Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1831 - Popos Rache
BeitragVerfasst: So 24. Apr 2022, 07:31 
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Folge 1831: Popos Rache

Spieltag: Donnerstag, 21.04.2022

Nach den Ostertagen und dem darauf folgenden Ansturm in den Arzt-Praxen hat Marcella heute endlich einen Termin bei ihrem Gynäkologen, nachdem sie am Dienstag bereits zu einer Blutabnahme in der Praxis war. Und auch nach einer guten Woche Bedenkzeit hält sie immer noch an ihrem Vorhaben einer Abtreibung fest. Dies stößt Sebastian äußerst übel auf.
„Willst du das wirklich durchziehen?“ fragt er am Morgen nach dem Aufstehen.
„Sebastian, bitte nicht schon wieder“, seufzt Marcella. „Das Thema hatten wir doch in den letzten Tagen wirklich mehr als genug.“
„Ich versteh’s einfach nicht“, erwidert Sebastian. „Warum, Marcella?“
„Weil… Herrgott, ich hab’s dir doch wirklich oft genug erklärt!“
„Weil Kinder nicht in deine Lebensplanung passen???“ Bei dem Wort LEBENSPLANUNG zeichnet er mit seinen Fingern Anführungszeichen in die Luft. „Das ist echt albern, Marcella. Ein Kind ist die normalste Sache der Welt. Der Zeitpunkt ist vielleicht nicht immer optimal, aber das geht wahrscheinlich Millionen von anderen Eltern genau so. Da muss man sich dann halt mit arrangieren.“
„Ich will mich aber nicht damit arrangieren“, entgegnet Marcella kratzbürstig.
„Ich, ich, ich!“ mault Sebastian gereizt. „Findest du das nicht ein bisschen egoistisch?“
„Mein Körper, meine Entscheidung!“ sagt Marcella entschlossen.
„Aber es ist auch MEIN Kind!“ erklärt Sebastian.
„Und bist du derjenige, der jeden Morgen erstmal kotzen muss?“, fragt Marcella,.„Der in ein paar Monaten sooo eine Tonne vor sich her trägt? Und der es dann nachher unter Schmerzen austragen muss?“
„Ich würde es dir gerne abnehmen, wenn ich könnte“, erklärt Sebastian.
Marcella stutzt einen Moment, dann meint sie: „Das ist in deiner Situation natürlich leicht daher gesagt. Wieso bist du überhaupt auf einmal so scharf darauf? Du hast mir nie gesagt, dass du mal Kinder haben willst!“
„Ja, weil es nie zur Debatte stand! Wir sind seit gut einem Jahr zusammen. Das ist alles noch so frisch und neu, da muss man ja nicht gleich über Kinder reden.“
„Eben!“ findet auch Marcella. „Wir sind doch auch so glücklich. Wir brauchen dafür doch kein Kind!“
„Aber jetzt ist es nun mal da…“
„Es ist nicht da!“ wehrt die Italienerin ab. „Ich bin vielleicht in der neunten oder zehnten Woche. Das ist doch noch kein Kind! Noch nicht! Aber deshalb darf ich jetzt auch keine Zeit mehr verlieren!“
„Du tust so, als ob da ein Alien in dir wächst“, sagt Sebastian kopfschüttelnd.
„Ja, so fühlt es sich für mich auch an!“ bestätigt Marcella.
Unzufrieden mit der Situation, dass Sebastian ihren Standpunkt so gar nicht verstehen kann, macht sich Marcella eine Weile später auf den Weg zu ihrem Frauenarzt Dr. Harald Körner. Dort erfährt Marcella, dass sie sich tatsächlich in der 10. Schwangerschaftswoche befindet. Während der Arzt ihr weitere Details zu dem Ergebnis ihrer Blutentnahme nennt und bereits damit anfängt, ihr runterzubeten, welche Untersuchungen im weiteren Verlauf der Schwangerschaft zu welchem Zeitpunkt anstehen werden, fällt Marcella ihm mit den Satz „Ich werde abtreiben“ ins Wort.
„Oh, ach so“, entfährt es den Gynäkologen überrascht. „Na, Sie scheinen sich Ihrer Sache ja schon ziemlich sicher zu sein.“
„Definitiv“, bestätigt Marcella. „Ich möchte keine Kinder!“
Der Arzt atmet hörbar aus. „Dann dürfen wir nicht mehr allzu viel Zeit verlieren, ein Schwangerschaftsabbruch ohne medizinische Ursache sollte bis zur zwölften Woche durchgeführt werden. Sie sollten diese Entscheidung trotzdem nicht übers Knie brechen. Wenn Sie doch noch Kinder wollen, haben Sie schließlich auch nicht mehr ewig Zeit, Sie gehen auf die 40 zu.“
„Das weiß ich“, entgegnet Marcella genervt. „Aber ich breche hier gar nichts übers Knie! Ich will keine Kinder!“
Dr. Körner klärt Marcella über mögliche Risiken und das weitere Prozedere auf. Dann sagt er: „Meine Assistentin wird Ihnen die Kontaktdaten für eine Beratungsstelle geben, da sollten Sie dann möglichst zügig einen Termin vereinbaren.“
„Beratungsstelle?“ fragt Marcella irritiert. „Machen Sie denn den Abbruch nicht?“
„Den Abbruch schon“, entgegnet Dr. Körner und verdreht angesichts der Ahnungslosigkeit seiner Patientin innerlich die Augen. „Aber sie müssen zunächst ein Beratungsgespräch absolvieren. Wenn Sie die Bescheinigung der Beratungsstelle haben, können Sie hier einen Termin für den Abbruch machen. Allerdings müssen zwischen Beratungsgespräch und Abbruch dann nochmal mindestens vier Tage liegen, damit Sie Zeit haben, alles zu überdenken und Ihre Entscheidung nicht später eventuell doch noch bereuen.“
Genervt verlässt Marcella die Praxis. Warum muss das alles so kompliziert sein?
Nachdem sie bei der Beratungsstelle einen Termin für die kommende Woche vereinbart hat, tritt Marcella ihre Schicht im Café an und kann sich den Tag über durch die Arbeit tatsächlich von ihre »Problem« ganz gut ablenken.
Erst als sie sich am Abend wieder mit Sebastian in ihrer Wohnung trifft, kommt auch das Thema Schwangerschaft wieder auf den Tisch. Marcella berichtet eher widerstrebend von ihrem Termin beim Frauenarzt und Sebastian hört ihr schweigend zu, auch als sie von dem geplanten Termin bei der Beratungsstelle erzählt.
„Wäre das denn wirklich so schlimm für dich, ein Kind?“ fragt er zögernd. „Schau, du bist doch nicht allein. Ich bin ja auch da, wir machen das zusammen. Von mir aus nehme ich auch Elternzeit, wenn du im Café nicht kürzer treten willst.“
„Aber damit ist es doch nicht getan“, sagt Marcella. „Ich will das einfach nicht. Kinder machen nur Stress. Du bist ein Einzelkind, aber ich weiß, wovon ich rede. Ich bin mit einer jüngeren Schwester aufgewachsen und die war echt die Pest. Ich hasse Kinder!“
„Ein eigenes Kind würde deinen Blickwinkel darauf sicher verändern“, vermutet Sebastian.
„Sebastian, bitte!“ stöhnt Marcella. „Ich bin einfach nicht die Frau fürs Kinderkriegen, das wird es in meinem Leben nicht geben.“
„Wenn du das so siehst“, sagt Sebastian, steht auf und schnappt sich seine Jacke.
„Wo willst du denn jetzt hin?“ fragt Marcella irritiert.
„Ich brauch Zeit für mich, ich schlafe heute Nacht lieber bei mir“, antwortet er – und ist schon zur Tür raus…

Antonia kann sich an diesem Morgen mal wieder nicht aus dem Bett quälen. Die ganze Welt, das ganze Leben, alles ist ihr einfach zu viel…
„Antooooniiiiiaaaa!“ hallt schrill die Stimme ihrer Mutter durch den Flur. Und dann betritt Iffi auch schon ihr Zimmer und entreißt ihr die Bettdecke. „Es kann nicht sein, dass du den ganzen Tag nur im Bett rumliegst, nur weil du Ferien hast“, zetert sie wie eine rothaarige Furie. „Nächste Woche geht die Schule wieder los! Hast du eigentlich einmal in deine Bücher geguckt.“
„Ja“, lügt Antonia und vergräbt den Kopf unterm Kissen.
„Ich hab heute frei“, sagt Iffi. „Wollen wir zusammen was unternehmen? Shoppen oder so?“
„Och nööö“,stöhnt Toni.
„Ist es immer noch, weil es mit diesem Karim aus ist?“ fragt sie. „Es kann doch nicht sein, dass du dich wegen diesem Typen so hängen lässt. Es werden andere Jungs kommen. Du musst halt mal wieder raus und unter Leute, dann lernst du auch wieder jemanden kennen.“
Antonia steht schließlich auf, lässt ihre Mutter aber wissen, dass sie keinen Bock auf Shopping hat und sich lieber mit einer Freundin trifft.
„Mit Annalena?“ fragt Iffi. „Oder mit Lovis?“
„Nee, mit Jana aus der Schule“, sagt Antonia.
Stattdessen sitzt sie allerdings eine Weile später alleine auf einer Bank am Spielplatz und schaut Gung zu, der mit Elias im Sandkasten buddelt, als sie eine Nachricht von Karim erhält. »In einer halben Stunden vorm Jugendzentrum« schreibt er – und Antonia macht sich wie ferngesteuert auf den Weg dorthin.
Als sie eine Weile später neben ihm im Auto sitzt, sieht er sie skeptisch von der Seite an und murrt: „Wenn du so ein Gesicht ziehst, wirst du damit aber bestimmt niemandem gefallen.“
Antonia zuckt die Schultern und zieht ein noch längeres Gesicht.
„Prinzessin, das geht so nicht“, sagt Karim zwar mit sanfter Stimme, aber doch auch nachdrücklich. „Du musst schon ein bisschen freundlicher gucken, sonst zahlt ja keiner was für dich.“
„Ich… ich will das nicht mehr“, flüstert Antonia nach einem kurzen Zögern.
„Wie bitte?“ fragt Karim. „Hab ich das richtig verstanden, du willst das nicht mehr?!?“
Antonia nickt zaghaft und Karim lacht verächtlich auf. Dann sagt er: „Prinzessin, es geht hier nicht darum, was du willst! Es geht darum, was hier deine Pflicht ist! Du kannst mich jetzt nicht im Stich lassen, das ist ja auch schließlich alles für dich: Die Wohnung, der Schmuck, die Klamotten, die Geschenke… Alles für dich! Und jetzt willst du mich hängen lassen? Nachdem ich so viel für dich getan habe?“
„Ich will keine Geschenke mehr“, murmelt Antonia. „Und die Wohnung kannst du auch kündigen. Ich… ich will das alles nicht mehr.“
„Sag mal, geht’s noch?“ faucht Karim fassungslos. „Willst du mir hier gerade erzählen, dass Schluss ist mit uns? Willst du gerade allen Ernstes Schluss machen mit mir? Nach allem, was zwischen uns war? Nach allem, was ich für dich getan habe?“
„Karim, ich…“, beginnt Antonia.
„Das geht nicht“, fällt Karim ihr ins Wort. „Du kannst mich jetzt nicht hängen lassen, ich hab Schulden, die ich abbezahlen muss. Und die habe ich alle nur deinetwegen!“
„Karim, ich…“
„Du reißt dich jetzt gefälligst zusammen, verstanden?!“ fährt Karim sie energisch an. „Wir rauchen gleich einen Joint zusammen, dann bist du auch entspannter, okay?“
„Ich will keinen Joint“, wimmert Antonia.
„Okay, deine eigene Sache. Dann machst du’s halt so!“
Nachdem die beiden in der Wohnung angekommen sind, macht sich Antonia auf Karims Drängen zurecht. Einige Zeit später klingelt es an der Tür.
„Herr Kellermann ist ein ganz netter älterer Herr“, erklärt Karim mit beruhigendem Tonfall, ehe er zur Wohnungstür geht. „Der möchte nur ein bisschen Spaß mit einer süßen Prinzessin wie dir haben, vor dem musst du keine Angst haben.“
Antonia hört kurz darauf die Stimmen von Karim und Heinrich Kellermann im Flur. Sekunden später tritt ein dicker, schwitzender Mann das Schlafzimmer – womöglich der fetteste alte Kerl, den Antonia je zu Gesicht bekommen hat.
„Na, du bist joa a fesches Madl“, schnaubt Kellermann, während er näher kommt. Speichel steht in seinen Mundwinkeln, während er sein siffiges Alte-Männer-Hemd auszieht und seinen bleichen Schmierbauch entblößt. Er lässt sich aufs Bett fallen, fasst Antonia an die Brust und versucht, sie zu küssen. Der Gestank von Schweiß, Bier, Nikotin und Knochblauchwurst umnebelt sie und Antonia wird es schlagartig noch übler. Sie springt aus dem Bett und beginnt hysterisch zu schreien und zu weinen. Kellermann versucht, beruhigend auf die einzuwirken, doch das macht Antonia nur noch hysterischer.
„Was ist denn hier los?“ Karim steht fassungslos in der Zimmertür.
„Ich kann das nicht“, wimmert Antonia verzweifelt. „Der ist so ekelig…“
„Ja, Krutzitürken, Herrschaftszeiten, woas soll denn der Schmarrn“, flucht Kellermann und zieht sich aufgebracht schnaufend sein Hemd über. Er verschwindet mit Karim im Flur, wo eine hitzige Diskussion zwischen den beiden entflammt. Irgendwann hört Antonia die Wohnungstür zufallen und will schon erleichtert aufatmen, doch im nächsten Augenblick stürmt Karim wutschäumend ins Schlafzimmer.
„Bist du bescheuert?“ schnauzt er sie an. „Was ist denn in dich gefahren? Geht man so mit zahlenden Kunden um?“
„Ich… ich…!“
„Nichts, ICH!“ Karim pfeffert ihr ihre Klamotten hin. „Zieh dich an, komm mit! Du hast es nicht anders gewollt!“
„Wohin fahren wir?“ fragt Antonia ängstlich, als die beiden wenige Minuten später wieder in Karims Auto sitzen, doch er gibt keine Antwort und blickt nur verbissen nach vorn.
Die beiden verlassen die Stadt und fahren in eine schäbige Gegend, die Antonia nicht kennt. Schließlich hält Karim auf einem Parkplatz am Rande einer Schnellstraße, auf dem sich mehrere Prostituierte die Beine in den Bauch stehen.
„Was… machen wir hier?“ fragt Toni ängstlich. Karim zerrt sie brutal aus dem Auto und ignoriert ihr Schreien.
„In drei Stunden hol ich dich hier wieder ab“, erklärt er entschlossen. „Und wehe dir, du hast dann nichts verdient!“
Mit quietschenden Reifen rast er davon. Fassungslos und ängstlich blickt sie ihm nach. Antonia fühlt sich völlig verloren. Unter den abfälligen Blicken der Prostituierten auf dem Parkplatz stellt sie sich schließlich zitternd an den Straßenrand. Und es dauert gar nicht lange, bis ein Auto neben ihr hält…
Als Karim sie ein paar Stunden später wieder an der Stelle aufsammelt, an der er sie zuvor rausgelassen hat, hat Antonia tatsächlich ein wenig »Umsatz« gemacht…
„Hätte mehr sein können, aber okay für heute“, meint Karim mürrisch, ehe er sie in der Nähe der Lindenstraße absetzt.
Als Antonia in die Wohnung kommt, sitzen Iffi, Roland und Valerie beim Abendessen.
„Hallo, mein Schatz“, ruft Iffi ihr fröhlich zu. „Möchtest du was mitessen? Roland hat ein neues Rezept ausprobiert.“
„Kein Hunger“, sagt Antonia knapp.
„Es ist wirklich richtig lecker“, ruft Valerie.
„Hab gegessen“, erwidert Toni und verschwindet in ihrem Zimmer. Dort wirft sie sich weinend auf ihr Bett. Eigentlich würde sie zu gerne mit ihrer Familie zu Abend essen. Eigentlich würde sie auch gerne mit ihrer Mutter shoppen gehen oder sich mal wieder mit ihren Freundinnen treffen. Eigentlich… Ein ganz normales Leben führen, wie andere in ihrem Alter auch. Aber sie hat jetzt nun mal Karim. Und auch wenn er manchmal richtig fies zu ihr sein kann, weiß sie doch, dass er sie liebt. Er hat schon so viel für sie getan und sie ist es ihm schuldig, ihm zu helfen, so gut sie kann. Aber ihr ist auch klar, dass mit Karim ihr altes Leben, das Leben eines normalen Teenagers, zu Ende gegangen ist…

Popo ist guter Dinge: Sie hat Wind davon bekommen, dass am heutigen Nachmittag in der George-Filiale, in der sie arbeitet, offiziell bekannt gegeben wird, wer die Nachfolge ihrer verhassten Chefin Silvia wird, die im Mai die Geschäftsführung des neuen George-Coffee-House übernehmen wird. Der Geschäftsführungs-Wechsel in der Filiale soll durch Hülsch verkündet werden und Popo ist absolut siegessicher: Sie ist überzeugt davon, `Mr. Hülschi ´ entsprechend umgarnt zu haben, und freut sich auf eine ruhigere und besser bezahlte berufliche Zukunft. Und so ist sie auch bester Dinge, als sie am Vormittag gemeinsam mit Helga einen Großeinkauf im Supermarkt absolviert. Als die beiden das Geschäft verlassen, stoßen sie mit Kerstin und Lovis zusammen, die den Laden gerade betreten wollen.
„Oh, hoppla, Entschuldigung“, sagt Kerstin und hebt den Einkaufsbeutel auf, der Helga aus der Hand gefallen ist.
„Ach, macht doch nichts, Frau Wendland“, erwidert Helga schnell und wirft dabei einen prüfenden Blick in den Beutel, um sich zu überzeugen, dass auch alle Einkäufe heil geblieben sind.
„Oh, Erdbeeren“, bemerkt Kerstin bei einem Blick in Helgas Korb. „Schmecken die denn jetzt überhaupt schon? Ich kaufe ja nie welche vor Mai.“
„Die hiesigen schmecken noch etwas fad“, gibt Helga zu, „die haben einfach noch nicht ausreichend Sonne gesehen. Aber diese hier sind toll. Die hatten wir auch schon an Ostern, die sind aus Spanien importiert.“
„Aus Spanien?!“ ruft Lovis empört aus. „Ich fasse es nicht! Sie können doch keine Erdbeeren aus Spanien kaufen! Was sind Sie denn nur für eine Klima-Sau?! Wissen Sie eigentlich, wie viel CO2 da in der Atmosphäre landet, allein dafür, dass das Zeug von Spanien bis zu uns kommt? Außerdem sind die doch total mit Pestiziden belastet!“
„Also… also jetzt mal… also“, stammelt Helga empört.
„Lovis, bitte!“ fährt Kerstin ihre Tochter an. „Entschuldigen Sie bitte, Frau Beimer, aber meine Tochter meint, dass sie im Alleingang das Klima retten muss und schießt dabei manchmal ein wenig übers Ziel hinaus!“
„Gar nicht“, faucht Lovis zurück. „Erdbeeren aus Spanien, ich fass es nicht. Kann die nicht ein paar Wochen warten, bis die hiesigen Erdbeeren schmecken…“
„Auf Wiedersehen, Frau Beimer“, sagt Kerstin schnell und schiebt ihre motzende Tochter vor sich her in den Supermarkt. Während Helga immer noch fassungslos den Kopf schüttelt, ist Popo über den unerwarteten Zusammenprall ausgesprochen amüsiert…
Als sie nachmittags ihre heute Schicht im George antritt, ist Popo ziemlich aufgeregt und wartet die ganze Zeit ungeduldig auf die Ankunft von Herrn Hülsch. Nach geraumer Zeit erscheint dieser auch endlich und zieht sich – nach einem knappen Gruß an Popo – mit Silvia in das kleine Büro der Filiale zurück, wo die beiden lange miteinander reden. Popo bemerkt, dass auch ihre Konkurrentin Britta ganz offensichtlich sehr nervös ist – und freut sich innerlich wie eine Schneekönigin, weil ihr selbst ja unlängst klar ist, dass Britta keine Schnitte gegen sie haben wird. Nur die arme Britta weiß das halt noch nicht…
Nach Ewigkeiten verlassen Hülsch und Silvia endlich das Büro und Hülsch kündigt mit wichtigem Gesichtsausdruck an, dass er den anwesenden Mitarbeitern eine Neuigkeit zu vermelden hat.
„Wie Sie wissen, wird die gute Frau Wintergrün demnächst die Leitung unseres neuen Coffee House übernehmen“, erklärt Hülsch. „In Abstimmung mit der Firmenleitung darf ich nun heute deren Nachfolge für diese Filiale benennen…“
Während Britta nervös an ihrer Schürze spielt, schwillt Popo bereits stolz und zufrieden die Brust.
„Ab Mai wird diese nette Filiale hier durch unsere geschätzte Frau Imme geleitet“, verkündet Hülsch feierlich. Während Britta vor Begeisterung schrill aufschreit und dann zuerst Silvia und anschließend Herrn Hülsch um den Hals fällt, bleibt Popo vor Fassungslosigkeit und Empörung der Mund weit offen stehen. Sie kocht innerlich vor Wut, vor allem, als Silvia, Britta und Hülsch sich zu einer weiteren Besprechung erneut in das Büro zurückziehen und dort heftig die Sektgläser klirren lassen, während Popo alleine die nervige Kundschaft bedienen darf…
Als Hülsch später das Café verlässt und Popo dabei kurz und mit eher säuerlichem Gesichtsausdruck zum Abschied zunickt, zischt diese ihn an: „Hey! Wir hatten einen Deal!!!“
„Wir hatten gar nichts, Fräulein Popodingsbums“, erwidert Hülsch abfällig und verlässt ohne jedes weitere Wort die Filiale.
Während Popo ihm vernichtend nachblickt, erklingt hinter ihr Brittas Stimme: „Hey, hast du nichts zu tun? Da vorne möchten Gäste zahlen. Wenn du deine Arbeitsmoral nicht bald mal ein bisschen änderst, muss ich mich mal gleich als erste Amtshandlung nach neuem Personal umsehen.“
Schäumend vor Wut bringt Popo ihre heutige Schicht zu Ende, während Silvia und Britta den Großteil ihres Arbeitstages damit verbringen, Brittas Triumph zu feiern.
„Ich mach heute früher Schluss“, sagt Popo irgendwann. „Ich hab noch eine Termin.“
„Das geht nicht“, faucht Silvia. „Du hast keine Überstunden mehr.“
„Dann ich bin halt sick“, erklärt Popo und zieht ihre Schürze aus.
„Wenn du jetzt gehst, brauchst du gar nicht mehr wieder zu kommen“, zischt Britta sie an.
„Dann mach deine Bullshit doch alleine“, giftet Popo, pfeffert ihr die Schürze vor die Füße und verlässt den Laden, während Silvia und Britta ihr empört nachsehen…
Popo begibt sich stehenden Fußes auf den Weg zu dem kleinen schäbigen Büro, in dem Herr Hülsch seine Handlanger-Arbeiten für das George-Unternehmen verrichtet.
„Wir hatten ein Deal!“ faucht Popo erneut, als sie ohne anzuklopfen in den Raum poltert.
„Falsch!“ entgegnet Hülsch mit fester Stimme. „Sie haben versucht, mich zu erpressen. Das hat mit einem Deal nicht das geringste zu tun. Ich lasse mich nämlich von einer kleinen Kröte wie Ihnen nicht erpressen.“
„Sie wollen also lieber zurück in die Knast?“ fragt Popo spitz.
„Ach, Fräulein Popokackatetel, jetzt machen Sie mal halblang“, wehrt Hülsch ab. „Sie hatten ihre kleine melodramatische Show, jetzt muss doch auch mal gut gewesen sein!“
„Ich meine sehr ernst, was ich habe gesagt“, zischt Popo.
„Wie wollen Sie denn angemessen eine Filale leiten?“ fragt Hülsch mit süffisantem Grinsen. „Sie können ja nicht mal richtig Deutsch sprechen. Genau genommen können Sie gar nichts richtig, außer niedlich aussehen.“ Hülsch bricht in ein gehässiges Gelächter aus und Popo verlässt mit hochrotem Kopf sein Büro.
Mehrere Stunden läuft sie ziellos durch die Stadt, um ihrem Frust Luft zu machen. Dann kehrt sie in die Lindenstraße zurück. Sie betritt das Haus Nr. 3, steigt in den Aufzug – und legt los: Mit ein paar schnellen Handbewegungen zerreißt sie ihr Oberteil, ihren Rock und ihre Strumpfhosen. Dann verpasst sie sich mit ihren langen Fingernägel ein paar rote Striemen an Hals und Oberkörper, zerzaust sich die Haare und verwischt ihr Makeup. Als der Aufzug im 1. Stock ankommt, hat sie ihr Werk beendet. Im Hausflur atmet sie nochmal tief durch, dann schließt sie die Wohnungstür auf und krächzt beim Eintreten mit erstickter Stimme: „Helga! Gabi?“
Keine Reaktion, auch nicht beim zweiten und dritten Rufen. Popo geht in die Küche, ins Wohnzimmer, durch alle Schlafzimmer… doch außer ihr ist niemand zuhause.
„Fuck!“ flucht sie – und geht zu Plan B über. Sie zieht ihre zerrissene Kleidung aus, wirft sie auf einem Haufen im Flur vor die Badezimmertür und betritt das Bad. Die Tür lässt sie nur angelehnt, als sie sich in die Duschwanne setzt und sich gezielt in Oberarme und Brüste kneift, in der Hoffnung, auf diese Weise ein paar Hämatome zu verursachen, und fügt sich selbst leichte Verletzungen im Schambereich zu. Nach längerer Zeit hört sie endlich einen Schlüssel in der Wohnungstür und dann Stimmen im Flur. Popo dreht die Dusche auf. Zusammengekrümmt hockt sie sich unter den Strahl heißen Wassers, der auf sie niederprasselt, und beginnt vor sich hin zu schluchzen.
„Was ist das denn hier wieder für eine Unordnung“, erklingt Helgas Stimme aus dem Flur. „Popo, bist du da drin? Was soll denn deine Wäsche hier?“
Popo reagiert nicht, während man Lola im Flur vor sich hin zetern hört.
„Das ist ja alles kaputt“, erklingt plötzlich wieder Helgas verwunderte Stimme. „Was hat die denn gemacht? Popo!?“
Helga stößt zögernd die Badezimmertür auf. „Popo?“ fragt sie in den Raum hinein. Vorsichtig tritt sie ein und sieht Popo wie ein Häufchen Elend unter der laufenden Dusche sitzen. In diesem Moment kommt ihr ein schrecklicher Verdacht. „Oh mein Gott“, flüstert sie. „Was ist passiert?“
Popo dreht das Wasser ab, schlingt sich ein Badelaken um den nassen Körper und blickt Helga aus geröteten Augen an.
„Was ist denn da los?“ ertönt Lolas Stimme aus dem Flur. „Kann ich mal auf die Toilette? Meine Reha war wieder sehr anstrengend.“
„Was ist passiert?“ fragt Helga nochmal vorsichtig und streckt die Hand nach Popo aus. „Hast du…? Bist du…? Ich meine… hat jemand…?“
Popo beginnt zögernd zu nicken – und bricht schließlich in Krokodilstränen aus.
„Wer?“ fragt Helga. „Kanntest du ihn? Einer von deinen... Verehrern?“
Popos Lippen beginnen zu beben, ehe sie schließlich flüstert: „Mr. Hülsch…“
„Oh Gott!“ Helga schlägt sich die Hände vors Gesicht. „Dieses… dieses miese Schwein! Wir müssen sofort zur Polizei gehen!“
„No!“ schreit Popo und presst sich das Handtuch fester um den Körper.
„Doch!“ fordert Helga. „Ich weiß, dass das schwer ist, aber es muss sein. Wir dürfen ihn damit nicht davonkommen lassen!“
„I can’t!“ flüstert Popo. Helga geht auf sie zu und drückt sie an sich. „Es war wahrscheinlich falsch, dass du geduscht hast“, flüstert sie. „Wegen… der Spuren, weißt du. Aber, so wie du… also in deinem Zustand… da wird ja jeder auch so erkennen, was dir widerfahren ist…“
„Ich will nicht zur Polizei“, wimmert Popo.
„Doch“, sagt Helga sanft. „Ich rufe Ninchen an, die wird wissen, was zu tun ist. Sexualdelikte sind zwar nicht ihre Abteilung, aber sie wird uns trotzdem helfen können...“
Und Nina ist auch gleich zur Stelle, nachdem Helga sie informiert hat. Sie schafft es, die augenscheinlich aufgelöste Popo ein wenig zu beruhigen und fährt mit ihr auf das Polizeirevier, wo sie sie in die Obhut ihrer Kollegin Dana Schell übergibt, die viel Erfahrung mit Opfern sexueller Übergriffe hat und ihre Anzeige aufnimmt. Auch eine Ärztin wird konsultiert: Frau Dr. Ute Roth befürchtet zwar gleich, als sie erfährt, dass Popo nach dem Übergriff ausgiebig geduscht hat, keine Spermaspuren oder ähnliches zu finden, aber dennoch scheinen Popos Verletzungen und Hämatome deutlich aufzuzeigen, was geschehen ist.
„Möchten Sie, dass ich für Sie einen Termin bei unserer Psychologin einrichte?“ fragt Polizistin Dana abschließend.
„Ich möchte nur nach Hause“, erklärt Popo tonlos und stößt dabei auf Danas vollstes Verständnis.
Und während sich Popo, zurück in der Lindenstraße, von Helga und Gabi aufopferungsvoll umsorgen lässt, erhält Herr Hülsch zu später Stunde noch Besuch von zwei Polizisten.
„Ist… irgendwas passiert?“ fragt Hülsch mit einer Mischung aus Irritation und Sorge, nachdem er den beiden Beamten die Tür geöffnet hat.
„Allerdings“, entgegnet der eine der Polizisten. „Herr Hans Wilhelm Hülsch, sie stehen unter dem dringenden Tatverdacht, heute am Nachmittag Frau Popocatepetl Wolfson sexuell missbraucht zu haben und sind vorläufig festgenommen!“
Hülsch glaubt, sich verhört zu haben. Und alles, was er noch über die Lippen bringt ist ein fassungsloses: „W...was?“

CLIFFHANGER auf: Hans Wilhelm Hülsch

Mitwirkende Personen
Popo Wolfson
Helga Beimer
Nina Zöllig
Lola Zenker
Gabi Zenker
Valerie Zenker
Iffi Zenker
Antonia Zenker
Roland Landmann
Marcella Varese
Dr. Sebastian Ritter
Kerstin Wendland
Lovis Wendland
Gung Pham Kien
Elias Aichinger
Hans Wilhelm Hülsch
Karim El-Farooq
Silvia Wintergrün
Britta Imme
Dr. Harald Körner
Dana Schell
Dr. Ute Roth
Heinrich Kellermann

© ´popo wolfson` 2022

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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Verfasst: So 24. Apr 2022, 07:31 


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BeitragVerfasst: So 24. Apr 2022, 09:22 
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Registriert: Mi 15. Sep 2010, 12:37
Beiträge: 10004
Oh je, die arme Antonia, das wird noch ein böses Ende nehmen.

An Sebastians Stelle würde ich mal mit Marcellas Mamma reden, die vertreibt der schon die Flausen :twisted:

Und Popo ist ein echtes Miststück, hoffentlich kommt sie mit der Schweinerei nicht durch.


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