Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1892 - Nachhilfe
BeitragVerfasst: So 3. Sep 2023, 22:30 
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Folge 1892: Nachhilfe

Spieltag: Donnerstag, 31.08.2023

Mandy soll heute aus dem Krankenhaus entlassen werden und in ihre Wohnung zurückkehren. Mit Unterstützung von Iris sind in den vergangenen Tagen allerhand Vorbereitungen getroffen worden. Unter anderem wurde ein Pflegedienst engagiert und ein Pflegebett für Mandy angeschafft…
Während Phoebe sich gerade riesig über die Rückkehr ihrer Mutter freut, ist Jeremy skeptisch: Der immense Aufwand, der für Mandys Heimkehr betrieben wird und die vielen Veränderungen in der Wohnung beunruhigen ihn. Doch weder Jeremy noch Phoebe wissen bislang, wie es um ihre Mutter wirklich steht. Mandy hat sowohl David wie auch Iris eingetrichtert, dass sie ihren Kindern die Wahrheit nach ihrer Entlassung selber mitteilen möchte…
Während David, der sich heute frei genommen hat, auf die Ankunft des Krankentransports wartet, der Mandy nach Hause bringen soll, muss Iris in die Praxis, um noch ein paar Einweisungen mit ihrem zukünftigen Nachfolger Dr. Benedikt Effenberg durchzuführen. Der junge Arzt wurde bereits von Andrea mit Kaffee versorgt, als Iris eintrifft.
„Ich freue mich wirklich darüber, dass ich jetzt schon früher als geplant in die Praxis einsteigen kann“, sagt Effenberg. „Allerdings bin ich noch nicht ganz raus aus meinem alten Vertrag und muss zwischendurch immer noch einzelne Schichten im Notarztwagen fahren.“
„Ich weiß“, erwidert Iris. „Ich will ja auch noch nicht ganz raus, aus der Praxis, sondern nur schon mal ein wenig kürzer treten. Aber ich bin immer noch da und werde dich einarbeiten, unterstützen, den Patienten vorstellen… Also, wenn das okay ist, mit dem Du!“
„Natürlich, gerne!“ sagt Benedikt erfreut.
Auch in Bezug auf Andrea möchte er die Tradition fortführen, die Iris in der Praxis eingeführt hat, dass sich Arzt und Arzthelferin duzen.
Eine Weile später überlässt Iris ihrem Kollegen die Praxis bereits für eine Weile alleine, denn Mandy wird endlich in die Lindenstraße zurück gebracht und Iris möchte bei ihrer Ankunft dabei sein, auch weil die Chefin des Pflegedienstes sich angekündigt hat und Iris ihr einige Instruktionen geben möchte.
„Ich bin froh, dass ich wieder zuhause bin“, sagt Mandy erschöpft zu David und Iris, nachdem sich die Pflegedienst-Mitarbeiterin verabschiedet hat. „Ich möchte nicht im Krankenhaus sterben und auch nicht in einem Hospiz. Sondern hier!“
Mandy liegt kraftlos in ihrem Bett. Sie sieht schlecht aus und jedes einzelne Wort strengt sie an.
„Ich müsste euch noch etwas…“, beginnt Iris, um endlich das überfällige Geständnis ihrer Auswanderungspläne hinter sich zu bringen.
„Jetzt müssen Jeremy und Phoebe die Wahrheit erfahren“, unterbricht Mandy Iris’ Versuch. „Ich werde jetzt ein bisschen schlafen. Danach werde ich… werde… ich…. Dann…“
Noch während des Sprechens dämmert Mandy weg und Iris ärgert sich erneut über einen nicht genutzten Augenblick.
„Was wolltest du sagen?“ fragt David sie und reißt Iris aus ihren Gedanken.
„Äh… nichts“, erwidert Iris, die nun schon wieder der Mut verlassen hat. „Ich muss zurück in die Praxis, ich kann meinen Nachf… meine Vertretung an seinem ersten Tag nicht so lange alleine lassen.“
Iris verabschiedet sich eilig.
Mandy schläft mehrere Stunden durch. Jeremy und Phoebe kommen mehrmals an ihr Bett, doch Mandy bekommt überhaupt nichts mit.
„Wann wacht sie denn endlich mal auf?“ fragt Phoebe zunehmend ungeduldig.
„Keine Ahnung“, erwidert Jeremy leise, den zunehmend schwant, was dieser Zustand seiner Mutter wirklich bedeutet. Phoebe ahnt derweil nichts. Alleine die Tatsache, dass Mandy wieder zuhause ist, reicht für sie als Überzeugung dafür, dass es nun bald mit ihr bergauf gehen wird…
Als Mandy später wach ist, sucht sie endlich das Gespräch mit ihren Kindern.
„Ich möchte gerne mit euch reden“, sagt sie leise.
„Wie lange musst du denn noch so im Bett rumliegen?“ fällt Phoebe ihr sogleich ins Wort. „Wann können wir denn endlich mal wider was zusammen machen?“
„Jetzt lass sie doch mal ausreden!“ herrscht Jeremy seine Schwester.
„Aber die Ferien sind bald rum“, nölt Phoebe. „Ich würde so gerne nochmal was unternehmen, bevor die Schule wieder los geht.“
„Genau darüber möchte ich mit euch reden“, sagt Mandy müde. „Ich… ich werde nicht mehr… ich werde nichts mehr mit euch unternehmen können. Das… schaffe ich nicht mehr…“
„Aber wieso denn nicht?“ fragt Phoebe und klingt dabei ein wenig trotzig. „Du bist doch jetzt wieder zuhause, da wirst du doch bald wieder gesund!!!“
„Nein, ich werde nicht mehr gesund“, presst Mandy hervor.
„Heißt das, du musst jetzt für immer im Bett liegen?“ Phoebe wirkt empört. „Auch an Weihnachten? Und an Ostern? Und wenn wir Geburtstag haben?“
„Jetzt hör doch mal auf damit!“ sagt Jeremy, der den Ernst der Lage besser erfasst, scharf.
„Nein, ich finde das doof!“ plärrt Phoebe bockig.
„Ich… bin mehr… nicht mal sicher, ob ich… an Weihnachten… überhaupt noch da...bin… Oder an euren… Geburtstagen…!“ Mandy redet abgehackt, zum einen, weil das Sprechen sie übermäßig anstrengt, zum anderen, weil der Kloß in ihrem Hals wächst.
„Aber warum denn nicht?“ bohrt Phoebe weiter. „Meinst du, du bist dann wieder im Krankenhaus?“
Mandy schüttelt den Kopf. Dann sagt sie: „Ich befürchte, ich werde dann… woanders sein…“
Jeremy springt auf und stellt sich ans Fenster. Während er krampfhaft hinausblickt und es nicht mehr schafft, seine Mutter anzusehen, fragt Phoebe: „Wie, woanders? Wo denn?“
„Im… Himmel?“ flüstert Mandy kaum hörbar. Während Jeremy still und leise die Tränen übers Gesicht zu laufen beginnen, verliert Phoebes Gesichtsausdruck jegliche Fassung. Es dauert einige Sekunden, bis das Mädchen ihre Sprache wiederfindet, dann ruft sie aufgebracht: „Du lügst! Warum lügst du uns an! Du sagst immer zu uns, wir dürfen nicht lügen und jetzt lügst du selber! Das finde ich gemein von dir, das ist so gemein!!!“
Phoebe springt so schwungvoll auf, dass der Stuhl scheppernd zu Boden fällt und stürmt aus dem Zimmer. Jeremy läuft ihr nach und muss feststellen, dass sie die Wohnung bereits verlassen hat. Auch auf der Straße ist nichts mehr von seiner Schwester zu sehen. Er läuft in Richtung Park und findet sie schließlich auf dem Spielplatz… Eine Weile sitzen die beiden Kinder schweigend nebeneinander auf den Schaukeln und starren vor sich hin.
„Hast du das gewusst?“ fragt Phoebe irgendwann leise.
Jeremy zuckt mit den Schultern. „Ich weiß nicht genau“, erwidert er leise.
Nach einer erneuten Pause fragt Phoebe: „Was wird denn aus Mama, wenn sie im Himmel ist?“
Jeremy zuckt erneut mit den Schultern. „Ein Engel?“
Noch eine ganze Weile sitzen die beiden stumm da, ehe sie den Heimweg antreten. Und während David sich um Hope kümmert, legen sich Jeremy und Phoebe zu ihrer Mutter ins Krankenbett und führen ein langes und offenes Gespräch; über Mandys Krankheit; über das Sterben; über den Tod…
„Ich würde so gerne hier bleiben“, sagt Mandy. „Aber ich kann nicht mehr. Ich hab alles versucht. Die Ärzte haben alles versucht. Es geht nicht mehr…“
„Und was ist mit uns, wenn du…“, beginnt Jeremy zögerlich. „Müssen wir dann ins Heim?“
„Natürlich nicht!“ sagt Mandy erschrocken. „David ist noch hier. Und Iris und Alex… Und auch wenn ich nicht mehr hier bin… Ich bin trotzdem immer bei euch! Immer!“
Und so liegen sie da, bis einer nach dem anderen eingeschlafen ist…


Tessa schleicht sich in den frühen Morgenstunden im Schatten der Häuserfassaden zum Haus Nr. 3. Noch ist es dunkel und alles ruhig und friedlich. Tessa rüttelt an der Haustüre. Verschlossen. Sie schleicht zum Kellerschacht des Fensters, das zum Hobbykeller gehört, doch das Gitter darüber ist fest verschraubt und lässt sich ohne Werkzeug definitiv nicht lösen. Tessa erhebt sich und schleicht in den Hinterhof, fühlt an mehreren Garagentoren, nimmt die Fenster des Erdgeschosses in Augenschein, begutachtet die in den Hof hinausgehenden Kellerschächte – und muss feststellen, dass es keine Möglichkeit gibt, ins Haus zu gelangen…
Frustriert verlässt Tessa den Hof, überquert die Straße, schleicht entlang an der Buchhandlung Engel und dem Akropolis. An der Ecke überquert sie beim Biergarten die Kastanienstraße, rüttelt an der ebenfalls verschlossenen Haustür bei den Südländischen Spezialitäten, läuft weiter, vorbei am Café Bayer und landet schließlich vor dem noch leerstehenden Ladenlokal, in dem sich bis vor kurzem Nicos EMS-Studio befunden hat. Tessa betrachtet eingehend die Tür. Schließlich kramt sie ein Taschenmesser aus ihrem Rucksack hervor und beginnt damit, das Türschloss zu bearbeiten. Zwischenzeitlich muss sie ihre Tätigkeit ein paar Mal unterbrechen; einmal kommt auf der anderen Straßenseite ein Passant mit Hund vorbei, kurz darauf verlässt Hermann Benodakt den Hauseingang bei den Südländischen Spezialitäten für einen sehr frühen Morgenspaziergang… Doch irgendwann ist es geglückt und das Schloss ist geknackt. Tessa schlüpft ins Ladeninnere und präpariert das Schloss von innen so, dass die Türe nicht einfach aufspringt. Dann sieht sie sich um. Der Raum ist völlig leer. Tessa begutachtet das Hinterzimmer; ebenfalls leer, bis auf ein paar Briefumschläge und Bögen Druckerpapier in einer Ecke, die man wohl vergessen hat. Immerhin ist es hier warm und trocken und wenn sie sich in dem hinteren Raum aufhält, ist sie auch vor möglichen Blicken von Passanten durch das Schaufenster geschützt. Die letzten Nächte hat sie im Freien verbracht, aber Ende August wird es nachts doch schon sehr feucht und kühl da draußen und man spürt deutlich, dass der Herbst naht… Sie ärgert sich darüber, dass sie ihr doch recht komfortables Versteck in dem Hobbykeller verlassen musste. Dieses blöde, kleine, blonde Miststück…! Und ohne Simons Hilfe, muss sie nun auch selbst für Nahrung sorgen… Simon… Ob der überhaupt weiß, was geschehen ist? Sicher fragt er sich, wohin sie verschwunden ist… Sie müsste ihm irgendwie eine Nachricht zukommen lassen… Tessas Blick fällt auf das Papier und die Briefumschläge… Hastig kramt sie ihren Kugelschreiber aus dem Rucksack und berichtet Simon von ihrem neuen Versteck. Dann zerknüllt sie den Zettel wieder und schreibt ihm stattdessen, dass sie sich am Abend um 23 Uhr mit ihm auf dem Spielplatz im Park treffen will – sicher ist sicher, falls der Brief in falsche Hände kommt… Sie verklebt ihn in einem der Briefumschläge, schreibt SIMON drauf und überlegt, wie sie nun an die Briefkästen des Hauses Nr. 3 gelangen könnte. So ein Mist, dass die sich im Hausflur befinden und nicht draußen vor dem Eingang…
Am späteren Vormittag verlässt Tessa ihr neues Domizil. Die Kapuze ihres Hoodies tief ins Gesicht gezogen, eilt sie zur Lindenstraße 3. Die Tür ist immer noch verschlossen… Tessa drückt eine der Klingeln im oberen Geschoss, auf deren Schild Winicki-Brenner steht.
„Ja, bitte?“ kommt kurz darauf eine weibliche Stimme aus der Gegensprechanlage.
„Paketdienst!“ erwidert Tessa mit verstellter Stimme und der Türsummer ertönt. Tessa schlüpft ins Haus. Eilig sucht sie den Briefkasten mit der Aufschrift Schildknecht und steckt Simons Brief hinein. Im nächsten Augenblick hört sie, wie eilige Schritte die Treppen hinunter kommen und versteckt sich schnell im Kellereingang. Eine schlanke, dunkelhaarige Frau erscheint im Flur, blickt sie suchend um, verlässt das Haus, kommt aber nach ein paar Sekunden schon wieder zurück.
„Wollen die mich jetzt verarschen?!“ schimpft Urszula und steigt wieder nach oben.
Was ist das denn für eine, die ihrem Paketboten entgegen rennt, denkt Tessa kopfschüttelnd… Aber wo sie schon mal hier ist… Tessa schleicht in den Keller hinab, überprüft, ob die Tür zum Hobbykeller abgeschlossen ist… Dies ist leider der Fall. Schade, denkt sie. Als sie zurück gehen will, hört sie polternde Schritte auf der Kellertreppe. Schnell rennt sie in die Waschküche, der einzige Raum, der nicht verschlossen ist, und kauert sich neben eine der Waschmaschinen… Hoffentlich kommt derjenige jetzt nicht ausgerechnet hier her… Tessa hört schwere Schritte im Flur und sieht im Vorbeigehen einen Mann mit einer Werkzeugkiste, der weiter durch zu den Kellerverschlägen läuft. Danach hört sie, wie er flucht und mit Werkzeug hantiert. Anscheinend repariert er was…
Andy ist fluchend damit beschäftigt, in seinem Kellerverschlag das Vorratsregal zu reparieren, das gestern bei Helga eingestürzt ist. Hat wahrscheinlich unter der Last des ganzen Mehls gelitten, das Roland Gabi als Notvorrat eingeredet hatte. Seinen Schlüsselbund hat Andy auf einem Hocker neben der Tür abgelegt. Er ist so in seine Arbeit vertieft und mit seinem Fluchen beschäftigt, dass er gar nicht das Mädchen bemerkt, das sich von hinten an die Tür des Verschlags schleicht, die Schlüssel an sich nimmt und dann auf Zehenspitzen damit verschwindet…
Knappe drei Stunden später herrscht ein paar Etagen höher in der Alten-WG helle Aufregung, da Andy seine Schlüssel nicht mehr finden kann und auch Helga, Gabi und Popo in Alarmbereitschaft versetzt, ihm bei der Suche zu helfen.
„Da ist auch der Generalschlüssel dran!“ tobt Andy. „Wenn die Dressler das spitz kriegt, kann ich hier auf eigene Kosten die gesamte Schließanlage auswechseln lassen!“
„Das kommt nur davon, weil du immer so schlampig bist!“ tadelt Helga ihn. „Der kann ja nicht weg sein! Du guckst nur nicht richtig! Wer weiß, wo du da wieder mit deinen Gedanken warst! Wie mein Hansemann früher! Der ist bestimmt noch unten im Keller!“
„Da hab ich alles abgesucht!!!“ beschwört Andy. „Drei mal sogar!“
„Aber nicht gründlich genug!“ befindet Helga. „Popo, geh runter und such nochmal richtig!!!“
„Ich?“ schreit diese empört. „Why ich? Hab ich die verschludert?“
„Nun mach schon!“ mahnt Helga mürrisch und Popo erhebt sich im Zeitlupentempo und schlurft in Richtung Tür.
Zur gleichen Zeit schleicht sich Tessa zurück in den Keller. Von ihrem restlichen Geld hat sie sich alle Schlüssel an Andys Bund nachmachen lassen – diese Investition war es ihr wert. Leise schleicht sie sich an den Kellerverschlag der Alten-WG, blickt sich kurz prüfend um und schleudert den Schlüsselbund dann in eine Ecke neben das Vorratsregal. Dann betritt sie mit dem nachgemachten Hauptschlüssel den Hobbykeller. Kaum, dass sie die Tür des Raumes hinter sich verschlossen hat, kommt auch Popo nörgelnd die Kellertreppe hinunter, schlufft zum Verschlag, blickt sich suchend in dem Raum um – und findet binnen weniger Sekunden die Schlüssel in der Ecke.
„Hah!“ entfährt es ihr. „This grumpy old fool!“ Sie nimmt den Schlüsselbund an sich und geht damit nach oben. Andy kann es kaum fassen, als Popo ihm ihren Fund triumphierend unter die Nase hält.
„Aber ich hab da überall mehrfach gesucht!“ poltert er.
„Offenbar nicht gründlich genug“, sagt Helga.
„Du hast den da unten vor mir versteckt!“ fährt Andy Popo an.
„Ich?“ ruft diese empört aus. „Why ich sollte das tun?“
„Weil du ein kleines Biest bist!“ tobt Andy.
„Geh, jetzt is aber ma gut, Andy Zenker!“ herrscht Gabi ihn an. „Was hätt’ denn die Popo davon? Und wir wissen alle, was für a Depp du manchmal bist!!!“
Derweil ist Tessa unten im Keller sehr zufrieden, wieder in ihren alten Unterschlupf zurückgekehrt zu sein. Nun will sie noch warten, bis die Nacht einbricht, um ihre Sachen aus dem Laden in der Kastanienstraße zu holen.
In der Zwischenzeitlich findet Tanja Tessas Brief an Simon zwischen ihrer Post.
„Simon, hier ist ein Brief für dich!“ ruft sie.
„Was denn für ein Brief?“ fragt Simon verwirrt.
„Keine Ahnung. Kein Absender, keine Briefmarke. Den muss jemand so eingeworfen haben!“
Misstrauisch öffnet Simon den Umschlag – und erstarrt, als er die Zeilen liest: Tessa ist immer noch in München. Und sie will sich am Abend mit ihm im Park treffen. Sein Herz beginnt zu rasen. Da wird er auf gar keinen Fall hingehen!!! Seine Gedanken überschlagen sich und Simon braucht eine Weile, um wieder einen klaren Kopf zu fassen. Dann beschließt er, Tessas Nachricht einfach zu ignorieren. Was sollte sie ihm denn können? Wenn er nicht reagiert, wird sie wohl kaum einfach vor seiner Tür erscheinen… Einfach alles ignorieren und ausblenden… Irgendwann wird sie schon das Interesse verlieren und wieder verschwinden…

«Heute Nachmittag hast du ´Mathe-Nachhilfe`» lautet die Textnachricht, die an diesem Morgen von Emanuel auf ihrem Handy eingeht. Und Lovis verspürt sofort das spannungsgeladene Kribbeln in Anbetracht der für heute geplanten Aktion mit der Gruppe.
„Heute Nachmittag hat Emanuel viel Zeit“, erklärt Lovis kurz darauf beim Frühstück mit ihrer Familie. „Nachhilfe dauert darum länger.“
Nils und Kerstin nicken das Ganze knapp ab und sehen dabei nicht einmal von ihren Zeitungen auf. Maite und Merle zeigen ohnehin kein Interesse und drehen sich um ihre eigene Sonne, nur Annalena grinst ihre Schwester verschmitzt an.
„Gibt der dir wirklich nur Nachhilfe?“ will sie daher nach dem Frühstück neugierig von Lovis wissen.
„Was soll das denn heißen?“ fragt diese schnippisch. „Du meinst auch, dass alle so ticken, wie du, oder?“
„Ach, komm!“ sagt Annalena. „Nachhilfe in Mathe? Ernsthaft? Also ob das der einzige Grund wäre. Selbst wenn Mathe dein Problemfach ist; so katastrophal, dass du dafür gleich Nachhilfe brauchst, ist’s ja nun wirklich nicht…“
„Nur weil dir dein Abi-Schnitt scheißegal war, muss anderen das ja nicht auch so gehen“, erwidert Lovis gereizt und verschwindet in ihrem Zimmer.
Diese Spitze ihrer Schwester ärgert sie. Ja, sie ist tatsächlich ein bisschen in Emanuel verschossen. Aber das ist sicher nicht der Hauptgrund, warum sie das alles macht. Der Hauptgrund sind die Aktivitäten der Gruppe, hinter denen sie voll und ganz steht. Andererseits ist es natürlich besser, wenn Annalena glaubt, sie sei in ihren ´Nachhilfelehrer` verknallt, als wenn sie dahinter käme, was sie statt Nachhilfe wirklich macht. Demnach ist es ja vielleicht doch gar nicht so schlecht und sie sollte ihre Schwester in dem Glauben lassen, ehe ihre Aktivitäten noch auffliegen…
Derweil trifft Kerstin beim Einkauf im Supermarkt auf Robert Engel.
„Was für eine schöne Überraschung“, schnurrt dieser. „Haben Sie Gefallen an dem Büchlein?“ Verschwörerisch blinzelt er ihr zu.
„ Wie schon gesagt; es war für eine Kollegin!“ Kerstin ist langsam genervt von dieser ganzen Geschichte.
„Aber natürlich“, erinnert sich Robert und schlägt sich theatralisch an die Stirn. „Aber das muss ja nicht bedeuten, dass Sie nicht auch Spaß an ein paar sexuellen Spielchen haben, oder?“
Kerstin errötet. „Mein Mann und ich mögen es eher klassisch“, murmelt sie verlegen.
„Ach, dann haben Sie die Stellungen aus dem Buch also doch ausprobiert?“ erkundigt Engel sich süffisant. „Nun ja, womöglich war da einfach nicht das Richtige für Sie dabei. Es gibt ja auch noch andere Ratgeber mit anderen Tipps! Kommen Sie doch mal wieder bei mir im Laden vorbei, da kann ich Ihnen gerne was empfehlen…!“
„Nein, danke!“ erwidert Kerstin knapp und verabschiedet sich eilig.
Grinsend sieht Engel ihr nach und murmelt: „Möglicherweise hast du aber auch einfach nur den falschen Mann, Schätzchen!“
Später an diesem Tag macht Lovis sich auf den Weg zur ´Nachhilfe`. Als sie im Treffpunkt der Gruppe aufkreuzt, wird sie von Vincent und Robin freundlich begrüßt. Kevin und Zoe verhalten sich eher gleichgültig, während Nana sie wieder mal nahezu feindselig anblitzt. Emanuel hingegen bleibt voll und ganz auf der sachlichen Ebene und unterbreitet den anderen den Ablauf der heutigen Aktion: Der heutige Plan ist es, die Zufahrt zu einem großen Schlachthof zu belagern, an den Schweine über Österreich aus Ungarn geliefert werden. Schweine, die als Tiere aus besonders artgerechter Haltung deklariert werden, in Wahrheit aber sowohl in ihrem Zuchtbetrieb wie auch auf der Fahrt zum Schlachthof zu dutzenden in engen Käfigen eingepfercht werden. Der Plan ist es, eine heutige Lieferung von Schweinen, die durch gleich mehrere Lkw in den Schlachthof transportiert werden sollen durch eine Sitzblockade in der Einfahrt des Geländes zu vereiteln und gleichzeitig Aufmerksamkeit zu erregen.
„Ich glaub ja nicht, dass das was für dich ist, Püppi“, sagt Nana herablassend zu Lovis, als sich die Gruppe auf den Weg macht.
„Was soll das denn jetzt wieder?“ fragt Vincent genervt. „Bei Straßenkleben war sie doch auch dabei.“
„Ja. Und seither hat sie Hausarrest!“ lacht Nana abfällig. „Ist halt nichts für kleine Mädchen!“
Lovis lässt sich von Nanas Sticheleien nicht beirren, sie freut sich, wieder bei einer Aktion dabei zu sein. Die Gruppe bezieht in der Nähe des Schlachthofs Stellung und versucht dabei, zunächst möglichst wenig Aufsehen zu erregen. Erst als sich ein erster Lastwagen nähert, starten sie ihre Aktion. In Windeseile nehmen sie die gesamte Zufahrt zum Tor des Geländes ein und verteilen sich dort in gleichmäßigen Abständen auf der Fahrbahn.
Der Lkw näherte sich und der Fahrer beginnt, energisch zu hupen. Schließlich steigt er aus und beginnt auf die Gruppe einzuschimpfen. Als diese sich völlig ungerührt zeigt, wird er handgreiflich und zerrt zunächst Zoe, die außen sitzt, von der Fahrbahn. Während er sich anschließend Emanuel vornimmt, der an der entgegensetzten Seite sitzt und sich deutlich wehrhafter zeigt, huscht Zoe auf ihren Platz zurück. Dem wutschnaubenden Lkw-Fahrer wird schnell bewusst, dass er gegen sieben Leute alleine nicht viel ausrichten kann und er sieht sich nach dem Pförtner um, der eigentlich an der Zufahrt seinen Dienst tun sollte, doch der ist nicht in Sicht – das Tor steht weit offen. Vermutlich hat der Mann sich in eine Pinkelpause begeben und im Wissen seiner bevorstehenden Ankunft die Pforte vorsorglich bereits geöffnet. Nur bringt ihm das nicht viel, wenn eine Gruppe durchgeknallter Jugendlicher hier einen auf Revoluzzer macht und alles versperrt… Der Fahrer des Lastwagens wird zunehmend ungehalten, zerrt die jungen Protestanten teils an den Haaren von der Straße, flucht und tobt, wird der Situation aber nicht Herr, weil jeder, den er aus dem Weg räumt sofort an seinen Platz zurückkehrt, sobald er sich dem nächsten widmet.
Die Stimmung sprüht vor Aggressionen, nicht nur von Seiten des Lastwagenfahrers, denn je rücksichtsloser er zur Sache geht, umso aggressiver werden auch die jungen Gruppenmitglieder. Schließlich eskaliert die Situation vollkommen; der Mann steigt zurück in seinen Lkw. Mit den Worten „Wenn ihr nicht hören wollt…“ rollt er schließlich langsam mit seinem Transporter auf die Gruppe zu. Schreie aus Wut und Entsetzen kommen von Seiten der Gruppe auf, als der Wagen nur Millimeter vor ihnen wieder zum Stehen kommt, dann aber doch wieder stückweise weiterrollt, sie sogar berührt.
„Drecksack!“ brüllt Emanuel und schlägt wütend mit der flachen Hand gegen den Lkw.
„Haut ab, ihr verdammte Bagage!“ brüllt der Fahrer und rollt erneut einen Millimeter weiter. Die Gruppe weicht ein Stück zurück, lässt sich dann aber doch wieder auf der Zufahrt nieder, der Fahrer rollt erneut weiter. Und plötzlich geht alles ganz schnell: Der vor Wut rasende Fahrer sieht einfach nur noch rot. Blind vor Rage rollt er einfach weiter und die Mitglieder der Gruppe erkennen, dass er es wirklich ernst meint und vor nichts zurückschreckt und flüchten von der Straße – bis auf Lovis, die Emanuel und den anderen um jeden Preis ihren Mut und ihre Loyalität beweisen will und standhaft auf ihrem Posten bleibt, während sie einen der riesigen Vorderreifen auf sich zurollen sieht…
Kerstin fragt eine Weile später: „Wie lange kann so eine Mathe-Nachhilfe eigentlich dauern? So langsam könnte Lovis sich hier echt mal blicken lassen…“
Die gesamte Familie hat längst zu Abend gegessen, nur Lovis’ Teller steht noch auf dem Tisch.
„Ich finde, sie überspannt den Bogen“, meint Nils mürrisch. „Sie nutzt es jetzt schamlos aus, dass wir ihr erlaubt haben, für die Nachhilfe raus zu gehen und treibt sich bei der Gelegenheit vermutlich noch sonst wo rum…“
„Seid ihr wirklich so naiv oder tut ihr nur so?“ fragt Annalena grinsend. Als sie die verständnislosen Blicke ihrer Eltern sieht, fügt sie hinzu: „Na, es ist doch mehr als offensichtlich, dass Lovis total in ihren Nachhilfelehrer verknallt ist!“
„In diesen Studenten?“ fragt Nils fassungslos. „Wie alt ist der? Auf jeden Fall zu alt für Lovis! Ich finde, sie überspannt den Bogen wirklich!!!“
„Und ich finde, wie überspannen den Bogen!“ sagt Kerstin.
„Wie bitte?“ fragt Nils irritiert.
„Den ganzen Sommer lassen wir sie hier in der Bude hocken“, erklärt Kerstin. „Lovis hat doch nun wirklich lange genug büßen müssen für diese Aktion damals. Gönnen wir ihr doch mal ein paar Stunden in Freiheit. Und morgen heben wir ihren Hausarrest auf. Ich bin mir sicher, dass sie daraus gelernt hat und so einen Mist nicht mehr macht…“
In diesem Moment klingelt es an der Wohnungstür.
„Das ist sie bestimmt!“ vermutet Kerstin und eilt in den Flur.
„Und dann auch noch den Schlüssel vergessen“, mosert Nils.
Doch als Kerstin die Türe öffnet, steht draußen nicht Lovis, sondern eine Polizistin mit ihrem Kollegen. Nachdem die Beamtin sich vergewissert hat, bei der richtigen Adresse gelandet zu sein, sagt sie: „Es geht um ihre Tochter Lovis. Sie hatte einen… Unfall!“
Während Kerstin blass wird, räuspert sich der Kollege und murmelt: „Was man so Unfall nennt.“
„Wie bitte?“ fragt Kerstin und blickt ihn fassungslos an. Dann wendet sie sich wieder an die Polizistin und fragt: „Was ist mit meiner Tochter?“

CLIFFHANGER auf: Kerstin Wendland

Mitwirkende Personen
Lovis Wendland
Kerstin Wendland
Nils Wendland
Annalena Wendland
Maite Wendland
Merle Wendland
Tanja Schildknecht
Simon Schildknecht
Robert Engel
David Krämer
Hope Krämer
Mandy Peschke-Krämer
Jeremy Peschke
Phoebe Peschke
Dr. Iris Brooks
Andrea Neumann
Helga Beimer
Popo Wolfson
Andy Zenker
Gabi Zenker
Hermann Benodakt
Urszula Winicki-Brenner
Tessa Anzberg
Emanuel Armbruster
Nana Schütt
Vincent Wolff
Robin Bremer
Zoe Menninger
Kevin Fielmann
Dr. Benedikt Effenberg
Lkw-Fahrer
Polizistin
Polizistin


© »popo wolfson« 2023

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Verfasst: So 3. Sep 2023, 22:30 


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1892 - Nachhilfe
BeitragVerfasst: Mo 4. Sep 2023, 00:33 
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:( Popo, bitte keine Jugendlichen umbringen... Sie will doch nur die Welt retten.


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1892 - Nachhilfe
BeitragVerfasst: Mo 4. Sep 2023, 22:23 
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fräulein hülschigung hat geschrieben:
:( Popo, bitte keine Jugendlichen umbringen... Sie will doch nur die Welt retten.



(Spoiler) : Natürlich nicht! Ich hab der echten Lindenstraße nie ganz verziehen, dass sie damals Julia von der Marwitz getötet hat! :mrgreen:

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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1892 - Nachhilfe
BeitragVerfasst: Mo 4. Sep 2023, 22:38 
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Dann bin ich ja beruhigt. Schön, dass ich jetzt erstmal entspannter schlafen kann. :D
Wobei....Kontakt mit einem LKW...ui... eusa_silenced

Ja, das mit Julia von der Marwitz war wirklich krass. Ich fand sie echt anstrengend. Aber sie hat eigentlich nur die Katze befreien wollen.


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