Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1792 - Die verlorene Tochter
BeitragVerfasst: Sa 24. Jul 2021, 23:01 
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Folge 1792: Die verlorene Tochter

Spieltag: Donnerstag, 22.07.2021


Heute hat Simon seinen Termin vor dem Jugendgericht. Und Tanja ist nervös. Viel weniger bezüglich des zu erwartenden Strafmaßes, denn genau wie Herr von Sassnitz ist sich auch Kajetan sicher, dass Simon nichts Schlimmeres zu erwarten hat als Sozialstunden – ein weiterer Grund dafür, warum Tanja wütend darüber ist, dass Suzanne Simons ersten Anwalt abgesägt hat, nur um sich selbst mal wieder als das Maß aller Dinge zu präsentieren. Viel nervöser macht Tanja dagegen der Gedanke daran, wie es nach der Urteilsverkündung weitergehen wird. Suzanne ist nach wie vor wild entschlossen, Simon mit nach Leipzig zu nehmen, und Kajetan hat bereits verlauten lassen, dass Simon seine Sozialstunden nicht zwingend in München ableisten müsse. Simon selbst hat in der zurückliegenden Woche das getan, was er seit Yanniks Tod eigentlich nahezu ständig tut – sich in seinem Zimmer verkriechen und ausschweigen. Auf Suzannes Verkündung, dass er mit ihr nach Leipzig ziehen soll, hat Simon bislang nur nur mit absoluter Gleichgültigkeit reagiert. Und Tanjas Versuche, ein Gespräch mit ihrem Sohn zu führen und zumindest mal ein klares Statement von ihm zu erhalten, sind bislang alle fehlgeschlagen. Auch von Sunny hat Tanja keinerlei Unterstützung oder zumindest Zuspruch zu erwarten, denn diese steckt aktuell ebenfalls noch in der depressiven Verstimmung, von der sie seit Yanniks Unfall mal mehr, mal weniger intensiv begleitet wird. Alles um sie herum scheint ihr völlig gleichgültig zu sein. An diesem Morgen sucht Tanja erneut das Gespräch mit ihrer Partnerin, die sich mal wieder nicht dazu aufraffen kann, das Bett zu verlassen.
„Kommst du nachher mit zur Verhandlung?“ möchte Tanja wissen.
„Besser nicht“, seufzt Sunny nach kurzem Schweigen. „Das verkrafte ich heute nicht.“
„Ich... also, ich meine, mir würde es aber sehr helfen, wenn du dabei wärst“, versucht Tanja Sunny umzustimmen.
„Mir ist das einfach alles zu viel“, stöhnt Sunny.
Das Gespräch der beiden dreht sich noch eine Weile im Kreis. Tanja versucht, Sunny umzustimmen, diese bleibt bei ihrem Standpunkt, dass sie sich momentan nicht dazu in der Lage fühlt.
„Vielleicht... solltest du dir mal professionelle Hilfe suchen?“ fragt Tanja schließlich zögerlich. „Ich meine,... also... es ist doch bestimmt auch nicht gesund, dass du dich seit Wochen so gehen lässt.“
Sunny antwortet nicht, aber ihr Gesicht spricht Bände. Schließlich kommt Tanja zum Punkt : „Weißt du, ich hab echt eine Scheiß Angst vor dem heutigen Tag und davor, wie es danach weitergeht. Und deshalb würde es mir, verdammt nochmal, wirklich viel bedeuten, wenn du heute an meiner Seite wärst!“
Nachdem Sunny ihr weiterhin eine Antwort schuldig bleibt, fügt Tanja hinzu: „Wenn die Simon wirklich mit nach Leipzig nehmen ... Das verkrafte ich nicht! Wie soll ich denn damit klar kommen?“
Ruckartig setzt Sunny sich im Bett auf und starrt Tanja mit einem bitterbösen Blick an. „Dann darfst du auch mal erleben, wie das ist, wenn man sein Kind verliert“, zischt sie mit bebender Stimme. „Und wenn Simon mit Suzanne und Kajetan nach Leipzig geht, dann ist er nur ein paar hundert Kilometer weg, aber ihr könnt euch jederzeit besuchen! Yannik ist tot! Den kann ich nicht besuchen! Den bringt nichts und niemand zurück!“
Während Tanja sprachlos und fröstelnd im Türrahmen steht, dreht ihr Sunny erneut den Rücken zu und verkriecht sich in den Kissen. Zermürbt und überfordert tritt Tanja den Rückzug an.
Als sie sich kurz darauf mit Simon auf den Weg zum Jugendgericht macht, wo sie sich mit Suzanne und Kajetan am Eingang treffen wollen, begegnen ihr im Treppenhaus Carsten und 'Käthe', die den beiden für den heutigen Tag alles Gute wünschen.
„Viele Grüße auch von 'Lotti' und Lea“, sagt 'Käthe'. „Die beiden drücken euch auch im Salon alle zur Verfügung stehenden Daumen!“
Die Gerichtsverhandlung verläuft ernüchternd sachlich und neutral. Tanja kommt das Ganze irgendwie surreal vor und sie versteht immer weniger, warum es überhaupt einen Termin vor Gericht geben musste, wo doch alles scheinbar völlig standardmäßig abgerollt wird. Simon erhält am Ende der Verhandlung ein Strafmaß von 30 Sozialstunden.
Nach der Rückkehr in die Lindenstraße ist die Stimmung bei Schildknechts jedoch gedrückter als vorher, denn Suzanne möchte nun so schnell wie möglich mit Kajetan nach Leipzig zurück und würde Simon am liebsten gleich mitnehmen.
„Wenn nächste Woche die Sommerferien anfangen, können wir gleich los“, beschließt Suzanne. „Ich werde mich dann über die Ferien um den Schulwechsel kümmern und Kajetan kann bestimmt einen Platz für Simons Sozialstunden organisieren.
„Suzanne“, beginnt Tanja zögerlich, „bist du sicher, dass es eine gute Idee ist, Simon in so einer schwierigen... Phase auch noch aus seiner vertrauten Umgebung rauszureißen?“
„Ich halte das sogar für eine sehr gute Idee“, entgegnet Suzanne schnippisch. „Was hier in seiner vertrauten Umgebung und unter deiner Obhut passiert, das haben wir ja nun hinlänglich feststellen können, nicht wahr? Tanja, du bist doch komplett überfordert. Aber das wundert mich ehrlich gesagt auch nicht. Du kriegst ja dein eigenes Leben kaum auf die Kette, wie willst du da eine gute Mutter für einen Teenager sein?“
„Wie bitte?“ entfährt es Tanja empört.
„Das mag ja noch funktioniert haben, als Simon kleiner war“, setzt Suzanne ihre Tirade fort. „Aber er ist jetzt in einem Alter, in dem jemand wie du einfach nicht mehr mit ihm zurecht kommt. Was er jetzt am Nötigsten braucht, sind Struktur und Sicherheit!“
„Jemand wie ich?“ schreit Tanja. „Was soll das denn heißen, jemand wie ich?“
„Tanja“, erklärt Suzanne ganz ruhig und gelassen, „mal ehrlich; dein ganzes Leben ist doch eine einzige Achterbahnfahrt. Und ich spare dir jetzt einfach mal die Schmach, da auf einzelne Stationen genauer einzugehen!“
„Ach so“, keift Tanja. „Mein Leben ist eine Achterbahnfahrt! Und was ist mit deinem Leben? Darf ich dich vielleicht mal an deine unrühmlichen Stationen erinnern?“
„Das brauchst du nicht!“ Suzanne ist weiterhin die Ruhe in Person. „Ich weiß, dass auch ich Fehler gemacht habe. Und das ist ja auch normal, das Menschen Fehler machen. Aber im Gegensatz zu dir habe ich aus meinen Fehlern gelernt und habe mir nun ein sehr gut organisiertes Leben aufgebaut. Beruflich. Privat. In jeder Hinsicht. Hier herrscht ja das blanke Chaos, das sieht man ja allein schon an deinen fragwürdigen Beziehungen!“
Nun platzt Tanja der Kragen und die Auseinandersetzung der beiden Frauen gipfelt in einem lautstarken Streit, in dem sie sich mit zunehmender Hysterie sehr unschöne Dinge an den Kopf werfen, bis ein energisches „Hört auf“ aus dem Hintergrund ertönt. Als sich Tanja und Suzanne umdrehen, steht Simon mit Tränen in den Augen in der Zimmertür.
„Seit ihr bescheuert?“ fragt er. „Und vor allem du?“ Er blickt Suzanne böse an.
„Simon, ich...“, beginnt Suzanne.
„Nix Simon“, fährt er ihr über den Mund. „Was willst du hier eigentlich? Die letzten Jahre hast du doch auch kaum Zeit für mich gehabt. Und jetzt meinst du plötzlich, dass ich das perfekte Leben bei dir habe? Vergiss es! Ich bleibe hier in München!“
Damit verschwindet er Türe knallend in seinem Zimmer und Tanja und Suzanne bleiben mit offen stehenden Mündern zurück. Tanja ist die Erste, die sich fängt. „Tja“, meint sie, „das war ja nun mal eine klare Ansage. Ich würde sagen, du kannst gleich nach Leipzig zurück fahren. Simon will hier bleiben, du hast es gehört. Und jetzt möchte ich dich bitten, in dein Hotel zu gehen. Es war ein langer Tag und ich muss ins Bett.“
Und ehe Suzanne noch etwas erwidern kann, komplimentiert Tanja sie zur Wohnung hinaus und schlägt ihr die Tür vor der Nase zu...


Am frühen Morgen steht Paul bei Lisa und Murat vor der Tür.
„Paul?“ fragt Lisa überrascht. „So früh? Ist was passiert?“
„Ich bin heute Nachmittag um 15 Uhr mit Oma Dagmar im Isar-Klinikum verabredet“, erklärt er seiner Mutter. „Ich lass meine Stammzellen typisieren. Ich wollte nur, dass du das weißt. Vielleicht überlegst du es dir ja doch noch anders und lässt dich auch testen.“
Dann geht er und Lisa blickt ihm lange hinterher. Selbst als Paul das Haus schon längst wieder verlassen hat, starrt sie immer noch die Treppen hinunter. Als Murat sie kurz darauf erneut über die Richtigkeit von Pauls Vorhaben belehren will, reagiert Lisa gewohnt aggressiv und abweisend.
Später in der Praxis sagt sie zu Andrea: „Paul ist heute Nachmittag mit meiner Mutter im Krankenhaus verabredet. Er will sich typisieren lassen.“
„Und das findest du jetzt nicht gut?“ fragt Andrea.
Lisa zuckt die Schultern. Schließlich sagt sie: „Ich will einfach damit abschließen. Ich will nicht, dass diese Frau wieder in meinem Leben rumspukt, das hat sie schon viel zu lange gemacht.“
„Wenn Pauls Stammzellen nicht passen“, meint Andrea, „dann wird sie das eh wieder. Also verschwinden, meine ich. Was sollten sie dann noch von euch?“
„Mich weiter bedrängen, damit auch ich mich testen lasse“, knurrt Lisa.
„Dann mach es doch einfach“, erwidert Andrea. Lisa schaut sie fassungslos an und Andrea fügt schnell hinzu: „Du Chance, dass du wirklich als Spenderin in Frage kommst, ist ohnehin gering. Blutsverwandtschaft hin oder her. Ihr habt dann aber die Gewissheit, dass es so ist, deine Mutter hat keinen... Nutzen mehr von dir und eure Wege trennen sich wieder.“
Lisa ist unschlüssig. Und was wäre, wenn ihre Stammzellen doch passen würden? Wäre sie dann nicht quasi verpflichtet, auch zu spenden? Und wenn sie es dann nicht täte? Könnte sie dann überhaupt ihre Mutter ihrem Schicksal überlassen und nichts zu tun – bei aller Verachtung, die sie für sie empfindet?
In ihrer Mittagspause sucht Lisa Murat auf und führt ein langes Gespräch mit ihm...
Ein paar Stunden später trifft sich Paul mit Dagmar vor dem Isar-Klinikum. Die beiden haben am Wochenende miteinander telefoniert und sich schließlich hier verabredet, in dem Krankenhaus, in dem Dagmars behandelnder Arzt tätig ist, nachdem Paul dort einen Termin zur Blutabnahme vereinbart hat.
„Groß bist du geworden“, stellt Dagmar lachend fest und schaut zu ihrem Enkel auf, der mehr als zwei Köpfe größer ist als sie. „Kannst du dich überhaupt noch an mich erinnern?“
Paul zuckt mit den Schultern, meint dann: „Ja, schon. Aber eher schwach.“
„Wir haben noch ein paar Minuten Zeit, bevor wie rein müssen“, erklärt Dagmar. „Wollen wir uns noch einen Moment in die Sonne setzen und ein bisschen reden?“
Paul setzt sich zögernd neben Dagmar und knetet nervös seine Hände. Auch Dagmar ist verunsichert und sagt schließlich: „Ich denke, ich muss dir einiges erklären. Ein anderes Mal, wenn wir mehr Zeit haben. Ich fürchte, ich hab in meinem Leben viele Fehler gemacht. Und die größten habe ich bei deiner Mutter gemacht.“
Sie sitzen noch einen Augenblick schweigend da, dann gehen sie gemeinsam in die Klinik.
Als sie das Gebäude eine gute Stunde später verlassen, hat Paul nicht nur den Arzt seiner Großmutter kennengelernt. Er hat auch zahlreiche Informationen zum Thema Stammzellen-Spende erhalten und weiß, dass es vier bis sechs Wochen dauern kann, bis seine heutige Blutentnahme entsprechend ausgewertet ist.
„Vielen Dank, dass du das für mich tust“, sagt Dagmar nochmal.
Nachdem die beiden sich eher distanziert verabschiedet haben und Paul sich auf den Weg zur Bushaltestelle machen will, sieht er plötzlich Lisa und Murat auf sich zukommen.
„Was macht ihr jetzt hier?“ fragt Paul perplex. „Wenn du mich von irgendwas abhalten willst, dann vergiss es, ich habe...“
„Wir lassen uns testen“, fällt Lisa ihm ins Wort. Und dann, an ihre Mutter gewandt: „Wenn einer von uns die passenden Stammzellen hat, dann spenden wir auch.“
Dagmar schluckt und will etwas erwidern, doch noch ehe sie die passenden Worte findet, fährt Lisa sie an: „Und danach verschwindest du wieder aus unserem Leben!“
Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, schleift Lisa Murat weiter in Richtung Eingang. Paul und Dagmar sehen den beiden nach, bis sie im Krankenhaus verschwunden sind, dann verabschieden sie sich voneinander und gehen ihrer Wege.
Später am Abend klingelt Paul nochmal bei Murat und Lisa und bedankt sich bei den beiden.
„Das heißt jetzt nicht, dass ich vergessen habe, was sie mir angetan hat“, entgegnet Lisa schnippisch. „Ich will nur nicht Schuld daran sein, dass sie stirbt. Ansonsten ist sie mir scheißegal.“
Dennoch freut Paul sich über die Entscheidung seiner Mutter und geht zufrieden nach Hause...

Popo schleicht sich im Morgengrauen in den Wohnungsflur – sehr bemüht, leise zu sein und niemanden zu wecken. Als sie, ohne Licht zu machen, auf ihr Zimmer zusteuert, rennt sie die leeren Flaschen um, die Helga am Vorabend bereit gestellt hat, um sie heute im Altglas zu entsorgen. Durch das Geschepper aufgeschreckt, steht Helga im Handumdrehen ebenfalls mitten im Flur.
„Wo kommst du jetzt her, junge Dame?“ fragt sie empört.
„Oh, Helga-Darling, so früh schon auf die Beine?“ kichert Popo.
„Auf deN BeineN“, verbessert Helga sie. „Du bist ja betrunken.“
„Nur eine kleine, wie sagt man, Schlips?“ erklärt Popo.
„Schwips“, berichtigt Helga. „Wo warst du die ganze Nacht?“
„Nur a little Party von ein paar coole Leute, die ich hab kennengelernt auf die Arbeit im George... oh, sorry... im Marcellas“, erklärt Popo ihr.
„Du warst auf einer Party?“ fragt Helga empört. „In Zeiten wie diesen? Das ist doch wirklich unverantwortlich! Sollen denn die Inzidenzzahlen wieder rauf gehen? Die ganze Nacht auf einer Party, unglaublich!“
„No, nur die halbe Nacht“, berichtet Popo. „Die Rest von die Nacht ich war in die Bett von eine coole Typ, die ich hab kennengelernt auf diese Party.“
„Du landest gleich im Bett mit jemandem, den du gerade erst kennengelernt hast?“ Helga ist nun noch empörter und schnappt fassungslos nach Luft.
„Helga-Darling, was regst du dich so auf?“ fragt Popo und spielt die Verständnislose. „Du hast doch gesagt, ich soll unter Leute gehen, um besser zu lernen die deutsche Sprache.“
„Unter Leute und nicht in fremde Betten!“ Helga ist immer noch empört.
„Aber ich habe unten gelegen in die fremde Bett“, kichert Popo, „also war ich unter Leute. Zumindest unter eine Leut!“
Während Popo in schallendes Gelächter ausbricht, fehlen Helga in Anbetracht von so viel Unverschämtheit nun endgültig die Worte. Im nächsten Moment poltert Andy, der sich durch das Wortgefecht im Flur in seiner Nachtruhe gestört fühlt, aus seinem Schlafzimmer.
„Was ist das denn hier für ein Zwergenaufstand“, mosert er. „Ach, was frag ich eigentlich? Natürlich du schon wieder.“
„Good morning, grumpy old Andy“, begrüßt Popo ihn gackernd.
„Sie hat in einem fremden Bett unter einem fremden Mann übernachtet“, berichtet Helga empört.
„Erspar' mir bitte die Details“, sagt Andy und verschwindet schnell wieder in seinem Schlafzimmer.
„Ich geh besser auch mal in die Bett“, flötet Popo und huscht in ihr Zimmer.
„In das Bett“, ruft Helga ihr hinterher. „Und darüber reden wir später noch, junge Dame!“
Ein paar Stunden später sitzen Helga, Andy und Gabi am Frühstückstisch, während Popo sich noch von den Strapazen der letzten Nacht erholt und den Schlaf der Gerechten schläft. Helga ist noch immer maßlos empört über Popos Verhalten und Andy bläst fleißig mit ins gleiche Rohr. Nur Gabi findet, dass man einem jungen Menschen auch ein paar Freiheiten lassen muss. Während sich die Diskussion der drei immer weiter steigert, klingelt es an der Wohnungstür.
„Wer ist das denn jetzt um diese Uhrzeit?“ motzt Andy und erhebt sich widerwillig. „Kann man denn hier nicht mal in Ruhe frühstücken?“
„Womöglich irgendein ein junger Mann, der nun den Vormittag unter Popo verbringen möchte“ murmelt Helga.
„ Aber Helga...“, kichert Gabi kopfschüttelnd.
Andy reißt derweil die Wohnungstür auf – und erstarrt für einen Augenblick. „VALLE!“ ruft er dann fassungslos. Gabi fliegt nun ebenfalls vom Frühstückstisch auf und stürmt in den Flur. Und tatsächlich: In der Wohnungstür steht Valerie!
„Hallo Daddy, hallo Gabi“, begrüßt sie die beiden, die immer noch fassungslos dastehen.
„Na, du hast ja Nerven“, meint Andy in seiner gewohnt stinkigen Art. „Seit über 18 Jahren hast du dich hier nicht mehr blicken lassen, die letzten zehn Jahre davon waren wir dir gerade mal eine Karte zu Weihnachten und zu den Geburtstagen wert. Und dann stehst du hier plötzlich einfach vor der Tür?“
„Tut mir leid“, murmelt Valerie.
„Geh, Andy Zenker, halt die Goschen“, fährt Gabi ihn an und fällt Valerie um den Hals.
„Ich freu mich natürlich auch, dass du wieder da bist“ sagt Andy etwas milder und schließt sich der Umarmung an.
„Das ist ja eine Überraschung“ruft Helga begeistert, als die drei in die Küche kommen.
„Nun erzähl' schon“, will Gabi neugierig wissen. „Wie kommt's, dass du hier plötzlich auf der Matte stehst?“
„Und wie ist es dir denn überhaupt ergangen die letzten Jahre in Mexiko?“ fragt Helga. „Oder soll ich Sie sagen.“
„Natürlich nicht, Frau Beimer“, erwidert Valerie.
„Wie es dir ergangen ist, wüsste ich wohl auch gerne“, knurrt Andy, „wir wissen ja im Grunde gar nichts mehr über dich.“
„Möchtest du vielleicht erstmal mit uns frühstücken?“ fragt Helga. „Aber wir haben gar nicht mehr viel Brot da. Oh, ich könnte dir ein paar Spiegeleier in die Pfanne hauen, das ist die perfekte Stärkung nach einer langen Reise.“
Und während Helga sich ans Werk macht, beginnt Valerie zu berichten: Dass sie bei ihrer Arbeit in dem Kinderkrankenhaus in Mexiko eine Beziehung mit einem Kollegen begonnen hat, den sie für die Liebe ihres Lebens hielt, dass die beiden weiterhin Valeries unerfülltem Kinderwunsch nachgegangen sind und dabei weiterhin erfolglos blieben, woran auch diese Beziehung letztendlich zerbrochen ist. Und dass Valerie daraufhin dann noch mehr in ihrer Arbeit als Krankenschwester aufgegangen ist. „Diese Kinder da in dem Krankenhaus, das war für mich... wie eine Art Ersatz“, erklärt sie. „Weil ich ja nun mal keine eigenen Kinder kriegen kann. Ich hab da so gerne gearbeitet und war richtig glücklich in diesem Job. Und dann hab ich mich Anfang des Jahres mit Corona angesteckt... Ich hatte einen sehr schweren Verlauf, mir ging es wirklich richtig schlecht. Zwischenzeitlich hab ich sogar gedacht... dass ich sterben müsste...“
„Oh mein Gott“, entfährt es Helga.
„Und da... hab ich mich dann erinnert, dass ich hier ja auch noch eine Familie habe“, setzt Valerie fort, „dass diese Arbeit nicht alles ist... Und als es mir wieder besser ging, wollte ich unbedingt zurück nach Hause...“
„Ach so“, mosert Andy weiter, „als es dir schlecht ging, da fiel dir dann plötzlich wieder ein, dass du noch eine Familie hast, na, besten Dank!“
„Andy Zenker, fang nicht schon wieder an!“ faucht Gabi und blickt Valerie verständnisvoll an.
„Ich freu mich ja auch, dass du wieder da bist“, sagt Andy. „Ich find's halt nur schon irgendwie traurig, dass wir die letzten 18 Jahre für dich quasi gar nicht mehr existent waren. Und wenn es dir dann schlecht geht, erinnerst du dich plötzlich wieder an uns.“
„Ich hab mich immer an euch erinnert!“ versichert Valerie. „Es ist nur... Ich wollte halt nicht zurück, weil... also... Ich hab halt immer gedacht, je weiter ich weg bin und je mehr Brücken ich abbreche, desto besser ist es für mich, nach all der Scheiße, die damals passiert ist.“
Nachdem sich Valerie an Helgas Spiegeleiern sattgegessen hat, fragt Gabi sie: „Was hast denn jetzt vor?“
„Pflegepersonal wird doch überall gesucht“, meint Valerie schulterzuckend. „Ich werde mich halt mal überall bewerben, Krankenhäuser, Altenheime, Pflegedienste... Irgendwas wird schon klappen. Und ich dachte... also, bis ich eine eigene Wohnung gefunden habe, könnte ich vielleicht erstmal hier unterkommen?“
„So lange du willst“, strahlt Gabi. „Allerdings wird’s vielleicht a bisserl eng, die Popo wohnt ja jetzt auch hier?“
„Die wer?“ fragt Valerie irritiert.
„Das ist Erichs Enkelin“, erklärt Helga. „Die Tochter von Pat! Du erinnerst dich noch an Pat?“
Nachdem Valerie sich ein wenig ausgeruht hat, spaziert sie rüber in die Kastanienstraße, um ihre Schwester zu besuchen.
„Du bist echt richtig fett geworden“, stellt Valerie fest. Sie sitzt in der Kastanienstraße am Küchentisch und beobachtet Iffi, die den beiden gerade einen Eiskaffee zubereitet.
„Na besten Dank“, erwidert Iffi gereizt. „Wir sehen uns zum ersten Mal seit über 18 Jahren und du hast nichts Besseres zu tun, als mir Vorhaltungen zu meinem Gewicht zu machen.“
„Du hast dich ja früher immer sehr gerne über meine Figur lustig gemacht“, stichelt Valerie weiter. „Jetzt siehst du mal, wie das ist.“
Iffi verdreht genervt die Augen. „Du bist immer noch die gleiche blöde Kuh wie früher“, murmelt sie.
„Wie läuft's denn beruflich bei dir?“ fragt Valerie.
Iffi erzählt ihr von ihrem Biologie-Studium und ihrem Job im Labor, woraufhin Valerie meint: „Also in der Krankenpflege habe ich ja was wirklich Sinnvolles gemacht.“
„Ja, und das, was ich mache ist natürlich vollkommen sinnbefreit“, motzt Iffi.
In diesem Moment kommt Antonia nach Hause. Valerie begrüßt ihre Nichte, der sie noch nie zuvor begegnet ist, überschwänglich, verabschiedet sich dann aber kurze Zeit später, weil sie noch Nico in seinem Fitness-Studio besuchen möchte.
„Die ist ja komisch“, meint Antonia, nachdem Valerie weg ist.
„Ja, wem sagst du das?“pflichtet Iffi ihrer Tochter bei.
Auch Nico ist sehr schnell genervt, als Valerie in seinem Fitness-Studio um ihn herum scharwenzelt.
„Erinnerst du dich noch, wie du damals wochenlang bei uns auf dem Bauernhof gewohnt hast?“ fragt Valerie. „Als Iffi keine Zeit für dich hatte, weil sie im Abi-Stress war?“
„Nee“, entgegnet Nico, „das war ich wohl noch zu klein.“
„Du bist immer so gerne bei uns auf dem Hof gewesen“, schwärmt Valerie. „Überhaupt warst du immer sehr gerne bei mir. Viel lieber, als bei Iffi.“
„Aha“, macht Nico.
„Das liegt bestimmt daran, dass ich mich immer so intensiv um dich gekümmert habe“, vemutet Valerie. „Ich hab Kinder ja schon immer geliebt. Viel mehr als Iffi.“
„Mmmmh“, brummt Nico.
„Kinder spüren sowas instinktiv, wenn man mit Leib und Seele für sie da ist“, redet Valerie weiter. „Iffi war ja auch immer viel zu chaotisch. Bei uns hast du zum ersten Mal ein richtig strukturiertes Leben kennengelernt.“
„Ja, vermutlich“, murmelt Nico.
„Wie erwachsen du geworden bist“, schwärmt Valerie und Nico rollt mit den Augen.
„Warum hast du eigentlich keine Kinder, wenn du so gut mit ihnen kannst?“ möchte Nico wissen und Valerie beißt sich verkniffen auf die Unterlippe. „Das hat leider nicht geklappt“, murmelt sie.
Als Valerie später nach Hause kommt, erklärt Andy ihr: „Also wie gesagt, haben wir hier kein Bett mehr frei und sind auch eigentlich gar nicht auf Besuch eingestellt. Es gibt also zwei Möglichkeiten: Entweder, du schläfst im Wohnzimmer auf dem Sofa oder wir liegen dir irgendwo eine Luftmatratze hin oder stellen eine Camping-Liege auf; auch im Wohnzimmer. Oder bei Popo im Gästezimmer.“
„What?“ schrillt Popos Stimme entsetzt aus der Küche.
„Hallo, ich bin Valerie! Wie schön, dich kennenzulernen.“
Popo betrachtet Andys Tochter skeptisch von Kopf bis Fuß und sagt dann: „I cannot sleep in the same room with other peopele!“ Dann schiebt sie sich in Valerie vorbei und verschwindet in ihrem Zimmer.
„Das Wohnzimmer ist voll okay für mich, Daddy“, versichert Valerie.
Eine Weile später, beim Abendessen, sagt Gabi plötzlich: „Mir ist da grad eine Idee gekommen! Bei der Iffi, da ist doch noch a Zimmer frei, vielleicht könnst dort erstmal unterkommen. Bequemer als hier im Wohnzimmer wär des allemal. Und du hätt'st mehr Privatsphäre!“
„Meint ihr denn, dass Iffi und ihr Freund nichts dagegen hätten?“ fragt Valerie skeptisch.
„Das kläre ich gleich!“ beschließt Andy und begibt sich nach dem Abendessen zu seiner jüngsten Tochter in die Kastanienstraße.
„WAS?“ schreit Iffi entsetzt. „Du willst Valle bei mir einquartieren? Daddy, das geht nicht! Wir sind wie Feuer und Wasser, wir können doch unmöglich in einer Wohnung wohnen!“
„Iffi, bitte, wir reden hier von deiner Schwester!“ schimpft Andy.
„Ja, eben!“ Iffis Stimme wird schrill.
„Äber wür können's doch wönigsdens mol versüchen?“ mischt sich Roland ein.
„Nein, das könnt ihr mir nicht antun“, beharrt Iffi auf ihren Standpunkt. „Sie war heute Mittag kurz hier und hat es im Handumdrehen geschafft, mich wieder auf die Palme zu bringen. Sie hat mir mindestens drei mal gesagt, wie fett ich doch geworden bin. Und mein Beruf ist natürlich auch nichts, im Gegensatz zu dem, was sie als Krankenschwester leistet. Dabei habe ICH studiert, nicht sie! Daddy, ich schwör dir, wenn sie hier heute einzieht, dann hast du spätestens nächste Woche nur noch eine Tochter! Weil nämlich eine von uns die andere gekillt hat!!“ Iffi fährt sich mit der flachen Hand über den Hals und macht laut: Kcht!“ Dann schaut sie ihren Vater herausfordernd an...

CLIFFHANGER auf: Iffi Zenker

Mitwirkende Personen
Andy Zenker
Gabi Zenker
Valerie Zenker
Iffi Zenker
Nico Zenker
Antonia Zenker
Roland Landmann
Helga Beimer
Popo Wolfson
Dagmar Hoffmeister
Lisa Dagdelen
Murat Dagdelen
Paul Dagdelen
Andrea Neumann
Tanja Schildknecht
Simon Schildknecht
Sunny Zöllig
Dr. Carsten Flöter
Georg 'Käthe' Eschweiler
Dr. Suzanne Richter-Jung
Dr. Kajetan Jung

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: Sa 24. Jul 2021, 23:01 


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BeitragVerfasst: So 25. Jul 2021, 16:50 
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Registriert: Mi 15. Sep 2010, 12:37
Beiträge: 10004
Danke Popo für die letzten beiden Folgen!


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BeitragVerfasst: Mo 26. Jul 2021, 13:28 
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Registriert: Mi 29. Sep 2010, 00:11
Beiträge: 11587
Popo, es war wieder ein Genuss, Deine aktuelle Folge zu lesen. Letzte Woche waren wir alle ein wenig beunruhigt wegen der Hochwasserkatastrophe. Da habe ich nix geschrieben, dennoch die Folge gelesen.
DANKE. Deine Folgen sind super cool! Ich freue mich immer darauf und bin gespannt, wie es weitergeht.


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