Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1902 - Die dunkelste Stunde
BeitragVerfasst: So 19. Nov 2023, 00:03 
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Folge 1902: Die dunkelste Stunde

Spieltag: Donnerstag, 16.11.2023


Dr. Benedikt Effenberg und Andrea halten am heutigen Vormittag mal wieder alleine die Stellung in der Praxis, da Iris und Lisa – wie alle anderen Nachbarn aus dem Haus Nr. 3 – heute an Mandys Beerdigung teilnehmen.
Nach ihrer deutlichen Ansage vor zwei Wochen ist der junge Arzt ein wenig auf Distanz zu Andrea gegangen, doch in den letzten Tagen scheint er wieder in eine andere Richtung zu rudern. Andrea hat den Eindruck, dass er wieder relativ häufig mehr Nähe zu ihr aufbaut, als es für ihr Arbeitsverhältnis notwendig wäre, und dass er sie dabei immer wieder scheinbar zufällig kurz berührt – eine Situation, durch die sie sich zunehmend unbehaglich fühlt…
„Gib’s zu; du hast gar keinen Freund“, sagt er plötzlich zu ihr.
„Wie kommst du denn darauf?“, fragt Andrea erschrocken. „Natürlich habe ich einen Freund.“
„Lisa meint, du wärst Single“, schmunzelnd Benedikt.
Andrea wird es heiß und kalt. „Du fragst Lisa nach meinem Freund aus?“, fragt sie empört.
„Bin ich wirklich so schlimm?“, erwidert er, ohne auf ihre Frage einzugehen. „So schlimm, dsss du vor mir einen Freund erfinden musst? Statt dass wir einfach mal miteinander ausgehen und uns einen netten Abend machen?“
„Lass das bitte!“, fordert Andrea ihn auf und dreht ihm den Rücken zu.
Benedikt sieht dies offenbar als eine Art Aufforderung und legt ihr die Hand in den Nacken
„Fass mich nicht an!“, schreit Andrea, während sie ruckartig herumfährt und ihrem Chef eine schallende Ohrfeige verpasst.
„Hoppla!“, ruft diese aus und reibt sich lachend die Wange. „Na, aber hallo! Ich liebe temperamentvolle Frauen!“
In diesem Moment betritt eine Patientin das Vorzimmer und unterbricht somit einen Fortgang des Geschehens. Dennoch verläuft der Rest des Vormittags sehr krampfig für Andrea, und auch als Iris und Lisa nach der Mittagspause wieder in der Praxis sind, wird es nicht besser. Ohnehin weiß Andrea überhaupt nicht mehr, was schlimmer für sie ist: Wenn Lisa zugegen ist oder wenn sie mit Benedikt alleine ist. Beides gleicht für sie mittlerweile einem Spießrutenlauf …
Im Laufe des Nachmittags lässt Iris ihren Nachfolger und ihre beiden Mitarbeiterinnen wissen, dass sie sie angesichts ihres bevorstehenden Abschieds gerne noch zu einem gemeinsamen Essen einladen möchte.
„Das trifft sich ja jetzt gut“, erklärt Benedikt hocherfreut. „Ich hatte nämlich auch schon einen ähnlichen Gedanken. Um hier noch meinen Einstand nachzuholen und weil ja Weihnachten naht, hätte ich euch beide, Andrea und Lisa, vor Weihnachten auch gerne noch zum Essen eingeladen. Und vielleicht könnte man das in Zukunft dann ja regelmäßig machen. Zum Beispiel immer zur Vorweihnachtszeit. Und vielleicht auch mal zwischendurch …“
„Das ist aber eine schöne Idee“, sagt Iris.
„Ja, finde ich auch!“ freut sich Lisa.
„Wenn man bis jetzt nichts reserviert hat, kriegt man eh vor Weihnachten nirgendwo mehr einen Tisch“, sagt Andrea schnell. „Na, bei all den Weihnachtsfeiern jetzt überall…“
„Zur Not lade ich euch zu mir nach Hause ein“, lacht Benedikt. „Ich koche nämlich gar nicht so schlecht…“
„Ich kann nicht!!“, sagt Andrea schnell.
„Aber er hat doch noch gar kein Datum genannt“, gluckst Lisa.
„Für mich ist sowas nichts!“, erklärt Andrea hektisch. „Ich möchte, dass wir Privates und Berufliches trennen!“
„Seit wann das denn?“ fragt Lisa konfus.
„Ich will einfach nicht!“, schreit Andrea und macht sich zur Irritation aller wieder an ihre Arbeit.
Doch die Sache wurmt sie weiter und dass Lisa sie nun permanent mit verständnislosen Fragen löchert, macht die Sache nicht besser. Und so sucht Andrea eine Weile später den Kontakt zu Iris.
„Iris, ich werde kündigen“, sagt sie.
„Wie bitte?“ Iris sieht Andrea verständnislos an.
„Wenn du gehst, denn gehe ich auch“, erklärt Andrea. „Ich werde dir morgen meine schriftliche Kündigung mitbringen.“
„Aber was willst du denn machen?“, fragt Iris verwirrt. „Und warum so plötzlich?“
„Ich hab meine Gründe!“, sagt Andrea knapp.
„Und die wären?“
„Das ist meine Privatsache“, entgegnet Andrea schnippischer als gewollt.
„Natürlich ...aber … entschuldige bitte, man wird doch wohl mal fragen dürfen.“ Iris ist sichtlich überfordert. „Wir konnten doch sonst immer über alles reden.“
„Ich… kann einfach nicht mit Benedikt arbeiten“, gesteht Andrea.
„Seit wann das denn nicht?“ Iris versteht die Welt nicht mehr. „Er hat sich doch super hier eingefügt. Und bisher hatte ich eigentlich immer den Eindruck, dass das passt mit euch.“
Andrea beginnt am ganzen Körper zu zittern. „Aber jetzt nicht mehr“, schluchzt sie.
Iris sieht sie erschrocken an. „Andrea, was ist passiert?,“ fragt sie besorgt.
Andrea atmet tief durch – und beginnt zu reden…
In dem Moment, in dem Iris und Andrea etwas später gemeinsam das Sprechzimmer verlassen, kommt Lisa aus dem Labor an der gegenüberliegenden Seite des Vorzimmers, während Benedikt am Anmeldetresen sitzt und gerade das Telefon weg legt.
„Ich hab gute Nachrichten“, berichtet er strahlend. „Ich hab noch einen Tisch reservieren können. In einem kleinen italienischen Lokal im Fliederweg. Für den 25. November. Da bist du doch auch noch hier, Iris, oder? Da können wir alle nochmal gemeinsam schön essen gehen.“
„Oh, prima!“ freut sich Lisa.
„Daraus wird nichts!“ sagt Iris kühl.
„Warum nicht?“, fragt Benedikt. „Hast du da keine Zeit? Musst du noch so viel vorbereiten für eure Abreise?“
„Ich werde dir meine Praxis nicht übergeben!“, erklärt Iris mit fester Stimme.
Sowohl Benedikt wie auch Lisa fällt die Fassung aus dem Gesicht.
„Häh?“ macht Lisa.
„Was ist denn jetzt los?“, fragt Benedikt – doch als er Andrea hinter Iris’ Rücken sieht, wird er plötzlich ein wenig nervös.
„Einem Mann, der seine bzw. meine Mitarbeiterinnen sexuell belästigt, werde ich meine Praxis definitiv nicht übergeben!“, sagt Iris.
„Wie bitte?“, fragt nun auch Lisa fassungslos.
„Ach, sexuelle Belästigung, so ein Unsinn“, winkt Benedikt schnell ab. „Das war doch nur ein kleiner Flirt! Andrea?! Nicht wahr!?“
„Ich hab dir gesagt, dass ich das nicht will“, sagt Andrea. „Und du hast trotzdem weiter gemacht!“
„Aber ich dachte, du willst es auch“, spielt Dr. Effenberg den Erstaunten.
„Was gibt es an NEIN nicht zu verstehen?“, fragt Andrea aufgebracht.
„Ich möchte, dass du jetzt SOFORT meine Praxis verlässt!“, fordert Iris ihn auf.
„Wir haben einen Vertrag!“, erwidert Benedikt scharf. „Wenn du jetzt zurücktrittst, ist das Vertragsbruch! Dann klage ich dich in Grund und Boden!“
„Das kannst du gerne versuchen!“, erwidert Iris selbstbewusst. „Ich frage mich ja, wer da in Zeiten von MeToo die besseren Karten hat und was das für deinen Patientenstamm und deinen Ruf bedeutet, wenn wir hier eine öffentliche Schlammschlacht austragen!“
Während Andrea plötzlich die Tränen übers Gesicht laufen, tritt Lisa schützend an ihre Seite. Iris hält derweil dem Blick des Kollegen tapfer stand. Dessen Selbstsicherheit beginnt zu weichen.
„Das ist doch jetzt nicht euer Ernst!?“ Effenberg lacht verlegen auf. „Ey, Leute, kommt schon!“
„Raus!“, sagt Iris wütend und deutet in Richtung Tür.
Einen Moment lang steht Effenberg da wie ein begossener Pudel.
„Fickt euch doch, ihr Scheiß Weiber!“, spuckt er schließlich aus, knallt seinen Schlüssel auf die Anmeldung, schnappt sich seine Jacke und geht…
„Danke“, flüstert Andrea – und Iris und Lisa nehmen sie von links und rechts in den Arm…
„Es tut mir so leid“, sagt Andrea, als die drei später bei einem Fencheltee als Wein- oder Sektersatz in der geschlossenen Praxis sitzen. „Jetzt hast du keinen Nachfolger mehr.“
„Bevor ich so einem meine Praxis überlasse, überlasse ich sie lieber niemanden“, winkt Iris ab.
„Und du sitzt jetzt meinetwegen ab Dezember auf der Straße“, sagt Andrea traurig zu Lisa. „Dabei hast du doch gerade erst im Krankenhaus gekündigt.“
„Drauf geschissen“, meint Lisa schulterzuckend. „Ich finde schon was Neues. WIR finden was Neues!“
Iris lacht kurz auf. „Ich werde euch beide so vermissen in den USA“, sagt sie und drückt Lisa und Andrea fest an sich…


„Gehst du nachher zur Beerdigung von der Frau aus dem Erdgeschoss?“, möchte Artjom beim Frühstück von seiner Mutter wissen.
Urszula senkt beschämt den Blick, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen. „Mein Chef hat mir leider nicht frei gegeben“, lügt sie hastig. „Aber ich habe sie ja ohnehin kaum gekannt…“
Hektisch beginnt die Polin, sich ein Brot mit Margarine zu bestreichen, um einen Grund zu haben, ihrem Sohn nicht in die Augen sehen zu müssen. Dabei hat sie überhaupt gar keinen Appetit. Denn heute ist der Scheidungstermin mit Christian Brenner, und Urszula hat es immer noch nicht fertig gebracht, Artjom darüber reinen Wein einzuschenken.
Als Artjom sich auf den Schulweg gemacht hat, eilt Urszula im ihr Schlafzimmer, um sich nochmal umzuziehen – raus aus der Alltagskluft in ein etwas ‚amtlicheres‘ Outfit – sie möchte bei ihrer Scheidung so seriös wie möglich wirken…
»Käthe« ist der einzige aus ihrem näheren Umfeld – abgesehen von Udo Bloch – der über den heutigen Termin Bescheid weiß. Und der steht kurze Zeit später auch vor der Tür, um ihr Glück zu wünschen.
Als Urszula etwas später auf dem Gericht erscheint, begegnet ihr Christian bereits auf dem Gang. Die beiden begrüßen sich nur knapp. Und auch der Termin selbst geht schnell und reibungslos über die Bühne. Doch als Urszula den Gerichtssaal als ‚freie Frau‘ verlässt und eigentlich nur noch schnell weg will, ruft Christian ihr doch noch hinterher. Zähneknirschend hält Urszula inne und wartet, bis ihr Ex-Mann sie erreicht hat.
„Was gibt’s denn noch?“, fragt sie. „Ich hab nur ein paar Stunden frei bekommen, ich muss gleich zur Arbeit!“
„War das jetzt alles?“, erkundigt sich Christian bitter. „So endet es jetzt? Das ist nun alles, was übrig bleibt von »bis dass der Tod uns scheidet…«?“
„Was erwartest du denn jetzt?“, fragt Urszula. „Das wir noch einen Kaffee trinken gehen? Das wir uns jetzt versprechen, dass wir Freunde bleiben? Oder was?“
„Wäre das so abwegig?“, fragt Christian. „Wir haben ja immerhin noch einen minderjährigen Sohn!“
„Du wirst Artjom jederzeit sehen können!“, versichert Urszula ihm.
„Was sagt er zu… unserer Scheidung?“, erkundigt sich Christian.
Urszula schluckt. „Er weiß es noch nicht“, gesteht sie ihm schließlich.
„Wie bitte?“ Christian sieht sie fassungslos an.
„Was denn?“, braust die Polin gereizt auf. „Es war einfach keine passende Gelegenheit da, um vernünftig mit ihm darüber zu sprechen!“
„Keine passende Gelegenheit, um mit ihm darüber zu sprechen, dass seine Eltern sich heute scheiden lassen?“
„Er ist ein sehr sensibler Junge“, verteidigt Urszula sich. „Man darf bei so einer Sache nicht mit der Tür ins Haus fallen!“
„Bei so einer Sache…“, wiederholt Christian.
„Christian, ich habe unsere Ehe nicht gegen die Wand gefahren!“, erklärt Urszula gereizt.
„Ich möchte Artjom am Wochenende abholen“, sagt Christian nüchtern. „Und ich hoffe, du kriegst es bis dahin auf die Reihe, ihm die Wahrheit zu sagen! Ansonsten werde ich es nämlich tun!“
Mit diesen Worten lässt er sie stehen und geht …
Zermürbt geht Urszula nach Hause, zieht sich um und macht sich auf den Weg zur Arbeit. Und noch zermürbter kehrt sie nach Feierabend nach Hause zurück – denn wieder mal ist sie mit ihrem Chef aneinander geraten. Sie hasst ihren gottverdammten Job in diesem gottverdammten Billig-Salon. Und sie fürchtet sich vor dem Gespräch, das sie nun mit Artjom führen muss. Aber natürlich ist ihr auch bewusst, dass Christian in diesem Punkt recht hat und sie sich nicht länger davor drücken kann…
Artjom sitzt in seinem Zimmer vor dem Laptop – wo auch sonst? Urszula duscht sich und zieht sich um – wie oft, verdammt nochmal, will sie sich an diesem beschissenen Tag eigentlich noch umziehen? Dennoch fühlt sie sich nun frischer und besser und ist gewappnet für das Gespräch…
Gerade als sie Artjoms Zimmer betreten will, klingelt es an der Tür. Draußen steht Udo Bloch – mit einem riesigen Blumenstrauß und einem noch größeren Korb voller Leckereien.
„Ich dachte, ich koche für uns“, begrüßt er sie fröhlich. „Zur Feier des Tages! Ich habe Wildschwein dabei!“
„Wildschwein!?!“ Urszula starrt ihn konsterniert an. „Christian… äh...Udo… heute ist es etwas unpassend. Ich muss dringend mit Artjom sprechen.“
Udo guckt sie ungläubig an. „Hast du mich grad allen Ernstes Christian genannt?“
„Ich bin völlig durch den Wind!“, entschuldigt sich die Polin. „Das war ein Horrortag heute! Und er ist noch nicht vorbei!“
„Du hast mich Christian genannt!“, sagt Udo nochmal und klingt angefressen.
„Ja! Weil mich dieser Mann nach meiner Scheidung immer noch vollkommen kirre macht!“ klagt Urszula.
„Wie, Scheidung?“ Artjom ist im Flur erschienen und blickt entsetzt zwischen Urszula und Udo hin und her.
„Oh Gott!“, stöhnt Urszula. „Artjom, es tut mir leid. Ich wollte nicht, dass du es so erfährst!“
„Wann?“, fragt Artjom und blickt Urszula kalt und missbilligend an.
„Heute“, gesteht Urszula.
„Und warum sagst du mir nichts davon?“ Blanker Zorn blitzt in den Augen des Jungen.
„Ich wollte ja, aber ich konnte nicht…“
„Ich hasse dich!“, fährt Artjom sie an.
„Aber… mein Gott… du wusstest doch, dass es dazu kommen würde“, versucht Urszula sich zu erklären.
„Verreck doch in der Hölle, Scheißfotze!“, schreit Artjom sie an und verschwindet Türe knallend in seinem Zimmer. Im nächsten Augenblick dröhnt ohrenbetäubende Musik durch den Wände.
„Na, bravo! Vielen Dank auch!“, ranzt Urszula nun Udo an.
„Ist das meine Schuld, dass du es nicht auf die Reihe kriegst, offen mit deinem Sohn zu kommunizieren?“, fragt er fassungslos.
„Entschuldige bitte“, murmelt Urszula unwirsch.
„Ich glaube, ich gehe jetzt besser“, brummt Udo und verschwindet mitsamt Blumen und Fresskorb.
„Scheiße!“, flucht Urszula. Kurz denkt sie darüber nach, an Artjoms Tür zu klopfen und das längst überfällige Gespräch mit ihm zu suchen. Das Gespräch, da sie schon sehr viel früher hätte suchen sollen. Doch dann kommt sie zu dem Schluss, dass das heute keinen Zweck mehr hat, und verbarrikadiert sich mit Ohropax ausgestattet in ihrem Schlafzimmer …

Heute wird Mandy beigesetzt.
Familienpflegerin Martha Liebrecht ist bereits früh zur Stelle, um auf die kleine Hope aufzupassen, während David mit Jeremy und Phoebe zur Beerdigung gehen wird. Die Stimmung am Frühstückstisch ist gedrückt, keiner bekommt einen Bissen herunter. Seit Tagen ist die Stimmung angespannt. Während Jeremy sich David gegenüber abweisend und aggressiv verhält, igelt Phoebe sich in der Trauer um ihre Mutter vollkommen ein…
Es klingelt an der Wohnungstür, als sie alle ihr Frühstück noch kaum angerührt haben: Iris und Alex stehen draußen, um mit David, Jeremy und Phoebe zum Friedhof zu fahren.
„I dua des hier scho furt rama“, erklärt Frau Liebrecht und deutet auf den Tisch. „Gengan's nur!“
Das Begräbnis findet unter große Anteilnahme der Hausgemeinschaft statt, obwohl Mandy eigentlich eher nur oberflächliche Kontakte zu den meisten ihrer Nachbarn gepflegt hat. Dennoch sind viele in der Friedhofskapelle versammelt: Helga und Andy, Marcella, Anna und Gung, Tanja und Konstantin, Lisa und Murat sowie Klaus sind gekommen, außerdem Wasti und Giovanna. Auch Lea ist da, obwohl sie mittlerweile ja nicht mehr im Haus Nr. 3, sondern auf der anderen Straßenseite über dem Akropolis wohnt.
Als die Predigt des Pfarrers bereits begonnen hat, öffnet sich die Tür der Kapelle nochmal und Mandys Bruder Ronny tritt ein und setzt sich in die hinterste Reihe.
„Hast du ihn doch ausfindig gemacht?“, flüstert Wasti David von hinten aus der zweiten Sitzreihe zu.
„Nein“, entgegnet David. „Keine Ahnung, woher er jetzt kommt…“
Während der Pfarrer seine wirklich schöne und gefühlvolle Predigt hält, rückt Jeremy, der links von David sitzt, immer weiter von ihm weg an den Rand der Bank, während Phoebe, die rechts von David sitzt, ihre Hand in seine presst.
Nach dem Gottesdienst zieht die Trauergemeinde von der Kapelle aus über den Friedhof zum Grab. Unbemerkt und unbeachtet von allen anderen Trauergästen hat sich ganz ans Ende der Prozession auch Rahel dazu gesellt, geht mit bis an Grab, klinkt sich aber aus und verschwindet schnellen Schrittes wieder, als alle anderen einzeln an das offene Grab treten, eine Rose zum Sarg hinab werfen und der Verstorbenen ihre allerletzte Ehre erweisen.
Phoebe, die gemeinsam mit David an das Grab getreten ist, sieht gefühlte Ewigkeiten zu dem Sarg hinunter und kann sich nur schwer vom Anblick losreißen und Platz für den nächsten Trauergast machen. Jeremy hingegen tritt alleine ans Grab und weigert sich wortlos, aber vehement, an Davids Seite zu stehen.
Nachdem der Letzte seine Blume hinabgeworfen hat, kehrt Phoebe erneut an das Grab ihrer Mutter zurück, wo sie schließlich wie versteinert verharrt und Rotz und Wasser heult.
„Der arme kleine Schatz“, flüstert Helga Lea und Klaus zu und es bricht ihr fast das Herz, dieses Kind so zu sehen.
„Ich weiß genau, wie sie sich fühlt“, sagt Lea leise.
David tritt hinter Phoebe und fragt leise: „Wollen wir jetzt gehen?“
„NEEEEIIIIIIIN!“, schreit Phoebe hysterisch und lässt sich auf die Knie fallen. „Neeeeeiiiiin! Mami! Mamiiiiii!!!!“
„Phoebe, komm jetzt!“, versucht es nun Jeremy und fasst seine Schwester an der Schulter.
„Lass mich!“, schreit Phoebe und schlägt seine Hand weg.
David bespricht schließlich mit Iris und Alex, dass er noch mit Phoebe auf dem Friedhof bleibt und ihr die Zeit lässt, die sie braucht – sie würden sich dann später ein Taxi rufen.
Der Rest der Trauergemeinde verlässt den Friedhof schließlich und findet sich kurze Zeit später zum Kaffee im Bayer ein.
„Ich finde, das ist eine abartige Tradition“, flüstert Giovanna ihrer Schwester zu. „Dieser Leichenschmaus hinterher. Warum tut man sich das an. Als ob es irgendeinen Grund zum Feiern gäbe, wenn ein Mensch gestorben ist…“
„Das macht man halt so!“, mischt sich Helga schnippisch ein, die Giovannas Kommentar gehört hat. „Wenn Ihnen das hier nicht passt, dann können Sie ja gehen!“
Ronny steht derweil draußen vor dem Café auf dem Bürgersteig und raucht eine Zigarette. Er ist unschlüssig, ob er hineingehen soll oder nicht. Dies hier ist die Trauerfeier für seine Schwester, aber mit ihm hat hier vermutlich keiner gerechnet und es ist mehr als fraglich, ob sie selbst ihn hätte dabei haben wollen.
Während er noch nachdenkt und sich gerade eine zweite Zigarette angezündet hat, hält ein Taxi und David und Phoebe steigen aus. Als David Ronny entdeckt, fordert er Phoebe auf, schon mal reinzugehen und geht anschließend auf seinen Schwager zu. Unschlüssig stehen sich die beiden Männer gegenüber.
„Ich wollte dich einladen, aber ich wusste nicht, wo ich dich erreichen kann“, sagt David. „Woher…?“
„Ich hab die Traueranzeige im Internet gefunden“, erklärt Ronny.
Nach einem weiteren Moment des Zögerns fragt David: „Kommst du mit rein?“
„Weiß nicht“, meint Ronny schulterzuckend. „Mandy hätte da wahrscheinlich nicht so viel Bock drauf gehabt …“
„Natürlich hätte sie das“, erwidert David.
Leicht zögerlich gesellt sich Ronny schließlich zur Trauergesellschaft. Er erzählt David, dass er wieder nach Jena zurückgekehrt ist, wo er jetzt einen Job hat – nichts Besonderes, Hilfsarbeiter in einer Fabrik, Fließbandarbeit – und eine kleine Wohnung – ebenfalls nichts Besonderes, aber für ihn reiche es…
„Es tut mir echt so beschissen Leid, dass Mandy und ich uns nicht mehr versöhnt haben“, sagt er. „Ich habe so viele Scheiß Fehler gemacht in der Vergangenheit. Und sie hatte alles Recht der Welt, wütend auf mich zu sein. Aber ich hätte ihr zu gerne noch gezeigt, dass ich mein Leben jetzt wieder im Griff habe. Und ich hätte ihr zu gerne bewiesen, dass es mir ernst damit ist, meine Fehler wieder gutzumachen. Jetzt ist es zu spät …“
Jeremy zeigt sehr großes Interesse an seinem unbekannten Onkel, nachdem er begriffen hat, wen er hier vor sich hat. Er setzt sich zu ihm und löchert ihn mit Fragen, während Phoebe völlig in sich gekehrt am anderen Ende der Tischreihe sitzt und vor sich hin starrt…
„Soll ich dir vielleicht einen heißen Kakao machen?“, fragt Anna sie. „Mit Sahne…?“
Doch das Mädchen schüttelt nur den Kopf.
Als sich die Trauergesellschaft nach dem Kaffee auflöst, verabschiedet sich auch Ronny.
„Willst du heute noch zurück nach Jena?“, fragt David.
„Ich muss! Morgen muss ich wieder arbeiten! Will ja meinen Job nicht verlieren. Hab den schließlich noch nicht lange…“ Er lacht verlegen.
„Wenn du mal wieder in München bist … Also, du bist bei uns jederzeit herzlich willkommen“, sagt David.
„Danke“, erwidert Ronny. „Das ist wirklich mehr Gastfreundschaft, als ich von Mandy jemals erwarten konnte…“
Ronny verabschiedet sich und fährt mit seinem klapprigen, alten Auto davon. David und die Kinder blicken ihm nach, bis er um die Straßenecke verschwunden ist, ehe sie nach Hause gehen. Es ist an der Zeit, Frau Liebrecht bei der Betreuung von Hope abzulösen. Und überhaupt ist es an der Zeit, das Leben ohne Mandy in Angriff zu nehmen. So schwer es auch fällt, aber es warten viele neue Herausforderungen und David kann sich nur schwer vorstellen, wie es nun weitergehen soll…
Während er sich dennoch bemüht in seine Aufgabe als alleinerziehender Vater stürzt, vergraben sich Jeremy und Phoebe in ihren Zimmern und trauern. Und insbesondere Phoebe leidet entsetzlich, denn ihr wird nun, nach der Beerdigung, immer deutlicher bewusst, dass ihre Mutter tatsächlich für immer gegangen ist und niemals zu ihr zurückkehren wird…
Am späten Nachmittag kommt Phoebe aus ihrem Zimmer. Jeremy hockt mit Kopfhörern vor seiner Spielkonsole, offenbar seine Art, mit der Trauer umzugehen und David ist damit beschäftigt, Hope zu füttern.
Phoebe zieht sich Jacke und Schuhe an. Unbemerkt schleicht sie sich aus der Wohnung und geht langsam in Richtung Spielplatz, wo sie sich auf eine der Schaukeln setzt und langsam und bedächtig vor sich hinzuschaukeln beginnt – ungeachtet der Kälte und der einbrechenden Dunkelheit…
In Gedanken versunken weiß sie gar nicht, wie lange sie dort schon geschaukelt hat, als plötzlich eine weibliche Stimme hinter ihr sagt: „Bist du traurig?“
Erst jetzt realisiert Phoebe, wie dunkel es inzwischen bereits ist. Als sie herumfährt, steht hinter ihr ein fremdes Mädchen, einige Jahre älter als sie. Phoebe nickt langsam und dreht sich wieder weg.
Das Mädchen setzt sich auf die andere Schaukel und fragt: „Was hast du denn?“
„Meine Mami ist gestorben“, erwidert Phoebe leise.
„Oh. Das ist traurig“, entgegnet die andere.
„Ich vermisse sie so“, sagt Phoebe traurig. „Und ich werde sie nie wiedersehen.“
„Irgendwann sehen wir uns alle wieder“, erklärt das fremde Mädchen. „Weißt du, nach unserem Tod, da kommen wir alle in ein wunderschönes großes Paradies. Elysium nennt sich das. Und da sehen wir alle wieder, die wir verloren haben im Leben. Und bleiben für alle Zeiten glücklich zusammen.“
Phoebe blickt die Fremde nun aufmerksamer an. „Aber ich bin noch zu jung“, sagt sie. „Und zu gesund! Das dauert noch lange, bis ich auch sterbe und dahin komme…“
„Man muss nicht unbedingt alt und krank sein, um zu sterben…“
„Nicht?“ fragt Phoebe.
„Nein! Man kann auch nachhelfen, damit es schneller geht!“, erklärt Tessa lächelnd...

CLIFFHANGER auf: Phoebe Peschke

Mitwirkende Personen
David Krämer
Hope Krämer
Jeremy Peschke
Phoebe Peschke
Dr. Iris Brooks
Alex Behrend
Andrea Neumann
Lisa Dagdelen
Murat Dagdelen
Wasti Huber
Marcella Varese
Giovanna Varese
Andy Zenker
Helga Beimer
Klaus Beimer
Lea Starck
Anna Ziegler
Gung Phan Kien
Urszula Winicki-Brenner
Christian Brenner
Artjom Brenner
Georg »Käthe« Eschweiler
Udo Bloch
Tanja Schildknecht
Konstantin Landmann
Tessa Anzberg
Rahel Katz
Ronny Köpke
Martha Liebrecht
Dr. Benedikt Effenberg

© ´popo wolfson` 2023

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Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: So 19. Nov 2023, 00:03 


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BeitragVerfasst: So 19. Nov 2023, 08:16 
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OMG, was für ein grauenhafter Cliffhanger :o


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BeitragVerfasst: So 19. Nov 2023, 12:30 
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:lol: Ich musste lachen bei dem Schlussbild. Vorher habe ich noch gedacht: wenn wir Glück haben, ist es Mechthild, wenn wir Pech haben, ist es Tessa, die da spricht.
Nun wird vermutlich Phoebe "die arme Tessa" mit Nahrung versorgen und im Gegenzug wird Tessa sie manipulieren.

Das war wieder eine inhaltlichsreiche Folge:
- Ich hätte nicht gedacht, dass Andrea sich durchringt und Iris so schnell reinen Tisch macht. Andrea hätte ja einfach kündigen können. Arzthelferinnen werden doch vielfach gesucht. Jetzt steht Andrea ja noch mehr unter Druck bzgl. Lisa. Oh, das wird spannend, wenn Lisa Murat erzählt, dass Andrea sexuell belästigt wurde... und Murat erstmal Bahnhof versteht [vermute ich]
- Udo Bloch erlebt man das erste Mal nicht ganz so super nett. Hat der noch eine zweite Seite? Einerseits ist es völlig nachvollziehbar, dass Udo Bloch auch Uschi mal kritisiert, aber irgendwie ungewohnt...
Naja, wer weiß, wie schnell Udo Block weg ist... hoffentlich trifft sich Artjom jetzt wirklich des öfteren mit Christian Brenner, um sich bisschen abzulenken ... von sich selbst.
- dass es Mandy nicht geschafft hat, ist wirklich traurig. Man hätte dieser kleinen Familie mehr Glück gegönnt. David wurde früher doch sowohl von Giovanna als auch von Lisa sehr umgarnt. Rahel könnte Konkurrenz bekommen? Wobei der David ja gar keine Zeit hat, um irgendeine Frau wahrzunehmen. David hatte doch eine besondere Verbindung zu Israel und hat dort lange gelebt. Naja, Rahel ja auch.


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BeitragVerfasst: So 19. Nov 2023, 12:45 
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fräulein hülschigung hat geschrieben:
Oh, das wird spannend, wenn Lisa Murat erzählt, dass Andrea sexuell belästigt wurde... und Murat erstmal Bahnhof versteht [vermute ich]

Murat stürmt los und poliert dem Effenberg das Gesicht, woraufhin Lisa dann ein Licht aufgeht :mrgreen:


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BeitragVerfasst: So 19. Nov 2023, 22:38 
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Wobei ich schade finde, dass das Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz schon wieder vorbei ist. Und irgendwie ist gar nicht so viel vorgefallen. Genau das macht es reizvoll.


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BeitragVerfasst: So 19. Nov 2023, 23:05 
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fräulein hülschigung hat geschrieben:
Udo Bloch erlebt man das erste Mal nicht ganz so super nett. Hat der noch eine zweite Seite? Einerseits ist es völlig nachvollziehbar, dass Udo Bloch auch Uschi mal kritisiert, aber irgendwie ungewohnt...


Naja, sie hat ihn mit dem Namen von ihrem Ex-Mann angesprochen. Und dann gibt sie ihm quasi noch indirekt die Schuld daran, dass Artjom jetzt so von der Scheidung erfahren hat. Ich finde, da kann man als Udo Bloch ruhig schon mal ein bisschen angepisst sein. :mrgreen:

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Charles R. Swindoll


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BeitragVerfasst: So 19. Nov 2023, 23:16 
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Ja sowieso :mrgreen: .
Ich denke auch, dass Usch gar nicht so einen treudoofen Mann braucht bzw. dass ihre das auf Dauer vermutlich fad werden könnte.


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