrt Roland. „Die Uneinsichdigen, dess seid ja wohl ihr. Ihr Schlafschafe und Covidioten, die ihr alle hirnlös der Regierung folgt und in euer Umglück rennt, ohne es zu merken!“
„Ach, das ist doch blanker Unsinn“, wehrt Helga ab. „Ins Unglück stürzt ihr uns alle! Nur weil ihr so stur seid und die Impfung verweigert, kriegen wir diese Pandemie doch nie in den Griff!“
„Ja ja, laber dü nür“, schimpft Roland. „Schön im Herdentrieb dem Ruf der Pölitik folgen. Schön brav mit diesem Giftzeug impfen lassen, ganz egal, was das bedeudet. Aber Hauptsache, den Spahns und Merkels und Co. Da oben gefallen, was?“
„Das hat doch nichts damit zu tun, dass wir der Politik gefallen wollen“, empört sich Helga. „Wir lassen uns impfen, weil wir endlich wieder ein Stück Normalität zurück haben wollen. Weil wir uns nicht diesem Virus geschlagen geben wollen. Weil wir hoffen, dass die Welt dadurch irgendwann vielleicht doch wieder so wird wie früher. Und ihr, ihr querdenkenden Quertreiber mit eurer Ignoranz, ihr verhindert das alles.“
„Die Welt könnt doch schon längst wüder so sein wie früher, wenn ühr euch von dene da oben nicht so wuschig machen lassen wördet. Lockdown, Isolation… Immer schon kuschen. Ihr steht doch dem normalen Leben selbst im Wäsch!“
„Also wenn ich mich da mal einmischen darf…“, meldet sich nun auch Klaus zu Wort.
„Na, dös fählte auch noch“, echauffiert sich Roland.
„Klausi, mein Hase“, freut sich Helga über den Beistand. „Erkläre diesem Coronaleugner hier doch bitte mal, wie wichtig die Impfung ist, damit wir die Pandemie endlich besiegen können!“
Die Debatte vor dem Bayer geht noch eine ganze Weile weiter, doch beide Parteien bleiben vollkommen uneinsichtig und rücken keinen Millimeter von ihrem jeweiligen Standpunkt ab, so dass am Ende rein gar nichts dabei rausspringt – außer dass Roland vor lauter Aufregung Herzflattern kriegt, Helga von der Schreierei heiser ist und Klaus nun Kopfschmerzen hat.
Und die Kopfschmerzen sollen im Laufe des Tages auch nicht besser werden. Klaus versucht einige Stunden lang, möglichst konzentriert an einem Auftrag für eine Zeitung zu arbeiten, bringt dabei aber nicht viel Produktives zustande. Am Nachmittag beschließt er, für die Familie zu kochen, um sich auf andere Gedanken zu bringen. Er beauftragt Ida damit, kurzzeitig auf Mila aufzupassen, damit er noch ein paar Lebensmittel besorgen kann. Gerade als er die Wohnung verlässt, klingelt sein Handy: Nastya! Auch das noch!
„Was gibt’s?“ fragt er grußlos, während er den Schlüssel vom Haken nimmt.
„Ich glaube, es geht wieder los“, flüstert Nastya nervös aus dem Telefon.
„Könntest du bitte etwas konkreter werden?“ fragt Klaus und zieht die Wohnungstür hinter sich zu.
„Society“, erwidert Nastya.
„Wie kommst du denn darauf?“
„Ich fühle mich verfolgt.“
„Du FÜHLST dich verfolgt?! Das ist ja echt stichhaltig.“
„Klaus, ich…“
„Bist du sicher, dass deine Nerven nicht wieder verrückt spielen? Oder dass du mal wieder ein bisschen Show machen willst?“
„Nein“, entgegnet Nastya empört. „Da sind ständig irgendwelche Leute, die mich beobachten.“
„Klingt sehr paranoid“, meint Klaus, während er die Treppen runterläuft.
„Bitte, Klaus! Ich bilde mir das nicht ein. Die haben wieder was spitz gekriegt. Und ich hab Angst!“
Klaus hat inzwischen das Haus verlassen und sagt: „Nastya, bitte, jetzt hör mal zu…“
„NASTYA???!!!???“ wird er in diesem Moment unterbrochen.
Weniger Meter von ihm entfernt steht Helga in der Hofeinfahrt und sieht ihren Sohn fassungslos an.
Klaus erstarrt für Sekundenbruchteile. Dann sagt er in sein Handy „Ich melde mich später nochmal“ und drückt das Gespräch weg.
„Mein Sohn, was hat das zu bedeuten?“ will Helga in unheilschwangerer Tonlage wissen.
„Ma, ich kann dir das erklären“, beginnt Klaus. „Es ist nicht so, wie du jetzt wahrscheinlich denkst.“
„Wie kannst du meinem Ninchen das nur antun?“ jammert Helga vorwurfsvoll. „Diese Frau ist so ein Goldschatz. Und du? Du hast sie gar nicht verdient, du Schuft! Du bist wie dein Vater.“
„Ma, jetzt hör mir bitte mal zu…“
„Wie er mich damals mit Anna betrogen hat. Aber er konnte einfach nicht treu sein. Seine Anna hat er garantiert auch betrogen. Wer weiß, was da damals wirklich gelaufen ist, als er so dicke war mit Frau Winicki. Oder diese Suzanne aus dem Osten. Die sind ja auch dauernd umeinander herumscharwenzelt.“
„Maaaaa….!“
„Es wird Ninchen das Herz brechen, wenn sie da erfährt“, stöhnt Helga und sagt dann entschlossen: „Du beendest das! Und Nina darf niemals davon erfahren!“
„Nina weiß es“, sagt Klaus knapp.
Und nun fehlen Helga tatsächlich die Worte. Sie druckst mehrere Sekunden hilflos rum, dann sagt sie: „Nina… weiß…. Aber...sie… Und sie toleriert das????“
„Es ist nicht, wie du denkst“, wiederholt Klaus.
„Und wie ist es dann?“ fragt Helga schnippisch.
„Lass uns das bitte nicht hier auf der Straße besprechen“, verlangt Klaus und sieht sich vorsichtig um.
Wenige Minuten später sitzen die beiden gemeinsam an Helgas Küchentisch.
„Sind Andy und Gabi auch wirklich nicht da?“ fragt Klaus skeptisch.
„Nein“, faucht Helga. „Herrgott, was soll denn diese Geheimnistuerei. Wenn du wieder was mit Nastya hast, wird das sowieso bald jeder wissen. Hier in dieser Nachbarschaft kann man doch nichts geheim halten.“
„Ich hab nichts mit Nastya“, erklärt Klaus schließlich. „Aber ich arbeite mit ihr gemeinsam an einer Sache. Und die ist wirklich Top Secret!“
„Wie bitte???“ fragt Helga fassungslos. Und so erzählt Klaus ihr schließlich die ganze Geschichte: Von dem Buch, an dem sie arbeiten, von den Drohungen, die sie deshalb von Society berkommen haben, und wie sie dann gehofft haben, die Spitzel der Sekte austricksen zu können. Helga ist am Ende der Ausführungen völlig fassungslos.
„Oh mein Gott“, keucht sie. „Und jetzt bin ich ja auch eine…. Mitwisserin. Du meine Güte… Bin ich jetzt etwa auch… in Gefahr?“
„Nicht, wenn du den Mund hältst“, sagt Klaus schnell. „Behalt einfach alles für dich, was ich dir gerade erzählt habe. Sprich mit niemandem darüber. Auch nicht mit Andy und Gabi. Oder mit Marion am Telefon. Am besten, du vergisst das Ganze gleich wieder!“
„Na, du machst mir Spaß.“ Helga schluckt bitter. „Wie kannst du dich nur auf sowas einlassen?“
Später führt Klaus ein weiteres Telefonat mit Nastya, in dem er es schafft, sie halbwegs zu beruhigen. Sie soll die Augen aufhalten, aber sich nicht wegen jeder Kleinigkeit verrückt machen. Und wenn sie einen begründeten Verdacht findet, wirklich verfolgt zu werden, soll sie sich nochmal bei ihm melden. Beim Abendessen mit Nina, Mila und Ida tut Klaus so, als sei heute nichts besonderes vorgefallen, als habe es weder das Telefonat mit Nastya, noch das Gespräch mit seiner Mutter gegeben. Er will Nina nicht beunruhigen…
Auch Helga tut beim Abendessen mit Andy, Gabi und Popo so, als wäre nichts. Statt über Klaus und die Sekte redet sie lieber über das unmögliche Verhalten von Gabis Cousin am Morgen. Aber eigentlich sind ihr Roland und sein Querdenkertum inzwischen völlig egal. Ihre Gedanken kreisen um ihren Sohn und darum, in was für eine Gefahr er sich und seine Familie mit diesem Projekt bringt. Und es fällt ihr zunehmend schwer, den Mund zu halten…

Iffi ist an diesem Morgen besonders früh auf den Beinen. Sie hofft darauf, einfach mal ganz alleine und in Ruhe frühstücken zu können, ehe Valerie schon wieder wach ist und ihr auf die Nerven geht. Doch die ältere Schwester scheint sehr feine Antennen für Iffis Rhythmus zu haben. Denn kaum dass sich Iffi den ersten Löffel ihres Müslis in den Mund schiebt, steht Valerie auch schon in der Küchentür.
„Oh, Müsli“, kommentiert Valerie ohne einen Morgengruß das Geschehen. „Sehr gesund und sehr lecker. Aber du weißt ja hoffentlich, dass das auch unendlich viele Kalorien hat. Vor allem die ganzen Bananenstücke da drin. Und all die Haferflocken.“
Genervt schiebt Iffi die Schüssel ihrer Schwester zu: „Kannst du aufessen, wenn du magst. Ich faste heute.“
„Aber du kannst doch nicht mit leerem Magen aus dem Haus gegen“, sagt Valerie mit gespielter Fassungslosigkeit. „Das ist ganz ungesund, das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages.“
Iffi schnappt sich einen Apfel, beißt rein und fragt: „Zufrieden?“
Eine kurze Weile sitzen sie schweigend am Tisch, wobei Iffi Valerie mit ihren Blicken buchstäblich erdolcht.
Als Iffi sich auf den Weg zur Arbeit machen will, fragt Valerie plötzlich: „Wie ist das eigentlich? Belastet dich das alles gar nicht?“
„Was meinst du?“ Iffi ist irritiert.
„All diese Leben, die du zerstört hast“, erklärt Valerie mit bitterer Stimme. „Momo könnte ein glückliches Leben führen. Aber seit Jahrzehnten pendelt er ja sozusagen zwischen Knast und Psychiatrie. Und das nur, weil du ihn damals mit seinem eigenen Vater betrogen hast.“
Iffi starrt ihre Schwester entsetzt an.
„Kurt könnte auch noch leben“, setzt Valerie ihre Ausführungen fort. „Er musste deinetwegen sterben. Weil du so eine kleine Schlampe warst, früher.“
„Das muss ich mir nicht länger anhören“, giftet Iffi und schnappt sich Jacke und Tasche.
„Hast du eigentlich nochmal was von Frau Dr. Sperling gehört?“ fragt Valerie. „Lebt die eigentlich noch? Die hat ja immer so unheimlich viel geraucht. Die ist ja auch nur deinetwegen zurück nach Afrika. Weil du ihre Familie zerstört hast. Der Mann tot. Der Sohn ein Mörder. Und alles wegen dir. Weil du ja den Hals nie vollkriegst. Sehr bitter.“
Iffi will gehen, doch dann hält sie in der Küchentür inne und dreht sich um.
„Wer gibt dir eigentlich das Recht, dich hier wie eine Heilige aufzuspielen?“ faucht sie. „Ausgerechnet dir? Du hast ja auch nicht gerade alles richtig gemacht. Wie war das noch mit deinem erfundenen Freund damals?“
„Aber das war doch auch alles deine Schuld!“ Valerie setzt ihren Rehblick auf. „Das hab ich doch nur gemacht, weil ich mich neben dir immer so minderwertig gefühlt habe.“
„Und wie war das mit dem Baby aus dem Krankenhaus?“ fragt Iffi giftig. „Wenn man kein eigenes Kind bekommen kann, dann klaut man sich einfach das einer anderen Frau, nicht wahr!?“
Valerie erstarrt für Sekundenbruchteile. Dann springt sie wie von der Tarantel gestochen auf, so schnell, dass ihr Stuhl umkippt. Wie eine Furie stürzt sie sich auf Iffi, greift mit der einen Hand in deren Haare und zieht daran, während sie sich mit der anderen in ihren Unterarm krallt.
Als Roland wenige Momente später die Wohnung betritt, findet er die beiden kreischend und rangelnd im Wohnungsflur vor.
„Jö, was üst denn hiür wieder lös?“ fragt er entsetzt. „Seid ühr dönn dös Wohnsinns?“
Roland versucht, die Kampfhennen zu trennen, und fängt sich dabei einen unbeabsichtigten Kinnhaken von Iffi ein. Schließlich lassen die Schwestern voneinander ab. Völlig außer Atem und mit hochrotem Kopf richtet Iffi notdürftig ihre zerzausten Haare und verlässt die Wohnung ohne jeden weiteren Kommentar, aber mit einen vernichtenden Blick an ihre Schwester .
„Sünd denn heute alle total verrückt geworden?“ fragt Roland Valerie. „Grad kackt mich de bekloppte Beimer da unden an, weil üsch müsch nöscht impfen lassen wüll. Und nun dös hier? Was ist denn mit eusch lös?“
„Roland“, schluchzt Valerie und fällt ihm um den Hals. „Die Iffi ist so gemein. Erst macht sie mir Vorwürfe wegen allem, was ich früher falsch gemacht habe, und als ich mich dann gewehrt habe und ihr mal ihre eigenen Fehler vorgehalten habe, da ist sie einfach auf mich losgegangen.“
„Dös kann jo wöhl nisch wahr sein!“ Roland ist fassungslos. „Üsch kann dös eenfoch nüsch glööm, so kenne üsch de Iffi gar nösch. Seitdem du da bist, ist sie ein anderer Mönsch.“
Valerie bricht hysterisch in Tränen aus. „Jetzt gibst du mir auch schon die Schuld an allem“, heult sie.
„Abor nää doch“, sagt Roland schnell.
„Doch, du hast gesagt, seitdem ICH hier bin, ist die Iffi völlig verändert!“
„Ja, aber dös ist doch nüsch deine Schuld“, sagt Roland beschwichtigend.
„Ich kann hier nicht mehr bleiben“, jammert Valerie. „Das geht so nicht mehr weiter. Ich muss mir dringend was anderes suchen.“
„Ja, söweit kommts noch“, lenkt Roland ein. „Dös du jetzt hier ausziehst, nür weil de Iffi plötzlisch jeden Anstand verloren hat. Du bleibst, sölange du willst! Das wollen wa doch mal söhen…“
„Danke Roland“, sagt Valerie und fällt ihm erneut um den Hals. „Du bist so lieb. Die Iffi hat dich eigentlich gar nicht verdient!“
Später hilft Valerie Roland beim Kochen und beginnt erneut mit dem Thema. „Die Iffi hat dich wirklich nicht verdient“, erklärt Valerie, während sie die Möhren schneidet. „So ein toller Mann wie du. So tolerant und empathisch. Und grundehrlich. Und dann ausgerechnet die Iffi. Die ist doch noch keinem treu geblieben.“
„Och jö, das sind halt die Jugendsünden“, meint Roland.
„Hat sie dir eigentlich jemals erzählt, was da genau passiert ist. Mit Momo und seinem Vater?“
„Nojö… So ungöfähr. Aber sie war halt jung und wild.“
„Und egoistisch“, ergänzt Valerie. „Das war sie immer schon. Immer nur auf den eigenen Vorteil bedacht.“
„Mit meiner Ex-Frau, der Mutter vom Konstantin… da hab üsch müsch ja ooch nüsch gerade mit Ruhm begleggort.“
„Aber jetzt bist du anders“, befindet Valerie. „Die Iffi ändert sich nie. Die macht immer wieder die gleichen Fehler. Als sie mit Antonia schwanger wurde, von Momo, da hatte sie gerade einen anderen geheiratet.“
Roland stutzt. „Dieser Lehrer? Aber dös war doch da schon aus, dachte üsch?“
„Ne ne“, lacht Valerie. „Das ist nur deshalb zu Ende gegangen, weil die Iffi sich wieder mal von Momo schwängern lassen hat.“
„Och sö?“
„Hat sie dir das etwas erzählt? Dass das damals schon aus war?“
„Jo, sö am Rande mal.“
„Dabei war dieser Jan wohl auch ein ganz Netter“, sinniert Valerie. „Ich hab den ja nie persönlich kennengelernt, das war ja zu der Zeit, als ich in Mexiko war. Aber das muss auch so ein Typ wie du sein. Einer, der es immer nur gut meint mit allen, der es jedem recht machen will. Das ist natürlich ein gefundenes Fressen für Iffi. Willige Opfer, die sich in ihrer Gutheit ausnutzen lassen. Und dann lässt sie sie fallen, wie eine heiße Kartoffel. Weil sie jemand Neues kennenlernt. Oder wieder was mit Momo anfängt… Tragisch.“
Roland wird nachdenklich. Zwar ist ihm auch vorher durchaus bewusst gewesen, dass seine Iffi nie ein Kind von Traurigkeit war, aber so, wie Valerie sie jetzt darstellt, hat er sie dann doch nie gesehen. Sollte Iffi tatsächlich immer noch so unstet und sprunghaft sein, dass sie ihn bei erstbester Gelegenheit austauschen würde? Valerie jedenfalls ist sehr zufrieden, über diesen Zweifel an Iffis Liebe und Loyalität, den sie bei Roland streuen konnte.
Als sie etwas später das Haus verlassen will, entdeckt sie unten im Eingangsbereich, dass Lisa bei Murat in der Shisha-Bar ist. Sofort bleibt sie stehen und lauscht. Das Gespräch der beiden dreht sich darum, dass Lisas Mutter die Knochenmarkspende anzunehmen scheint, ihr Körper habe jedenfalls noch keine Abwehrreaktionen gezeigt und die Blutwerte haben sich in den letzten Tagen verbessert.
„Ich hoffe, dass sie bald wieder gesund ist. Und dass sie dann verschwindet und uns ein für allemal in Ruhe lässt“, sagt Lisa.
„Baby“, beginnt Murat zögerlich. „Willst du nicht doch nochmal versuchen, einen Neuanfang mit ihr zu starten? Vielleicht hat sie sich durch diese Geschichte ja verändert.“
„Niemals“, entgegnet Lisa barsch. „Ich will, dass das endlich wieder aufhört. Diese Frau tut mir einfach nicht gut. Sie hat so viel kaputt gemacht in meinem Leben. Sie soll zum Teufel gehen.“
Valerie hat genug gehört und setzt, unbemerkt von den beiden, ihren Weg fort. Mit ihrer Jobsuche läuft es mehr schlecht als recht. In den vergangenen Tagen hat Valerie – die sich mittlerweile ein Postfach gemietet hat, damit die Antworten auf ihre Bewerbungen nicht in die Kastanienstraße geschickt werden und dort womöglich Iffi in die Wurstfinger fallen (schließlich hat sie ja behauptet, bald ihre neue Stelle anzutreten) – immer weitere Absagen bekommen. Sie hat das ungute Gefühl, dass es ein gut funktionierendes Netzwerk zwischen den verschiedenen Kranken- und Pflegeeinrichtungen der Stadt gibt und dass dieser Lobrecht sie überall schlecht gemacht hat. Anders kann sie es sich nicht erklären, dass ausgerechnet sie in Zeiten des absoluten Pflegenotstands überall Absagen erhält.
Auch heute findet Valerie in ihrem Postfach nichts Erfreuliches. Ihre Sachbearbeiterin beim Arbeitsamt hat zwar noch ein paar neue Adressen für sie parat, aber wenn Lobrecht sich mit denen auch schon in Verbindung gesetzt hat, wird das sowieso wieder alles nichts werden. Verdammter Mist…! Ob man den nicht wegen übler Nachrede verklagen kann? Oder wegen Verstoß gegen den Datenschutz? Aber dazu müsste sie ihm erstmal beweisen können, dass er auch tatsächlich seine Finger im Spiel hat…
Am späten Nachmittag stattet Valerie Andy und Gabi nochmal einen Besuch ab und schwärmt ihnen scheinheilig in den höchsten Tönen vor, wie sehr sie sich auf ihre neue Stelle freut und wie begeistert der Klinikleiter und der Personalchef von ihren Bewerbungsunterlagen waren – die jahrelange Auslandserfahrung in Mexiko würde ihr Tor und Tür in der Landschaft des deutschen Pflegesystems öffnen…
Als Valerie am Abend nach Hause kommt, findet in der Küche gerade ein Streit zwischen Iffi und Roland statt. Antonia kommt aus ihrem Zimmer und sagt zu Valerie: „Dicke Luft. Ich verzieh’ mich!“ Dann rauscht der Teenager auch schon aus der Wohnung, während Valerie sich lauschend näher an die Küchentür heran schleicht. Iffi klagt und zetert lautstark, dass Valerie sie bei jeder Gelegenheit niedermacht und sich selbst dann immer als Opfer darstellt. Dummerweise stößt Valerie in diesem Moment gegen das auf der Flurkommode liegende Telefon, das scheppernd zu Boden fällt.
„Ihr streitet euch doch nicht etwa meinetwegen?“ fragt Valerie mit aufgesetzter Unschuldsmiene.
„Doch“, zickt Iffi.
„Öber nein, natürlisch nüscht“, sagt Roland schnell. „Mach dor keene Sorschen…“
„Doch, Valerie“, kommt es von Iffi, „das hier mit uns, das funktioniert einfach nicht. Und darum möchte ich, dass du ausziehst. Nimm dir von mir aus ein Pensionszimmer irgendwo, ich zahl dir das sogar, bis du nächsten Monat selbst wieder was verdienst. Aber bitte, bitte verschwinde endlich aus unserer Wohnung!“
„Na, so weit kommt noch!“ fährt Roland barsch dazwischen. „Dü würst doch deene eigene Schwester nüsch vor de Tür setzen.“
„Doch, das werde ich!“
„Des würst du nischt!“ Roland schlägt energisch mit der flachen Hand auf die Tischplatte. „Dü wöhnst hier nömlisch nicht alleene. Und üsch saache, die Valerie bleibt hier. Und zwar so lange, wie se wüll. Und damit basta!!!“

CLIFFHANGER auf: Iffi Zenker

Mitwirkende Personen
Roland Landmann
Konstantin Landmann
Lea Starck
Helga Beimer
Klaus Beimer
Mila Beimer
Nina Zöllig
Ida Zöllig
Andy Zenker
Gabi Zenker
Valerie Zenker
Iffi Zenker
Antonia Zenker
Popo Wolfson
Murat Dagdelen
Lisa Dagdelen
Nastya Pashenko
Dr. Brigitte Klöckner

© „popo wolfson“, 2021

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Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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BeitragVerfasst: Di 21. Sep 2021, 12:05 
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Valerie ist so eine miese Schlange, ich konnte die nie leiden.


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