Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1909 - Schalttag
BeitragVerfasst: So 3. Mär 2024, 16:53 
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Folge 1909: Schalttag

Spieltag: Donnerstag, 29.02.2024


Frustriert scrollt Lisa sich durch die Stellenangebote im Online-Stadtanzeiger. Überall werden Pflegefachkräfte gesucht, in Krankenhäusern, Altenheimen, Behinderteneinrichtungen, bei ambulanten Pflegediensten… Aber die Stellenausschreibungen für Arzthelferinnen sehen eher mau aus… Wütend knallt Lisa den Deckel von ihrem Laptop zu. Sie will ihren alten Job zurück! Sie hat keine Lust auf Schichtdienst und Pflege und sie will sich von dieser blöden Schlampe, die mal ihre beste Freundin war, nicht auch noch ihre berufliche Zukunft versauen lassen, nachdem das Flittchen bereits ihre Ehe zerstört hat…
In diesem Moment klingelt es an der Wohnungstür. Draußen steht ihre Schwiegermutter Medine Dagdelen.
„Du liebes armes Kind“, begrüßt Medine ihre Schwiegertochter und drückt ihr links und rechts einen Schmatzer auf die Wange. „Ich wollte schon lange zu dir kommen. Aber ich habe mich so geschämt für meinen Sohn. Dieser missratene, ungehobelte Ochse! Was bildet er sich ein?! Allah! Allah! Wenn Muzzaffa das noch erleben müsste! Er würde sich im Grabe umdrehen. Mein Muzzaffa war immer treu! Aber dieser Junge! Dieser missratene Junge!! Allah… steh mir bei!“
„Ist er bei dir untergekrochen?“ will Lisa gleich wissen.
Medine schüttelt zaghaft den Kopf und erklärt dann zerknirscht: „Bei Hatice!“
„Hätte ich mir denken können!“ schnaubt Lisa.
„Meinst du nicht, dass ihr das wieder hinbekommen könntet?“ erkundigt sich Medine vorsichtig. „Murat ist so dumm! Er weiß manchmal nicht, was er tut. Aber er weiß doch im Grunde, was er an dir hat. Und immerhin seid ihr auch Eltern…“
„Ach? Er weiß, was er an mir hat?“ kreischt Lisa schrill. „Wie kann es da denn sein, dass er mich jahrelang verarscht und betrogen hat?!“
„Allah!“ Medine schlägt die Hände über dem Kopf zusammen.
Lisa braucht eine ganze Weile, um ihre Schwiegermutter wieder loszuwerden. Sie weiß ja, dass Medine es im Grunde nur gut meint, trotzdem kann sie sie momentan nur schwer ertragen…
Lisa hockt sich wieder vor ihre Stellenanzeigen, muss aber sehr schnell feststellen, dass das alles sie nur noch mehr frustriert und dass sie im Grunde keinen dieser Jobs haben will.
Und so taucht sie kurze Zeit später im Vorzimmer der Praxis Tenge-Wegemann auf. Andrea weicht sämtliche Farbe aus dem Gesicht, als Lisa plötzlich vor ihr steht und sie zieht automatisch den Kopf ein wenig ein.
„Ich erwarte von dir, dass du hier umgehend kündigst und der Tenge-Wegemann verklickerst, dass sie mir deinen Job überlässt!“ kommt Lisa direkt zum Punkt.
„W-was?“ stottert Andrea verdutzt.
„Jetzt stell dich nicht dümmer an, als du bist!“ zischt Lisa. „Du hast mich schon verstanden. Und ich bin im Recht! Dieser Job hier steht mir zu! Such dir gefälligst was anderes!“
Andrea atmet tief durch, dann bemüht sie sich um eine möglichst aufrechte und halbwegs selbstbewusste Körperhaltung und sagt – mit einem leichten Beben in der Stimme, aber doch fest und verständlich: „Nein, Lisa, das werde ich nicht tun!“
„Wie bitte?“ Lisa blitzt sie böse an. „Willst du jetzt auch noch frech werden?“
„Hör auf, Lisa“, erwidert Andrea, deren Stimme jetzt zunehmend an Stärke gewinnt. „Deine Forderung ist absolut lächerlich. Lächerlich und unverschämt! Ich brauche diesen Job hier auch und ich werde ihn bestimmt nicht freiwillig aufgeben! Frau Dr. Tenge-Wegemann hat sich für mich entschieden und nicht für dich!“
Lisa starrt Andrea einen Moment lang fassungslos an. „Du bist wirklich das Allerletzte!“ zischt Lisa schließlich. „Reicht es dir nicht, dass du dir schon meinen Mann gekrallt und meine Familie zerstört hast, du Schlampe? Was willst du mir denn noch alles wegnehmen?“
Einen Augenblick lang huscht wieder eine Mischung aus Schuldgefühlen und Versunsicherung über Andreas Gesicht. Doch dann findet sie ihre Fassung wieder und sagt souverän und selbstbewusst: „Deine Ehe hast du ganz alleine zerstört!“
„Wie bitte?“ Frostige Empörung liegt in Lisas Stimme.
„Guck dir doch mal an, wie du Murat jahrelang behandelst hast“, knallt Andrea ihr schließlich vor den Latz. „Gar nichts konnte er dir recht machen, immer musste er nur nach deiner Pfeife tanzen und wenn er nicht so gespurt hat, wie du das von ihm erwartet hast, dann hast du ihm die Hölle heiß gemacht!“
„Du miese kleine Natter“, zischt Lisa. „Du fickst meinen Mann und gibst mir jetzt allen Ernstes die Schuld dafür?!!“
„Ich liebe Murat!“ erklärt Andrea und sieht ihr dabei fest in die Augen. „Das ist halt passiert! Das habe ich mich weder ausgesucht, noch kann ich das irgendwie beeinflussen. Und ich mache es ganz bestimmt nicht, um dir eins auszuwischen. Also lass mich endlich in Ruhe und hör auf, hier das Opfer zu spielen! Es ist, wie es ist, ich kann es nicht ändern!“
Lisa wirft Andrea einen letzten vernichtenden Blick zu. Dann macht sie auf dem Absatz kehrt und rauscht aus der Praxis. Und einem Nervenzusammenbruch nahe beginnt Andrea im nächsten Moment, am ganzen Leib zu zittern – selbst vollkommen fassungslos darüber, wie sie Lisa die Stirn geboten hat, auch irgendwie stolz auf sich, aber dennoch immer noch voller Schuldgefühle. Hat sie das alles gerade eben wirklich gesagt?
Lisa ist derweil auf 180. Und ihr Hass auf Andrea steigert sich ins Unermessliche. Und derjenige, der den geballten Zorn abbekommt, ist mal wieder Klaus, der just in dem Moment das Haus Nr. 3 verlässt, in dem Lisa es betritt. Als die beiden sich gegenseitig anrempeln, lässt Lisa ihrer Wut freien Lauf. Wie eine Furie beginnt sie, auf Klaus einzuschimpfen. Nach einem anfänglichen Überraschungsmoment gewinnt dieser aber schnell seine Fassung zurück und fragt gereizt: „Kommst du jetzt mal langsam wieder runter? Du bist doch nicht mehr ganz dicht! Und überhaupt, hast du inzwischen endlich nochmal mit deiner Versicherung gesprochen? Ich warte immer noch drauf, dass der Schaden an meinem Auto bezahlt wird!“
„Leck mich doch am Arsch mit deinem Auto!“ keift Lisa. „Wenn jemand so behindert parkt wie du, dann ist er es wirklich selber Schuld, wenn andere was kaputt machen!“
Wütend rauscht Lisa an ihm vorbei.
„Wenn ich bis Anfang nächster Woche nichts höre, erstatte ich doch noch Anzeige wegen Sachbeschädigung“, ruft Klaus ihr wütend.
Paul, der gerade Pause macht, hat das ganze Spiel von der anderen Straßenseite aus beobachtet. Wenige Minuten später taucht er bei seiner Mutter in der Wohnung auf.
„Hast du nochmal was von Murat gehört?“ erkundigt sich Lisa bei ihrem Sohn, nachdem sie eine Weile in seinen Armen gelegen hat. Paul schüttelt den Kopf.
„Dieser gottverdammte Feigling!“ schimpft sie. „So ein erbärmlicher Jammerlappen! Nicht mal bei seinen eigenen Kindern meldet er sich!“
„Wie soll es denn jetzt weitergehen?“ fragt Paul – doch Lisa weiß darauf keine Antwort.
„Willst du heute Abend nicht zu uns kommen?“ erkundigt Paul sich. „Romy hat Geburtstag und macht eine kleine Party. Sie hat bestimmt nichts dagegen, wenn du mit feierst. Dann siehst du mal was anderes und kommst auf andere Gedanken.“
„Ich auf eurer WG-Party?“ fragt Lisa und muss tatsächlich ein bisschen lachen. „Lieber nicht. Ich bin nur wirklich kein Stimmungs-Garant…“
Nach Pauls Besuch schießt Lisa ein ganz anderer Gedanke durch den Kopf: Neulich hat Andrea ihr noch erzählt, dass auch sie nichts mehr von Murat gehört hat, seit die Affäre der beiden aufgeflogen ist. Ob das immer noch so ist? Lisa muss es wissen! Und so lauert sie Andrea nach Feierabend vor der Praxis auf. Diese zuckt erneut sichtlich zusammen, als Lisa plötzlich und unerwartet vor ihr steht.
„Hat er sich nochmal bei dir gemeldet?“ fragt Lisa ohne jegliches Vorwort und ohne irgendeine Form von Einleitung.
„Was?“ entgegnet Andrea konfus.
„Murat! Hast du noch was von ihm gehört?“
„Nein“, antwortet Andrea knapp. Und ein Lächeln huscht über Lisas Gesicht.
„Sollte dir das nicht zu denken geben?“ fragt sie spitz. „Du tönst hier groß rum, dass du ihn liebst, dass Liebe nun mal passiert und blablabla… Aber von ihm kommt nichts mehr?!? Mmmmh… Ziemlich einseitige Kiste, eure Liebe, findest du nicht?“
Lisa triumphiert innerlich, als sie Andreas entsetzen Gesichtsausdruck realisiert. Treffer, versenkt! So zufrieden, wie es ihre momentane Situation zulassen kann, lässt Lisa ihre ehemalige Freundin und Kollegin sprichwörtlich im Regen stehen und macht sich auf den Heimweg, um sich umzuziehen. Sie hat gerade beschlossen, Pauls Einladung zur WG-Party doch noch anzunehmen…




„Hast du es dir inzwischen mal überlegt?“ möchte Romy von Popo wissen, als sie an diesem Morgen das Café Bayer betritt. „Ich komme auch mit! Versprochen!“
Popo zieht Romy ein Stück zur Seite, damit Anna von ihrer Unterhaltung nichts mitbekommt.
„Hör endlich damit auf“, flüstert sie gereizt. „Ich nicht gehe zu die Polizei. Die glauben mir sowieso nicht.“
„Du bist vergewaltigt worden“, protestiert Romy. „Du musst dieses Schwein anzeigen!“
Doch Popo wehrt sich mit Händen und Füßen. Zudem ist sie genervt, weil Anna sie schon wieder so böse ansieht.
„Ich muss jetzt arbeiten weiter“, erklärt sie Romy schnell.
„Kommst du denn heute Abend in die WG?“ möchte Romy wissen. „Ich hab Geburtstag und mache eine kleine Party.“
„WG-Party ist nicht so meine Sache“, lehnt Popo ab. „Ich geh lieber feiern in Club.“
„Überleg’s dir doch!“ beharrt Romy.
„Mal sehen“, knurrt Popo und arbeitet weiter. Sie ist genervt. Was will diese Romy nur von ihr? Seit dem Abend vor drei Wochen belagert sie sie ständig damit, zur Polizei zu gehen. Was soll denn das? Hat die kein eigenes Leben? Okay, möglicherweise ist es ja wirklich gut gemeint. Trotzdem nervt es…
Im Laufe des Tages allerdings findet Popo insgeheim doch immer mehr Gefallen an Romys Einladung. Party machen. Trinken. Tanzen. Flirten. Spaß haben. Das ist definitiv eine gute Sache. Und auf so einer privaten Party ist es auch wesentlich sicherer als in einem Club, wo irgendwelche fremden, dahergelaufenen Typen sie ins Auge fassen – und womöglich wieder irgendwas in den Drink mischen…
Und so steht Popo am Abend bei Romy, Paul und Mika vor der Tür.
„Cool, dass du doch gekommen bist!“ freut Romy sich – und es wirkt aufrichtig.
„Wie alt du wirst?“ fragt Popo, als sie ihr das kurzfristig besorgte Geschenk überreicht.
„Sechs“, kichert Romy.
„What the fuck?“ fragt Popo belustigt.
„Eigentlich 24“, lacht Romy. „Aber heute ist Schalttag! Ich wurde am 29. Februar 2000 geboren. Also habe ich heute offiziell erst zum 6. Mal Geburtstag.“
„Crazy Shit“, gluckst Popo. „Wärst du mal lieber eine Tag früher oder später gekommen…“
„Kann man sich halt nicht aussuchen“, meint Romy schulterzuckend. „Aber so ist jeder Geburtstag wirklich was ganz besonderes.“
In der Wohnung ist dann auch Romys Freund Ludde anwesend – und noch ein paar Leute, die Popo noch nie gesehen hat und die sich als Kommilitonen von Romys herausstellen.
Eine Weile später taucht dann auch Pauls Mutter auf.
„Cool, dass du es dir anders überlegt hast“, freut Paul sich.
„Ich will aber wirklich nicht stören“, sagt Lisa entschuldigend zu Romy, nachdem sie ihr gratuliert hat.
„Quatsch, tun Sie überhaupt nicht!“ winkt Romy ab. „Ich freue mich, dass Sie hier sind!“
„Wo ist denn Deniz?“ erkundigt sich Paul.
„Übernachtet bei einer Schulfreundin“, antwortet Lisa.
Die Stimmung ist ausgelassen. Eine kleine aber nette Geburtstagsparty, bei der auch die Anwesenheit der deutlich älteren Lisa niemanden zu stören scheint, alle guter Dinge ist und Popo, was das Feiern angeht, sehr schnell in ihrem Element ist. Lediglich zwischen Mika und Ludde scheint die ganze Zeit über eine latente Anspannung in der Luft zu liegen – offensichtlich mögen die beiden sich nicht besonders…
Irgendwann im Laufe des Abends nimmt Popo Romy zur Seite und fragt: „Wenn ich gehen würde zu the Police und mache so eine Anzeige… würdest du dann wirklich kommen mit?“
„Natürlich!“ sagt Romy sofort. „Das hab ich dir doch versprochen! Jederzeit, wenn du willst.“
In Popos Innerem scheint sich plötzlich ein Knoten zu lösen. Sie atmet tief durch und sagt: „Ich denke nochmal nach darüber. Aber nicht mehr heute Abend!“
„Okay“, lacht Romy. „Wie gesagt; jederzeit!“

Valerie wuselt bereits beim Frühstück ganz aufgeregt um Mitbewohnerin Nina herum. Seitdem sie in den letzten Tagen mehrere, größtenteils sehr reißerische Artikel über Tessa in der Presse gelesen hat, ist sie völlig aus dem Häuschen.
„Die wird doch jetzt wohl eine ganze Weile weggesperrt bleiben, oder?“ versichert Valerie sich. „Wir können echt froh sein, dass wir mit dir so eine tolle Polizistin in der Nachbarschaft haben. Nichts auszudenken, was da noch alles hätte passieren können, wenn du nicht rechtzeitig zur Stelle gewesen wärst. Simon Schildknecht wäre jetzt womöglich tot!“
„Naja, jetzt lassen wir mal die Kirche im Dorf“, winkt Nina ab. „So schlimm wäre es wohl nicht gekommen.“
„Du musst dein Licht nicht immer so unter den Scheffel stellen“, erklärt Valerie. „Du bist eine großartige Polizeibeamtin und wir sind froh, dich als Mitbewohnerin zu haben…“
„Mitbewohnerin“, murmelt Nina. „Naja, es wäre vielleicht nicht schlecht, wenn Ida und ich endlich mal was eigenes finden würden…“
„Oh, bitte nicht!“ ruft Valerie entsetzt. „Ida und du, ihr könnt mich hier doch nicht mit meiner durchgeknallten Schwester alleine lassen! Das wäre ja entsetzlich!“
„Vielen Dank auch“, sagt Iffi spitz, die gerade die Küche betreten und alles mitbekommen hat. „Wir wäre es denn, wenn DU dir langsam mal was eigenes suchen würdest?! Das hier war doch sowieso von Anfang an nur als Zwischenlösung gedacht!“
„Natürlich! Du willst mich mal wieder los werden“, beginnt Valerie sogleich zu jammern. „Ich war dir ja sowieso immer schon ein Dorn im Auge!“
Valerie ist frustriert. Ihr ganzes Leben verläuft einfach nur äußerst unbefriedigend und die Tatsache, dass nun seit einigen Wochen auch noch der Straßenjunge Finn bei ihnen „überwintert“ und nun fast den ganzen Tag in der Wohnung rumhängt, passt ihr zusätzlich nicht. Schließlich fällt es Valerie auf diese Weise noch schwerer, sich selbst unbemerkt in der Wohnung aufzuhalten, wenn sie vorgibt, in Wirklichkeit arbeiten zu sein. Eigentlich hofft Valerie inständig darauf, dass Finn bald wieder das Feld räumen wird, doch auch diese Hoffnung scheint sich zu zerschlagen, als Valerie etwas später ein Gespräch zwischen Iffi und Finn belauscht. Iffi lässt ihn wissen, dass sie ein Beratungsgespräch mit dem Jugendamt geführt hat und dass sie dabei in Erfahrung bringen konnte, dass es Möglichkeiten gibt, für Finn staatliche Zuschläge für eine Art Pflegschaft zu beziehen, obwohl er inzwischen bereits volljährig ist. Dennoch könne man dies beantragen, wenn er z.B. seinen Schulabschluss nachholt oder eine Ausbildung macht und in dieser Zeit bei ihnen wohnen bleibt. Doch zu Valeries Beruhigung ziert Finn sich und lässt Iffi wissen, dass er das nicht möchte und dass er auf die Straße zurückkehrt, sobald im Frühling das Wetter wieder besser wird…
Valerie ist so zunächst wieder einigermaßen beruhigt, als sie sich am Mittag auf den Weg zu ihrem vermeintlichen Spätdienst macht, um in Wirklichkeit wieder den Rest des Tages in der Stadt zu verbringen. Zu spät merkt sie, dass sie offenbar ihr Handy in ihrem Zimmer vergessen hat. Nun kann sie auch nicht mehr in die Wohnung zurück, ansonsten müsste sie womöglich nur dumme Fragen beantworten, warum sie noch nicht beim Dienst ist. So eine Scheiße! Ohne Handy wird der Nachmittag richtig lang(weilig). Frustriert beschließt Valerie, in die Stadtbücherei zu gehen…
Derweil beginnt daheim ihr Handy, das in Wirklichkeit nicht in ihrem Zimmer, sondern auf dem Küchentisch liegt, zu klingeln.
„Üst dös deun Höndy?“ möchte Roland von Iffi wissen.
„Bist du verrückt?“ erwidert diese. „Als ob ich so einen peinlichen Klingelton hätte. Das ist von Valle, hat sie anscheinend vergessen.“
Iffi schielt auf das Display, doch die Nummer ist ihr nicht bekannt.
Nachdem das Handy verstummt, essen Roland, Iffi, Finn und Antonia gemeinsam zu Mittag. Dabei versucht Iffi erneut, Finn zu einem längeren Aufenthalt in ihrer Wohnung und in ihrem Leben zu bewegen. Sie erklärt ihm nochmal lang und breit, dass er finanziell abgesichert wäre und sein Aufenthalt bei ihnen trotz seiner Volljährigkeit wie eine Pflegschaft gehandhabt würde, wenn er diese Zeit in eine Ausbildung investieren würde.
„Du bist doch noch so jung“, sagt Iffi. „Dir stehen noch alle Möglichkeiten offen, dein ganzes Leben liegt noch vor dir. Willst du das komplett auf der Straße verbringen? Als Stricher arbeiten? Nie wissen, was der nächste Tag bringt? Wie du den nächsten Winter überstehst?“
„Aber ich weiß doch gar nicht, was ich machen soll“, murrt Finn. „Noch dazu ohne Schulabschluss. Da finde ich doch eh nix.“
„Döswögen sollst du jo wüder zur Schule göhen“, meint Roland. „Üst doch ögal, wenn de ‚n poor Johre ölter büst, als de Anderen. Du host doch trotzdöm noch alle Zeit dör Wölt…!“
„Rolands Sohn arbeitet als Sozialpädagoge an einer Gesamtschule hier in der Nähe“, erklärt Iffi. „Und der hat gesagt, dass es auf jeden Fall möglich ist, dich da unterzubringen. Und dann kannst du ja immer noch sehen, ob du nur deinen Hauptschulabschluss nachholst oder ob es auch für die mittlere Reife und sogar fürs Abi reicht.“
Valeries Handy beginnt erneut mit einem unerträglichen 90er-Jahre-Musikstück zu dröhnen und Iffi schiebt es genervt ans andere Ende des Tisches.
Während des gesamten Essens redet Iffi weiterhin auf Finn bezüglich dessen Zukunft an. Antonia verdreht in Anbetracht der unnachgiebigen Beharrlichkeit ihrer Mutter immer wieder genervt die Augen. Doch tatsächlich zeigt Iffis Hartnäckigkeit Erfolg. Am Ende der Mahlzeit erklärt Finn sich bereit, mit Konstantin zu reden und sich auch einen Termin bei der Schulleiterin Frau Dr. Klöckner geben zu lassen… Iffi ist zufrieden. Weniger glücklich ist sie allerdings darüber, dass sie im weiteren Verlauf des Nachmittags immer wieder von Valeries dröhnendem Handy genervt wird. Warum musste diese blöde Kuh das Teil ausgerechnet heute vergessen, wo Iffi im Home Office arbeitet?!?
Als Iffi gerade dabei ist, sich in der Küche einen Tee zuzubereiten, beginnt das Teil erneut zu klingeln. Kurz überlegt Iffi, es einfach auszuschalten. Dann muss sie jedoch beim Blick aufs Display feststellen, dass es wieder die gleiche Nummer ist. Vielleicht etwas wichtiges? Kurzerhand geht Iffi ran.
„Iphigenie Zenker“, meldet sie sich.
„Iphi… was?“ antwortet ein verdutzter Gesprächspartner. „Spreche ich denn nicht Valerie Zenker?“
„Das ist meine Schwester“, erklärt Iffi. „Sie hat ihr Handy hier vergessen, als sie zur Arbeit gegangen ist und ich dachte, ich geh jetzt einfach mal ran, es könnte ja wichtig sein.“
„Arbeit?“ fragt der Mann irritiert.
„Ja, meine Schwester arbeitet als Krankenschwester“, erklärt Iffi, leicht verwundert über die überraschte Situation.
„Ich… verstehe nicht“, stammelt der Mann. „Mein Name ist Konrad Kofus vom Jobcenter. Ich müsste dringend mit Ihrer Schwester sprechen, es geht darum, dass sie ihre letzten Termine bei uns nicht wahrgenommen hat und auch nicht auf meine Anrufe und E-Mails reagiert…“
„Beim… Jobcenter?“ fragt Iffi konsterniert.
„Es ist so, dass wir Ihrer Schwester die Gelder kürzen müssen, wenn sie sich weiterhin nicht meldet“, erklärt Konrad Kofus gereizt.
„Aber was denn für Gelder?“ fragt Iffi.
„Die staatlichen Zuschüsse“, erwidert der Mann. „Wegen ihrer Langzeitarbeitslosigkeit…“
„Langzeitarbeitslosigkeit?“
„Ach, ich würde das lieber gerne mit Ihrer Schwester selbst klären. Datenschutz, Sie wissen schon. Sagen Sie ihr bitte, dass ich dringend Ihren Rückruf erwarte. Danke!“
Damit ist das Gespräch beendet und Iffi starrt verblüfft das Handy an…
In Iffis Kopf rasen die Gedanken. Und plötzlich kommt ihr ein unglaublicher Verdacht: Sollte Valerie sie hier alle seit Jahren an der Nase herumführen? Aber warum nur…?
Am Abend kommt Valerie durchgefroren und genervt in die Wohnung zurück und stürmt sogleich in ihr Zimmer – aber dort liegt kein Handy…
„Hab ich hier irgendwo mein Handy vergessen?“ brüllt Valerie durch den Flur.
„Ja, hier auf dem Tisch!“ ruft Iffi aus der Küche.
Valerie stürzt sich sogleich auf das Gerät. Doch ehe sie auch nur einen ernsthaften Blick darauf werfen kann, sagt Iffi bereits: „Da hat ein Herr… Kuhfuß oder so ähnlich für dich angerufen.“
„Wo hat der angerufen?“ fragt Valerie alarmiert.
„Auf deinem Handy“, erwidert Iffi.
„Bist du an mein Handy gegangen???“ Blankes Entsetzen spiegelt sich in Valeries Gesicht.
„Es hat den ganzen Mittag geklingelt“, erklärt Iffi. „Ich dachte, es sei vielleicht irgendwas passiert!“
„Spinnst du?“ schreit Valerie schrill. „Was fällt dir eigentlich ein? Du kannst doch nicht einfach an MEIN Handy gehen!!!“
„Dieser Herr Kuhfuß sagt, dass du Langzeitarbeitslosengeld beziehst?“ stellt Iffi irritiert fest. „Was meint der damit?“
Hektische Flecken bilden sich an Valeries Hals und in ihrem mittlerweile kreidebleichen Gesicht und kleine Schweißperlen stehen ihr auf der Stirn und den Schläfen.
„Das hast du falsch verstanden“, erklärt Valerie und steht dabei kurz vor der Schnappatmung. „Es geht da um eine Fortbildung. Das ist… da muss ich eine Eigenbeteiligung bezahlen, wenn ich daran teilnehmen will, aber die wird mir später zurück erstattet.“
„Vom Jobcenter?!“ Iffi sieht ihre Schwester durchdringend an. „Willst du mich eigentlich verarschen? Wieso sollte dir das Jobcenter irgendwas erstatten, wenn du da in deinem Krankenhaus eine Fortbildung machst?“
„Das ist ja nicht im Krankenhaus!“ Valerie wird immer hektischer. „Das ist ja eine externe Fortbildung. Und weil die sehr teuer ist, kann man da Zuschüsse beantragen.“
„Aber ganz sicher nicht beim Jobcenter! Valerie, was bindest du uns hier eigentlich für Bären auf?“ fragt Iffi tadelnd.
„Ich… ich….“, stottert Valerie. Doch dann knickt sie ein und bricht in Tränen aus. In einem wirren Kauderwelsch berichtet sie davon, keine Arbeit zu finden und in jeder Pflegeeinrichtung abgelehnt zu werden, in der sie sich besorgt. Auf Iffis ungläubige Nachfrage und den Hinweis auf den Pflegenotstand, gesteht Valerie ihr schließlich auch, was in Mexiko geschehen ist und warum sie wirklich nach Deutschland zurückgekehrt ist. Iffi ist fassungslos.
„Und jetzt bieten dir mir dauernd so einen Scheiß an in diesem bekloppten Jobcenter!“ heult Valerie. „Fließbandarbeit in irgendwelchen Fabriken. Putzstellen und so einen Mist.“
„Ja, aber das ist doch immerhin noch besser, als den ganzen Tag ziellos durch die Gegend zu rennen und uns alle zu belügen“, befindet Iffi.
Plötzlich reißt Valerie die Augen weit auf und presst sich entsetzt die Hand vor den Mund. „Bitte! Bitte!“ fleht sie. „Du darfst auf gar keinen Fall Daddy und Gabi irgendwas davon erzählen!“
„Oh, Valerie, das kann ich nicht!“ protestiert Iffi.
„NEIN! BITTE!“ kreischt Valerie schrill. „Die beiden dürfen das auf gar keinen Fall jemals erfahren! Wenn… wenn du ihnen das sagst, dann bringe ich mich um! Das weißt, dass ich das schon mal beinahe gemacht hätte!“

CLIFFHANGER auf: Iffi Zenker



Mitwirkende Personen
Romy Brinkmann
Popo Wolfson
Ludde Mayer
Mika Arlen
Paul Dagdelen
Lisa Dagdelen
Andrea Neumann
Klaus Beimer
Valerie Zenker
Iffi Zenker
Antonia Zenker
Finn Schäfer
Roland Landmann
Nina Zöllig
Anna Ziegler
Medine Dagdelen
Konrad Kofus

© ´popo wolfson` 2024

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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Verfasst: So 3. Mär 2024, 16:53 


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