Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1891 - Mistviecher
BeitragVerfasst: Sa 26. Aug 2023, 23:55 
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Folge 1891: Mistviecher

Spieltag: Donnerstag, 24.08.2023

Marcella wird am frühen Morgen aus dem Bett geklingelt. Als sie verschlafen ihre Wohnungstür öffnet, steht Gina im Hausflur – aufgedreht wie eh und je…
„Was dauert denn das so lange?“ fährt sie ihre Tochter an. „Soll ich hier draußen verstauben, oder was?“
„Weißt du eigentlich wie spät es ist?“ fragt Marcella gereizt. „Oder besser gesagt, früh?!“
„Das iste mir egal!“ kräht Gina. „Ich will wissen, was mit meine Bambina ist? Wie geht es ihr? Wie geht es Giovanna und wo iste sie jetzte?“
„Hier bestimmt nicht“, brummt Marcella – und erntet einen bösen Blick. Sie atmet durch und sagt: „Sie ist noch im Krankenhaus, was denkst du denn? Und wo warst du überhaupt die ganze Zeit? Seit Tagen versuche ich, dich zu erreichen! Gian-Luca hat gesagt, ihr besucht Micheles Familie auf Sizilien, aber da war keiner zu erreichen und dein Handy war auch die ganze Zeit aus!“
Schuldbewusst blickt Gina zu Boden. „Ich hatte keine Netz“, erklärt sie kleinlaut. „Ich war auf Stromboli…“
„Was hast du denn da gemacht?“ fragt Marcella irritiert.
„Eine Vulkanerde-Therapie“, erklärt Gina. „Zusammen mit Micheles Cousine Federica. Davon man soll werden jung und schön und faltenfrei!“
„Hat ja nicht so ganz funktioniert“, stellt Marcella bei einem Blick in Ginas Gesicht fest. Diese schnappt empört nach Luft, dann keift sie: „Was iste denn jetzt mit Giovanna!“
„Komm erstmal rein!“ fordert Marcella ihre Mutter auf.
Bei einem Kaffee am Küchentisch, berichtet Marcella, dass Giovanna sich – vermutlich durch den Zeckenbiss in Sankt Aloyisbeuern – eine Frühsommer-Meningoenzephalitis, eine sogenannte FSME zugezogen hat, die dann wiederum eine Entzündung des Rückenmarks ausgelöst hat, weshalb Giovanna in der Vorwoche ihre Beine nicht mehr spüren konnte.
„Madonna mia, che schifezza, so eine Scheiße!“ kreischt Gina aufgebracht. „Wie geht es ihr jetzt?“
„Besser, ihre Beine spürt Giovanna wieder und die Rückenmarksentzündung ist schon dabei, auszuheilen“, erklärt Marcella. „Das Problem ist…“
„Das Problem ist was?“ kreischt Gina, als Marcella nicht weiterspricht.
„Es gibt keine medikamentöse Behandlung gegen die FSME“, erklärt Marcella. „Man kann nur die Symptome behandeln, aber nicht die Ursache!“
„Was bedeutet das?“ kreischt Gina schrill. „Das meine Tochter nicht mehr wirde gesund? Dass sie jetzt für immer behalten muss diese BSE?“
„FSME“, korrigiert Marcella sie. „Das lässt sich im Moment noch nicht sagen. Mit Glück heilt das von selber wieder aus!“
„Mit Glück? Und mit Pech? Mit Pech behält sie jetzt diese FSK und bleibt eine Krüppel?“ schreit Gina.
„Jetzt warte doch erstmal ab, die Ärzte sagen, bisher verläuft der Heilungsprozess ganz gut“, versucht Marcella ihre Mamma zu beruhigen.
„Die Ärzte, die Ärzte!“ ätzt Gina. „Diese Halbgötter in weiße Kittel! Madonna mia!“
„Giovanna ist jung und gesund, die wird das verkraften“, ist Marcella sich sicher.
„Deine Worte in die Ohr von dem da oben!“ zetert Gina und deutet gen Himmel. „Und jetzt, ich brauche eine anständige Kaffee und nicht so eine Plörre! Wie kannste du eigentlich führen eine Café, wenn du noch nicht mal eine anständige Kaffee kochen kannst!“
Als Gina und Marcella zwei Stunden später gemeinsam das Krankenzimmer von Giovanna betreten, verdreht diese beim Anblick ihrer Mutter genervt die Augen.
„Was ist denn das hier für eine kahle, unpersönliche Raum?“ zetert Gina gleich los. „Das sieht hier ja aus wie im Knast! Hier kann man ja gar nichte gesund werden!!! War deine Vater eigentlich schon mal hier?“
„Hallo Mama“, sagt Giovanna bemüht freundlich. „Papa ruft mich jeden Tag an, aber ich habe ihm gesagt, dass er nicht extra herkommen muss!“
„Das iste unmöglich!“ nölt Gina weiter. „Seine Tochter liegt im sterben und er hat es nichte mal nötig zu verlassen seine Komfortzone!“
„Mama, ich liege nicht im sterben“, erwidert Giovanna genervt.
In diesem Moment kommt Lisa zur Blutabnahme in das Krankenzimmer und wird ebenfalls gleich von Gina angezickt: „Können Sie das nichte später machen? Ich finde das ziemlich unhöflich, Sie sehen doch, dass meine Tochter jetzte Besuch hat!“
„Ich mache hier nur meine Arbeit“, erwidert Lisa scharf. „Und wir brauchen eine Blutprobe, um zu sehen, ob die Entzündungswerte weiter runtergegangen sind!“
Marcella schämt sich für das unmögliche Verhalten ihrer Mutter mal wieder in Grund und Boden. Als sie später Gian-Luca im Marcellas ablöst, erzählt sie ihm von Ginas Auftreten im Krankenhaus und sagt: „Ich verstehe gar nicht, wie dein Vater es mit ihr aushalten kann. Ich verstehe nicht, wie es überhaupt irgendjemand mit meiner Mutter aushalten kann. Sie ist einfach nur unmöglich. Völlig daneben…“
Tatsächlich mochte Marcella Gian-Lucas Vater Michele noch nie, aber mit welcher Ruhe und Souveränität er die Eskapaden ihrer Mutter erträgt und damit scheinbar problemlos leben kann, wenn sie definitiv mehr als bemerkenswert.
„Mein Vater ist auch kein einfacher Mensch“, meint Gian-Luca nachdenklich.
„Zumindest ist dein Vater die Ruhe und Ausgeglichenheit in Person“, findet Marcella. „Jeder andere würde irgendwann Amok laufen, wenn er meine Mutter den ganzen Tag aushalten müsste – oder sich in irgendwelche Affären stürzen, wie mein Vater…“
„Glaubst du, Giovanna wird wieder ganz gesund?“ wechselt Gian-Luca das Thema, denn es ist ihm unangenehm, über ihre Eltern zu sprechen. Er weiß nur zu genau, dass sein Vater noch ganz andere Seiten hat, als die ruhige und ausgeglichene, die Marcella an ihm kennt…
„Ich denke schon“, meint Marcella zuversichtlich. „Es wird vielleicht noch eine Weile dauern, bis sie wieder ganz auf dem Damm ist, aber vermutlich wird das vollkommen ausheilen…“
„Wahnsinn, was so ein blödes, kleines Vieh wie eine Zecke anrichten kann“, überlegt Gian-Luca laut und Marcella nickt bestätigend…
Giovanna bekommt am späten Nachmittag im Krankenhaus Besuch von Wasti und freut sich sehr darüber. Sie mag ihn und es ärgert sie, dass ihr gemeinsamer Abend in der vergangenen Woche so unglücklich verlaufen ist. Giovanna hofft, dass sie bald wieder fit genug ist, damit die beiden das nachholen können – mit besserem Ausgang…


Als Simon an diesem Morgen mit einem in einer Mülltüte versteckten Frühstück für Tessa die Kellertreppe hinabsteigen will, kommt ihm eine aufgeregte Helga entgegen.
„Das darf doch alles nicht wahr sein, es ist unglaublich!“ zetert Helga.
Oh weia, denkt sich Simon, jetzt ist es passiert. Jetzt hat sie Tessa im Hobbykeller entdeckt.
„Was ist denn los?“ erkundigt Simon sich vorsichtig.
„Wir haben Mehlwürmer in unserem Keller!!“ berichtet Helga aufgeregt. „Und warum? Weil sich Gabi… also die Frau Zenker, von ihrem Cousin, dem Herrn Landmann hat bequatschen lassen, dass es in unsicheren Zeiten wie diesen lebensnotwendig ist, sich größere Vorräte anzuschaffen. Falls es zum Blackout kommt oder zum Atomkrieg oder zum neuen Lockdown oder zu was auch immer… Aber Mehlvorräte? Ich bitte dich! Das ist doch klar, dass das irgendwann solch ein Ungetier anlockt. Und jetzt haben wir den Salat!!! Dabei verlässt die Frau Zenker ja nicht mal mehr unsere Wohnung, seit der Sache mit dem Hotel. Dabei können wir ja noch froh sein, dass wir die Viecher nur im Keller haben!!! Stell dir mal vor, wir hätten die in der Wohnung!!! Nicht auszudenken!!! Widerlich!!!“
Zeternd und jammernd steigt Helga die Treppen empor und Simon ist erleichtert, dass die Aufregung nichts mit Tessa zu tun hat.
„Was war denn da los?“ fragt diese, als Simon den Hobbykeller betritt. „Ich hab eine Frau schreien gehört.“
Simon berichtet ihr von der ach so schrecklichen Entdeckung die Mutter Beimer in ihrem Kellerverschlag gemacht hat und Tessa fragt: „Sind Mehlwürmer giftig?“
„Äh… ich glaube nicht“, meint Simon.
„Dann verstehe ich die ganze Aufregung nicht“, meint Tessa achselzuckend. „Wenn Mehlwürmer giftig wären…. So richtig tödlich giftig… Wie Skorpione oder Schwarze Witwen… Das wäre cool!!!“
Simon ist mal wieder etwas fassungslos über Tessas morbide Denkweise. Er übergibt ihr ihr Frühstück und und eigentlich wieder verschwinden, doch Tessa hält ihn zurück.
„Was machen wir denn heute?“ will sie von ihm wissen.
„Ich mache heute mal was ohne dich!“ erklärt Simon. „Und überhaupt wäre es vielleicht besser, wenn du langsam mal nach Rosenheim zurück gehen würdest. Deine Eltern sterben vor Angst um dich! Die sozialen Netzwerke sind voll von Meldungen über dein Verschwinden…!“
„Sie sterben…?“ fragt Tessa grinsend und Simon findet ihre Vorliebe für das Thema Tod zunehmend abstoßend…
„Ich find’s zum kotzen, wie du dich aufführst!“ sagt Simon nun entschlossen und in größerer Lautstärke.
„Oh, wird der kleine Simon jetzt etwa wütend?“ fragt Tessa sarkastisch – und es entbrennt ein Streit zwischen den beiden…
„Hallo?“ ertönt plötzlich eine Stimme aus dem Kellergang – und die beiden verharren erschrocken.
„Hallo?“ kommt es noch einmal und Simon presst, mit Blick auf Tessa, seinen Zeigefinger an die Lippen. Doch es ist zu spät: Im nächsten Augenblick wird die Türklinke runtergedrückt – und Mila erscheint im Hobbykeller.
„Was macht ihr hier?“ fragt sie und blickt irritiert zwischen den beiden hin und her.
„Wir wollten gerade ficken!“ erklärt Tessa spitz – und Simon läuft knallrot an.
Mila blickt noch einmal skeptisch zwischen den beiden hin und her. Schließlich sagt sie: „Okay, dann will ich gar nicht weiter stören“. Und schon ist sie wieder verschwunden.
„Spinnst du?“ fragt Simon empört.
„War doch lustig“, grinst Tessa. „Und immer noch besser, als wenn wir ihr erzählt hätten, dass ich hier unten wohne.“
„Und wenn sie dich erkannt hat?“ fragt Simon.
„Dann müssen wir sie töten“, erklärt Tessa, ohne eine Miene zu verziehen.
Kopfschüttelnd verlässt Simon den Hobbykeller. Er hat keine Lust mehr auf dieses ganze Theater. Vielleicht sollte er Tessas Versteck einfach auffliegen lassen und dann so tun, als ob er nichts von ihr wüsste, als ob er sie nie zuvor gesehen hätte… Aber würde das funktionieren? So abgebrüht, wie Tessa ist…? Simon will das alles nicht mehr. Warum hat er sich nur je darauf eingelassen, sie persönlich zu treffen…
Als er etwas später in den Supermarkt möchte, kommt Mila ihm entgegen.
„Na! Hattet ihr Spaß da unten?“ fragt sie und ihm ist nicht ganz klar, ob das Ironie ist oder eine ernst gemeinte Frage. Simon wird erneut rot und stammelt ein paar unverständliche Halbsätze vor sich hin.
„Wer ist das überhaupt?“ fragt Mila weiter.
„Ni… niemand“, stottert Simon.
„Und dann habt ihr gleich Sex? Obwohl das niemand ist?“ fragt Mila grinsend und Simon wird noch röter.
„Ich muss jetzt weiter“, sagt Simon und eilt weiter in Richtung Supermarkt…
Eine Weile später wird Mila von ihrer Oma Helga mit dem Spezialauftrag in den Keller geschickt, das dort gelagerte Mehl mit samt sich den darin befindlichen Ungeziefern zu entsorgen. Mila entsorgt sämtliche Mehlpakete – und das sind nicht gerade weniger, hier hat sich Gabi ganz schön von ihrem Cousin in Sachen Hamsterkäufe einlullen lassen – in einen großen Müllsack. Als sie diesen dann durch den Kellergang in Richtung Treppe hievt, glaubt sie für einen kurzen Moment, ein nicht ganz definierbares Geräusch aus dem Hobbykeller gehört zu haben. Sie bleibt stehen und lauscht, doch alles bleibt ruhig. Mila schleppt den Müllsack bis zur Kellertreppe, wo sie ihn abstellt. Dann schleicht sie auf Zehenspitzen zurück zum Hobbykeller und lauscht. Und da war es wieder, ein kurzes Knacken, so, als ob sich darin jemand vorsichtig bewegt. Mila atmet tief durch, dann drückt sie die Türklinke hinunter – abgeschlossen. Stimmt auch, seitdem dieser ominöse Obdachlose dort übernachtet hat, sind die Mieter angehalten, immer den Raum zu verschließen… Doch zum Glück befindet sich an dem Bund mit dem Schlüssel zu Oma Helgas Kellerverschlag auch der Schlüssel zum Hobbykeller. Kurzerhand schließt sie auf und tritt ein. Und da sitzt sie; das Mädchen von vorhin, auf einer Luftmatratze, war offenbar gerade dabei, etwas in ein Buch zu schreiben und starrt sie nun mit offenen Augen an.
„Was machst du hier?“ fragt Mila.
Tessa, die schnell ihre Fassung wiederfindet, sagt scharf: „Ich warte auf meinen Stecher! Simon! Wir wollen gleich die nächste Nummer schieben!“
„Was schreibst du denn da?“ fragt Mila und deutet auf das Buch.
„Geht dich wohl gar nichts an!“ faucht Tessa sie an.
Mila bleibt in der Tür stehen. Sie hat das Gefühl, dass irgendetwas hier ganz und gar nicht stimmt…
„Weiß Simon, dass du noch hier bist?“ fragt sie.
„Ich hab dir doch gesagt, dass wir hier gleich eine Nummer schieben!“ zickt Tessa sie an. „Willst du zugucken oder was? Er muss jeden Moment zurück sein, besorgt nur kurz neue Gummis!“
„Warum trefft ihr euch ausgerechnet hier?“ fragt Mila.
„Weil wir den Kick brauchen, dass jederzeit jemand reinkommen könnte!“ Tessa funkelt sie boshaft an. „Und nun verpiss’ dich, Püppi!!“
„Bist du hier aus der Gegend?“ fragt Mila.
„Nein, ich bin vom Mars“, faucht Tessa. „Und nun Abflug!“
Mila macht schließlich auf dem Absatz kehrt. Dieses Mädchen ist ihr so dermaßen zuwider. Soll Simon sich doch hier unten treffen, mit wem er will, das geht sie schließlich wirklich nichts an…
Zurück in der Wohnung, schnappt Mila sich ihr Tablet und surft durchs Internet. In zwei Wochen wird sie nach London aufbrechen – und sie freut sich auf diesen neuen Lebensabschnitt. Während sie ziellos durch ihre Sozialen Netzwerke scrollt, erscheint plötzlich für Sekundenbruchteile das Bild eines Mädchens auf ihrem Display, das dem aus dem Keller zum Verwechseln ähnlich sieht. Nanu? Wird sie ihr als gemeinsame Bekannte angezeigt? Mila scrollt zurück – und stößt schließlich auf einen Post, in dem es darum geht, dass die 17jährige Tessa A. aus Rosenheim seit zwei Wochen vermisst wird und die Wahrscheinlichkeit, dass sie Opfer eines Verbrechens wurde, von Tag zu Tag größer wird. Mila betrachtet sich das Foto eingehender. Irgendwie sieht sie darauf braver aus, aber dennoch ist Mila sich absolut sicher, dass Tessa A. da unten im Hobbykeller ihres Hauses hockt…
Mila macht einen Screenshot von der Vermisstenanzeige und eilt mit ihrem Tablet unterm Arm zur Wohnung Schildknecht.
„Oh, hallo Mila“, begrüßt Tanja sie überrascht, als sie ihr die Türe öffnet.
„Ist Simon da?“ fragt Mila – und Sekunden später betritt sie sein Zimmer.
„Mila“, sagt er überrascht.
„Na, seit ihr schon fertig?“ fragt Mila spitz.
„Wie bitte?“ Simon wirkt irritiert.
„Deine Freundin und du habt ja wohl mehrmals täglich Sex im Hobbykeller“, entgegnet Mila bissig.
„Nicht so laut!“ zischt Simon und blickt verstohlen in Richtung Tür.
„Woher kennst du Tessa denn?“ fragt Mila, noch etwas bissiger.
„Te… Te…!“stammelt Simon und wird erneut rot.
Mila hält ihn das Tablet mit dem Screenshot unter die Nase. Simons Röte weicht nun einer Blässe – und im selben Augenblick knickt er ein und erzählt Mila die ganze Geschichte von sich und Tessa; wie sie beide sich in dem Internetforum kennengelernt haben, ihre erste Begegnung, Tessas selbstzerstörerische Art und ihre morbide Faszination für den Tod und die Tatsache, dass sie sich nun durch diverse Tricks und Lügen im Hobbykeller einquartiert hat und er im Grunde nichts lieber würde, als sie irgendwie wieder los werden. Hinterher fühlt er sich, als wäre ihm eine zentnerschwere Last von der Seele gefallen.
„Oh Mann“, sagt Mila. „Ich glaube, die braucht echt Hilfe!“
„Vor allem kann sie nicht länger da unten bleiben“, erwidert Simon. „Ich will die auch gar nicht mehr hier haben, ich hab inzwischen echt ein bisschen Angst vor der.“
„Dann machen wir jetzt einfach Nägel mit Köppen“, beschließt Mila.
„Und wie?“ fragt Simon.
„Ich erzähl meinem Vater, dass sich ein fremdes Mädchen da unten versteckt und dass ich sie aus dem Internet kenne“, erklärt Mila. „Dass sie polizeilich gesucht wird und ihre Eltern denken, ihr sei was zugestoßen. Danach kann sie definitiv nicht mehr da unten bleiben, mein Vater sagt entweder ihren Eltern oder der Polizei Bescheid!“
„Und wenn sie mich verpfeift?“fragt Simon fast panisch. „Ich hab sie schließlich da versteckt. Wer weiß, was das dann für mich wieder alles mit sich bringt, ich hatte echt genug Ärger in der letzten Zeit.“
„Du kannst doch überhaupt nichts dafür!“ befindet Mila. „Die hat dich ja quasi völlig überrannt!“
„Aber wenn sie mich verpetzt wird dein Vater es meiner Mutter erzählen“, sagt Simon. „Und du weißt doch, wie hysterisch die immer ist. Die wird mich danach wahrscheinlich nicht mal mehr vor die Tür lassen aus lauter Angst um mich!!!“
Mila denkt kurz nach, dann sagt sie: „Okay, dann machen wir es anders; wir halten meinen Vater da raus! ICH gehe runter zu ihr und sag ihr, dass ich sie erkannt habe und die Polizei verständigt habe. Dann bleibt ihr gar nichts anderes übrig, als abzuhauen. Und danach rufe ich wirklich die Polizei an und erzähle denen, dass ich sie irgendwo hier in der Nähe auf der Straße gesehen und vom Spacehorst-Aufruf erkannt habe. Wenn die Streifen hier in der Gegend dann Ausschau nach ihr halten, greifen sie sie vielleicht auf. Und falls sie dich dann wirklich ins Spiel bringt, streitest du einfach ab, sie zu kennen…“
„Aber… aber wenn die Polizei mich verhört… Ich weiß gar nicht, ob ich so gut lügen kann…“, zweifelt Simon unsicher.
„Klar kannst du“, meint Mila siegessicher. „Und überhaupt, warum sollten die dich verhören? Du hast ja schließlich keine entflohene Schwerverbrecherin beherbergt. Es geht um einen ausgerissenen Teenager und alle werden einfach nur froh sein, dass sie wohlbehalten wieder aufgetaucht ist.“
„Aber… aber wenn die anhand unserer Chats nachverfolgen können, dass wir uns kennen…?!“
„Boah, Simon, nochmal; warum sollten die das denn machen? Es geht hier doch nicht um organisiertes Verbrechen. Du glaubst doch wohl nicht, dass man wegen einer 17jährigen Ausreißerin so einen Aufwand betreiben wird, um herauszubekommen, was sie in letzter Zeit so getrieben hat. Die Polizei hat echt anderes zu tun, als das!“
Simon ist ein wenig sprachlos darüber, wie abgebrüht und kalkuliert Mila ist – glaubt dann aber plötzlich, dass sie tatsächlich recht haben könnte. Wenn Tessa erstmal wieder zuhause ist, kann sie erzählen, was sie will – keiner wird überprüfen, ob das Ganze stimmt oder nicht…
Und so taucht Mila kurze Zeit später erneut im Hobbykeller auf.
„Was willst du schon wieder?“ fragt Tessa genervt.
„Du bist Tessa Anzberg aus Rosenheim!“ sagt Mila ihr ins Gesicht. Und für einen kurzen Augenblick weicht die Fassung der jungen Ausreißerin. Doch dann hat sie sich wieder im Griff und fragt: „Wer behauptet das? Simon?“
Mila zieht ihr Tablet hervor und hält ihr den Screenshot unter die Nase. Tessa greift nach dem Gerät, doch Mila ist schneller und lässt es hinter ihrem Rücken verschwinden. „Ich an deiner Stelle würde mich jetzt ganz schnell vom Acker machen!“ erklärt Mila und bemüht sich, dabei genauso ungerührt und selbstsicher zu wirken, wie Tessa. „Ich hab die Polizei angerufen, die sind schon unterwegs!“
„Du bluffst!“ sagt Tessa und blickt ihr bohrend in die Augen.
„Kannst es ja drauf ankommen lassen!“ erwidert Mila und schafft es tatsächlich, dem durchdringenden Blick standzuhalten, ohne mit der Wimper zu zucken… Dann dreht sie sich um und verlässt den Keller.
Tessa steht einen Moment lang ratlos da. Ihre Gedanken überschlagen sich. Schließlich kommt sie zu dem Schluss, dass es hier zu riskant ist. Sie packt eilig ihren Kram zusammen und verlässt nahezu fluchtartig den Keller und das Haus. Auf der Straße blickt sie sich hektisch um. Noch ist nirgendwo ein Polizeiauto zu sehen. Tessa hetzt in Richtung Ulrike-Böss-Straße, biegt vor der Villa aber nach links in den Park ein und schlägt sich dort ins Gebüsch. Sie findet ein Versteck, von dem sie zumindest den hinteren Teil der Lindenstraße, der in Richtung Ulrike-Böss-Straße führt, im Blick hat. Sollte von dort in nächster Zeit ein Polizeiwagen kommen, würde sie es mitkriegen…
Derweil sitzen Simon und Mila in Milas Zimmer und unterhalten sich. Simon ist unglaublich erleichtert darüber, dass der Spuk nun vorbei ist. Und er fühlt sich unendlich dankbar Mila gegenüber…
„Ich fand dich ja, ehrlich gesagt, immer so ein bisschen schräg“, gibt Mila zu.
„Ich dich auch!“ erwidert Simon. „Du bist hier schließlich der Nerd.“
Beide grinsen. Dann sagt Mila: „Du hast irgendwie immer so einen auf unnahbar gemacht. Und nachdem Yannik dann gestorben ist, war das irgendwie noch extremer…“
Beide schweigen eine Weile. Schließlich durchbricht Simon die Stille und sagt: „Wir können uns ja vielleicht mal verabreden, wenn du in den Ferien aus London zu Besuch kommst.“
„Du kannst mich ja auch mal in London besuchen, übers Wochenende oder so“, schlägt Mila vor. „London ist eine coole Stadt, da kann man sicher viel unternehmen.“
„Okay… wenn meine Mutter mich dorthin lässt“, meint Simon nachdenklich.
Derweil verlässt Tessa ihr Versteck im Park und schleicht vorsichtig zurück in Richtung Straße. Nichts zu sehen von den Bullen. Ob die schon wieder weg sind? Oder ob dieses blonde Biest sie doch verarscht hat?
Wie dem auch sei, sie braucht jedenfalls ein neues Versteck – zu ihren Eltern nach Rosenheim geht sie auf gar keinen Fall zurück…

Mandy hat an diesem Vormittag gemeinsam mit David und Iris einen Besichtigungstermin in einem Hospiz. Hedwig Wollschläger, die Leiterin, führt die drei durch das Haus und erklärt ihnen das Konzept der Einrichtung. Mandy muss sich eingestehen, dass das alles ganz anders ist, wie sie es sich in einem Hospiz vorgestellt hat: Warme Farben an den Wänden, helle, lichtdurchflutete Räume, eine schöne Einrichtung, Bilder, Pflanzen… Sie hatte befürchtet, dass es hier nach Tod und Krankheit riecht und alles von einer Aura des Sterbens unterlegt ist…
Und dennoch sagt Mandy nach Abschluss der Besichtigung zu David und Iris: „Ich möchte da nicht hin! Ich will nach Hause!“
Obwohl Iris diesen Wunsch aus medizinischer Sicht nach wie vor nicht gutheißen kann, kann sie Mandy dennoch verstehen. Und zudem treibt sie weiterhin ihr schlechtes Gewissen, weil sie Mandy und David nach wie vor nichts von ihren Auswanderungsplänen erzählt hat.
„Okay, dann werden wir das versuchen“, sagt Iris plötzlich entschlossen.
David und Mandy sehen sie fragend an.
„Na, ich werde alles mit deiner Ärztin besprechen“, erklärt Iris. „Und dann werden wir einen Pflegedienst zu Unterstützung suchen und ich werde deine medizinische Betreuung zuhause gewährleisten. Vielleicht kann ja mein Nachfo… äh, ich meine, vielleicht kann ich eine Vertretung organisieren, damit ich in der Praxis etwas kürzer treten kann.“
„Das würdest du für mich tun?“ fragt Mandy ungläubig.
„Nun ja, es muss vorher natürlich einiges organisiert werden“, meint Iris. „Aber ich werde sehen, was ich machen kann.“
Eine Weile später sitzt David gemeinsam mit Wasti im Marcellas. Nachdem David sich erkundigt hat, wie es Giovanna inzwischen geht, berichtet er seinem Freund von dem, was Iris Mandy zu ermöglichen versucht.
„Dieses Hospiz ist wirklich… naja… schon irgendwie schön“, erzählt David. „Ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe. Und trotzdem kann ich mir vorstellen, wir sehr einen das runterzieht, wenn man dorthin soll…“
„Darf ich Ihnen noch irgendwas bringen?“ fragt Annalena am Nachbartisch, doch die Person, die nahezu vollständig hinter ihrer ausgebreiteten Zeitung verschwindet, winkt wortlos ab.#
„Dann will ich mal hoffen, dass das alles klappt und Frau Dr. Brooks sich damit nicht übernimmt“, sagt Wasti.
„Diese Frau ist echt Gold wert!“ findet David. „Es ist unglaublich, was sie alles für uns tut.“
Die beiden Männer zahlen kurz darauf bei Annalena und verlassen dann das Café. Als sie draußen sind, sinkt am Nachbartisch langsam die Zeitung herab und Rahel kommt dahinter zum Vorschein. Nachdenklich sieht sie den beiden hinterher…
Am späten Nachmittag betritt David erneut das Marcellas, diesmal in Begleitung von Iris. Marcella serviert gerade Lisa, die an einem der Nachbartische sieht, eine Cappuccino und entschuldigt sich nochmal für das ruppige Verhalten ihrer Mutter am Morgen, bei dem Besuch bei Giovanna im Krankenhaus, doch Lisa winkt ab.
„Du glaubst gar nicht, was wir da tagtäglich erleben“, sagt sie. „Mit Patienten, mit Angehörigen…“
„Doch, ich glaub’s die“, lacht Marcella. „Du glaubst gar nicht, was wir hier tagtäglich mit manchen Gästen erleben.“
Derweil diskutieren David und Iris am Nachbartisch darüber, wie die Betreuung der kranken Mandy zukünftig von Statten gehen soll. Iris berichtet, dass sie bereits im Kontakt mit einem Pflegedienst steht, der etwas mehr übernehmen würde, als die normalerweise üblichen Leistungen von maximal drei kurzen Besuchen am Tag.
„Und ich bin dann ja auch noch da“, sagt Iris.
„Findest du denn jemanden, der dich dann in der Praxis entlastet?“ fragt David.
„Es gibt da einen jungen Arzt, Dr. Effenberg, der will hier sesshaft werden… Möglicherweise kann der… ach, das wird schon irgendwie klappen!“ Iris tut sich schwer damit, mit David über den jungen Kollegen zu reden, der ihre Praxis übernehmen soll, schließlich ist dieses Thema für sie immer noch sehr heikel, da sie es einfach nicht schafft, ihm und Mandy endlich die Wahrheit zu offenbaren…
„Ich könnte euch auch helfen“, meldet sich plötzlich Lisa vom Nebentisch, die das Gespräch mit angehört hat. „Ich meine… ich bin schließlich Krankenschwester. Und wenn ich nicht gerade im Dienst bin… Ich wohne ja schließlich auch im Haus und bin quasi greifbar.“
„Ist das dein Ernst?“ fragt Iris ungläubig.
„Ja“, meint Lisa schulterzuckend. Die skeptischen Blicke von Iris und David bringen sie ein wenig aus der Fassung. „Nun guckt doch nicht so! Ich hab dabei keine Hintergedanken, ich will euch wirklich nur helfen!“
„Ich finde das… sehr nett von dir“, sagt David schließlich zögernd.
„Okay“, meint nun auch Iris. „Das ist wirklich klasse von dir. Und gemeinsam werden wir das auch hinbekommen.“ Iris nickt Lisa lächelnd zu und etwas von der Eiswand, die sich in der vergangenen Zeit zunehmend zwischen ihnen aufgebaut hat, scheint zu brechen…
Als Iris am Abend Alex von den neuesten Entwicklungen in Bezug auf Mandy erzählt, verspürt sie dennoch eine tiefe Verunsicherung – und fragt sich, ob sie nicht womöglich gerade das nächste Versprechen gegeben hat, das sie nicht einhalten kann…

CLIFFHANGER auf: Dr. Iris Brooks

Mitwirkende Personen
Simon Schildknecht
Tanja Schildknecht
Wasti Huber
David Krämer
Mandy Peschke-Krämer
Dr. Iris Brooks
Alex Behrend
Gian-Luca Conti
Marcella Varese
Giovanna Varese
Annalena Wendland
Lisa Dagdelen
Mila Beimer
Helga Beimer
Gina Conti
Rahel Katz
Tessa Anzberg
Hedwig Wollschläger

© »popo wolfson« 2023

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: Sa 26. Aug 2023, 23:55 


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1891 - Mistviecher
BeitragVerfasst: So 27. Aug 2023, 23:21 
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Registriert: Mi 29. Sep 2010, 00:11
Beiträge: 11587
popo wolfson hat geschrieben:
„Was bedeutet das?“ kreischt Gina schrill. „Das meine Tochter nicht mehr wirde gesund? Dass sie jetzt für immer behalten muss diese BSE?“
„FSME“, korrigiert Marcella sie.


Gina ist eine coole Rolle :D ("BSE" :lol:)

Mal sehen, wann Tessa wieder auftaucht/zuschlägt. Ich dachte ja für einen Moment, Tessa nutzt ihr Versteck und macht irgendwas Böses mit Mila. Tessa ist wirklich gruselig. Auch eine schöne Rolle.

Die Mandy Geschichte ist sehr tragisch.
Dass Iris nicht endlich wenigstens David mal reinen Wein einschenkt, nervt - v.a. ihr ständiges schlechtes Gewissen. Dieses Herumgeeiere passt total zu Iris, wie man sie kennt.

Tolle Folgen, Popo!!! Ich bin schon sehr gespannt, wie es weitergeht.


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1891 - Mistviecher
BeitragVerfasst: Mo 28. Aug 2023, 18:35 
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Registriert: Mi 15. Sep 2010, 12:37
Beiträge: 10005
fräulein hülschigung hat geschrieben:
Tolle Folgen, Popo!!! Ich bin schon sehr gespannt, wie es weitergeht.

Da schließe ich mich an!


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1891 - Mistviecher
BeitragVerfasst: So 3. Sep 2023, 21:56 
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Registriert: Mo 20. Sep 2010, 18:42
Beiträge: 504
gossenfilosof hat geschrieben:
fräulein hülschigung hat geschrieben:
Tolle Folgen, Popo!!! Ich bin schon sehr gespannt, wie es weitergeht.

Da schließe ich mich an!


Me too! :)


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