Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1855 - Kuchen bei Helga
BeitragVerfasst: So 30. Okt 2022, 06:15 
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Folge 1855: Kuchen bei Helga

Spieltag: Donnerstag, 27.10.2022



„Meine Oma möchte, dass wir heute Nachmittag zu ihr zum Kaffee kommen“, offenbart Lea an diesem Morgen Tristan, als die beiden noch in seinem Penthouse im Bett liegen. „Sie will einen Kuchen backen, ich glaube, ihr ist das wirklich wichtig.“
„Na, dann machen wir das doch“, sagt Tristan. „Ich würde deine Oma ja auch endlich gerne mal ein bisschen besser kennenlernen.“
„Aber sie kann echt peinlich sein“, gibt Lea zu bedenken.
Insgeheim denkt Lea jedoch, dass es auch nicht schlimmer werden kann, als der Besuch bei Tristans Mutter vor zwei Wochen und sie ist froh, dass Tristan nichts gegen Kaffee und Kuchen bei Oma Helga einzuwenden hat…
Tristan hat sich bereits vorher den Nachmittag in seiner Kanzlei freigeschaufelt, weshalb der heutige Tag im Grunde sehr passend für Helgas Einladung ist. Doch auch Ortrun von Sassnitz ist im Bilde darüber, dass ihr Sohn heute früher Feierabend macht und wartet bereits vor dem Hotel auf ihn. Während sie wiederholt auf ihre Uhr blickt und allmählich ungeduldig wird, kommt Mandy mit ihren Kindern Jeremy und Phoebe vorbei und wirkt ein wenig gestresst.
„Jetzt trödel nicht so, Phoebe!“ ruft Mandy ihrer Tochter zu, die sich gerade untensivst einem rumliegenden Kieselstein widmet. „Der Bus wartet nicht auf uns!“
„Warum kann David uns nicht mit dem Auto zum Zahnarzt fahren?“ plärrt Phoebe.
„Weil David mit dem Auto zur Arbeit ist“, erklärt Mandy.
„Und warum kannst du uns nicht mit Davids Auto zum Zahnarzt fahren?“ fragt Phoebe weiter.
„Weil sie keinen Führerschein hat“, brummelt Jeremy und geht in die Hocke, um seinen Schuh zuzubinden.
„Jeremy, muss das jetzt sein?“ drängt Mandy weiter und sieht nervös in Richtung Villa, wo jeden Augenblick der Bus erscheinen wird.
„Soll ich mich auf die Fresse legen?“ fragt Jeremy.
„Warum machst du nicht auch einen Führerschein, Mami?“ quengelt Phoebe weiter.
In dem Moment fährt der Bus vor, Mandy packt ihre Kinder an den Händen und zieht sie rennend mit sich. Das kleine Mädchen streckt Ortrun im Vorbeilaufen die Zunge raus. Empört schüttelt Frau von Sassnitz den Kopf. In dem Moment sieht sie ihren Sohn herbeikommen und atmet erleichtert aus.
„Unmöglich, diese Proletarier“, sagt sie naserümpfend zu Tristan und blickt den Peschkes missbilligend hinterher. „Ich weiß nicht, wie du freiwillig in so eine Gegend ziehen kannst. Dein Penthouse ist schick, keine Frage, aber diese Nachbarschaft...“
„Was machst du hier, Mutter?“ fragt Tristan und übergeht die Spitze von Ortrun.
„Du hast mir doch erzählt, dass du heute Nachmittag frei hast, da wollte ich dich entführen. Ich habe uns für 15 Uhr einen Tisch im Café Ritz reserviert…“
„Warum?“
„Ich wollte mal wieder in Ruhe mit meinem Sohn plaudern. Braucht es dafür einen Grund?“
„Dann muss ich dir leider eine Absage erteilen, Mutter. Lea und ich sind heute Nachmittag zum Kaffee bei Frau Beimer, also, bei Leas Großmutter.“
Ortrun rümpft fast unmerklich die Nase. Dann sagt sie schrill: „Na, das ist doch ganz wuuuunderbaaar! Da komme ich einfach mit!“
„Aber du kannst dich doch nicht einfach selbst einladen“, sagt Tristan schnell.
„Aber natüüüürlich kann ich das!“ trällert Ortrun. „Wir sind ja jetzt schließlich sozusagen eine Familie, nicht wahr?! Ich würde Lenas Großmutter zu gerne kennenlernen!“
„Lea“, sagt Tristan und hat mit seinen Einwänden im Grunde schon resigniert. Wenn sich seine Mutter etwas in den Kopf gesetzt hat, kann man es ihr ohnehin nicht mehr ausreden.
Als Lea, die den Nachmittag über ebenfalls frei hat, etwas später in Tristans Penthouse auftaucht, ist sie nicht sehr erfreut, als sie von Ortrun von Sassnitz mit den Worten „Hallo, meine liebe Lena“ begrüßt wird. Und als Lea erfährt, dass Ortrun sie zu Helga begleiten möchte, ist sie noch weniger begeistert, ruft aber dennoch bei ihrer Oma an, um sie auf das vorzubereiten, was sie erwartet.
„Aber das ist doch ganz wundervoll, Lealein!“ freut sich Helga. „Ich würde Frau von Sassnitz schrecklich gerne kennenlernen.“
Nachdem Lea aufgelegt hat, ist Helga sich jedoch plötzlich nicht mehr sicher, ob das Kaffee-Service und die Tischdecke nicht vielleicht doch ein wenig zu schlicht sind, für den zu erwartenden Besuch. Schließlich ringt Helga sich dazu durch, den Tisch nochmal komplett neu einzudecken, was einige Zeit in Anspruch nimmt, ehe alles zu ihrer Zufriedenheit ist.
„Was stinkt den hier so verbrannt?“ fragt Lola, die gerade das Wohnzimmer betritt.
„Oh, mein Gott!“ ruft Helga aus. „Der Kuchen!!!“
Eilig stürmt sie in die Küche und reißt den Backofen auf, doch das, was sich dort drin aus einer Rauchwolke materialisiert, ist nur noch ein tiefschwarzes Gebilde…
„Das darf doch jetzt nicht wahr sein!“ jammert Helga. „Nicht nur schwarze Raben zur Weihnachtszeit, jetzt auch noch ein schwarzer Kuchen im Oktober… So ein Mist!!! Ich schaff das doch jetzt nicht mehr, noch einen neuen zu backen…“
Rettung naht in Gestalt von Gabi, die es schafft, Helga rechtzeitig eine schöne Torte aus dem Bayer zu organisieren.
„Herzlich Willkommen! Wie schön, dass Sie da sind!“ ruft Helga begeistert, als Lea mit Tristan und Ortrun von ihrer Tür steht.
Ortrun schnuppert beim Eintreten und fragt: „Hat hier irgendetwas gebrannt?“
„Oh bitte, im Wohnzimmer riecht es angenehmer!“ sagt Helga und schiebt ihre Gäste eilig durch die entsprechende Tür.
„Äh… nett!“ meint Ortrun, als sie sich skeptisch umsieht.
An der Kaffeetafel betrachtet sie neugierig die dort bereit stehende Sahnetorte. „Lena hat gesagt, Sie haben selber gebacken? Na, das ist ja ein wahres Meisterwerk!“
„Lea“, verbessert Helga verlegen. „Und...nein, ich musste improvisieren. Mir ist beim Backen leider ein kleines Malheur passiert. Die Torte ist vom Konditor.“
„Aber das macht doch gaaaar nichts!“ lacht Ortrun mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Ich kann ja auch üüüüberhaupt nicht backen!“
„Ich kann schon backen“, erwidert Helga leicht pikiert. „Aber heute war irgendwie der Wurm drin…“
Als alle vor Kaffee und Torte sitzen, beginnt Ortrun interessiert, Helga über ihr Leben auszufragen. Diese erzählt bereitwillig von ihrer ersten Ehe mit Hans, den drei Kindern und den vielen Jahren als Hausfrau und Mutter, ehe sie nach der Scheidung von Hans Erich kennenlernte und mit dem Reisebüro dann noch zur Geschäftsfrau wurde, wie die Jungfrau zum Kinde kommt…
„Das muss ja schrecklich sein, wenn der Mann sich eine Jüngere sucht und mit ihr eine neue Familie gründet!“ sagt Ortrun mit tragischem Unterton. „Und wenn man dann jahrelang auch nur Hausfrau war und selber nichts kann… Welch Herausforderung. Mein Rüdiger, Gott hab ihn selig, war ja immer treu. Und als er viel zu früh von uns gehen musste, hat er mir glücklicherweise genug hinterlassen, damit ich mir in finanzieller und materieller Hinsicht keine Sorgen zu machen brauchte…“
Helga faltet ein wenig verlegen an ihrer Serviette herum und weiß nicht so recht, was sie erwidern soll. Doch da Ortrun ungebremst weiterredet, ist dies auch nicht notwendig.
Irgendwann hört man durch die geschlossene Wohnzimmertür im Flur eine gedämpfte Diskussion zwischen Lola und Andy.
„Nanu?“ wundert sich Ortrun. „Wohnt denn noch jemand hier?“
„Ich teile mir die Wohnung mit zwei lieben Freunden, den Zenkers. Und mit der Mutter von Herrn Zenker“, erklärt Helga. „Wir nennen das hier selbst Alten-WG. Damit wir uns gegenseitig unterstützen und Gesellschaft leisten können und keiner sich vor der Einsamkeit im Alter fürchten muss…“
„Ach was?!“ entfährt es Ortrun. „Na, das ist ja mal drollig. Also für mich wäre das ja gar nichts! Ich brauche dringend meinen Freiraum. Ist das denn nicht etwas eng? Vier Leute in dieser kleinen Mietwohnung?“
„Ach, bis vor kurzem war es hier noch voller“, lacht Helga. „Und ich mag das, wenn viel Leben unterm Dach ist. Und die Zenkers sogar noch mehr. Da sind wir aus ähnlichem Holz geschnitzt!“
„So so“, meint Ortrun naserümpfend. „Na, jedem das Seine, nicht wahr?!“
Helga fühlt sich zunehmend unwohl in ihrer Haut und ist erleichtert, als sich Ortrun irgendwann verabschiedet. Während Tristan seine Mutter begleitet, bleibt Lea noch bei Helga und hilft ihr beim Aufräumen.
„Das ist ja eine schreckliche Frau“, urteilt Mutter Beimer. „Ich hab mich selten im Leben so eingeengt gefühlt.“
„Ich bin froh, dass du das auch so siehst“, sagt Lea erleichtert. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie unangenehm das Abendessen vorletzte Woche bei der war…“
„Oh, doch, das kann“, lacht Helga. „Gott sei Dank ist ihr Sohn ganz anders…“
Auch Ortrun muss ihrem Sohn gegenüber unten auf der Straße ihrem Herzen Luft machen.
„Mein Gott, was das schrecklich!“ klagt sie. „Diese piefige kleine Wohnung! Ich habe zwischenzeitlich geglaubt, ich bekäme keine Luft mehr. Und dann diese Frau…!!!“
„Also ich finde Frau Beimer sehr nett!“ erklärt Tristan.
„Ja, ja, natüüüürlich“, erwidert Ortrun. „Sie ist sicherlich eine herzensgute Person. Aber so… gewöhnlich! Ja, nahezu dumm und ungebildet. War jahrelang Hausfrau!“
„Und was warst und bist du dein Leben lang, Mutter?“
„Ich war niiiieee Hausfrau!“ empört sich Ortrun. „Dafür hatte ich immer Personal!!!“
„Du warst aber auch nie berufstätig!“
„Aber selbstverständlich nicht, warum denn auch?“ winkt Ortrun lachend ab. „Erstens hatte ich das nie nötig und zweitens hatte ich immer genug anderes zu tun mit all den Wohltätigkeitsveranstaltungen, den Empfängen und Vernissagen… Als dein Vater noch lebte, waren wir ja quasi jeden Abend woanders eingeladen. Damals hab ich…“
„Ich finde das ziemlich respektlos, wie du über diese Frau redest“, unterbricht Tristan sie.
„Aber wie redest du denn mit mir?“ fragt Ortrun empört. „Ich habe mich doch wohl wirklich höflich und vorbildlich benommen! Aber, Tristan…“ sie senkt ihre Stimme. „… du musst doch allmählich wirklich einsehen, dass du mit dieser… Liebelei einen fatalen Fehler machst. Dieses gewöhnliche Mädchen und ihre hausbackene Großmutter! Das ist ja wirklich nicht unsere Klasse.“
„Mutter, bitte…!“
„Ich verstehe dich einfach nicht, mein Junge. Du bist gebildet, kultiviert, erfolgreich. Du siehst gut aus – und du bist vermögend. Du brauchst du nur mit dem Finger zu schnippen und die Frauen liegen dir zu Füßen. Frauen auf deinem Niveau. Du könntest jede haben, jede! Warum gibst du dich mit diesem Pöbel ab?“
„Mutter, ich glaube, dieses Thema hatten wir zu genüge!“
„Ganz wie du meinst!“ sagt Ortrun verschnupft. „Ich will ja nur nicht, dass du es eines Tages bereust…“
„Werde ich nicht, Mutter! Schönen Abend noch!“ Und damit lässt Tristan Ortrun einfach stehen und verschwindet in dem Aufzug zu seinem Penthouse. Ortrun wirft noch einen Blick zurück zum Haus Nr. 3 und flüstert zu sich selbst: „Du bekommst meinen Sohn nicht, Lena! Das werden wir ja sehen…“

„Es ist echt eine bodenlose Frechheit, was dieser Typ sich einbildet!“ wettert Klaus bereits beim Frühstück. „Lädt hier die Nachbarschaft zu einem Tag der offenen Typ mit Festgedöns ein und meint, dass er sich damit hier Freunde machen kann!“
Mila verdreht angesichts der ewig andauernden Hotel-Leier ihres Vaters genervt die Augen, während Nina fragt: „Meinst du nicht, dass es irgendwann mal gut gewesen sein muss, Klaus? Was ändern wir denn dran, wenn keiner dorthin geht. Das Hotel ist nun mal da und es bleibt jetzt auch.“
„Aber man muss das ja nicht auch noch unterstützen, indem man solche Einladungen annimmt!“ wettert Klaus weiter.
Er schimpft und schimpft, als gäbe es keine anderen Probleme auf der Welt, bis sich Mila und Nina irgendwann in Richtung Schule bzw. Arbeit von ihm verabschieden.
Als Nina unten auf der Straße zu ihrem Auto geht, läuft ihr Hubertus zu Hohenlobese über den Weg, der gerade zum Hotel geht.
„Guten Morgen“, begrüßt Nina ihn freundlich.
„Guten Morgen“, erwidert er und wirkt erfreut, sie zu sehen. „Geht es Ihnen gut, haben Sie den Unfall von neulich ohne Folgen überstanden?“
„Ja, alles gut“, winkt Nina ab.
Die beiden stehen sich einen Moment lang verlegen gegenüber, dann erklärt Nina, dass sie zur Arbeit muss und verabschiedet sich. Hubertus sieht ihr lächelnd nach. Er muss sich eingestehen, dass diese kleine blonde Frau ihm überaus sympathisch ist…
Zur gleichen Zeit wird sein Sohn Casper in seinem Büro im Hotel von Roland und Sandra überfallen.
„Dör Hörd göt schon wüder nüscht!“ mault Roland, „wür krüügen ühn nüscht zum laufen!“
„Dat ist doch Kokolores!“ schimpft auch Sandra. „Dat is doch hier `n neues Hotel, da kannet doch wohl nisch anjehen, datt wir hier kochen müssen wie, wat weiß denn isch wo… Sie haben hier Spa-Bereisch, enne Masseurin, enne eigene Friseurin… Aber annet Kücheninventar, da wird jespart. Aber wenn sisch de Gäste beschweren, datt et Essen nisch rechtzeitisch auf’n Tisch kommt, dann is’ Holland in Not!“
„Es war doch letztens schon ein Techniker da“, sagt Casper genervt, „der konnte am Herd keinen Fehler finden.“
„Wollen Se damit jetzt sagen, datt wir hier nisch mitte Jerätschaften rischtisch umgehen können, oder wat?“ zetert Sandra.
„Wönn dös nüsch am Hörd selber lüscht, dann muss es an was anderem lüschen, aber jödenfalls nüsch an uns!“ findet auch Roland.
„Was ist denn hier los?“ fragt Hubertus, der gerade das Büro seines Sohnes betritt.
„Der Herd tut es wohl mal wieder nicht“, erklärt Casper zerknirscht. „Ich ruf gleich mal eine Firma an, die sich kümmert.“
„Ja, aber nisch wieder solsche Schlopmützen wie beim letzten Mal!“ mahnt Sandra.
„Wie kann es denn sein, dass hier ständig der Herd streikt?“ schimpft Hubertus, als er mit seinem Sohn alleine im Büro ist. „So etwas darf nicht sein, die Küche ist das Aushängeschild eines Hotels.“
„Letztens hast du noch gesagt, die Zimmer seien das Aushängeschild eines Hotels!“ fährt Casper seinen Vater harsch an.
„Die auch!“ murrt zu Hohenlobese Senior.
Nachdem Casper eine Firma beauftragt hat, die sich noch am heutigen Vormittag des Problems in der Küche annehmen will, erkundigt Hubertus sich erneut nach den Plänen seines Sohnes bezüglich des Festes zum Tag der offenen Tür – und muss missmutig erfahren, dass Casper weiterhin an diesem Vorhaben festhält… Erneut versucht Hubertus, seinem Sohn dieses in seinen Augen unsinnige Unterfangen auszureden, wird von Casper aber schließlich herauskomplimentiert mit der Aussage, dass er noch genug anderes zu tun hätte…
Später taucht erneut Sandra in Caspers Büro auf und erklärt: „Der Teschniker für den Herd is` inne Küsche, der würd’ gerne ma’ mit Ihnen reden…“
„Das Problem ist nicht Ihr Herd!“ erklärt der Raimund Jakobsen, nachdem Casper in die Küche gekommen ist. „Mit dem Gerät ist alles in bester Ordnung!“
„Und warum funktioniert das Ding dann ständig nicht?“ fragt Casper.
„Das Problem sind die Leitungen“, antwortet Herr Jakobsen. „Das ist alles völlig schlampig verlegt worden. Ich würde sowas einfach mal als Pfusch am Bau bezeichnen. Da wollte man wohl sparen, indem man möglichst kostengünstig arbeitet. Und das ist dann das Resultat.“
„Wie kann denn das sein?“ fragt Casper fassungslos.
„Das müssen Sie nicht mich fragen!“ erwidert der Techniker. „Ich habe denn Laden hier schließlich nicht gebaut!“
„Und jetzt?“ will Casper wissen.
„Das muss alles erneuert werden“, erklärt Jakobsen.
„Und wie lange dauert das?“ fragt Casper entsetzt.
„Na, zwei, drei Tage werden Sie den Küchenbetrieb hier schon aussetzen müssen“, antwortet der Techniker.
„Wir können doch hier nicht für zwei oder drei Tage die Küche schließen!“ regt sich Casper auf. „Da können wir dann ja das ganze Hotel dicht machen!“
„Sie können das aber auch nicht so lassen, wie es ist!“ sagt Jakobsen. „Zum einen wird Ihr Herd dann immer wieder ausfallen und zum anderen wird Ihnen dann irgendwann das Hotel um die Ohren fliegen… oder zumindest Ihre Küche. Was ja schon drastisch genug wäre…“
„Wie bitte?“ Casper starrt den Mann fassungslos an.
„Ja, ich kann nichts dafür!“ Der Techniker hebt entschuldigend die Hände. „Beschweren Sie sich bei dem, der dieses Hotel gebaut hat!“
Zermürbt verabschiedet sich Casper von Herrn Jakobsen und sagt ihm, dass er sich schnellstmöglich bei ihm melden wird. Es hilft ja alles nichts, denkt er sich – und fasst den Entschluss, dass es wohl das Beste wäre, die Sache unmittelbar nach dem geplanten Fest in Angriff zu nehmen. Dann macht man das Hotel halt gleich für ein paar weitere Tage zu. Sein Vater wird sicher wieder begeistert sein, aber den Schuh wird Casper sich nicht anziehen. Hubertus hätte sich vor dem Kauf vielleicht mal informieren sollen, was für einen Schrotthaufen er da aufgekauft hat…
Während Casper in seinem Büro mürrisch Termine mit der Firma vereinbart und kalkuliert, wie das Ganze am Ende finanziell aussehen wird, klingelt sein Telefon.
„Entschuldigen Sie bitte die Störung“, sagt die Rezeptionistin Britta Bachschmidt am anderen Ende der Leitungen, „aber hier steht gerade ein Herr, der möchte ein Zimmer buchen…“
„Und wo ist da jetzt das Problem?“ fragt Casper gereizt.
„Also, es ist so, dass er dafür nicht bezahlen möchte“, erklärt die Mitarbeiterin zerknirscht. „Er… möchte umsonst hier absteigen.“
„Wie bitte? Das ist ja wohl lächerlich! Schicken Sie ihn weg und wenn er Schwierigkeiten machen sollte, dann rufen Sie die Polizei!“
„Also er sagt, dass wäre schon in Ordnung und hätte alle seine Richtigkeit, weil Sie damit einverstanden wären!“
„Was?“ ruft Casper aus. „Das ist ja wohl der größte Schwachsinn! Was ist denn das für ein Spinner?“
„Naja“, murmelt Britta. „Er sagt, er sei Ihr Bruder…“
Eine Minute später erscheint Casper aufgebracht an der Rezeption.
„Buenos dias“, begrüßt Kolja zu Hohenlobese seinen älteren Bruder breit grinsend. Casper in seinem maßgeschneiderten Anzug mustert ihn skeptisch von oben bis unten, wie er da steht, mit seinen langen Haaren, dem Vollbart, der speckigen Lederjacke und der zerrissenen Jeans, neben sich ein ein Rucksack und an ein Seesack.
„Wo kommst du denn jetzt her?“ fragt Casper ihn unfreundlich.
„Auf direktem Weg aus Mexiko“, antwortet Kolja.
„Wieso Mexiko?“ fragt Casper. „Ich dachte, du wärst in Feuerland.“
„Bis vor zwei Wochen war ich da auch auch“, berichtet Kolja. „Und danach hab ich dann Zwischenstopp in Mexiko gemacht. Bisschen chillen in Tijuana.“
„Aha“, murrt Casper. „Und was willst du jetzt hier?“
„Heimatluft schnuppern!“ sagt Kolja.
„So so, Heimatluft. Der Weltenbummler kommt zurück… Und wie lange willst du bleiben?“
„Schauen wir mal“, meint Kolja schulterzuckend. „Aber jetzt brauche ich eine Dusche und ein Bett. Und Paps meint, ich könnte hier für ein paar Tage ein Zimmer nehmen.“
„Klar, wenn du es auch bezahlst“, erwidert Casper herablassend.
„Och, komm, Alter“, nölt Kolja.
„Du kannst ja bei Papa wohnen“, schlägt Casper vor. „Oder bei Mama!“
„Ey, ich zieh doch nicht zurück zu unseren Eltern!“ protestiert Kolja.
„Was heißt denn ziehen? Du sollst sie ja nur besuchen…“
„Ach, komm, jetzt stell dich nicht so an und gib mir ein Zimmer“, fordert Kolja seinen Bruder auf.
Doch Casper bleibt stur und Kolja räumt schließlich ohne Erfolg das Feld.
Wie Casper fast schon erwartet hat, erhält er dafür am frühen Abend Besuch von seinem Vater.
„Ist es zu viel verlangt, deinem Bruder diesen kleinen Gefallen zu tun?“ fragt Hubertus ihn gereizt.
„Ist es zu viel verlangt, dass Kolja einfach mal bei dir oder bei Mama unterkommt, wenn er sich erbarmt, für ein paar Wochen nach Deutschland zurück zu kommen?“ beantwortet Casper das Anliegen seines Vaters mit einer Gegenfrage. „In ein paar Wochen ist er doch eh wieder weg und gondelt auf deine Kosten durch die Welt! Außerdem habe ich gerade ganz andere Probleme!“
„Was für Probleme?“ fragt Hubertus alarmiert. „Etwa mit dem Hotel?“
Und Casper erzählt seinem Vater von den Problemen mit den Gasleitungen in der Küche.
„Vielleicht hättest du vor deinem Kauf mal ein bisschen genauer checken sollen, was dieser Lohmann oder wie der hieß hier für einen Schrott erbauen lassen hat“, sagt Casper grimmig.
Hubertus ist fassungslos darüber, dass ausgerechnet ihm solch eine Sache passieren musste. Wütend überfliegt er die Kostenkalkulation für die Ausbesserung der Leitungen und überschlägt im Kopf, wie viel Verlust es bedeuten wird, das Hotel für mehrere Tage zu schließen.
„Damit ist dein Nachbarschaftsfest hier ja wohl vom Tisch!“ entschließt Hubertus. „Wir wollen ja schließlich nicht noch mehr Verlust machen!“
Doch Casper weigert sich weiterhin, von seinem Vorhaben abzuweichen und es kommt zu einer erneuten hitzigen Diskussion mit seinem Vater, die damit endet, dass Casper sich zumindest bereit erklärt, seinem Bruder vorübergehend ein Zimmer im Hotel zur Verfügung zu stellen – bis zu dem Wochenende, an dem das Fest steigt, denn für den Tag der offenen Tür und die anschließenden Arbeiten wird dann der Hotelbetrieb ohnehin kurzzeitig stillgelegt.
Kolja ist zufrieden, als er eine Weile später sein Hotelzimmer mit Blick auf die alte Villa und den kleinen Park bezieht. Hier wird er es schon eine Weile aushalten können, denkt er sich. Und mal sehen, wohin es ihn danach verschlägt…


Auch eine Woche, nachdem Antonia aus dem Bordell befreit wurde, ist sie nur ein Schatten ihrer selbst und verkriecht sich den größten Teil des Tages in ihrem Bett. Nach ihrer Rettung wollte sie zunächst gar nicht zur Polizei. Schließlich hat sie sich dazu durchgerungen, ausschließlich vor Nina eine Aussage zu machen. Ihr hat sie dann schließlich ihren Leidensweg berichtet, hat ihr davon erzählt, dass Karim sie an seinen Onkel Mohammed übergeben hat, statt mit ihr, wie versprochen, in den Süden abzuhauen und ein neues Leben zu beginnen. Karim hat sie seither nicht mehr gesehen und Mohammed hat sie fortan in seinem Bordell anschaffen lassen, einen Laden, der nach außen hin unscheinbar wirkt und in seinen vorderen Räumen eher heruntergekommen und primitiv ist. Doch dann gibt es noch Räume im hinteren Teil des Hauses, von denen man zunächst gar nichts bemerkt und die man durch eine unscheinbare, von Wandteppichen verdeckte Tür erreicht. Während im vorderen Bereich des Puffs ausschließlich volljährige Prostituierte arbeiten, werden im hinteren Teil minderjährige Mädchen an reiche, alte Säcke verschachert. Nachdem Nina Antonias Aussage an die zuständige Stelle in der Polizeibehörde weitergeleitet hat, hat es in dem Bordell eine Razzia gegeben, bei der auch die geheimen Hinterzimmer durchsucht und insgesamt 7 weitere minderjährige Mädchen zwischen 13 und 17 Jahren befreit wurden. Mohammed wurde verhaftet und es stellte sich heraus, dass es sich bei Karims Familie um einen arabischen Clan handelt, der neben Prostitution, Zuhälterei und Menschenhandel auch noch Bandenkriminalität, Drogen- und Waffenhandel auf dem Kerbholz hat…
Finn liegt noch im Krankenhaus, nachdem er von dem `Gorilla` angeschossen wurde, ist aber auf dem Wege der Besserung. Iffi möchte ihn heute besuchen und bittet Gabi, während ihrer Abwesenheit bei Antonia zu bleiben.
„Sie verkriecht sich und lässt niemanden an sich ran“, erklärt Iffi ihrer Stiefmutter. „Daran hat sich immer noch nichts geändert.“
„Gib ihr Zeit“, befindet Gabi.
„Ich hab so Angst, dass Zeit alleine nicht reichen wird, um das alles zu verarbeiten“, gibt Iffi zu bedenken. „Vielleicht sollten wir uns doch professionelle Hilfe suchen. Nina hat schon angeboten, dass eine Polizeipsychologin mal mit ihr redet, aber… ach, ich weiß einfach nicht, was richtig ist. Vielleicht machen wir ja auch alles noch viel schlimmer, wenn sie das alles vor so einer Seelenklempnerin auspacken muss…“
„Der Pfarrer Gundlach könnt’ ja vielleicht mal mit der Toni reden“,überlegt Gabi.
„Oh, Gabi, bitte, fang nicht wieder damit an!“ stöhnt Iffi. „Ich weiß ja, dass du es nur gut meinst, aber ich glaube kaum, dass die katholische Kirche in so einem Fall der richtige Ansprechpartner ist…“
„Aber warum denn nicht?“ fragt Gabi verständnislos. „Ich hab doch schon einmal g’sagt, dass der Gundlach a ganz a besonderer Mann ist. Der erreicht die Menschen. Und vielleicht ja sogar die Toni…“
Iffi verdreht die Augen, dann sagt sie: „Okay, ich denk mal drüber nach, aber jetzt muss ich los!“
Nachdem Iffi die Wohnung verlassen hat, klopft Gabi vorsichtig an Antonias Zimmertür, doch drinnen rührt sich nichts und Gabi setzt sich in die Küche. Sie will Antonia die Zeit geben, die sie benötigt und möchte nicht, dass sie sich durch sie bedrängt fühlt, nach all den schlimmen Dingen, die sie in den letzten Wochen durchleben musste…
Iffi ist derweil bei Finn im Krankenhaus angekommen.
„Wie geht es dir?“ erkundigt sie sich.
„Wirklich gut“, freut sich Finn. „Die Wunde sieht gut aus und tut auch kaum noch weh.“
„Das ist schön“, sagt Iffi erleichtert. „Dann kannst du ja womöglich bald schon entlassen werden.“
Bei diesem Satz wird Finn plötzlich sehr schweigsam.
„Oder… willst du das gar nicht?“ fragt Iffi zögernd. „Weißt du nicht, wohin?“
„Ich komm klar“, erwidert Finn.
„Aber das ist doch kein Leben, so auf der Straße“, sagt Iffi. „Du bist doch noch so jung. Willst du dein ganzes Leben so verbringen? Mein Gott, wie alt bist du eigentlich?“
„Alt genug“, erwidert Finn knapp.
In dem Moment öffnet sich die Tür des Krankenzimmers und eine korpulente Frau um die 40 tritt ein.
„Nicole Breuer, Jugendamt“, stellt sie sich mit resolutem Tonfall vor. „Du bist Finn Schäfer?“
Finn wird blass, nickt zögernd.
„Und Sie sind?“ will Nicole Breuer von Iffi wissen.
Iffi stellt sich kurz vor und unterbreitet Frau Breuer ihre Beziehung zu Finn.
„Schade, ich hab schon gedacht, dass vielleicht eine Verwandte aufgetaucht ist“, seufzt die Beamtin. „Nun ja, dann werden wir dich wohl erstmal im Heim unterbringen, wenn du entlassen werden kannst…“
„Heim?“ fragt Iffi. „Wie… wie alt ist er… äh, wie alt bist du denn?“
„17“, antwortet Frau Breuer an Finns Stelle. „Heim wäre auch nur die Übergangslösung. Wir würden dann schon zusehen, ihn schnellstmöglich in einer betreuten Jugend-WG unterzubringen.“
„Hast du denn keine Familie?“ fragt Iffi entsetzt.
Finn presst schweigend die Lippen zusammen und Nicole antwortet: „Leider nein! Deshalb habe ich ja gehofft, dass sie eventuell doch eine unbekannte Verwandte sein könnten. Finn ist schon seit drei Jahren bei uns aktenkundig. Und er ist unserem System immer wieder entwischt und hat sich für ein Leben auf der Straße entschieden. Aber das ist keine Dauerlösung und man sieht ja, wohin das führt.“
„Ich geh in kein Scheiß Heim!“ schnauzt Finn. „Und auch nicht in so eine bekackte WG!!“
„Du kannst ja gar nicht beurteilen, was gut für dich ist“, erklärt Nicole energisch. „Du kannst nicht zurück auf die Straße. Du wurdest gerade schwer verletzt und es wird bald Winter…“
„Wo sind denn deine Eltern?“ erkundigt sich Iffi.
Da Finn erneut beharrlich schweigt, erklärt Frau Breuer: „Sie sind vor etwas mehr als drei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Und da Finn sonst keine Verwandtschaft mehr hat, kam er damals in ein Heim, von wo er abgehauen ist. Er wurde seither mehrfach aufgegriffen und in verschiedenen Betreuungsformen untergebracht. Leider war er überall dasselbe; innerhalb von kürzester Zeit war Finn wieder weg. Abgehauen und zurück auf die Straße…“
Im weiteren Verlauf des Gesprächs weist die Jugendamtsmitarbeiterin darauf hin, dass Finn laut der Aussage des Arztes voraussichtlich zum Beginn der nächsten Woche aus dem Krankenhaus entlassen werden kann und dass sie bis dahin eine neue Unterkunft für ihn organisieren wird. Doch nachdem Frau Breuer das Krankenzimmer verlassen hat, muss Iffi feststellen, dass Finn darüber alles andere als glücklich wirkt.
„Kopf hoch!“ versucht sie ihn zum Abschied aufzumuntern. „So schlimm wird es da schon nicht werden. Und es ist doch allemal besser, als auf der Straße leben zu müssen – noch dazu im Winter…“
Auch nach Verlassen des Krankenhauses muss Iffi an Finn denken. Sie mag diesen Jungen irgendwie und sie rechnet es ihm hoch an, dass er sich ernsthaft darum bemüht hat, ihr beim Auffinden von Antonia zu helfen…
Als Iffi wieder zuhause ist, muss sie von Gabi erfahren, dass Antonia ihr Zimmer den ganzen Vormittag über kein einziges Mal verlassen hat.
Später kommt Nina zu Besuch, erkundigt sich ebenfalls nach Antonias aktuellem Befinden und rät Iffi erneut dazu, dass Toni mal mit der Polizeipsychologin reden sollte.
„Antonia ist das typische Opfer eines Loverboys geworden“, sagt Nina. „Diese Typen machen jungen Mädchen alle möglichen Versprechungen, solange, bis sie ihnen komplett willig sind. Unsere Psychologin kennt sich damit aus. Sie ist geschult auf Gespräche mit Mädchen wie Toni, die Opfer von solchen Typen geworden sind.“
Und so wie Iffi zuvor Gabi versprochen hat, über einen Besuch von Ex-Pfarrer Gundlach nachzudenken, so verspricht sie nun Nina, über einen Termin bei der Psychologin nachzudenken. Doch im Grunde will sie momentan nur Ruhe haben – sowohl für sich wie für ihre Tochter, in der Hoffnung, dass beide auf diese Weise runterkommen können…
Iffi hat nach ihrem Krankenhaus-Besuch für den heutigen Tag noch einen weiteren Besuch auf ihrer Agenda, den sie schon die ganze Woche vor sich her schiebt. Als Valerie nach Hause kommt, überfällt sie sie sogleich.
„Gut, dass du da bist!“
„Was ist denn mit dir los?“ fragt Valerie irritiert. „Du freust dich doch sonst nicht so, mich zu sehen.“
„Ich muss nochmal weg. Könntest du bitte eine Auge auf Toni haben?“
Valerie verspricht es und Iffi macht sich auf dem Weg. Ein paar Minuten später klingelt sie an der Villa am Ende der Straße.
„Hallo Gung“, begrüßt sie das vietnamesische Faktotum beim Öffnen. „Ich wollte zu… äh… zu dem Dings… also, dem… dem Dingda...Ähm… ist der Bruder von Jack da?“
Gung lässt Iffi eintreten und eine Minute später sitzt sie Ludde in dessen Zimmer, das in einem einzigen Chaos zu versinken droht, gegenüber.
„Ich… also ich…“, Iffi reibt sich nervös mit den Händen über die Hose, während Ludde sie aufmerksam mit seinen Blicken taxiert. „Ich… wollte mich bedanken. Für Ihre Hilfe letzte Woche! Und… also, ich wollte mich auch bei Ihnen entschuldigen, weil… also… ich glaube, ich bin Ihnen gegenüber immer ziemlich feindselig gewesen und habe… unschöne Dinge über sie gesagt. Das… das tut mir wirklich leid.“
Ludde tut nichts anderes, als Iffi weiterhin anstarren, was sie noch nervöser macht und ihm gleich wieder eine sehr bedrohliche Aura verpasst.
„Ich… bin Ihnen wirklich unendlich dankbar für das, was sie letzte Woche für uns getan haben“, nimmt sie erneut den Gesprächsfaden auf. „Sie… sie waren wirklich sehr mutig… und...und… das war überhaupt nicht selbstverständlich… Ich… ich… ich… also… ich weiß gar nicht, wie ich das jemals gut machen soll, was sie für Toni und mich getan haben.“
„Ich will ´n Date mit Ihrer Tochter“, schießt es plötzlich aus Ludde hervor.
„Was?“ Iffi starrt ihn entsetzt an.
Nun beginnt er breit zu grinsen und lacht: „Nur ein Scherz, alles gut!“
„Oh Gott!“ stößt Iffi hervor und gibt ebenfalls einen sehr gequälten und sehr gekünstelten kurzen Lacher von sich.
„Ernsthaft mal“, sagt Ludde. „Ich bin bestimmt nicht der große Musterknabe. Und ich hab einiges an Scheiße verzapft im Leben. Aber minderjährige Mädchen einsperren und an fiese alte Säcke verhökern… Das ist das allerletzte! Bei sowas guck ich nich’ einfach weg. Das war selbstverständlich und das müssen Sie auch überhaupt nicht gut machen! Ich bin froh, dass Ihre Tochter wieder zuhause ist und ich hoffe, dass es ihr bald wieder besser geht.“
Iffi atmet erleichtert auf. Zum ersten Mal lächelt sie Ludde wirklich aufrichtig an und sagt: Vielen, vielen Dank für alles! Sie sind.. großartig.“
Dann steht sie auf und geht zur Tür. „Toni ist ein tolles Mädchen!“ ruft Ludde ihr nach und Iffi hält nochmal inne. „Ich meine, ich kenne sie im Grunde ja nur flüchtig“, sagt er. „Aber sie ist tough. Und klug. Viel zu tough und viel zu klug, um sich unterkriegen zu lassen. Das hat sie vermutlich von ihrer Mum. Sie wird damit klar kommen, ganz bestimmt…!“
„Hoffentlich“, sagt Iffi und geht. Im Flur drückt sich Gung herum und Iffi kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er gelauscht hat. „Jacks Bruder ist ein Held“, erklärt sie dem Vietnamesen und geht. Gung blickt ihr mit unergründlichem Gesichtsausdruck hinterher…
Etwas später sitzt Iffi bei Gabi und Andy am Küchentisch der Alten-WG.
„Sag mal, Gabi…“, beginnt sie vorsichtig. „Als du damals… also, als du Lisa als Pflegekind zu dir genommen hast… ähm… hattest du da eigentlich keine Bedenken, dass das schiefgehen könnte?“
„Ja, freilich hatte ich das“, erwidert Gabi. „Und im Grunde isses des ja dann auch. Und mir war auch von vornherein klar, dass des nich’ einfach wird. A Madl, des bereits so viel Schlimmes erleben musste und des aus so oanem schwiergen, kaputten Umfeld stammt…“
„Und warum hast du es trotzdem gemacht?“ fragt Iffi.
„Weil i find, dess die Lisa a faire Chance verdient hatte! Weil a jeder Mensch die verdient hat, grad, wenn er noch so jung ist. A junger Mensch muss doch die Möglichkeit haben, gut in sein Leben zu starten. Und a g’scheites Umfeld ist da die Grundlage. Kinder und Jugendliche brauchen jemanden, der sie stärkt, der ihnen Liebe und Rückhalt gibt…“
Iffi hat genug gehört. Wie beflügelt macht sie sich auf den Heimweg. Als sie kurz darauf mit Roland und Valerie beim Abendessen sitzt (Antonia will auch heute lieber im Zimmer bleiben) unterbreitet sie den beiden ihren Plan.
„Ich möchte die Vormundschaft für diesen Finn beantragen“, erklärt sie feierlich - und blickt in zwei vollkommen verblüffte Augenpaare.
„Düsen Jungen vonner Strooße?“ fragt Roland ungläubig. „Öber wiesö denn dös?“
„Weil er uns geholfen hat“, sagt Iffi. „Weil er unseretwegen fast gestorben wäre. Und weil er es nicht verdient hat, so ein Leben zu fristen.“
„Öber… öber… du weest doch gar nüscht, wie der so tickt“, gibt Roland zu bedenken. „Vülleischt räumt der uns de Bude leer, wönn er hier alleene is!“
„Ehrlich, Iffi“, mischt sich auch Valerie ein. „So ein Leben als Stricher, das geht doch auch psychisch nicht an einem vorbei. Ich meine, wer weiß, was für ein Psycho der ist!“
„Ein größerer Psycho als du kann er auch nicht sein!“ pflaumt Iffi ihre Schwester an und die schnappt empört nach Luft. Iffi beachtet ihre Schwester nicht weiter und versucht Roland zu erklären, warum sie Finn bei sich aufnehmen möchte.
„Ich find’s gut“, sagt plötzlich eine Stimme aus Richtung Küchentür. Dort steht Antonia, die das Gespräch offenbar mit angehört hat.
„Toni!“ sagt Iffi – erfreut darüber, dass ihre Tochter endlich ihr Schneckenhaus verlassen hat. „Willst du mit uns essen?“
Antonia schüttelt den Kopf. „Ich hab nur Durst“, sagt sie, holt sich eine Flasche Apfelsaft aus dem Kühlschrank und verschwindet wieder in ihrem Zimmer.
„Ömmerhün hat sö süsch überhaupt mol bei uns blicken lassen“, findet Roland. „Ünd wennde meenst, dass wür düsen Jungen uffnehmen sollten, dann machen wür das!“
Valerie schnappt erneut nach Luft, sagt aber nichts.
Nach dem Abendessen beschließt Iffi, nochmal zu Finn ins Krankenhaus zu fahren und ihn selbst erstmal zu fragen, was er von ihrer Idee überhaupt hält. Doch als Iffi das Krankenzimmer betritt, ist das Bett leer. Perplex blickt Iffi sich um. Nachdem sie auch im Bad niemanden findet, eilt sie in den Flur und schnappt sich den nächstbesten Krankenpfleger.
„Entschuldigung, wo ist denn der Junge hier aus dem Zimmer?“ will Iffi von ihm wissen.
„Finn Schäfer?“ fragt der Pfleger. „Der ist weg!“
„Wie weg?“ fragt Iffi überrumpelt.
„Na, weg halt. Abgehauen. Über alle Berge, wahrscheinlich zurück auf die Straße!“ Der Pfleger macht sich wieder an seine Arbeit und Iffi starrt ihm hinterher, dann murmelt sie leise: „Weg…! Scheiße…!“

CLIFFHANGER auf: Iffi Zenker

Mitwirkende Personen
Helga Beimer
Klaus Beimer
Mila Beimer
Nina Zöllig
Lea Starck
Tristan von Sassnitz
Ortrun von Sassnitz
Lola Zenker
Andy Zenker
Gabi Zenker
Valerie Zenker
Iffi Zenker
Antonia Zenker
Roland Landmann
Ludde Mayer
Gung Phan Kien
Hubertus zu Hohenlobese
Casper zu Hohenlobese
Kolja zu Hohenlobese
Sandra Sarikakis
Mandy Peschke
Jeremy Peschke
Phoebe Peschke
Finn Schäfer
Nicole Breuer
Britta Bachschmidt
Raimund Jakobsen
Krankenpfleger

© ´popo wolfson` 2022

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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Verfasst: So 30. Okt 2022, 06:15 


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