Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1799 - Der Jude
BeitragVerfasst: So 12. Sep 2021, 07:08 
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Folge 1799: Der Jude

Spieltag: Donnerstag, 09.09.2021


Simon soll heute seine nächsten Sozialstunden in der Seniorenresidenz ableisten. Nach ihrem abendlichen Auftritt in der Vorwoche hat Schwester Heike am folgenden Tag angerufen und sich entschuldigt; die Uhr von Herrn Finkelstein habe sich wieder eingefunden, er habe sie wohl selbst verlegt
„Du musst da nicht mehr hin gehen, wenn du nicht willst!“ sagt Tanja beim Frühstück entschlossen. „Du hast es nicht nötig, dir bei Leuten den Arsch aufzureißen, die dich bei erstbester Gelegenheit des Diebstahls bezichtigen. Wir finden eine andere Stelle, an der du deine Sozialstunden machen kannst, das muss nicht dort sein.“
„Doch!“ erwidert Simon, ebenso entschlossen wie seine Mutter. „Ich geh da wieder hin, ich zieh das jetzt durch!“
„Ich bin wirklich stolz auf dich, dass du das so durchziehst“, sagt Tanja anerkennend.
„Stolz!“ meldet sich nun Sunny mit abfälligem Tonfall zu Wort, die bislang mal wieder schweigend und mit verbitterter Miene mit am Tisch gesessen hat. „Ja, wenn man Sozialstunden leisten muss, kann man natürlich mächtig stolz auf sich sein.“
Tanja starrt ihre Partnerin fassungslos an, während Simon sich mit den Worten „Ich muss los“ erhebt und verschwindet.
„Was sollte das denn jetzt?“ fährt Tanja Sunny wütend an. „Musst du Simon jetzt so blöd anmachen? Meinst du, für ihn ist das alles leicht?“
„Ach. Aber für mich ist das alles leicht?“ schreit Sunny schrill.
„Natürlich nicht“, erwidert Tanja etwas milder. „Ich weiß doch, wie du dich fühlst. Aber…“
„Gar nichts weißt du!“ fällt Sunny ihr aufgebracht ins Wort und springt auf. „Du hast deinen Sohn ja noch! Und du hast den richtigen Körper! Bei dir stimmt doch alles! Du kannst dir nicht mal ansatzweise vorstellen, wie ich mich fühle!“ Mit wehendem Schritt verlässt Sunny die Küche und schließt sich wieder mal im Bad ein. Tanja ist überfordert. Wie lange soll das noch so weitergehen? Und wie lange wird sie das überhaupt noch ertragen können?
Nachdem Sunny eine ganze Weile auf dem Rand der Badewanne sitzt und geistesabwesend vor sich hin starrt, klingelt plötzlich eine Handy. Eine Nummer, die ihr auf den ersten Blick nichts sagt.
Sunny meldet sich.
„Guten Tag, Frau Zöllig“, meldet sich eine sehr alt klingende Männerstimme aus dem Hörer. „Wir hatten vor ein paar Wochen schon per E-Mail Kontakt miteinander. Es geht dabei um die Hormonbehandlung für eine Geschlechtsumwandlung. Mein Name ist Pauli, Dr. Manfred Pauli. Ich würde gerne einen persönlichen Termin mit Ihnen vereinbaren, falls Sie noch Interesse haben…“
Mittlerweile ist Simon in der Seniorenresidenz angekommen und meldet sich auf der Station 2.
„Es tut mir leid, wie das letzte Woche gelaufen ist“, entschuldigt Schwester Heike sich nochmal bei ihm, fügt dann aber in ihrem gewohnt schnippischen Tonfall hinzu: „Allerdings sollte es dich, bei deinem… nennen wir es Background, auch nicht unbedingt wundern, dass in so einem Falle der Verdacht erstmal auf dich fällt. Und nur weil du hier nun einmal zu Unrecht beschuldigt wurdest, brauchst du nun nicht zu denken, dass du hier zukünftig Narrenfreiheit hast und ein lockeres Leben führen darfst. Nur damit das klar ist!“
Später wird Simon erneut von William angesprochen: „Na, du Uhrendieb!“
„Ich hab nicht…“, beginnt Simon sich zu verteidigen.
„Weißt ich doch, I know“, beschwichtigt William ihn. „Du stiehlst nicht. Du schubst nur andere Jungs in den Tod.“
„Überhaupt nicht lustig“, murrt Simon und wendet sich ab.
„Bist du jetzt beleidigt?“ stichelt William weiter. „Dabei bin ich doch noch very nice zu dir. Andere hier haben es da viel eher auf dich abgesehen.“
„Wie meinen Sie das?“ fragt Simon.
„Nun ja“, flüstert William. „Der Juuuuude! Ich würde mich nicht wundern, wenn er die Uhr mit Absicht versteckt hat, um dir das in die Schuhe zu schieben und dir problems zu machen.“
„Meinen Sie wirklich?“ fragt Simon skeptisch.
„Ach William“, mischt sich Mitbewohnerin Luise ein. „Jetzt mach den Jungen mal nicht verrückt. Und hör auf, Herrn Finkelstein schlecht zu machen. So übel ist er gar nicht.“
„Ein Stockfisch“, knurrt William.
„Man muss die Leute halt so nehmen, wie sie sind“, befindet Luise und lächelt Simon freundlich zu.
Eine Weile später tritt Stationsdrache Heike wieder in Erscheinung. „Herr Finkelstein möchte, dass du ihm nochmal vorliest“, fordert sie Simon auf.
„Auf keinen Fall“, wehrt Simon ab.
„Wie bitte?“ fragt Heike empört. „Hör mal, wir sind hier nicht beim Wunschkonzert. Wenn ich dir sage…“
„Ich mach ja alles, was Sie sagen“, unterbricht Simon sie. „Aber zu dem gehe ich nicht mehr. Am Ende verlegt der wieder was und ich hab’s dann geklaut.“
Heike versucht, ein freundlicheres Gesicht aufzusetzen und sagt: „Nun sei mal nicht so nachtragend. Der Blitz schlägt nie zweimal in die gleiche Stelle.“
„Der will mich schikanieren“, erwidert Simon.
„Ach, Quatsch“, widerspricht die Stationsschwester. „Warum sollte er das denn wollen?“
„Weil er ein bösartiger alter Mann ist“, brummt Simon.
„So etwas möchte ich nicht noch einmal hören“, sagt Heike aggressiv. „Und nun ab zu ihm.“
Simon ergibt sich schließlich in sein Schicksal und betritt zögernd das muffige Zimmer das Juden. Ibraim Finkelstein thront erneut in seiner düsteren Ecke – genau wie in der Woche zuvor. Die Begrüßung fällt knapp aus. Finkelstein deutet auf ein Buch auf seinem Tisch und beginnt bereits nach kürzester Zeit, erneut Simons Lesestil zu kritisieren. Simon ignoriert das knarzende Genörgel des alten Mannes eine Weile, doch dann schlägt er wütend das Buch zu und knallt es energisch auf den Tisch.
„Was soll das?“ krächzt Finkelstein.
„Lesen Sie doch selber, wenn Sie es besser können“, mault Simon.
„Das geht nicht. Meine Augen sind zu schlecht.“
„Dann halten Sie den Mund und lassen mich so lesen, wie ich es will!“
„Eine bodenlose Unverschämtheit“, krächzt Finkelstein. „Was bildest du Rotzlöffel dir eigentlich ein, so mit mir zu reden?“
„Was bilden Sie sich eigentlich ein, mich zu beschuldigen, wenn Sie mit ihren blinden Augen hier Ihren Scheiß verbummeln“, kontert Simon.
Finkelstein ringt vor Empörung nach Luft. Dann japst er: „Ich erwarte, dass du dich auf der Stelle bei mir entschuldigst!“
„Erstmal können Sie sich bei mir entschuldigen, für all den Ärger, den Sie mir gemacht haben!“
„RAUS!“ brüllt Finkelstein, verschluckt sich und bekommt einen so heftigen Hustenanfall, dass Simon schon kurzzeitig befürchtet, er könnte ersticken. Nachdem der alte Mann sich wieder gefangen hat, brüllt er erneut: „RAUS! RAUS HIER! Du unverschämter Bengel! Schwester Heike! SCHWESTER HEIIIIIIKEEEE!“
Diese erscheint im nächsten Moment auch in der Zimmertür und fragt fassungslos: „Was ist den hier los?“
„Schaffen Sie mir diesen unverschämten, respektlosen Lümmel hier raus“, krächzt Ibraim.
Nachdem Schwester Heike endlich im Bilde ist, was genau sich abgespielt hat, sagt sie streng zu Simon: „So geht das nicht! So kannst du nicht mit den Klienten hier reden!“
„Aber er kann mich in einer Tour blöd anmachen?“ empört sich Simon.
„Da musst du drüber stehen“, erwidert Heike. „Manche unserer Herrschaften sind halt etwas schwierig. Und insbesondere Herr Finkelstein ist schon sehr… speziell. Aber das müssen wir akzeptieren, wie bleiben trotzdem immer höflich und freundlich.“
Zerknirscht verrichtet Simon weitere Aufgaben, die ihm aufgetragen werden. Als er endlich Feierabend machen darf, sagt Heike: „Okay, wenn du nächste Woche deinen Stundenplan hast, meldest du dich bitte und dann sprechen wir ab, wann du das nächste Mal kommst.“
Simon nickt und will sich in Richtung Ausgang begeben, als William plötzlich in seinem Blickfeld erscheint und sagt: „Jesus Christ! That’s impossible. Ich glaube es nicht! Die Hoheit hat ihren Palast verlassen! Dass ich das noch erleben darf!“
Simon folgt irritiert Williams Blick und entdeckt, dass Ibraim Finkelstein aus seinem Zimmer gekommen ist und auf dem Flur steht.
„Wann kommst du wieder?“ knarzt der Jude in seine Richtung.
„Das weiß ich noch nicht“, antwortet Simon kühl. „Nächste Woche ist wieder Schule.“
„Dann lerne dort mal, wie man richtig liest“, entgegnet Finkelstein bissig. „Und wenn du wieder hier bist, dann lass es mich wissen. Ich will, dass du weiterliest.“ Damit dreht der alte Mann sich um und geht langsam zurück in die Richtung seines Zimmers. Und Simon blickt ihm verwirrt nach, bis er verschwunden ist…



Lisa hat schlecht geschlafen, denn heute soll die Knochenmarkspende für ihre Mutter stattfinden. Das Krankenhaus hat den Termin Anfang der Woche festgelegt, nachdem alle Voruntersuchungen und sonstigen Vorbereitungen erledigt waren. Doch Lisa ist nun doch mulmig bei der Sache. Sie will alles nur noch schnell hinter sich bringen und hofft, dass ihre Mutter danach wieder aus ihrem Leben verschwinden wird. Paul besucht Lisa schon am frühen Morgen, um ihr alles Gute zu wünschen. Da Lisa nach dem Eingriff eine Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben muss, verspricht er, sich bis morgen um Deniz zu kümmern, um Murat den Rücken frei zu halten. Als sich Lisa und Murat auf den Weg zum Krankenhaus machen, begegnet ihnen vor dem Haus ausgerechnet Valerie. Lisa beschließt, sie zu ignorieren, denn dafür hat sie heute wirklich keinen Nerv. Doch Valerie kann nicht anders, als gleich wieder zu sticheln.
„Wie schön, dass du so eine glückliche Familie gegründet hast“, sagt Valerie mit bissigem Unterton. „Aber du hast dir ja schon immer einfach alles genommen, was du haben wolltest. Ohne Rücksicht auf andere. Immer schön egoistisch alles nehmen, was du haben willst, nicht wahr?!“
„Valerie, ich hab jetzt keine Zeit für dich“, sagt Lisa kurz angebunden und spürt Übelkeit in sich aufsteigen.
„Natürlich nicht“, entgegnet Valerie. „Was scheren dich auch andere, häh? Immer schön an dich selbst denken. Immer schön deinen Ego-Trip durchziehen!“
In diesem Moment platzt Murat der Kragen und er fährt Valerie an: „Lisa geht heute ins Krankenhaus. Um für ihre kranke Mutter ihr Knochenmark zu spenden. Und, ja, das ist die gleiche Mutter, von der Lisa als Kind geschlagen wurde. Und trotzdem hilft Lisa ihr jetzt. Obwohl sie jahrelang keinen Kontakt mehr hatte. Obwohl der Eingriff auch für sie riskant ist! Lisa ist alles andere als eine Egoistin!“
Valerie bleibt wie vom Donner gerührt stehen und starrt den beiden nur noch wortlos nach, während sie ins Auto steigen. Und Lisa hat einen Kloß im Hals. War das wirklich Murat, der sich da gerade so für sie eingesetzt hat? Der diese Dinge über sie gesagt hat, die sie dastehen lassen, als sei sie der wunderbarste und selbstloseste Mensch auf der Welt?
„Danke“, flüstert Lisa, bevor sie losfahren.
„Wofür?“ fragt Murat.
„Dass es dich gibt“, antwortet Lisa und sieht ihm mit so viel Liebe und Vertrautheit in die Augen wie schon lange nicht mehr.
Im Krankenhaus möchte Murat Lisa begleiten, soweit es möglich ist, aber Lisa lehnt ab; sie will den Weg nun alleine gehen.
Zunächst hat sie noch ein weiteres Gespräch mit Dr. Clara von der Marwitz. Aber im Grunde gibt es nicht mehr viel, was sie wissen müsste, denn in den vergangen Tagen wurde bereits alles erörtert., was von Belang ist.
„Möchten Sie Ihre Mutter vor dem Eingriff noch sehen?“ fragt Clara, doch Lisa lehnt ab.
„Gut, dann werden wir beginnen“, erklärt die Ärztin.
Als Lisa dann endlich im OP liegt, schaltet sie ihren Kopf ab und blendet einfach alles um sich herum aus, noch ehe sie in Narkose versetzt wird. Sie will nicht mehr denken, sie will es einfach nur noch hinter sich bringen…
Als Lisa später zu sich kommt, ist sie vollkommen benommen und braucht mehrere Momente, um zu verstehen, wo sie sich befindet und was geschehen ist.
Clara erzählt ihr kurz darauf, dass der Eingriff an sich routiniert und ohne Komplikationen verlaufen ist und dass die nächsten Tage und Wochen nun zeigen werden, ob und wie ihre Mutter die Spende annehmen wird.
„Sie werden morgen jedenfalls mit ziemlicher Sicherheit wieder nach Hause dürfen“, versichert Clara. „Dass wir sie heute Nacht zur Beobachtung hier lassen, ist nur eine Vorsichtsmaßnahme.“
Ein wenig später schaut Clara auch noch bei Dagmar vorbei, die inzwischen auch aus der Narkose erwacht ist und lässt sie ebenfalls wissen, dass die kommende Zeit über ihre Genesung entscheiden wird.
„Wie hoch stehen die Chancen, dass ich das Knochenmark annehme?“ fragt Dagmar schlapp. „Seien Sie bitte ehrlich.“
„Ziemlich gut“, prognostiziert Clara. „Nach den Ergebnissen der Voruntersuchungen und den Erfahrungswerten würde ich sagen, über 90 %.“
Als Clara sich verabschieden will, sagt Dagmar zu ihr: „Ich kannte Ihre Großmutter.“
„Ja, ich weiß“, erwidert Clara, „Ihrer Tochter hat mir davon erzählt.“
Dagmar atmet schwer. „Meine Tochter und ich hatten kein gutes Verhältnis“, seufzt sie. „Und daran ist Ihre Großmutter maßgeblich mitschuldig.“
„Gute Nacht, Frau Hoffmeister“, sagt Clara nur und verlässt den Raum.
In der Lindenstraße freut sich Deniz derweil darüber, dass sie heute bei Paul, Mika und Romy in ihrer WG übernachten kann. Auch Murat gesellt sich noch dazu, nachdem er die Nachricht aus dem Krankenhaus erhalten hat, dass der Eingriff gut verlaufen ist, und verlebt einen schönen und gemütlichen Abend.

Konstantin ist an diesem Spätsommermorgen bereits früh auf den Beinen, um joggen zu gehen. Er will die letzten Ferientage nutzen, denn wenn die Schule erstmal wieder los geht, wird er dafür kaum noch Zeit finden.
Zurück zuhause checkt er seine E-Mails und entdeckt dabei eine Rundmail seiner Schulleiterin vom Vorabend an das gesamte Kollegium.
„Oh“, entfährt es ihn überrascht, nachdem er die Mail gelesen hat.
„Was`nn?“ fragt Lea, die gerade Urlaub hat und noch am Frühstückstisch sitzt.
„Eine Mail von der Klöckner“, erklärt Konstantin.
„Was will die denn?“ will Lea wissen. „Sind doch noch Ferien…“
Und Konstantin liest vor: „Liebe Kolleginnen und Kollegen, hinter uns liegt ein anstrengendes Schuljahr. Covid19 hat uns alle sehr belastet, sowohl privat, als auch beruflich. Wir mussten mit vielen neuen Situationen umzugehen lernen. Wir mussten uns auf Home Schooling einstellen, wir mussten im Präsenzunterricht mit immer wieder neuen Herausforderungen kämpfen. Und wir alle sind dabei wiederholt an unsere Grenzen gegangen. Nun liegt ein neues Schuljahr vor uns. Und Covid19 ist nach wie vor präsent. Obwohl wir auf bessere Zeiten hoffen, ist diese Pandemie noch längst nicht überstanden. Keiner kann objektiv einschätzen, wie sich die Lage entwickeln wird und was wir im Herbst und im Winter zu erwarten haben. Nur eines dürfte gewiss sein: Covid19 wird uns auch im neuen Schuljahr vor Herausforderungen stellen und uns weiterhin viel Kraft kosten. Bevor wir also wir gemeinsam in die Schlacht ziehen, würde ich mich gerne für Ihre großartige Arbeit im vergangenen Jahr bedanken und zum Ferien-Ausklang gerne einen gemütlichen Abend mit gutem Essen und ein paar erfrischenden Getränken in meinem Lieblings-Gartenlokal verbringen…“
„Und wann soll das stattfinden?“ fragt Lea. „Die Schule geht doch nächste Woche schon wieder los.“
„Heute Abend“, erwidert Konstantin.
„Na, das fällt ihr aber sehr zeitig ein“, meint Lea spitz. „Und wo ist ihr Lieblings-Gartenlokal?“
Konstantin nennt ihr die Adresse und Lea entgegnet: „Das ist ja total am Arsch des Universums. Hätte die sich nicht was Zentraleres aussuchen können?“
Konstantin ist ganz Leas Meinung. Mit dem Fahrrad wäre er ewig unterwegs bis dahin und öffentliche Verkehrsmittel fahren an späten Abend bestimmt dort auch nicht mehr. Und für ein Taxi müsste er ein halbes Vermögen hinblättern. Daher beschließt Konstantin, auf den geselligen Abend zu verzichten. Ein wenig unwohl fühlt er sich bei dem Gedanken dann aber doch, schließlich ist er noch relativ neu im Team und würde möglicherweise bei seiner Chefin einen schlechten Eindruck hinterlassen, wenn er sich von solch einer Veranstaltung gleich ausgrenzt…
Später erzählt Konstantin Gabi davon, als er bei ihr im Bayer Brot kauft.
„Also wenn’st mir versprichst, des nix trinkst, oder zumindest nicht mehr als a bissl, dann könnt’ ich dir auch mein Auto leihen“, schlägt Gabi ihm vor.
„Wirklich?“ fragt Konstantin begeistert nach. „Das wäre super. Und, nein, natürlich nicht, ich trinke dann auch nichts.“
„Na, dann kommst einfach vorbei, wennst lost willst und holst dir den Schlüssel ab“, sagt Gabi. „Ich bin heut am Abend eh zuhause.“
Gesagt, getan. Und so macht sich Konstantin am Abend mit Gabis Auto auf den Weg und freut sich auf ein gemütliches Beisammensein mit dem Schulkollegium. Und tatsächlich wird es richtig gesellig. Es ist, entweder aufgrund des kurzfristig angesetzten Termins oder auf Grund der Entfernung zur Innenstadt, nur ein relativer kleiner Teil der Kollegen anwesend, so dass Konstantin im Nachhinein denkt, dass es wohl wirklich nicht allzu sehr ins Gewicht gefallen wäre, wenn auch er nicht erschienen wäre. Das Gartenlokal vor den Toren Münchens ist gemütlich, das Essen sehr gut. Und die gestrenge Chefin Dr. Brigitte Klöckner wird mit fortschreitender Stunde – und mit stetig steigendem Alkoholpegel – immer gelassener und teilweise sogar richtig witzig. Am späteren Abend verziehen sich die anwesenden Lehrer nach und nach und zu guter Letzt sind bildet Konstantin tatsächlich gemeinsam mit der Klöckner und mit Jung-Lehrerin Nele das Schlusslicht der Gesellschaft.
„Ich werd dann jetzt auch mal“, sagt Nele irgendwann und verabschiedet sich. Konstant fühlt sich nun zunehmend unbehaglich dabei, dass ausgerechnet er, der kleine Sozialpädagoge, der letzte Neuling im Team, derjenige ist, der seine Vorgesetzte an diesem Abend bis zum Schluss begleitet hat.
„Ja, ich sollte dann vielleicht auch…“, sagt Konstantin einen kurzen Augenblick später – und ärgert sich insgeheim, dass er nicht gleich mit Nele zusammen aufgestanden ist.
„Aber einen kleinen Absacker trinken Sie jetzt noch mit mir, oder?“ fordert die Chefin. Und da Konstantin sie nicht vor den Kopf stoßen will, lässt er sich auch darauf noch ein.
Nach einem letzten gemeinsamen Wein, verlassen die beiden schließlich gemeinsam das Lokal, wobei die Klöckner inzwischen deutlich Schwierigkeiten hat, sich mit ihren Pumps sicher auf den Beinen zu halten. Konstantin kramt Gabis Autoschlüssel hervor und sieht, wie die Klöckner ein auf der anderen Straßenseite parkendes Cabriolet ansteuert.
„Sind Sie mit dem Auto da?“ fragt Konstantin skeptisch.
„Aber sicher“, lallt die Klöckner. „Mein Autolein ist mein besser Freund und mein ständiger Begleiter.“
„Sind Sie sicher, dass das eine so gute Idee ist?“ hakt Konstantin besorgt nach.
„Ich hab’s nicht so weit“ , erwidert Klöckner.
„Ja, umso besser, dann können Sie Ihr Auto ja morgen hier abholen“, sagt Konstantin. „Ich fahr Sie.“
„Das ist aber wirklich nicht nötig“, versucht die Klöckner das Angebot abzulehnen, doch Konstantin duldet keinen Widerspruch. Und so kutschiert er schließlich seine betrunkene Chefin durch die Nacht, ehe sie in einer gepflegten Siedlung am Rande Münchens ihr Ziel erreichen.
„Hübsches Haus“, sagt Konstantin.
„Es ist sehr groß und sehr leer, seitdem mein Mann sich mit seiner Sekretärin verdümmi… verdunni… verdünnisiert hat“, lallt die Klöckner mit ihrer tiefen Stimme.
„Mit der Sekretärin?“ entfährt es Konstantin ungewollt und er hätte sich am liebsten gleich auf die Zunge gebissen.
„Ja, der Klassiker!“ Die Klöckner lacht kurz rau auf. „Wollen Sie nicht noch auf einen Absacker mit zu mir rein kommen?“
„Ich glaube, wir hatten für heute genug Absacker“, erwidert Konstantin.
„Sie sind ja ein ganz Vernünftiger“, gluckst die Klöckner. Dann steigt sie mühsam aus dem Auto aus, schwankt in Schräglage auf ihre Gartenpforte zu – und landet beim Öffnen der Länge nach auf dem gepflasterten Weg, der durch ihren Vorgarten zur Haustür führt.
„Ach du Scheiße“, entfährt es Konstantin und er springt schnell aus dem Auto, um ihr beim Aufstehen zu helfen.
„Sie sind ja ein echter Gentleman“ , lallt die Klöckner, als sie sich bei Konstantin unterhakt und sie gemeinsam auf die Haustür zu wanken. „So etwas findet man heutzutage nicht mehr oft. Und frau erst recht nicht!“ Die Klöckner gibt ein heiseres Lachen von sich, das Konstantin entfernt an einen Motor erinnert, der sich nicht starten lässt.
An der Haustür angekommen, friemelt Frau Dr. Klöckner umständlich ihren Schlüssel aus der Jackentasche hervor und versucht mühsam, das Schlüsselloch zu treffen – vergebens. Konstantin nimmt ihr diese Aufgabe schließlich ab und die Klöckner lallt: „Vielen Dank. Wie soll ich das nur jemals wieder gut machen.“
„Alles in Ordnung“, erwidert Konstantin und hofft, dass seine Vorgesetzte nun ohne seine Hilfe zurechtkommen wird, als diese sagt: „Willst du nicht noch mit zu mir rein kommen?“
„Oh, nein danke“, lehnt Konstantin ab. „Ich denke, ich muss jetzt auch nach Hause.“
„Wir könnten es uns gemütlich machen“, lallt Klöckner und beginnt ungeniert, Konstantins Knopf am Hemdkragen zu öffnen.
„Ich glaube, das ist keine gute Idee.“ Konstantin versucht, sich aus dem Griff seiner Chefin zu winden.
„Du darfst auch Gitte zu mir sagen“, säuselt sie und nähert sich mit ihrer ausgestreckten Zunge im Zeitlupentempo Konstantins Mund…

CLIFFHANGER auf: Konstantin Landmann

Mitwirkende Personen
Konstantin Landmann
Lea Starck
Gabi Zenker
Valerie Zenker
Dagmar Hoffmeister
Lisa Dagdelen
Murat Dagdelen
Paul Dagdelen
Deniz Dagdelen
Mika Arlen
Romy Brinkmann
Simon Schildknecht
Tanja Schildknecht
Sunny Zöllig
William Brooks
Dr. Manfred Pauli
Dr. Clara von der Marwitz
Nele Lindner
Dr. Brigitte Klöckner
Luise Fröhlich
Ibraim Finkelstein
Heike Schiffer

© ‚popo wolfson‘, 2021

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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Verfasst: So 12. Sep 2021, 07:08 


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1799 - Der Jude
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Danke :mrgreen:


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Autor: popo wolfson
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