Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1791 - Alte Wunden
BeitragVerfasst: So 18. Jul 2021, 15:15 
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Folge 1791: Alte Wunden

Spieltag: Donnerstag, 15.07.2021

„Mann, das ist alles so Scheiße“ Lovis pfeffert genervt einen ganzen Wust Schmierzettel und Computerausdrucke zum Altpapier, das auf dem Küchenstuhl liegt.
„Was ist das denn alles?“ fragt Annalena ihre Schwester.
„Das ist mein Probeartikel für die Schülerzeitung“, erklärt Lovis. „Also, das sollte zumindest mein Probeartikel werden, aber das ist alles Schrott. Das kann ich nicht abgeben, so nehmen die mich nie.“
„Was denn für eine Schülerzeitung?“ möchte Nils wissen.
„Och, Papa, du kriegst aber wirklich überhaupt nichts mit, oder?“ nöhlt Lovis.
„Lovis möchte doch nach den Sommerferien bei der Schülerzeitung mitmachen“, erklärt Kerstin ihrem Mann.
„Ja, aber dafür muss ich bis nächste Woche erstmal einen brauchbaren Artikel einreichen“, sagt Lovis. „Aber das hier ist echt alles Kacke.“
Nils möchte wissen, über was Lovis schreiben möchte, und sie erklärt ihm, dass sie sich für das Thema Artenschutz entschieden hat, da das schließlich alle was anginge und immens wichtig sei. Sie hätte auch viele gute Ideen, nur mit der schriftlichen Umsetzung klappe es nicht so...
„Das ist so ungerecht“, nörgelt Lovis weiter, „Annalena will in die Schultheatergruppe – und schwupps, ist sie drin. Ich will zur Schülerzeitung und muss mir dafür so den Arsch aufreißen.“
„Tja, ich hab halt Talent“, meint Annalena grinsend. „Auf mich hat die Theatergruppe eben nur gewartet.“
„Und ich hab kein Talent, oder was?“ zickt Lovis.
„Offenbar jedenfalls nicht fürs Schreiben“, frotzelt Annalena. „Wenn du schon an so einem kleinen Probeartikel scheiterst, scheint das ja nicht wirklich dein Ding zu sein...“
Lovis pfeffert ihrer Schwester genervt eine Banane entgegen, die dann aber ihr Ziel verfehlt und eine volle Kaffeetasse vom Frühstückstisch fegt, woraufhin hin die Zwillinge Merle und Maite in schadenfrohes Gelächter ausbrechen.
„Sag mal, geht' s noch?“ mault Nils und schlägt dann vor: „Vielleicht kann ich dir dabei ja helfen!“
„Du?“ fragt Lovis fassungslos. „Papa, das soll ein Artikel werden und kein Regal!“
Merle und Maite können sich nun endgültig nicht mehr halten vor Lachen und Nils wirkt ein wenig pikiert über Lovis' mangelndes Vertrauen,
„In der Lindenstraße 3 wohnt doch dieser Journalist“, fällt Kerstin plötzlich ein. „Der Lebensgefährte von der netten Polizistin, ihr wisst schon... Frag den doch mal, ob der nicht vielleicht noch ein paar Tipps für dich hat.“
„Meinst du wirklich?“ fragt Lovis skeptisch. „Ich kann da doch nicht einfach hingehen und den fragen, ich kenn den doch gar nicht.“
„Fragen kostet ja nichts“, ermuntert Kerstin ihre Tochter. Und während Nils immer noch ein wenig gekränkt ist, weil in seiner Familie offenbar niemand an seine journalistischen Fähigkeiten glaubt, beschließt Lovis, diesen Journalisten tatsächlich mal nach der Schule aufzusuchen – obwohl ihr die Idee doch ein wenig Unbehagen bereitet, denn so direkt und offensiv ist Lovis eigentlich nicht. Aber ihr Wunsch, es ins Team der Schülerzeitung zu schaffen, ist dann doch größer als ihre Skepsis.
Und so klingelt Lovis am Nachmittag mit ihren bisherigen journalistischen Ergüssen im Gepäck bei Beimer/Zöllig in der Lindenstraße 3. Als Mila ihr öffnet, entfährt Lovis ein überraschtes „Ohh!“, denn sie kennt Mila über Antonia ein wenig, da sie morgens oft zusammen an der Bushaltestelle stehen.
„Ich...ähm... bist du die Tochter von Herrn Beimer?“ fragt Lovis verdutzt.
Nachdem Lovis ihr Anliegen vorgetragen hat, erklärt Mila ihr, dass ihr Vater gerade nicht zuhause ist, bittet sie aber hinein und bietet ihr an, auf ihn zu warten.
Die beiden Mädchen unterhalten sich gut miteinander und als Klaus nach Hause kommt, freut er sich, dass Mila Besuch hat, muss dann aber erstaunt feststellen, dass Lovis eigentlich seinetwegen hier ist. Als er erfährt, was ihr Anliegen ist, ist er natürlich sofort Feuer und Flamme, ihr zu helfen, und geht mit ihr gemeinsam alles durch, was sie bisher verfasst hat. Und er kann Lovis auch eine Menge Tipps geben und neue gute Ideen beisteuern, wie sie ihren Probeartikel verbessern kann.
Am Ende ist Klaus wirklich beeindruckt von dem, was Lovis da auf die Beine gestellt hat, nicht nur vom Schreibstil her, sondern auch inhaltlich. Wie intensiv sie sich mit dem Thema Tierschutz auseinandersetzt, gefällt ihm – und plötzlich wird er nachdenklich...
„Ist alles in Ordnung?“ fragt Lovis, als sie Klaus' plötzliche geistige Abwesenheit bemerkt.
„Ich musste nur gerade an jemanden denken“, antwortet er. Und als er Lovis' fragenden Blick sieht, erzählt er schließlich: „Als ich etwa so alt war wie du jetzt, hatte ich eine Freundin. Meine erste richtige Freundin. Julia. Die hat sich auch so für den Tierschutz eingesetzt, die hatte ganz ähnliche Ansichten wie du...“
Klaus zögert einen Moment, aber dann erzählt er Lovis ausführlich von den Aktionen, die Julia damals geplant und durchgeführt hat – und Lovis ist sichtlich beeindruckt!
„Was ist aus ihr geworden?“ fragt sie interessiert.
Klaus zögert erneut und schluckt. Dann antwortet er: „Sie ist gestorben. An Tollwut. Sie hat sich bei einer Katze infiziert, die sie aus einem Versuchslabor befreit hat.“
Lovis sieht ihn entsetzt an. „Oh, mein Gott!“ flüstert sie.
In diesem Moment kommt Nina mit Ida nach Hause und Lovis findet keine Gelegenheit mehr, weitere Fragen zu Julia zu stellen. Sie verabschiedet sich von Klaus und bedankt sich für seine Hilfe.
„Wenn du noch Fragen hast oder ich dir sonst irgendwie helfen kann, kannst du jederzeit vorbeikommen“, sagt Klaus zum Abschied und Lovis bedankt sich erneut.
Im Anschluss an den Besuch spukt Julia noch eine ganze Weile in Klaus' Kopf herum. Es ist schon merkwürdig,: In den letzten Jahren hat er kaum noch an sie gedacht. Dabei war sie doch seine erste große Liebe und die Geschichte ist so tragisch zu Ende gegangen...
„Und hat er dir helfen können?“ fragt beim Abendessen bei den Wendlands zwischenzeitlich Kerstin Lovis.
„Ja“, antwortet diese. „Und wenn ich nochmal Hilfe brauche, kann ich jederzeit wiederkommen.“
„Tja“, meint Nils dazu, „wenn du glaubst, dass er dir besser helfen kann, als ich...“
„Davon gehe ich jetzt mal stark aus“, lacht Lovis.
Später in ihrem Zimmer gehen ihr die Geschichten nicht aus dem Kopf, die dieser Herr Beimer ihr über seine Jugendfreundin erzählt hat. Julia! Was für eine engagierte und mutige junge Frau. Was sie damals gemacht hat, beeindruckt Lovis sehr und sie bewundert diese Julia für ihren Mut und ihre Entschlossenheit. „So wäre ich auch gerne“, seufzt Lovis – und bedauert es, dass sie niemals die Möglichkeit haben wird, diese Julia kennenlernen...


Obwohl Murat sie dazu drängt, den Kontakt zu ihrer Mutter aufzunehmen, stellt Lisa sich diesbezüglich seit einer Woche stur und will auch gar nicht mehr über dieses Thema diskutieren.
„Baby, sie ist deine Mutter und sie ist echt in einer Notlage“, versucht Murat sein Glück nach dem Frühstück erneut.
„Ich war auch in einer Notlage“, faucht Lisa giftig. „Meine ganze Kindheit war eine einzige Notlage! Und wem habe ich das zu verdanken? Ihr!“
„Baby, trotzdem... sie ist todkrank... Und du bist vielleicht die einzige, die ihr helfen kann“, bekniet Murat sie weiter. „Du bist ja immerhin ihre Tochter, da ist es doch ziemlich wahrscheinlich, dass dein Knochenmark passen könnte.“
„So wahrscheinlich ist das gar nicht“, zickt Lisa wieder. „Das ist ein total klischeehafter Irrglaube, dass bei nahen Verwandten das Knochenmark immer passt. Es ist viel wahrscheinlicher, dass sie durch die Spenderkartei einen passenden Spender findet.“
„Aber es ist doch wenigstens einen Versuch wert“, lässt Murat nicht locker. „Du könntest dich doch zumindest mal testen lassen. Wem würdest du damit weh tun?“
„Mir würde ich weh tun“, kreischt Lisa. „Mir! Ich will mit dieser Frau nichts mehr zu schaffen haben!“
„Ich versteh ja, dass es nicht einfach für dich ist...“
„Nein, du verstehst gar nichts!“ keift Lisa. „Wie immer verstehst du gar nichts! Du hast sie doch schon mal hier angeschleppt. Und auch damals ist es in die Hose gegangen. Diese Frau wird sich nie ändern, sie ist eine kranke Egomanin. Sie hat immer nur an sich gedacht! Und jetzt kann sie mal sehen, wohin das führt!“
„Wenn du sie jetzt im Stich lässt, bist du nicht besser als sie“, gibt Murat zu bedenken.
Lisa schaut ihn einen Moment lang verunsichert an, dann macht sie sich ohne jedes weitere Wort auf den Weg zur Arbeit.
„Was ist denn los?“ fragt Deniz, die gerade aus dem Bad gekommen ist und sich nun für den Schulweg bereit macht.
„Nichts“, sagt Murat. „Frag Mama!“
Zerknirscht verlässt auch Deniz die Wohnung. Diese ewige Streiterei geht ihr unheimlich gegen den Strich. Und neuerdings nun auch noch diese ständige Geheimnistuerei. Was soll das nur? Hat sie nicht auch das Recht, zu erfahren, was Sache ist?
Später, in ihrer Mittagspause, sucht Lisa Gabi im Café Bayer auf.
„Ich wollte mich bei dir entschuldigen“, sagt Lisa. „Das war letzte Woche so völlig daneben von mir. Dass ich von Max sprechen musste. Und dass ich Konstantin mit diesem Pilsinger verglichen habe. Das war... dumm.“
„Vom Konstantin hat die Deniz garantiert nichts zu befürchten“, versichert Gabi erneut. „Der hat sein... Problem im Griff. Ganz sicher.“
Lisa schweigt dazu. Und dann erzählt sie Gabi vom Wiederauftauchen ihrer Mutter – und davon, mit welcher Bitte sie an sie herangetreten ist. Gabi hört ihr aufmerksam zu, dann fragt sie: „Und was willst jetzt machen?“
„Nichts!“ sagt Lisa. „Diese Frau ist für mich doch schon längst tot. Ich finde es unglaublich, dass sie nun sowas von mir verlangt!“
„Weißt“, beginnt Gabi, „als der Konstantin damals Leukämie hatte... und ich ihm mit meiner Spende helfen konnte... Des war schon ein ganz ein besonderes Gefühl. Und ich hab es keinen Tag bereut, dass ich das gemacht hab'.“
„Konstantin hat dir ja auch nichts getan“, erwidert Lisa. „Du hattest keinen Grund, ihn zu hassen. Aber denk doch mal an all das, was meine Mutter mir angetan hat.“
„Des versteh ich auch“, sagt Gabi. „Aber meinst du, dass es dir besser geht, wenn du sie jetzt im Stich lässt? Wenn du nicht mal versuchst, ihr zu helfen. Das, was deine Mutter dir angetan hat, ist unverzeihlich. Und deinen Hass auf sie, den kann ich vollkommen nachempfinden... Aber nichts davon wird ungeschehen, wenn du sie jetzt sterben lässt...“
„Verdammt nochmal!“ schreit Lisa empört. „Ihr tut ja alle so, als würde ich ihr den Todesstoß geben! Du tust so, Murat tut so! Aber nicht ich lasse sie sterben! Diese Krankheit lässt sie sterben, ich hab damit gar nichts zu tun!“
„Aber du willst auch nichts unternehmen, ihr zu helfen“, erwidert Gabi. „Vielleicht passt dein Knochenmark ja wirklich nicht, dann kannst eh nichts machen! Aber du willst es ja nicht einmal versuchen. Lisa, deine Mutter war nicht gut zu dir, aber das kannst nicht vergelten, indem du dich nun weigerst, zumindest zu versuchen, ihr zu helfen! Und was meinst, was sie das für eine Überwindung gekostet hat, nun auf dich zuzukommen und dich um Hilfe zu bitten!“
Lisa schaut Gabi einen Moment lang durchdringend an, dann verlässt sie fluchtartig das Bayer.
Deniz entschließt derweil nach der Schule, nicht gleich nach Hause zu gehen, sondern in der WG ihres Bruders nachzusehen, ob Paul gerade zuhause ist. Und tatsächlich hat sie Glück. Deniz erzählt ihm von der schlechten Stimmung zuhause und von der Geheimniskrämerei ihrer Eltern, zunächst in Bezug auf Konstantin und nun auch noch wegen irgendeiner anderen Sache. Paul beschließt, selbst herauszufinden, was nun wieder los ist, und sucht Murat auf. Dieser druckst eine ganze Weile herum, dass er nichts dazu sagen könne, dass Paul seine Mutter fragen sollen – und rückt schließlich doch mit der Sprache heraus. Er erzählt ihm, dass Dagmar wieder in der Lindenstraße aufgetaucht ist, dass sie krank ist und um was sie Lisa gebeten hat.
„Und Mama will ihr nicht helfen?“ fragt Paul fassungslos.
„Du weißt ja, dass sie ein ziemlich... schwieriges Verhältnis zueinander haben“, erklärt Murat.
„Ja, aber deswegen lässt man doch niemanden sterben“, sagt Paul voller Unverständnis.
Obwohl Murat Lisas Entscheidung selbst nicht nachvollziehen kann, versucht er nun, sie vor Paul zu verteidigen.
Lisa ist in der Zwischenzeit im emotionalen Ausnahmezustand. Sie denkt an ihre Kindheit zurück und wie sehr sie ihre Mutter damals geliebt hat – trotz allem, was die ihr angetan hat. Doch ihre Mutter hat diese Liebe nie erwidert. Und je mehr sich Lisa darum bemüht hat, es ihr recht zu machen und sich diese Liebe zu verdienen, wie sie damals geglaubt hat, umso schlimmer ist es geworden. Sie denkt an diesen verhängnisvollen Tag im Sommer 1993 zurück. Als sie Amelie von der Marwitz mit Tabletten betäubt und dann ans Bett gefesselt hat. Und als ihre Mutter plötzlich vor der Tür stand, nachdem sie sie seit mehr als einem Jahr nicht mehr gesehen hatte. Und wie Dagmar daraufhin vollkommen ausgerastet, sie beschimpft und angeschrien hat – obwohl Lisa doch wieder mal nur in ihrem Sinne und zu ihrem Besten handeln wollte. Sie denkt an ihren Psychiatrieaufenthalt danach, an die Jahre im Kinderheim. Und wie ihr Dagmar dann im Herbst 2008 nach mehr als 15 Jahren plötzlich wieder gegenüber stand, nachdem Murat sie aufgespürt und angeschleppt hat. Kurzzeitig hatte Lisa damals geglaubt, dass es vielleicht doch möglich wäre, noch eine Verbindung zu ihr aufzubauen – aber dies hat sich nach kürzester Zeit als neuer Fehlschuss rausgestellt. Und nun taucht diese Frau nach erneut fast 13 Jahren wie aus dem Nichts in ihrem Leben auf und bittet sie um Hilfe? Völlig in ihre Gedanken versunken, schreit Lisa plötzlich „Nein!“ und fegt die Kaffeetasse, die neben ihr steht, vom Tisch, so heftig und unerwartet, dass Andrea neben ihr an ihrem Arbeitsplatz zusammenzuckt.
„Was ist denn jetzt wieder los?“ fragt Andrea irritiert und sieht, dass Lisa Tränen in den Augen hat. „Lisa?“ flüstert sie vorsichtig. „Mein Gott, was ist denn mit dir?“
Und dann bricht es aus Lisa heraus und sie erzählt ihr alles, was sich seit der vergangenen Woche zugetragen hat. Und zu ihrer Überraschung hat Andrea einfach nur Verständnis für sie und ihre Situation. Im Gegensatz zu Murat oder Gabi unternimmt sie gar keinen Versuch, an Lisas Gewissen zu appellieren und sie dazu zu überreden, wenigstens mal darüber nachzudenken. Andrea hat einfach nur vollstes Verständnis dafür, wie es Lisa gerade geht und warum sie sich weigert, sich testen zu lassen. Und das tut Lisa in diesem Moment einfach nur unendlich gut...
Als sie am Abend nach Hause kommt, erwartet Paul sie im Treppenhaus vor der Wohnungstür.
„Paul“, sagt Lisa überrascht. „Wartest du auf mich? Warum bist du denn nicht rein gegangen, du musst doch nicht hier auf der Treppe...“
„Stimmt das?“ fragt Paul energisch. „Oma Dagmar ist krank und du weigerst dich, ihr zu helfen.“
„Nenn diese Frau doch nicht Oma“, entfährt es Lisa empört. „Sie ist ja quasi eine Fremde für dich!“
„Stimmt es oder nicht?“ will Paul wissen.
„Hat Murat mal wieder nicht die Klappe halten können?“ nölt Lisa gereizt.
„Stimmt es oder nicht?“ wiederholt Paul nochmal.
„Ja, es stimmt!“ sagt Lisa. „Und glaub jetzt nicht, dass du mir auch noch ein schlechtes Gewissen machen kannst. Ich kann und ich werde dieser Frau nicht helfen!“
Paul sieht seine Mutter böse an, dann schiebt er sich ohne ein weiteres Wort an ihr vorbei die Treppe hinunter.
In seiner WG redet er mit Mika und Romy über alles. Mika ist sofort wieder völlig auf Antikurs gegen Lisa und tut offenherzig kund, dass er die Mutter seines Freundes ja schon immer für ein eiskaltes und egoistisches Biest gehalten hat, das über Leichen geht. Romy hingegen hat tatsächlich Verständnis für Lisas Situation.
„Man muss sich ja auch mal überlegen, was das für sie bedeuten muss, nach allem, was sie früher mitgemacht hat“, meint Romy dazu.
Später am Abend taucht Paul dann nochmal bei Murat und Lisa auf und verkündet, dass er sich Gedanken gemacht hat.
„Wenn du Oma Dagmar nicht helfen willst, ist das deine Sache“, erklärt er Lisa. „Ich werde mich jedenfalls testen lassen. Und wenn mein Knochenmark passt, dann werde ich auch für sie spenden.“ Damit verlässt Paul die Wohnung wieder und Lisa blickt ihm mit offenem Mund hinterher...

Tanja ist nervös. In der kommenden Woche, so hat sie vorgestern per Einschreiben erfahren, steht Simons Termin beim Jugendgericht an. Tanja und Simon sind für heute Nachmittag mit dem Anwalt Tristan von Sassnitz verabredet, um alles nochmal durchzusprechen und Simon so gut wie möglich vorzubereiten auf das, was ihn in der nächsten Woche erwarten wird. Sunny ist nach Yanniks Tod nicht mehr die Alte. Nach wie vor lässt sie sich gehen, spricht kaum und ignoriert Simon weitestgehend. Tanja kann Sunnys Trauer verstehen, aber ihr ist auch bewusst, dass die bedrückte Stimmung zuhause auch für Simon die ganze Sache nicht besser macht. Es ist ohnehin alles schwer genug für ihn und auch ohne Sunnys Distanzierung macht er sich selbst immer noch genug Vorwürfe wegen Yanniks Tod.
'Lotti' und Lea merken auf der Arbeit sehr deutlich, dass Tanja heute kaum bei der Sache ist. Beinahe hätte sie einer Kundin die Haare verschnitten und auch sonst scheint sie ziemlich neben sich zu stehen. Doch die mehrmaligen Aufforderungen der beiden, sie solle nach Hause gehen, sie kämen heute auch ohne sie zurecht, blockt Tanja ab. Und dann kommt es noch schlimmer...
„Guck mal, ist das nicht Suzanne?“ fragt 'Lotti' plötzlich mit einem Blick durch die Fensterfront.
Und tatsächlich: Auf der anderen Straßenseite, vor der Villa, steigen gerade Suzanne und ihr Ehemann Kajetan aus dem Auto und marschieren schnurstracks zum Salon hinüber.
„Warum erfahre ich jetzt erst, dass Simon nächste Woche schon seinen Gerichtstermin hat?“ Ohne Begrüßung oder irgendwelche Höflichkeitsfloskeln kommt Suzanne beim Eintreten gleich sehr energisch zu Sache.
„Suze, ich weiß selbst erst seit vorgestern davon“, erklärt Tanja.
„Und warum hast du mich nicht sofort informiert?“ will Suzanne wissen, während Kajetan sich schweigend im Salon umsieht.
„Ich dachte, ihr seid noch in Boston“, rechtfertigt Tanja sich.
„Da waren wir bis gestern auch! Und dann hab ich dieses Schreiben bekommen und wir sind gleich her! Mein Gott, hab ich einen Jetlag!“ stöhnt Suzanne und fächert sich mit den Händen theatralisch Luft zu.
„Was hätte ich dich denn deswegen jetzt anrufen sollen“, versucht Tanja, sich zu verteidigen. „Du hast mir doch letztens noch erzählt, dass ihr frühestens im Spätsommer aus den Staaten zurück kommt, wenn nicht sogar erst im Herbst. Du hättest doch von dort aus eh nichts tun können!“
„Nichts tun können?“ empört sich Suzanne. „Du glaubst doch wohl nicht, dass ich einfach tatenlos dasitze, wenn mein Sohn sich vor Gericht verantworten muss!“
„Wir haben hier alles im Griff“, versucht Tanja, ihre Ex zu beschwichtigen, „Simon hat einen sehr guten Anwalt. Herr von Sassnitz ist...“
„Du glaubst doch wohl nicht, dass ich meinen Sohn von irgendeinem dahergelaufenen Winkeladvokaten verteidigen lassen“, fährt Suzanne dazwischen. „Einen besseren Juristen als Kajetan findest du nicht. Er wird Simon nächste Woche vertreten.“
„Was? Aber... Es hieß doch, dass er den ganzen Sommer beruflich in Boston zu tun hat. Wieso seid ihr jetzt plötzlich hier?“ Tanja ist vollkommen verwirrt.
„Planänderung“, antwortet Suze knapp. „Wo finden wir diesen Anwalt?“
Tanja schaut sie irritiert an.
„Diesen von Schwanitz oder wie der heißt“, erklärt Suzanne ungeduldig.
„Der hat seine Kanzlei direkt hier oben drüber“, erklärt Lea und erntet dafür einen bösen Blick von Tanja, den sie gleich darauf selbst als unsinnig abtut, denn Suzanne und Kajetan hätten das ja eh herausgefunden.
„Okay, dann werden wir ihn mal gleich wieder von seinem Mandat entbinden und die Sache selbst in die Hand nehmen!“ Suzanne rauscht aus dem Salon und verschwindet im Hauseingang zwischen Friseur und dem Marcellas in Richtung Kanzlei, Kajetan folgt ihr stehenden Fußes.
„Meine Güte, macht die einen Wind“, sagt Lea kopfschüttelnd.
Und den macht sie wirklich. Im Laufe der nächsten Stunden sorgt Suzanne dafür, dass Kajetan durch von Sassnitz entsprechend gebrieft wird und alles, was bislang in Bezug auf Simons bevorstehenden Gerichtstermin erarbeitet wurde, an Kajetan übertragen wird.
„Ich verstehe nicht, was sie sich davon verspricht“, sagt Tristan von Sassnitz, als er Stunden später die Gelegenheit hat, mit Tanja unter vier Augen zu sprechen. „Was Schlimmeres als Sozialstunden wird für Ihren Sohn mit absoluter Sicherheit sowieso nicht bei der Sache rausspringen. Ich glaube aber auch nicht, dass es auf weniger hinauslaufen wird.“
„Meine Ex-Partnerin ist so etwas wie ein 'wandelnder Höhenflug'“, erklärt Tanja ihm. „Verstehen muss man das nicht wirklich.“
Und Suzanne bleibt weiterhin in Höchstform. Gegen Abend schlägt sie bei Tanja zuhause auf, würdigt während ihres Besuchs Sunny keines Blickes, bemuttert und verhätschelt Simon aber über alle Maßen und versucht scheinbar in wenigen Minuten gutmachen zu wollen, dass sie seit Monaten nicht mehr für ihn da war. Tanja ist von Sekunde zu Sekunde genervter von dem ganzen Wirbel, den Suzanne veranstaltet. Und noch genervter ist sie, dass Kajetan wie ein Kaugummi an Suzannes Schuhsohle klebt und dabei so wortkarg wie ein Stockfisch ist. Und schließlich lässt Suzanne zum krönenden Abschluss des Abends noch eine ganz besondere Bombe platzen...
„Hör mal, Tanja“, beginnt sie. „Ich weiß, dass ich in der letzten Zeit sehr wenig Zeit für Simon gehabt habe. Mein Job, Kajetans Job... da blieb nicht mehr viel Zeit für anderes.“
„Was du nicht sagst“, murrt Tanja.
„Aber das soll sich jetzt ändern“, sagt Suzanne bestimmt. „Ich will jetzt mehr Zeit für Simon haben. Und ich denke, es wird auch höchste Zeit dafür.“
„Höchste Zeit?“ fragt Tanja. „Wie meinst du das?“
„Nun ja, es ist ja ganz offensichtlich, dass du mit Simons Erziehung heillos überfordert bist“, erklärt Suzanne.
„Wie bitte?“ fragt Tanja empört.
„Ja, und diese komische Vogelscheuche, mit der du jetzt zusammen bist...“, meint Suzanne zögernd. „Also, dass das keine Bezugsperson für Simon ist, ist ja wohl offensichtlich.“
„Also, hör mal...“, will Tanja los schimpfen.
„Nein, du hörst mir jetzt zu“, unterbricht Suzanne sie. „Diese … Sunny... mag ja vielleicht ein netter Mensch sein. Aber so etwas wie die ist doch nichts für einen Heranwachsenden. Ein Teenager wie Simon, der braucht eine richtige Familie mit einer männlichen Bezugsperson. Und bei uns hätte er die. Kajetan wäre ein hervorragender Vater.“
„Worauf willst du hinaus?“ fragt Tanja und ist dabei hochgradig alarmiert.
„Wenn das hier alles ausgestanden ist“, erklärt Suzanne, „also wenn die Gerichtsverhandlung vorbei ist, dann nehmen Kajetan und ich Simon mit nach Leipzig. Es ist besser, wenn er zukünftig bei uns lebt. In geregelten Verhältnissen.“

CLIFFHANGER auf: Tanja Schildknecht

Mitwirkende Personen
Tanja Schildknecht
Simon Schildknecht
Sunny Zöllig
Nina Zöllig
Ida Zöllig
Klaus Beimer
Mila Beimer
Nils Wendland
Kerstin Wendland
Annalena Wendland
Lovis Wendland
Maite Wendland
Merle Wendland
Gabi Zenker
Lisa Dagdelen
Murat Dagdelen
Paul Dagdelen
Deniz Dagdelen
Mika Arlen
Romy Brinkmann
Andrea Neumann
Tristan von Sassnitz
Lea Starck
Peter 'Lotti' Lottmann
Dr. Suzanne Richter-Jung
Dr. Kajetan Jung

© ´popo wolfson' 2021

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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