Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1906 - Interessant
BeitragVerfasst: Fr 29. Dez 2023, 16:44 
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Folge 1906: Interessant

Spieltag: Donnerstag, 14.12.2023


Iffi und Antonia nutzen Iffis heutigen freien Tag für eine ausgiebige Weihnachts-Shoppingtour durch die Münchener Innenstadt.
„Bist du sicher, dass du nicht doch mitkommen möchtest?“ fragt Iffi ihre Tochter, als die beiden durch die Fußgängerzone schlendern. „Ist bestimmt sehr schön in den Bergen über die Feiertage.“
Iffi und Roland haben relativ kurzfristig für dieses Weihnachten eine Berghütte in Österreich gemietet, doch Antonia hat kein Interesse, die beiden zu begleiten.
„Nee, lass mal“, winkt sie ab. „Ich bleib zuhause.“
„Aber dann sitzt du Weihnachten ganz alleine hier rum!“ gibt Iffi zu bedenken.
„Nina und Valerie sind doch auch da“, erwidert Toni. „Und ich kann Oma und Opa besuchen. Oder ich geh zwischendurch mal zu Nico. Außerdem würde ich über Weihnachten gerne endlich meine Bewerbung für das Work and Travel fertig machen.“
„Du willst das also tatsächlich durchziehen?“ fragt Iffi skeptisch. Nachdem Antonia das Thema in den vergangenen Wochen nicht mehr angeschnitten hat, hatte sie insgeheim eigentlich gehofft, dass das Thema inzwischen vom Tisch ist.
„Ja, in Neuseeland“, antwortet Toni.
„Neuseeland?“ Iffi macht große Augen. „Wie kommst du denn jetzt plötzlich auf Neuseeland? Du wolltest doch nach Australien!“
„Aber in Australien war ich ja schon“, erklärt Antonia. „Und Neuseeland ist toll. Landschaftlich und überhaupt…“
Iffi seufzt. Der Gedanke, ihre Tochter wieder mal für mehrere Monate ziehen lassen zu müssen, behagt ihr überhaupt nicht. Doch dann wird ihre Aufmerksamkeit plötzlich auf etwas anderes gelenkt…
„Sieh mal!“ Iffi zupft an Antonias Ärmel. „Da vorne ist der Junge, der mir damals geholfen hat, als du… als ich dich gesucht habe…“
Tatsächlich: Vor einem Kaufhaus hockt Finn auf dem kalten Boden, einen leeren Plastikbecher in der Hand und schnorrt die Passanten an.
„Wollen wir zu ihm gehen?“ fragt Antonia.
„Ja!“ sagt Iffi entschlossen. „Ich hab noch so viel bei ihm gut zu machen!“
Iffi hat nicht vergessen, wie Finn ihr damals bei der Suche nach ihrer Tochter geholfen hat und dass er dann auch noch ihretwegen angeschossen wurde. Und sie ist auch nie ganz von ihrer Idee abgerückt, die Pflegschaft für den Jungen zu beantragen und ihm ein Zuhause zu bieten, damit er nicht mehr auf der Straße leben muss…
„Hallo!“ begrüßt Iffi den Jungen und Antonia sagt: „Hi!“
Finn blickt einen Moment irritiert zwischen den beiden hin und her, doch dann erkennt er sie wieder und sagt lächelnd ebenfalls: „Hi!“
„Wie geht es dir?“ erkundigt sich Iffi.
„Okay“, erwidert Finn.
„Du warst damals plötzlich einfach verschwunden“, erinnert sich Iffi. „Aus dem Krankenhaus. Wir konnten uns gar nicht richtig erkenntlich zeigen für das, was du für uns getan hast.“
„Ich musste abhauen“, erklärt Finn. „Die Alte vom Jugendamt wollte mich in so eine betreute Wohnform stecken. Aber das ist nix für mich. Da geh ich kaputt!“
„Aber ist das denn nicht immer noch besser, als sich draußen auf der Straße durchzuschlagen?“ fragt Iffi. „Vor allem im Winter!“
„Nee, nur Regeln, Regeln und nochmal Regeln“, erwidert Finn. „Anpassen. Sich unterordnen. Das will ich nicht! Aber das hat sich inzwischen eh erledigt. Ich bin jetzt 18. Die vom Jugendamt können mir gar nix mehr!“
„Aber bei diesem Sauwetter hier in der Fußgängerzone sitzen, schnorren und sich den Arsch abfrieren?“ lässt Iffi nicht locker. „Du bist doch noch so jung! Willst du denn nicht mehr vom Leben?“
„Man wird doch sowieso nur vom Leben gefickt“, meint Finn schulterzuckend.
„Wir würden uns gerne noch bedanken“, sagt Iffi. „Also richtig bedanken. Was hältst du davon, wenn wir dich mal zu uns nach Hause zum essen einladen. Mein Lebensgefährte ist Koch, weißt du?! An Weihnachten sind wir nur leider nicht da. Wie wäre es nach Silvester? Oder, weißt du was, wie wäre es gleich mit heute Abend?“
„Ist das nicht ein bisschen kurzfristig?“ schaltet Antonia sich ein.
„Ach was, Roland hat doch frei“, winkt Iffi ab. „Der kriegt das schon hin!“
Es bedarf allerdings noch ein wenig Überzeugungsarbeit, bis Iffi Finn dazu überreden kann, wirklich am Abend zu einem vorgezogenen Weihnachtsessen bei ihnen vorbei zu kommen. Doch letztendlich sagt er zu.
„Jo, soch emol! Hättste des nüsch vorhör müt mür abspröschen können?“ fragt Roland fassungslos, als Iffi ihm später davon berichtet.
„Ach, wenn du dich jetzt gleich ran machst“, meint Iffi. „Der Junge lebt auf der Straße, der erwartet kein Sterne-Menu!“ Einfach was leckeres. So von allem was!“
„Von ollem wos…“, wiederholt Roland ungläubig.
„Ist das jetzt dein neuester Spleen?“ möchte Valerie wissen. „Dass du hier einen auf heilige Samariterin machst und obdachlose Kinder von der Straße zu uns zum Abendessen einlädst?“
„Was stört’s dich denn jetzt?“ mosert Iffi. „Du musst ja nicht dabei sein, wenn’s dir nicht passt.“
„Das werde ich auch nicht“, erwidert Valerie schnippisch. „Ich bin nämlich heute für einen Nachtdienst eingesprungen und muss zeitig los, damit ich auch noch die Spätschicht unterstützen kann vorher. Wir sind nämlich mal wieder chronisch unterbesetzt. Bei uns ist es nämlich so, dass…“
„Na, dann ist ja gut!“ würgt Iffi ihre Schwester ab.
Roland geht derweil zum Einkaufen und stellt sich anschließend in die Küche. Eigentlich hat er sich seinen freien Tag auch anders vorgestellt, aber Iffi hat schon recht, der Junge hat sie im letzten Jahr wirklich sehr bei der Rettung von Antonia unterstützt und wurde dann auch noch angeschossen. Eine Einladung zum Abendessen ist da wohl das Mindeste, was man ihm zur Wiedergutmachung anbieten kann.
„Wüllst du düüsen Fünn eugentlüsch immer noch adoptieren?“ fragt Roland später beim Kochen,. Während Iffi ihm zur Hand geht.
„Ich wollte ihn nie adoptieren, ich wollte beim Jugendamt die Pflegschaft für ihn beantragen“, erklärt Iffi. „Aber das hat sich inzwischen erübrigt. Er ist nämlich mittlerweile volljährig.“
„Sö sö“, macht Roland und insgeheim fällt ihm ein Stein vom Herzen. Einen Straßenjungen mal zu bekochen und zum Essen einzuladen, ist das eine. Aber ihn gleich aufzunehmen und ein Zuhause zu bieten eine ganz andere Hausnummer…
Bis zum Abend schafft Roland es, trotz der Kürze der Zeit, ein Menu zu zaubern, bei dem für jeden etwas dabei ist. Finn erscheint tatsächlich pünktlich – und nimmt Iffis Angebot, zuvor eine Dusche nehmen zu dürfen, gerne an. Als er, Iffi, Antonia und Roland später am Tisch sitzen und es sich schmecken lassen, fragt Iffi plötzlich: „Finn, dürfen wir dich vielleicht einladen, unser Gast zu sein? Also, ich meine jetzt nicht bloß heute Abend, zum essen, sondern für die nächsten Wochen…“
„Wie meinen Sie das?“ fragt Finn irritiert.
„Ich möchte dir unser Gästezimmer anbieten“, erklärt Iffi. „Für den Winter.“
„Ich… weiß nicht so recht“, erwidert Finn zögernd. „Ich… glaube nicht.“
„Hey, wir sind hier keine betreute Jugendeinrichtung“, lacht Iffi. „Wir erwarten nicht, dass du hier irgendwelche Regeln befolgst oder dich an irgendetwas anpasst. Wir wollen auch keine Gegenleistung dafür. Wir möchten dir einfach nur die Möglichkeit geben, dass du in der kalten Jahreszeit ein Dach über dem Kopf und etwas warmes zu essen bekommst. Als Dankeschön dafür, was du für Toni und für uns alle getan hast. Und als eine Art Entschädigung, weil du deswegen angeschossen worden bist… Was sagst du dazu?“
Finn lässt sich das Angebot während des Essens noch ein paar Mal durch den Kopf gehen, doch als sie beim Nachtisch angelangt sind, sagt er schließlich zu.
Valerie hockt derweil schmollend in ihrem dunklen Zimmer und tut so, als sei sie arbeiten. Die fröhlichen Stimmen und das gut gelaunte Lachen aus der Küche treiben sie zur Weißglut. Sie fühlt sich mal wieder ausgegrenzt und ausgeschlossen – und merkt dabei gar nicht, dass sie sewlbst und es ganz alleine ist, die sich hier ausgrenzt…


Angelina ist heute mit Hubertus zu Hohenlobese zum Mittagessen im Ratskeller verabredet. Bereits am Morgen ist sie deshalb ganz aufgekratzt, schließlich hofft sie darauf, ein gutes Geschäft machen und ihm das Hotel-Grundstück abkaufen zu können – um es dann ihrerseits gewinnbringend an Schmitt & Wessels weiterzuverkaufen.
„Ich dachte, diesen Lackaffen wären wir endlich los“, meint Nico und wirkt wieder mal ein wenig eifersüchtig auf den Hotelkettenbesitzer. Angelina stört sich nicht daran.
Gegen Mittag erscheint sie pünktlich im Ratskeller und freut sich, dass zu Hohenlobese bereits auf sie wartet.
Das Gespräch verläuft gut für Angelina, denn Hubertus zu Hohenlobese hat tatsächlich kein Interesse mehr daran, das Hotel-Grundstück zu behalten und macht Angelina ein faires Angebot.
„Darauf sollten wir anstoßen“, findet Angelina zum Ende ihrer Unterhaltung fröhlich. „Darf ich sie auf einen Champagner einladen?“
„Da sag ich doch nicht nein, wenn Sie mich vorher nur kurz entschuldigen…!“ Hubertus zu Hohenlobese verschwindet in Richtung der Toiletten, während Angelina beim Kellner eine Flasche der Champagner-Hausmarke bestellt und in Gedanken bereits überschlägt, zu welchem Preis sie das ehemalige Hotel-Grundstück veräußern und wie viel Gewinn sie damit machen könnte… Während sie zufrieden ihren Gedanken nachhängt, dringt von der anderen Seite der großen, steinernen Säule, die sich in der Mitte des in einem Gewölbekeller untergebrachten Restaurants befindet und an die sich der Tisch schmiegt, an dem Angelina und zu Hohenlobese Platz genommen haben, plötzlich ein lautes „Wie interessant!“ an ihr Ohr.
Angelina durchzuckt es augenblicklich, als habe sie ein Blitz getroffen. Der Klang und die Tonlage dieser weiblichen Stimme und dann dieser Ausruf! Es fühlt sich an, wie ein Deja-vu…
Die Frau, die sich vor drei Jahren als Regina Lohmaier in ihr Leben gewanzt hat, sagte auch dutzendfach am Tag „wie interessant!“ Und ihre Stimme klang haargenau so. Für Sekundenbruchteile flimmert es vor Angelinas Augen und der kalte Schweiß tritt ihr auf die Stirn, während Hitzewellen sich durchfluten. Sie atmet ein paar Mal tief durch, ehe sie sich langsam erhebt und zunächst erneut um Fassung ringen muss: Ihre Beine fühlen sich an, wie aus Pudding und das Herz schlägt ihr bis zum Hals, als Angelina langsam, Schritt für Schritt, die Säule umrundet und auf der anderen Seite hinter einer mannshohen Zimmerpflanze verharrt. An dem Tisch, der sich auf der anderen Seite der Säule befindet, sitzen ein glatzköpfiger Anzugträger von vielleicht Mitte 50 und eine geschäftlich aussehenden Frau im gleichen Alter, die ein maßgeschneidertes Kostüm trägt. Ihre Designerbrille wirkt teuer, die Haare sind zu einer kunstvollen Hochsteckfrisur zurecht gemacht. Angelina betrachtet sie einen Moment zögernd. Diese Frau scheint auf den ersten Blick so gar nichts gemein zu haben mit der schrill-bunten Hippie-Braut »Regina Lohmaier«. Und dennoch… bei sehr genauer Betrachtung erkennt man doch eine wage Ähnlichkeit. Angelina ist sich sicher: dort sitzt die Frau, die sich ihr gegenüber als Wolf Lohmaiers Schwester ausgegeben und sie übers Ohr gehauen hat…
Angelina merkt, wie ihr die Beine weich werden. Ihr Herz rast und sie braucht einen Moment um sich wieder in den Griff zu bekommen. Dann atmet sie tief durch und umrundet die große Säule in der Mitte des Gewölbes, um sich der Frau von der Rückseite zu nähern.
„Nein, wie interessant!“ lacht die falsche Regina Lohmaier gerade erneut, als Angelina direkt hinter ihr angekommen ist.
„Gute Tag, Frau Lohmaier“, sagt sie mit bemüht fester Stimme. „Das nenne ich mal eine Überraschung. Lange nicht gesehen!“
Die Frau erwidert, ohne den Blick in ihre Richtung zu drehen: „Das muss eine Verwechslung sein!“
„Wieso Lohmaier?“ fragt der Mann, der ihr am Tisch gegenübersitzt irritiert. „Ich dachte, Sie heißen von Rackwitz!?!“
„Wie schon gesagt, eine Verwechslung“, erklärt die vermeintliche Frau von Rackwitz und starrt beharrlich auf ihren Teller.
„Sparen Sie sich diese Scharade“, sagt Angelina spitz. „Ich weiß genau, wer Sie sind! Und jetzt rufe ich die Polizei!“
Angelina zückt ihr Handy, muss dann aber feststellen, dass sie in dem Gewölbekeller unter der Erde und mit dem dicken Decken- und Mauerwerk kein Handynetz hat. Nicht mal den Notruf kann sie von hier unten absenden.
„Mist!“ zischt sie, steckt ihr Handy wieder weg und ruft dem Kellner am Tresen zu: „Würden Sie bitte die Polizei verständigen? Hier sitzt eine gesuchte Betrügerin!“
Mittlerweile ist auch Hubertus zu Hohenlobese von der Toilette zurückgekehrt und näher sich verwundert dem Szenario. „Was ist denn los?“ flüstert er Angelina zu.
„Es ist eine bodenlose Frechheit, wie Sie sich hier aufführen!“ schreit die angebliche Frau von Rackwitz schrill, erhebt sich von ihrem Stuhl und blickt Angelina nun direkt in die Augen. Für einen kurzen Augenblick kommen ihr plötzlich selbst Zweifel. Diese Frau hat sich optisch so sehr verändert, dass sie sich selbst kurz nicht mehr sicher ist, wirklich »Regina Lohmaier« vor sich zu haben. Aber dann sind die kurzen Zweifel verschwunden; sie ist es. Ganz sicher. Trotz der krassen äußerlichen Veränderungen.-
„Rufen Sie nur die Polizei!!“ keift »Frau von Rackwitz« jetzt selbst in Richtung Keller. „Dann kann ich diese impertinente Person gleich wegen Verleumdung und übler Nachrede anzeigen!“
Für einen Moment ist der Kellner irritiert, dann wählt vom Festnetz aus er die 110. Während er mit der Zentrale spricht, näherte sich die vermeintliche Frau von Rackwitz dem Tresen und entreißt ihm das Telefon.
„Hallo?!“ keift sie in den Hörer. „Mein Name ist Henriette von Rackwitz. Ich bin die, um die es hier geht! Ich habe eine Frage. Ich werde hier öffentlich in einem voll besetzten Lokal als Betrügerin denunziert, von einer Frau, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe. Ich bin eine sehr erfolgreiche Geschäftsfrau und diese Sache hier ist für mich mehr als nur rufschädigend. Wenn Sie Ihre Kollegen nun hier her schicken, ist es dann möglich, dass ich hier vor Ort gleich Anzeige gegen diese Denunziantin erstatte? (…) Sehr schön! Na, dann erwarte ich hier Ihre Kollegen. Auf Wiederhören!“
Mit einem zufriedenen Lächeln gibt die Frau dem Kellner das Telefon zurück und sagt zu Angelina: „Sie sollten sich schon mal darauf einstellen, dass meine Anwälte Sie in der Luft zerreißen! Das wird teuer für Sie, meine Liebe!“
„Jetzt sparen Sie sich gefälligst dieses Schmierentheater!!“ faucht Angelina die Frau an. „Ich muss zugeben, dass Ihre Kostümierung wirklich sehr gelungen ist! Ich habe Sie trotzdem erkannt!“
„Um was genau geht es denn eigentlich?“ fragt Hubertus zu Hohenlobes und auch der Begleiter der vermeintlichen Frau von Rackwitz sieht äußerst interessiert aus.
Angelina umreißt in knappen Sätzen, auf welche Weise sie vor fast drei Jahren von Wolf Lohmaiers angeblicher Schwester über den Tisch gezogen wurde.
„Und das war diese Frau?“ fragt Frau von Rackwitzes Begleiter ungläubig.
„Lächerlich!!“ stößt diese hervor. „Ich kenne die Dame gar nicht!“
„Ich weiß ja nicht, was sie Ihnen so alles erzählt hat, aber ich garantiere Ihnen, wenn Sie sich auf sie einlassen, werden Sie hinterher um eine nicht unbeträchtliche Geldsumme ärmer sein!“
„Die Dame möchte mir Wertpapiere verkaufen“, erklärt der Mann entrüstet.
„Die dürfte wohl nicht allzu viel Wert besitzen“, meint Angelina sarkastisch.
Im nächsten Augenblick stößt Frau von Rackwitz ein nahezu beängstigendes Schnaufen und Röcheln aus und beginnt panisch in ihrer Handtasche zu wühlen.
„Was ist los?“ fragt der Kellner erschrocken.
„Meine… Asthma-Medikamente“, keucht die Frau, wühlt panisch in ihrer Handtasche und presst schließlich hervor: „Meine… Manteltasche…“
Frau von Rackwitz stolpert japsend in Richtung Gaderobe und beginnt hektisch in den Jacken und Mänteln zu wühlen – irritiert beäugt vom Rest der Anwesenden.
Und plötzlich geht alles so schnell, dass niemand mehr reagieren kann. Die Frau nimmt, eben noch scheinbar eine Ohnmacht nahe, ihre Beine in die Hand und sprintet in Richtung Ausgang.
„Dieses Biest!“ schreit Angelina und stürmt ihr nach.
„Sie haben alle noch nicht bezahlt!“ ruft ihnen der Kellner überfordert hinterher.
Die Betrügerin stößt kurz vor der Treppe eine große Zimmerpflanze um, um Angelina den Weg abzuschneiden und hastet dann die Stufen hinauf Richtung Ausgang. Angelina flucht, klettert umständlich über die umgekippte Pflanze und stürmt ebenfalls die Stufen hinauf. Auf der Treppe bricht ihr Absatz ab, sie gerät ins Straucheln, knickt und und stürzt.
„Mist!!“ flucht sie und streift den linken Schuh ab. Unter Schmerzen humpelt sie fluchend nach oben. Auf der Straße angekommen, sieht sie sich suchend um, doch von der Betrügerin ist weit und breit nichts mehr zu sehen…
In der Zwischenzeit ist auch Hubertus zu Hohenlobese vor dem Lokal angekommen und hilft der humpelnden Angelina wieder nach unten, wo sie auf die Ankunft der Polizei warten.
Als Angelina später nach Hause kommt, berichtet sie Nico, was geschehen ist.
„Ich bin so eine dumme Nuss!“ schimpft Angelina über sich selbst. „Ich hätte sofort die Polizei rufen sollen, statt dieses Miststück selbst anzusprechen. Ich blöde, blöde Kuh…“
„Naja“, überlegt Nico, „zumindest weiß die Polizei jetzt, dass sie noch in München ist. Oder wieder. Was weiß ich. Jedenfalls ist das doch ein Anhaltspunkt. Vorher wusste man ja überhaupt nicht, wo sie steckt.“
„Ja, wer weiß, ob die jetzt überhaupt noch in München ist“, zetert Angelina. „Die kann doch schon längst wieder über alle Berge sein. Ich hab’s vermasselt. Nur, weil ich nicht abwarten kann…“
„Meinst du denn, du bekommst überhaupt noch etwas von deinem verlorenen Geld zurück?“ fragt Nico. „Selbst wenn sie sie stellen sollten.“
„Ich will vor allem, dass diese Frau blutet für das, was sie mir angetan hat“, faucht Angelina. „Man nimmt eine Angelina Dressler nicht einfach aus wie eine Weihnachtsgans und kommt dann ungeschoren damit davon!!!“
Damit steht sie auf und verschwindet Türe knallend im Bad…


Als David an diesem Morgen das Marcellas betritt, findet er Giovanna hinter dem Tresen vor.
„Ich helfe hier heute aus“, erklärt sie. „Gian-Luca ist gestern über Weihnachten zu Verwandten nach Italien gefahren. Und Marcella liegt seit heute mit Corona flach.“
„Oh je“, sagt David. „Und wie geht’s dir mit deiner Dings… deine Zeckenkrankheit da?“
„Alles wieder gut“, freut sich Giovanna. „Aber, sag mal, weißt du, wo Wasti steckt? Ich erreiche den seit Tagen nicht.“
„Ich auch nicht“, antwortet David. Und dann erzählt er Giovanna von dem merkwürdigen Vorfall vor einer Woche bei Gabi Zenker, von Wastis anschließendem seltsamen Verhalten und dass seither jedes Lebenszeichen von ihm fehlt.
„Komisch“, befindet Giovanna. „Was meinte er denn damit?“
„Wenn ich das wüsste!“ David zuckt mit den Schultern. „Er hat danach ja total dicht gemacht und seitdem ist er wie vom Erdboden verschluckt.“
David lässt das sonderbare Verhalten seines Freundes keine Ruhe. In den letzten Tagen hatte er noch gehofft, dass Wasti von selber wieder auftauchen und sich erklären würde. Doch nachdem dies nicht geschehen ist, fährt David nun zu ihm nach Hause, um nach dem Rechten zu sehen. Wastis Auto parkt auch tatsächlich vor dem Haus. Doch es dauert geraume Zeit, bis Wasti auf Davids Klingeln reagiert und ihm die Tür öffnet. Doch Wastis Anblick erschreckt David. Er sieht aus, als ob er seit Tagen nicht geschlafen hat, kreidebleich mit zerzausten Haaren und dunklen Ringen um die Augen. Und die Luft in der Wohnung riecht so angestanden, als sei hier seit ebenso langer Zeit nicht mehr gelüftet worden…
„Ey, Junge, was ist denn hier los?“ fragt David besorgt. „Bist du krank?“
Wortlos nehmen die beiden im Wohnzimmer Platz, wo sich da dreckige Geschirr mehrerer Tage auf dem Tisch stapelt.
„Was ist los?“ fragt David nochmal und blickt sich fassungslos um.
Wasti schweigt eine Weile. Nach einer gefühlten antwortet er schließlich: „Ich kann nicht mehr.“
„Was kannst du nicht mehr?“ fragt David. „Das ist jetzt aber nicht wegen deiner Arbeitslosigkeit?“
Wasti schweigt einen weiteren Moment. Dann sagt er: „Dieser Gundlach. Letzte Woche. Bei Frau Zenker…“
„Was ist denn mit dem?“ fragt David in das erneute Schweigen hinein.
„Ich kenne den“, erwidert Wasti. „Von früher…“
„Ja… Und?“ David verliert allmählich die Geduld.
„Ich dachte, das wäre vorbei“, flüstert Wasti. „Ich dachte, ich… hätte das hinter mir gelassen. Und jetzt… kommt alles wieder hoch.“
„Wovon redest du denn? Was ist mit diesem Gundlach und was kommt wieder hoch?“
„Der ganze alte Scheiß…“, flüstert Wasti.
„Wasti, ich verstehe wirklich nur Bahnhof!“
„Früher war ich ja Messdiener“, erklärt Wasti. „Meine Eltern sind ja so christkatholisch, die haben mich quasi dazu gezwungen…“
„Ja, das weiß ich noch“, erinnert sich David.
„Das war… damals bei dem Gundlach“, berichtet Wasti. „Der hat Woche für Woche die Messe gehalten.“
Erneut verfällt Wasti im Schweigen. „Und wo ist jetzt das Problem?“ fragt David irgendwann.
„Ich war zwölf“, beginnt Wasti schließlich von Neuem. „Da musste ich… Gundlach hat mich halt gebeten, länger zu bleiben, als die anderen schon längst gegangen waren. Ich sollte mit ihm noch ein paar Sachen aufräumen. Wir waren in der Krypta und er hatte alle möglichen Aufgaben für mich. Ich hatte eigentlich überhaupt keinen Bock dazu, aber er konnte immer so penetrant sein und ich hab mir halt gedacht, dass ich es am besten so schnell wie möglich hinter mich bringe und dann abhauen kann. Und dann haben wir da halt lauter so einen Krempel sortiert. Er stand dabei immer so dicht hinter mir und rückte mir auf die Pelle. Aber dabei hab ich mir erst gar nichts gedacht. Und dann… hat er plötzlich seine Hose aufgemacht.“
„Er hat was?“ David starrt Wasti mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Ungläubigkeit an.
„Er hat seine Hose aufgemacht“, wiederholt Wasti. „Und ich… musste ihm einen runterholen.“
Und dann erzählt Wasti ihm die ganze Geschichte; davon, wie Pfarrer Gundlach ihn fortan immer wieder zu solchen und ähnlichen Situationen genötigt hat, angefangen damit, dass Wasti ihn regelmäßig befriedigen musste bis dahin, dass der Pfarrer selbst ihn unsittlich berührt und schließlich sogar zum Analverkehr gezwungen hat – und dies über Jahre.
Als Wasti seine Ausführungen beendet hat, ist David fassungslos.
„Warum hast du mir nie davon erzählt?“ fragt er ungläubig.
„Ich… hab mich geschämt“, gibt Wasti zu.
„Und… und deine Eltern? Hast du nie mit deinen Eltern… darüber gesprochen?“
„Die hätten mir doch sowieso nicht geglaubt“, sagt Wasti. „Der Gundlach, der war doch ein Heiliger für die, immer schon. Den haben die regelrecht angebetet. Wenn ich denen erzählt hat, dass… kein Wort hätten die mir geglaubt.“
„Und wie lange ging das so?“
„Dreieinhalb Jahre etwa… Bis ich 15 war. Da bin ich dann bei den Messdienern ausgetreten. Das hab ich ja vorher immer schon versucht. Mehrmals. Da hättest du mal meinen Vater erleben sollen. Was der für ein Geschiss gemacht hat deswegen. Die Messdiener verlassen?! Um Gottes Willen! Absolutes no go… Solange du die Füße unter meinen Tisch setzt… und so weiter. Aber mit 15 – fast schon 16 - hab ich’s dann doch gemacht. Da hab ich mir halt nichts mehr von ihm sagen lassen und bin raus aus dem Verein. Und mit 18 bin ich ganz aus der Kirche ausgetreten. Nächster Streitpunkt mit meinem Alten. Du weißt ja, wie der ist… Ich hab geglaubt, wenn ich das alles hinter mir lasse, erst die Messdiener, dann schließlich die ganze verfickte Scheiß Kirche, dann komm ich drüber hinweg. Dann kann ich damit abschließen und das vergessen. Aber so einfach war das dann doch nicht. Ich war jahrelang völlig beziehungsunfähig, weil ich nicht mal in der Lage war, ungehemmt Sex mit einem Mädchen zu haben. Und im Studium hab ich dann mit dem Saufen angefangen. Da ging’s mir dann besser…“
„Du hattest ständig Freundinnen“, erinnert David sich. „Die Mädels waren doch alle ganz verrückt nach dir. Mich haben die mit dem Arsch nicht angeguckt.“
„Ja. Nur dass die Freundinnen dann alle ganz schnell wieder weg waren, wenn sie mehr wollten und ich nicht konnte.“
„Du hast dir die ganzen Jahren nie was anmerken lassen“, sagt David. „Du hast nie ein Sterbenswörtchen gesagt. Unsere ganze Schulzeit, all die Jahre, die wir immer zusammen abgehangen haben. Es war doch immer alles in Ordnung…“
„Nur äußerlich“, flüstert Wasti. „Du glaubst gar nicht, wie es in mir ausgesehen hat. Auch später noch. Nur wenn ich gesoffen habe, ging’s mir gut. Erst nachdem ich den Entzug gemacht habe, hab ich mein Leben allmählich in den Griff gekriegt. Und dann steht mir letzte Woche plötzlich dieses Schwein gegenüber... Und erkennt mich offenbar nicht mal…“
„Du musst den anzeigen!“ sagt David entschlossen.
„Damit die ganze Scheiße wieder hoch kommt?“
„Willst du den so davon kommen lassen?“
„Mir wird doch sowieso keiner glauben!“ sagt Wasti. „Er, der allseits geschätzte Diener Gottes und ich, der trockene Alkoholiker, der in seinem Job als Bauleiter Berufsverbot erhalten hat. Was glaubst du, wer von uns da souveräner wirkt?!?“
David kann seinen Freund ja irgendwie verstehen. Dennoch lässt ihn der Gedanke an die Sache nicht los. Und so steht er am Abend bei der Alten-WG vor der Tür.
„Das ist ja eine schöne Überraschung“, begrüßt Helga ihn beim Öffnen. „Wie geht es Ihnen? Gibt es was Neues von der kleinen Phoebe?“
„Ich würde gerne mit Gabi sprechen“, kürzt David die Begrüßung ab.
„Dann kommen Sie doch rein“, fordert Helga ihn auf. „Wir sitzen gerade beim Abendessen. Möchten Sie vielleicht etwas mitessen?`“
„Nein, danke!“ sagt David schnell. Als er die Küche betritt, sitzen außer Gabi auch noch Andy und Popo am Tisch. Nachdem David Gabi bittet, unter vier Augen mit ihr reden zu dürfen, verschwinden die beiden in Gabis Zimmer.
„Was gibt’s denn?“ erkundigt sich Gabi nach dem Grund von Davids Besuch. „Gibt’s was Neues von der Phoebe? Kann I irgendwas tun?“
„Es geht um Wasti“, kommt David ohne Umschweife zum Punkt. „Ich weiß jetzt, was mit ihm los ist, also, warum er sich letzte Woche so seltsam benommen hat.“
„Und warum?“ fragt Gabi.
David räuspert sich verlegen. Dann sagt er: „Es ist… also… Der Wasti, er… kennt den Pfarrer Gundlach. Von früher!“
„Ja und weiter?“ Gabi sieht keinen Zusammenhang.
David atmet erneut durch, ehe er fortfährt: „Der Wasti war früher Messdiener beim Gundlach. Und…“
„Wasti wurde von Pfarrer Gundlach jahrelang zu … zu sexuellen Handlungen gezwungen.“
„Zu… sexuellen Handlungen?“ Gabi glaubt, sich verhört zu haben. „Ja, aber… aber was’nn für sexuelle Handlungen?“
David umreißt Gabi, was er heute von Wasti erfahren hat, doch mit jedem seiner Worte wächst der absolute Unglaube in Gabis Augen.
„Des kann net sein!“ sagt sie. „Des… des muss a Missverständnis sein. Der Gundlach, mei, der würd’ so etwas doch niemals machen. David, weißt eigentlich, was du da redst?“
„Und warum sollte Wasti mir dann so etwas erzählen?“ fragt David. „Was gibt es denn daran misszuverstehen? Oder zu verwechseln?“
„Ja, mei, dann… dann lügt der Wasti halt!“ sagt Gabi schnippisch.
„Und warum sollte er das tun? Warum sollte er sowas erfinden?“
„Ja, mei, was weiß’nn ich?“ Die Stimme der in den vergangenen Monaten so lethargisch gewordenen Gabi klingt plötzlich schrill und hysterisch. „Die Menschen lügen halt aus’n unterschiedlichsten Gründen! Und I kenn den Wasti ja gar net richtig. Aber den Gundlach, den kenne ich. Des is a guter Mensch, mei, den kenn I schon so lang, der würde nimmer… mei!“
Gabi tigert unwirsch im Zimmer umher.
„Gabi, ich…“, versucht David das Gespräch wieder aufzunehmen.
„I...i möcht, dass du gehst, David!! „ sagt Gabi bestimmt. In ihrem Gesicht haben sich hektische Flecken gebildet und sie fächert sich nervös mit den Händen frische Luft zu. „Bittschön, geh jetzt!“
David wird klar, dass er hier und heute nicht weiterkommen wird. Er nickt Gabi kurz zu und verlässt das Zimmer. Von Flur aus ruft er ein kurzes „Tschüss“ in die Küche und geht.
Nachdem Gabi auch wenige Minuten später noch nicht wieder in die Küche zuzrückgekehrt ist, geht Andy ins Schlafzimmer – und erschrickt.
Von einem hysterischen Weinkrampf geschüttelt, liegt Gabi zusammengerollt auf dem Bett und zittert am ganzen Körper.
„Gabi!“ ruft Andy entsetzt. „Was ist los? Ist was passiert? Was ist denn nur mit dir?“
„Der… der Gundlach…“, keucht Gabi.
„Was ist mit dem Gundlach?
„Des is a guter Mensch, der Gundlach! Der… der tut so etwas nicht! Des is a Missverständnis! Oder a Lüge!!!“
Mehr bringt Gabi nicht hervor, ehe sie der nächste Heulkrampf übermannt. Andy steht fasssungslos neben dem Bett und versteht die Welt nicht mehr…


„Ey, warte mal!“
Beim Verlassen der Villa fängt Ludde am Morgen David ab, der auf dem Weg zum Marcellas gerade vorbei kommt. „Ich… wollte mal fragen, wie es deiner… äh… Tochter inzwischen geht. Ist sie noch in der Klinik?“
„Ja leider“, berichtet David. „Sie schweigt sich aus und lässt niemanden an sich ran. Sie reagiert auch auf nichts, zeigt keinerlei Interesse. Sie sitzt da und starrt Löcher in die Luft…“
„Dann wird sie Weihnachten wohl nicht nach Hause kommen, oder?“ vermutet Ludde und erhält Bestätigung durch Davids Kopfschütteln.
„Und man darf sie wohl auch nicht besuchen?“ mutmaßt Ludde.
„Doch, das darf man“, antwortet David. „Jeremy und ich sind jeden Tag bei ihr. Aber sie ignoriert uns einfach.“
Kurze Zeit später möchte Ludde von Romy wissen, ob sie heute Abend schon was vor hat und tut dabei sehr geheimnisvoll. Als Romy später erfährt, um was es bei Luddes Geheimniskrämerei wirklich geht, ist sie hellauf begeistert und sofort Feuer und Flamme, ihn zu unterstützen…
Und so decken sich die beiden in einem Kostümverleih ein und verschwinden anschließend zu Ludde nach Hause, um sich umzuziehen. Als sie am Nachmittag, Ludde im Weihnachtsmann-Kostüm und Romy verkleidet als sein Weihnachts-Elf, die Villa verlassen wollen, begegnet ihnen Birthe im Hauseingang.
„Na sowas“, macht die Ärztin spitz. „Ist schon wieder Fasching?“
„Nee, Weihnachten“, kichert Romy. „Also fast…“
„Sowas kennt die nicht“, meint Ludde und wirft ihr einen abfälligen Blick zu. Und schon sind die beiden verschwunden und Frau Dr. Tenge-Wegemann blickt ihnen kopfschüttelnd hinterher…
Kurze Zeit später tauchen Ludde und Romy in ihrer Kostümierung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie auf und teilen mit, dass sie zu Phoebe wollen. Nachdem der Pfleger kurz Rücksprache mit Phoebes behandelnder Ärztin gehalten hat, bekommen Ludde und Romy grünes Licht für ihr Vorhaben.
Phoebe sitzt auf einem Stuhl, an einem kleinen Tisch, der ins Fenster steht und starrt ins Leere. Sie blickt nicht mal auf, als die beiden das Zimmer betreten.
„Ho ho ho“, macht Ludde mit tiefer Stimme. „Na, wenn das nicht meine kleine Freundin Phoebe Peschke ist…“
Nun blickt Phoebe doch auf und für einen Sekundenbruchteil blitzt etwas in ihren Augen auf, ehe ihr Blick wieder leer und teilnahmslos wird.
„Weißt du denn, wer ich bin?“ fragt Ludde.
Phoebe wirft ihm einen kurz Blick zu, dann starrt sie betrübt auf die Tischkante.
„Isses schon soweit?“ quietscht Romy mit piepsender Weihnachts-Elfen-Stimme. „Musst du jetzt schon andere fragen, wer du bist, weil du so senil bist, dass du das selbst nicht mehr weißt, alter Mann?“
Fröhlich hüpft und tanzt Romy durch das Zimmer in Phoebes Richtung und flüstert ihr dann zu: „Wenn er mich nicht hätte, dann würde er gar nix geschiss… äh… gebacken kriegen!“
Romy zwinkert ihr zu, doch deren Blick ist weiterhin nur traurig und abwesend.
„Willst du denn gar nicht wissen, was ich hier in meinem Sack habe?“ fragt Ludde.
„Na, was soll das schon sein“, gähnt der Weihnachts-Elf.
„Sei nicht so frech, sonst kommst du gleich in den Sack!“ brummt der Weihnachtsmann.
„Jetzt hab ich aber richtig Angst“, quietscht die Elfe gelangweilt.
„Hör gar nicht auf das freche Ding“, knurrt der Weihnachtsmann in Phoebes Richtung. Dann holt er sein Ebenbild in Schokolade, eine Tüte Weihnachtsplätzchen und zwei Päckchen aus dem Sack hervor und legt sie vor Phoebe auf den Tisch. Die wirft einen kurzen Blick darauf und wendet sich dann wieder ab.
Ludde und Romy sehen sich einen Moment ratlos an.
„Willst du denn nicht die Päckchen auspacken?“ fragt der Elf. „Oder bist du allen Ernstes sooo brav und geduldig, dass du damit noch bis zur Bescherung am Heiligen Abend warten willst?“
Phoebe zeigt keine Reaktion.
„Erinnerst du dich noch, als wir uns das letzte Mal unterhalten haben?“ fragt Ludde sie plötzlich ´- und tatsächlich scheint Phoebe aufzuhorchen.
„Das war vor gut zwei Jahren, bei dir in der Lindenstraße“, erzählt der Weihnachtsmann. „Damals hast du mir erzählt, dass deine Mama krank ist.“
Plötzlich regt sich was und Phoebe blickt in seine Richtung.
„Es tut mir leid, dass ich dir deinen Wunsch nicht erfüllen konnte, dass deine Mama wieder gesund wird“, sagt er. „Aber weißt du, wie du mich damals gefragt hat, ob deine Mama nicht als Engel für mich arbeiten könnte, wenn sie in den Himmel kommt? Naja, den Wunsch konnte ich dir schon erfüllen.“
Romy wird es plötzlich ganz mulmig zumute. Sie ist sich nicht sicher, ob Ludde wirklich das Richtige tut, wenn er einem trauernden, traumatisierten Kind einen solchen Bären aufbindet. Doch plötzlich hellen sich Phoebes Augen auf.
„Wirklich?“ fragt sie.
„Natürlich“, brummt Ludde. „Glaubst du etwa, der Weihnachtsmann lügt?“
Phoebe blickt zögernd auf die Weihnachts-Elfe. Dann fragt sie den Weihnachtsmann: „Warum hast du sie nicht mitgebracht?“
Als Ludde mangels einer passenden Antwort zögert, erklärt Romy: „Das geht leider nicht! Die Engel werden ja im Himmel gebraucht. Nur wir Elfen können dem Weihnachtsmann auf der Erde helfen!“
„Ich soll dir aber ganz liebe Grüße von ihr ausrichten!“ sagt der Weihnachtsmann schnell. „Deine Mama möchte, dass du und dein Bruder,…. also, dass ihr euch immer an sie erinnert und sie nicht vergesst. Aber dass ihr trotzdem glücklich seid und euer Leben lebt. Und sie möchte, dass du ganz schnell wieder gesund wirst und nach Hause kannst. Aber dafür musst du dir dann auch helfen lassen. Es ist keine gute Idee, von einem Dach zu springen…“
„Aber komme ich dann nicht ins Eythymium?“ fragt Phoebe.
Als Ludde und Romy sich ratlos ansehen, sagt Phoebe: „Ich wollte zu meiner Mami.“
„Meinst du, ins Elysium?“ fragt Romy und Phoebe nickt.
„Das funktioniert nicht, indem man von einem Dach springt“, erklärt nun Ludde. „Du kommst dann dahin, wenn du an der Reihe bist.“
„Und wann das ist, das kann nur der liebe Gott entscheiden“, sagt Romy. „Nicht du und auch sonst niemand.“
„Also… muss ich warten, bis der liebe Gott meint, dass ich an der Reihe bin?“ fragt Phoebe und wirkt gleich wieder trauriger.
„Ja! Und so lange musst du hier unten dein Leben genießen“, erklärt Ludde. „Und deine Mama guckt dir immer dabei zu uns passt auf dich auf.“
„Ehrlich?“ fragt Phoebe.
„Sonst hätte sie dir ja nicht den Mann geschickt, der dich festgehalten hat, als du vom Dach springen wolltest“, meint Ludde.
„Ja, der Mann“, murmelt Phoebe. „Da hat aus dem Mund gestunken. Nach Döner und Zigaretten.“
„Aha“, räuspert sich Ludde.
„So so“, kichert Romy.
„Wir müssen dann jetzt wieder weiter“, sagt der Weihnachtsmann. „Wir haben bis Weihnachten ja noch einiges zu tun. Versprich uns, dass du dir ganz viel Mühe gibst, bald wieder gesund zu werden. Deine Mama freut sich, wenn du wieder nach Hause darfst. Und wir richten ihr schöne Grüße aus, wenn wir wieder im Himmel sind!“
„Wohnst du denn auch im Himmel?“ fragt Phoebe. „Ich dachte immer, du wohnst am Nordpol.“
„Im Himmel über dem Nordpol“, erklärt der Ludde schnell. „Aber von da aus ist es nur ein Katzensprung bis zum Himmel über München. Und da kann sich dann deine Mama von dir grüßen. Und nun, frohe Weihnachten!“
Damit verschwinden die beiden wieder.
„Ich schwitze wie ein Ochse unter diesem Kostüm und in dieser überheizten Räumen“, murrt Ludde, als die beiden wieder draußen auf dem Parkplatz sind und zündet sich eine Zigarette an.
„Kokel bloß nicht den Rauschebart an“, warnt Romy. „Sonst musst du das Kostüm noch ersetzen. Außerdem will der Weihnachtsmann bestimmt nicht nach Zigaretten und Döner stinken, so wie der Mann auf dem Kinodach.“
„Haha“, murrt Ludde.
„Ich finde, du hast das gut gemacht“, lobt Romy.
„Ich finde, WIR haben das gut gemacht!“ findet Ludde.
Gegen Abend berichtet Ludde Jack von seinem und Romys Besuch in der Psychiatrie, während die beiden die Villa betreten und sich unten im Eingangsbereich das Streusalz von den Schuhen treten.
„Glauben Sie, dass das eine gute Idee ist!“ meldet sich plötzlich Birthe zu Wort, die gerade die zu den Praxisräumen gehörenden Toiletten verlässt. „Einem traumatisierten Kind solche Märchen aufzutischen.“
„Anscheinend hat ihr das jedenfalls besser getan, als das, was ihr Halbgötter in Weiß in den letzten Wochen mit ihr angestellt hat“, schnauzt Ludde sie an und stiefelt die Treppe zur Wohnung hinauf.
Kopfschüttelnd sieht Birthe ihm nach und verschwindet wieder in der Praxis.
In ihrem Zimmer in der Psychiatrie sitzt Phoebe derweil vor ihren beiden Weihnachtspäckchen und überlegt, ob sie diese bereits heute öffnen oder bis zum Heiligen Abend warten soll. Schließlich reißt sie das Papier herunter. Es kommen ein Stoffhund und eine kleine Schachtel mit Haargummis zum Vorschein.
Phoebe tritt ans Fenster, blickt in den Abendhimmel und flüstert: „Danke Mami! Und schöne Weihnachten!“

CLIFFHANGER auf: Phoebe Peschke


Mitwirkende Personen
Phoebe Peschke
David Krämer
Wasti Huber
Ludde Mayer
Romy Brinkmann
Jack Aichinger
Dr. Birthe Tenge-Wegemann
Helga Beimer
Gabi Zenker
Andy Zenker
Valerie Zenker
Iffi Zenker
Nico Zenker
Antonia Zenker
Roland Landmann
Angelina Dressler
Hubertus zu Hohenlobese
Popo Wolfson
Giovanna Varese
Finn Schäfer
»Regina Lohmaier«/»Henriette von Rackwitz«

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: Fr 29. Dez 2023, 16:44 


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1906 - Interessant
BeitragVerfasst: Mo 1. Jan 2024, 23:27 
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Registriert: Mi 29. Sep 2010, 00:11
Beiträge: 11587
Popo: Danke für die Folge! Das war ein Lichtblick inmitten der stressigen Feiertage.


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