Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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BeitragVerfasst: So 20. Jun 2021, 07:06 
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Folge 1787: An einem lauen Sommerabend

Spieltag: Donnerstag, 17.06.2021



Konstantin geht der 'feuchte Traum' nicht aus dem Kopf, den er in der vergangenen Woche von Sina hatte. Sina ist ihm in den zurückliegenden Tagen in der Schule nicht mehr begegnet, weder hat sie ihn in seinem Büro aufgesucht, noch ist sie ihm auf dem Schulhof oder im Schulgebäude über den Weg gelaufen. Auf der einen Seite ist Konstantin ganz froh darüber, denn er will sein Sexualverlangen nicht auch noch unnötig schüren – Sina ist genau der Typ Mädchen, den Konstantin anziehend findet. Auf der anderen Seite würde er ihr dennoch gerne Hilfestellung bei ihren Problemen anbieten. Heute Nachmittag hat Konstantin einen Termin bei seinem Therapeuten und hofft, dass ihn das Gespräch weiterbringen wird.
In der Schule klopft später jemand leise an seine Tür und kurz darauf tritt Sina zögerlich ein.
„Darf ich stören?“ fragt sie zaghaft.
„Sina! Natürlich! Komm rein!“ begrüßt Konstantin sie, fühlt sich dabei aber etwas zwiegespalten. Einerseits ist er froh, dass das Mädchen nach dem überstürzten Abgang in der letzten Woche nun doch nochmal das Gespräch mit ihm sucht. Andererseits fühlt er sich aber augenblicklich wieder unwohl, denn schon vom ersten Augenblick an sürt er unerwünschte Regungen in sich aufsteigen.
Sina setzt sich auf den angebotenen Platz und schweigt eine Weile. Konstantin versucht vorsichtig, Zugang zu dem Mädchen zu finden. Und irgendwann beginnt sie zu reden: Sie erzählt ihm von ihrem Vater, der sich nie für sie interessiert hat und ihre Mutter ständig mit anderen Frauen betrogen hat, bis er sich endgültig aus dem Staub gemacht hat. Sie erzählt ihm von ihrer Mutter, deren Alkoholkonsum immer drastischere Ausmaße annimmt. Sina berichtet, wie sie versucht hat, die Alkoholabhängigkeit ihrer Mutter zu verheimlichen – vor Freunden, Nachbarn, Bekannten – wie sie die leeren Flaschen entsorgt hat, bevor irgendwelche Besucher diese möglicherweise finden könnten. Wie sie volle Flaschen versteckt hat in der Hoffnung, dass ihre Mutter dann weniger trinken würde – die typische Co-Abhängigkeit eines Trinkerkindes... Und dass sie nun nicht mehr kann, dass sie das alles nicht mehr schafft, dass sie nicht mehr weiter weiß... Konstantin hört ihr geduldig zu, lässt sie ausreden, stellt ein paar Fragen... Irgendwann kramt er aus seinen Unterlagen eine Adresse hervor und gibt sie Sina.
„Das hier ist eine Beratungsstelle für Kinder von Eltern, die ein Suchtproblem haben“, erklärt Konstantin. Sina sieht ihn verunsichert an und Konstantin fügt schnell hinzu: „Ich bin leider kein Experte für so etwas. Aber in dieser Beratungsstelle arbeiten sehr nette Menschen, die dir wirklich helfen können.“ Doch Sina schweigt ihn nur an und ihr Gesichtsausdruck wird immer panischer. „Wenn du möchtest, mache ich da einen Termin für dich“, sagt er und fügt nach kurzem Zögern hinzu: „Und ich kann dich auch dorthin begleiten.“
Sinas Gesicht hellt sich auf. „Würden Sie das wirklich machen?“
„Natürlich“, antwortet Konstantin mit gemischten Gefühlen. Konstantin möchte Sina helfen. Nach Feierabend begibt er sich aber zunächst zum Termin mit seinem Therapeuten Dr. Henning Mende. Wie so oft spricht Konstantin hier über seine Probleme, über die Begegnung mit Sina und darüber, was sie in ihm auslöst.
„Es war wohl doch ein Fehler, diese Stelle anzutreten“, beendet Konstantin seine Ausführungen.
„Das sehe ich anders“, sagt Dr. Mende und Konstantin sieht ihn erstaunt an.
„Sehen Sie“, erklärt Mende, „Sie sind nach wie vor in der Lage, sich Ihrem Problem zu stellen und Ihr Verhalten genau zu reflektieren. Das ist sehr gut. Dass sie nun einer Arbeit nachgehen, bei der Sie verstärkt Situationen ausgesetzt sind, die Sie mit Ihren... Dämonen konfrontieren, ist sicherlich nicht einfach für Sie, aber ich denke, dass Sie letzten Endes mehr Nutzen als Schaden draus ziehen können.“
„Aber wenn ich Sina sehe...“, beginnt Konstantin.
„Fast jeder von uns hat doch seine sexuellen Präferenzen“, unterbricht Mende ihn. „Aber das bedeutet ja längst nicht, dass wir alle übereinander herfallen, wenn wir jemandem begegnen, den wir anziehend finden. Ganz egal, welche sexuelle Ausrichtung wir haben, wir haben die Möglichkeit, unsere Triebe zu kontrollieren. Weil wir Menschen sind und keine wilden Tiere.“
„Aber die vielen Missbrauchsfälle an Kindern...“
„Es gibt immer Ausnahmen“, redet Mende weiter, „Menschen, die Ihren Trieb nicht kontrollieren können, die so gepolt sind, dass sie ihre Impulse nicht steuern können. Und da sind Kinder natürlich besonders gefährdet, weil sie am wehrlosesten sind. Aber Sie sind keiner von diesen Menschen, Herr Landmann. Sie sind ein sehr reflektierter junger Mann. Sie wissen, was richtig und was falsch ist, was recht und was unrecht. Sie kennen Ihre Schwachstellen und setzen sich damit auseinander. Ich sehe bei Ihnen keinen Grund, warum Sie sich einem Kind plötzlich unsittlich nähern sollten, warum Sie die Kontrolle über sich verlieren sollten. Ich begleite Sie nun schon seit rund zwei Jahren auf ihrem Weg. Ich habe gesehen, wie Sie sich verhalten. Sie zeigen mir immer wieder aufs Neue, wie sehr Sie sich Ihres Problems bewusst sind und wie Sie damit umgehen. Und das ist der Unterschied zwischen Ihnen und den Menschen, die sich an Kindern vergehen... Sie können nichts für Ihre sexuelle Orientierung. Dafür kann niemand was. Für das, was Sie fühlen oder denken, kann Sie niemand belangen. Nur für Ihre Taten. Aber ich bin mir absolut sicher, dass Sie niemals in der Lage wären, einem Kind Schaden zuzufügen, weder körperlich noch seelisch...“
„Trotzdem werde ich in meinem Job ständig... auf die Probe gestellt.“
„Und das würde mir bei vielen Menschen, die ich im Laufe meines Berufslebens kennengelernt habe wirklich Sorgen machen“, sagt Mende, „aber nicht bei Ihnen. Im Gegenteil sogar. Sie sind in der Lage, sich Ihrem Problem zu stellen. Sie lieben Ihre Arbeit offensichtlich und Sie sind ja ganz offenbar auch gut darin. Das, was Sie jetzt tun, das ist doch das, was Sie immer gewollt haben, richtig?“
„Richtig.“
„Und daraus schöpfen Sie die Kraft, die Sie brauchen, um weiterhin standhaft zu bleiben. In dieser beruflichen Konfrontation mit jungen Mädchen, sehe ich in Ihrem Fall weniger ein Risiko, schwach zu werden, sondern viel mehr eine Chance, sich ein möglichst normales Leben zu erkämpfen. Auch wenn es Momente gibt, in denen Sie vielleicht zweifeln, macht dies Sie nur stärker...“
Als Konstantin seine heutige Sitzung verlässt, schwirrt ihm der Kopf. Und dennoch verspürt er ein befriedigendes Gefühl in sich. Die Worte von Dr. Mende haben etwas in ihm ausgelöst, was sich gut anfühlt. Und plötzlich ist er sich sicher, dass er auf dem richtigen Weg ist, trotz seiner Zweifel und seiner Unsicherheit, trotz seiner verbotenen Gefühle... Er möchte mit jungen Menschen arbeiten, er möchte Sina bei ihren Problemen helfen – und er ist plötzlich überzeugt davon, dass er das auch schaffen wird...

Antonia quält sich durch den heutigen Schultag, der Unterrichtsstoff zieht unbeachtet an ihr vorbei. Denn Antonia ist mit ihren Gedanken nur bei ihrer Verabredung mit Karim heute Nachmittag. Die blöde Schule interessiert sie null, es wird Zeit, dass die Sommerferien endlich beginnen. Als der Vormittag überstanden ist, blickt sie dem Rest des Tages optimistisch entgegen. Und als Annalena sie fragt, ob sie heute noch gemeinsam in die Stadt gehen wollen, erteilt Antonia ihr eine Absage.
„Sorry, ich bin schon verabredet.“
„Mit diesem Typen mit dem BMW?“ fragt Annalena. „Diesem Karim?“
„Ja“, antwortet Antonia. „Warum sagst du das so abfällig?“
„Komischer Kerl irgendwie“, findet Annalena.
„Gar nicht“, widerspricht Antonia.
Als Antonia später neben Karim im BWW sitzt, fragt er sie: „Und? Wo fahren wir jetzt hin?“
„Ich würde gern zum Reiterhof“, antwortet Antonia.
„Reiterhof?“ fragt Karim irritiert.
„Ja, da war ich schon viel zu lange nicht mehr, bei all dem Scheiß in der letzten Zeit“, erwidert Antonia.
„Dein Wunsch ist mir Befehl“, sagt Karim.
Und natürlich erregt Antonia auf dem Reiterhof ziemliches Aufsehen, als sie gemeinsam mit ihrem Freund im BMW vorfährt. Die anderen Mädels sind sprachlos, allen voran Antonias zickige Intimfeindin Samantha. Antonia freut sich über das Wiedersehen mit den Pferden, genießt es aber vor allem, auf diese Art und Weise für Aufsehen sorgen zu können. Nach kurzer Zeit machen sie und Karim sich wieder auf den Rückweg nach München.
„Ich möchte dir gerne was zeigen“, sagt Karim plötzlich. „Eine Überraschung.“
„Eine Überraschung?“ fragt Antonia neugierig. „Was denn?“
Schließlich fahren die beiden in eine Gegend der Stadt, in der sich Antonia so gut wie gar nicht auskennt, und halten vor einem großen Mietshaus.
„Was machen wir hier?“ fragt Antonia.
„Abwarten“, sagt Karim und führt sie in das Haus bis hinauf ins obere Stockwerk. Hier kramt er einen Schlüssel hervor und öffnet die Türe zu einer relativ geräumigen, hellen Dachgeschosswohnung.
„Was ist das hier?“ fragt Antonia. „Wem gehört die Wohnung?“
„Mir“, erklärt Karim stolz. „Ich hab sie gemietet, damit wir einen Ort haben, an dem wir uns ungestört treffen können, wenn wir mal nicht draußen unterwegs sein wollen.“
„Wie gemietet?“ fragt Antonia leicht verunsichert. „Einfach so?“
„Zu dir können wir nicht, weil deine Mutter nichts von mir wissen will. Bei mir sind meine Eltern und meine Geschwister... Hier haben wir Ruhe. Das wird unser Liebesnest.“
„Liebesnest?“
„Ja, ist natürlich noch nicht fertig eingerichtet“, erklärt Karim mit Blick auf die eher kahlen Räume. „Aber wir machen es uns hier richtig kuschelig.“
Antonia sieht sich weiterhin verunsichert um und weiß nicht so recht, was sie von der ganzen Sache halten soll.
„Hast du Angst?“ fragt Karim, als er ihren Blick bemerkt.
„Angst nicht, aber...“
„Aber was?“
„Geht das nicht alles ein bisschen schnell?“ fragt Antonia besorgt. „Du kannst uns doch nicht einfach eine Wohnung mieten, solange kennen wir uns doch noch gar nicht. Und wie kannst du dir das überhaupt leisten?“
„Das lass mal meine Sorge sein“, erwidert Karim rasch. „Meine Eltern sind nicht arm und ich hab ja auch so meine Jobs, bei denen ich nicht schlecht verdiene.“
„Was sind das denn eigentlich für Jobs?“ will Antonia wissen.
„Och, Prinzessin, wir wollen doch jetzt hier nicht über meine Arbeit reden. Pass auf, wir gehen jetzt wieder. Ich merk schon, dass ich dich gerade ein bisschen überrumpelt habe. Ich bring dich jetzt nach Hause und wenn das hier alles fertig ist, dann kommen wir nochmal her. Ich schwöre dir, du wirst begeistert sein!“
Und so verschwinden die beiden wieder.
Antonia fällt auf, dass Karim auf der Rückfahrt um einiges wortkarger ist als sonst. Als er in der Ulrike-Böss-Straße hält, fragt sie besorgt: „Du bist jetzt aber nicht sauer, oder? Ich meine, weil... weil ich jetzt nicht so reagiert hab, wie du gehofft hast?!“
„Natürlich bin ich nicht sauer“, erklärt Karim sanft. „Auf dich könnte ich nie sauer sein. Das war alles meine Schuld, ich hätte dich damit nicht so überfallen dürfen. Aber ich war selbst so begeistert von der Wohnung und wollte dir das unbedingt zeigen. Es tut mir leid, wenn ich was gemacht habe, was du nicht willst...“
„Nein“, erwidert Antonia. „Die Wohnung ist toll! Wirklich! Es ist halt nur... ich hab mit sowas überhaupt nicht gerechnet. Aber... aber es ist echt cool. Und... es tut mir leid, ich wollte dich nicht vor den Kopf stoßen.“
„Hast du nicht“, versichert Karim, „wirklich nicht! Aber ich hätte vorher mit dir drüber sprechen sollen.“
„Naja, dann wär's ja keine Überraschung mehr gewesen“, entgegnet Antonia verlegen lächelnd.
Die beiden verabschieden sich und Antonia versichert Karim ein weiteres Mal, dass sie die Idee mit der Wohnung wirklich toll findet und sich darauf freut, bald wieder mit ihm dorthin zu fahren. Zum Abschied schenkt er ihr nochmal sein charmantestes Lächeln, welches Antonia nur so dahinschmelzen lässt.Doch nachdem sie um die Straßenecke verschwunden ist, blickt er ihr missbilligend hinterher...

Lisa ist bereits schlecht gelaunt, als sie am Morgen bei der Arbeit erscheint. Der Haussegen hängt mal wieder schief, da Lisa Murat unablässig seine Faulheit und Unfähigkeit vorwirft. Aber auch Andrea wirkt heute bedrückt und die Stimmung im Vorzimmer der Praxis Brooks ist so eisig, dass Iris ihre Mitarbeiterinnen während der Pause fragt, was denn los sei. Ehe Andrea überhaupt nur eine Chance hat, zu Wort zu kommen, lässt Lisa Dampf ab und tut lautstark ihren familiären Unmut kund. Nachdem sie ihre Tirade beendet hat, kann auch Andrea endlich mal erzählen, was ihr auf der Seele liegt – nämlich die Tatsache, dass Jacob mit seinem neuen Business so eingespannt ist, dass sie ihn in den letzten Wochen kaum mehr zu Gesicht bekommen hat, ja, dass die beiden in letzter Zeit sogar kaum noch telefoniert haben.
„Wer weiß, wozu es gut ist, dass der sich so rar macht“, meint Lisa. „Männer machen sowieso nur Probleme.“
„Du solltest nicht von dich von andere schließen“, findet Iris.
„Wenn das so ist, dann sollten wir vielleicht am besten alle drei gleich ins Kloster eintreten“, murmelt Andrea sarkastisch.
Der Arbeitstag geht auch nach der Mittagspause eher quälend weiter – bis Andreas Handy plötzlich mit einem Piepton auf eine eingehende Kurznachricht aufmerksam macht. Während Andrea die Nachricht liest, hellt sich schlagartig ihr Gesicht auf.
„Jacob will sich mit mir treffen“, freut sie sich. „Heute Abend um 21 Uhr an der Isarbrücke am Lilienthalweg.“
„Wo ist das denn?“ fragt Lisa.
„Etwas außerhalb, glaub ich“, grübelt Andrea.
„Und gibt’s da was Besonderes?“ will Lisa wissen.
„Keine Ahnung“, erwidert Andrea schulterzuckend. „Aber wenn Jacob sich da mit mir treffen will, wird er schon seine Gründe haben.“
Die beiden arbeiten weiter und zumindest die Laune von Andrea ist nun weitaus besser als zuvor. Egal was Jacob mit ihr an dieser komischen Brücke will – Andrea freut sich nun auf den Abend.
Im Laufe des Nachmittags betritt Tanja die Praxis und Lisa verdreht sogleich genervt die Augen.
Da Andrea gerade mit einer telefonischen Terminvergabe beschäftigt ist, bleibt Lisa nichts anderes übrig, als sich Tanja selbst anzunehmen.
„Hast du einen Termin?“ fragt sie schnippisch.
„Ich bin nicht krank“, entgegnet Tanja. „Ich wollte mit dir reden.“
„Und?“ fragt Lisa gereizt.
„Simon hat mir erzählt, warum du letzte Woche bei uns warst“, erklärt Tanja. „Es tut mir leid, dass ich so gereizt war. Ich glaube Simon hat das Gespräch mit dir wirklich gut getan.“
In Lisa arbeitet es, aber da ihr keine passende Erwiderung einfällt, sagt sie nur: „Okay. War's das?“
„Danke“, sagt Tanja und dreht sich um, um die Praxis wieder zu verlassen.
„Es tut mir übrigens leid, dass Simon gerade so eine schwere Zeit durchmacht“, ruft Lisa ihr nach. Tanja nickt lächelnd und Lisa fügt hinzu: „Und es tut mir auch leid,.... dass Simon meinetwegen damals so lange im Krankenhaus liegen musste. Das war so dumm von mir.“
Tanja nickt abermals und geht. Andrea sieht Lisa überrascht an. „Du hast mit Simon geredet?“ fragt sie. Lisa zuckt die Schultern und macht sich wieder an die Arbeit. Als sie merkt, dass Andrea sie die ganze Zeit von der Seite betrachtet, faucht sie: „Hast du nichts zu tun? Hab ich irgendwas im Gesicht?“
„Du bist echt gar nicht so ein Biest, wie man meint“, sagt Andrea grinsend.
„Und du bist gar nicht so blöd wie du blond bist“, zickt Lisa grinsend zurück. Beide müssen lachen und arbeiten schließlich weiter.
Als sie sich nach Feierabend verabschieden, wünscht Lisa Andrea viel Spaß bei ihrem Date mit Jacob und Andrea geht beschwingt nach Hause, um sich für die Verabredung zurecht zu machen.
Später am Abend spaziert Andrea durch den Lilienthalweg und nähert sich der Isarbrücke. Auf der anderen Seite der Brücke, unter einer Laterne, entdeckt sie Jacob, der allerdings offensichtlich wartend in die entgegengesetzte Richtung blickt. Irritiert fragt Andrea sich, was das soll, Jacob muss doch klar sein, dass sie aus der anderen Richtung kommen würde, alles andere wäre ein riesiger Umweg für sie. Egal, denkt sich Andrea, wer weiß, wohin er gerade starrt. Andrea setzt dazu an, die Brücke zu erklären, als Jacob sich plötzlich mit ausgebreiteten Armen in die Richtung entfernt, in die er die ganze Zeit geblickt hat. Und nun entdeckt Andrea dort, auf der anderen Straßenseite, eine rothaarige, schlanke Frau, die zielstrebig auf Jacob zusteuert, ihm in die Arme fällt – und dann mit ihm in einem leidenschaftlichen Kuss versinkt. Wie angewurzelt bleibt Andrea mitten auf der Brücke stehen und betrachtet fassungslos das Spiel. Während sie vor Schreck und Überraschung immer noch nicht fähig ist zu handeln, hört sie hinter sich die energischen Schritte hoher Absätze auf dem Asphalt. Im nächsten Augenblick wird sie von einer schwarzhaarigen jungen Frau, offenbar südländischer Herkunft, überholt, die mit energischen Schritten das knutschende Paar auf der anderen Brückenseite ansteuert und dann in einem hysterischen Mischmasch aus deutsch und scheinbar spanisch auf die beiden ein zu schimpfen beginnt. Andrea beobachtet das Szenario wie paralysiert von ihrer Position aus und ist nach wie vor unfähig, sich vom Fleck zu rühren. Die beiden Furien schreien sich hysterisch an und beginnen plötzlich, sich gegenseitig zu kratzen und an den Haaren zu ziehen, als von der anderen Straßenseite plötzlich auch noch eine Brünette auftaucht, einen Moment lang ebenso fassungslos wie Andrea das Spiel beobachtet – und sich dann selbst einschaltet. Nachdem die drei Frauen sich mehrere Sekunden lang gegenseitig bekriegt haben, halten sie plötzlich inne – um dann gemeinschaftlich Jacob anzugehen, ihn wüst beschimpfen, bespucken und auf ihn einzuschlagen beginnen. Während Jacob sich verzweifelt den kampfeslustigen Damen zu entziehen versucht, entdeckt er plötzlich an Andrea, die immer noch mitten auf der Brücke steht. Er wirft ihr einen entschuldigenden Blick zu, dann ist er wieder mittendrin im Kampfgemenge. Andrea überlegt für einen kurzen Augenblick, sich ebenfalls einzuschalten, tritt dann aber den Rückweg an. Auf der anderen Seite der Brücke bemerkt sie eine andere Frau, die das wüste Schauspiel ebenfalls beobachtet.
„Du gehört auch zu denen, die von dem Wichser verarscht wurden?“ fragt die Unbekannte.
Andrea sieht sie nur fragend an.
„Ich bin Meret“, sagt sie. Und dann erklärt sie Andrea in wenigen Sätzen, dass Jacob parallel fünf Freundinnen hatte, die alle nichts voneinander wussten, dass er über Monate hinweg mehrgleisig gefahren sei und seine stressige Berufssituation als Argument vorgeschoben habe, um nicht allzu präsent zu sein – damit er all seine Liebschaft gleichzeitig am laufen halten konnte. Meret sei ihm kürzlich auf die Schliche gekommen. Nachdem sie heute mitbekommen habe, wie er heimlich, aber während ihrer Anwesenheit, der Rothaarige eine Textnachricht bezüglich eines abendlichen Treffens an der Lilienthalbrücke geschickt habe, habe sie sich hinterher heimlich seines Handys bemächtigt und die Nachricht an all seine weiblichen Kontakte weitergeschickt, um ihn so auflaufen zu lassen.
„Und es hat ja funktioniert“, lacht Meret bitter. „Tut mir leid für dich, dass du es so erfahren musstest.“ Meret erklärt, dass sie Jacob ja auch einfach hätte in den Wind schießen können, aber dass sie es den anderen gegenüber schon irgendwie fair fand, sie auch nicht unwissend zu lassen.
„Aber guck dir die Furien an“, sagt Meret und deutet auf den immer noch keifenden Haufen hinter der Brücke. „Wenn ich euch davon erzählt hätte, hättet ihr mir wahrscheinlich kein Wort geglaubt. Womöglich hättet ihr mir die Augen aufgekratzt. So fand ich es dann doch wesentlich effektiver. Und das Schwein kriegt auch gleich sein Fett weg. Geschieht ihm recht!“
Andrea blickt sich nochmal zu dem prügelnden und zeternden Haufen um, dann zieht sie weiter, ohne Meret nur noch eines Blickes zu würdigen. Ziellos streift Andrea durch die Stadt und landet irgendwann in der Lindenstraße, obwohl sie hier eigentlich gar nicht hin wollte. Sie fragt sich, ob sie zu dieser fortgeschrittenen Stunde noch bei Lisa oder bei Iris klingeln kann. Als sie von unten sieht, dass bei den Dagdelens noch Licht brennt, ringt sie sich nach kurzem Zögern dazu durch und läutet. Lisa ist ziemlich irritiert über den späten Besuch ihrer Kollegin, hat dann aber doch ein offenes Ohr für sie, als sie ihr ihr Herz ausschüttet. Auch Murat folgt der Unterhaltung mit großem Interesse. Als Andrea mit ihrem Leidklagen zu Ende ist, sagt Murat wütend: „Das gibt’s doch nicht! Dieses Drecksschwein! Hab ich damals also doch richtig gesehen!“
Lisa und Andrea starren Murat fassungslos an. „Wie jetzt?“ fragt Lisa empört. „Du wusstest davon?“
Und so erzählt Murat schließlich von der Beobachtung, die er an einem Abend vor einigen Wochen gemacht hat.
„Du wusstest das und hast es nicht für nötig gehalten, auch nur ein Sterbenswort davon zu sagen?!?“ fährt Lisa ihn aufgebracht an.
„Naja, ich war mir halt nicht so ganz sicher...“, versucht Murat sich zu verteidigen.
„Ach, du warst dir nicht so ganz sicher“, keift Lisa weiter. „Hättest du vorher noch eine schriftliche Erklärung von ihm gebraucht? Oder ein Beweisfoto? Vielleicht am besten sogar noch einen Videobeweis?“
„Es war dunkel“, erklärt Murat. „Und ich wollte ja auch nicht...“
„Ja, bei dir da oben ist es auch dunkel!“ fährt Lisa ihm wütend über den Mund.
„Ich glaub, ich geh jetzt besser“, sagt Andrea. Sie entschuldigt sich nochmal für die späte Störung und verlässt eilig die Wohnung, während Lisa weiterhin wütende Beschimpfungen über Murat ergießt. Dieser springt auf und stürmt ebenfalls aus der Wohnung. Im Eilschritt verlässt er das Haus und schafft es noch, Andrea in der Höhe der Villa Dressler einzuholen.
„Es tut mir wirklich leid“, erklärt Murat nochmal, „aber ich hab gedacht, wenn ich mich irre, dann mache ich nur unnötig die Welle. Und ich wollte dich auch nicht grundlos verunsichern...“
„Ist schon gut, Murat“, sagt Andrea. „Du hast nichts falsch gemacht und ich mach dir echt überhaupt keine Vorwürfe. Und dass Lisa jetzt wieder so reagiert... Das ist so unfäir.“
„Unfair ist, was dieser Kerl mit dir gemacht hat“, erklärt Murat. „Du bist immer so nett zu allen und dann sowas.“
„Tja, nett ist halt die kleine Schwester von Scheiße“, meint Andrea und lacht bitter.
„Nein, nicht nett“, verbessert Murat sich ungeschickt. „Also, auch nett, aber eher... so... lieb. So... Also, du bist echt so eine tolle Frau! Und wenn ein Mann so eine Frau wie dich haben kann, dann sollte er sich glücklich schätzen und nicht noch was mit zig anderen Frauen anfangen. Das hast du auf der Welt am allerwenigsten verdient.“
„Du bist echt süß“, sagt Andrea lächelnd. „Ich finde, Lisa sollte sich auch glücklich schätzen, so einen Mann wie dich zu haben.“
Und plötzlich küssen die beiden sich aus heiterem Himmel – fahren nach ein paar Sekunden aber erschrocken auseinander.
„Was machst du denn da?“ fragt Andrea entsetzt.
„Wieso ich? Du hast doch auch...“, murmelt Murat.
„Oh Gott!“ entfährt es Andrea.
Und die beiden sehen sich verunsichert an....

CLIFFHANGER auf: Murat Dagdelen, Andrea Neumann

Mitwirkende Personen
Andrea Neumann
Murat Dagdelen
Lisa Dagdelen
Dr. Iris Brooks
Tanja Schildknecht
Konstantin Landmann
Antonia Zenker
Annalena Wendland
Dr. Henning Mende
Jacob Meinhold
Samantha Martinek
Karim El-Farooq
Sina Kleist
Meret Sieglin

© 'popo wolfson', 2021

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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Verfasst: So 20. Jun 2021, 07:06 


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BeitragVerfasst: So 20. Jun 2021, 08:40 
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Haha, wunderbar, Andrea und Murat :kissb: Das hat Lisa verdient.


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