Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1876 - Kindstod
BeitragVerfasst: Sa 15. Apr 2023, 23:46 
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Folge 1876: Kindstod

Spieltag: Donnerstag, 13.04.2023

Im Hause Varese-Ritter herrscht Eiseskälte. Seit dem Tod von Matteo distanziert sich Sebastian von Marcella, geredet wird nicht. Sebastian schläft nachts auf der Couch, macht sich in aller Frühe auf den Weg in die Praxis und kommt abends erst so spät wie möglich zurück.
„Soll das jetzt ewig so weitergehen?“ fragt Marcella, als Sebastian an diesem Morgen erneut versucht, sich grußlos davon zu stehlen. „Wollen wir nicht mal… reden?“
Sebastian verharrt in der Wohnungstür und dreht sich langsam zu ihr um. „Worüber sollten wir den noch reden?“ fragt er tonlos.
Marcella atmet tief ein. Dann sagt sie: „Die… die Obduktion hat doch eindeutig ergeben, dass… dass Matteo am plötzlichen Kindstod gestorben ist.“
„Und das macht es jetzt besser?“ fragt er scharf.
„Es macht natürlich nichts besser“, erwidert Marcella. „Aber… du kannst mir doch nicht immer noch ernsthaft die Schuld daran geben!“
Nachdem er eisern schweigt, fügt sie hinzu: „Weißt du, wie sich das für mich angefühlt hat? Dass du mich hier vor der versammelten Nachbarschaft als Mörderin dargestellt hast! Dass du allen ernstest geglaubt hast, ich… hätte…“
„Was hätte ich denn sonst glauben sollen?“ fragt Sebastian kalt. „Nach allem, was du dir geleistet hast. Und überhaupt. Du hast doch keinen einzigen Moment um unseren Sohn getrauert. Für dich ist doch nur wichtig, dass du rehabilitiert wirst und keiner denken könnte, dass du Matteo umgebracht hast!“
„Das ist nicht wahr!“ widerspricht Marcella.
„Du hast ihn doch von Anfang an nicht gewollt“, sagt Sebastian und zieht die Wohnungstür hinter sich ins Schloss.
Paolo tritt aus der Küche und will etwas zu seiner Tochter sagen, doch diese verzieht sich wortlos in ihr Schlafzimmer.
Nachdem sie dort eine Weile ausgeharrt hat, hält Marcella es nicht mehr aus. Ohne sich von Paolo zu verabschieden, der in der Küche hantiert, verlässt sie die Wohnung… Draußen, im Hauseingang, stößt sie beinahe mit Helga zusammen.
„Oh“, entfährt es Mutter Beimer und sie macht einen Ausfallschritt und umrundet Marcella in einem großen Bogen, so, als würde diese unter einer hochansteckenden Seuche leiden.
„Ist irgendwas, Frau Beimer?“ fragt Marcella und sieht sie scharf an.
„Nein, nein“, sagt Helga schnell. „Ich war nur… Ich… ich muss dann…“ Und eilig stürmt Helga ins Treppenhaus und hastet die Stufen hinauf.
Marcella begibt sich auf den Weg zu ihrem Bistro, wo sie auf Gian-Luca trifft.
„Ich würde gerne sofort wieder anfangen, zu arbeiten“, erklärt sie ihrem Stellvertreter.
„So...sofort“, stammelt Gian-Luca irritiert.
„Naja, nächste Woche oder so“, erklärt Marcella.
„Bist du sicher?“ fragt Gian-Luca. „Ich meine, willst du nicht lieber…? Meinst du nicht, das ist noch zu… zu… früh? Ich meine, also… es ist doch gerade erst…“
„Meinst du, es geht mir besser, wenn ich zuhause sitze und mir die Decke auf den Kopf fallen lasse?“ fragt Marcella. „Wo Sebastian mich mit dem Arsch nicht anguckt und eisig schweigt, wenn er überhaupt mal da ist? Wo die Nachbarn tuschelnd an meiner Wohnungstür vorbei huschen, weil sie mich für das allerletzte Monster halten?“
Gian-Luca sieht Marcella mitleidig an. „Aber es ist doch nicht deine Schuld, was passiert ist“, sagt er.
„Du weißt nicht, wie diese Nachbarschaft hier tickt“, stöhnt Marcella. „Nachdem Sebastian da vor zwei Wochen seine… naja, seinen Emotionen freien Lauf gelassen hat… Jeder weiß jetzt von meinem… meinem Aussetzer vor ein paar Wochen. Und jetzt ist Matteo tot und sie haben alle wieder was zu tratschen, diese ganzen Lästerweiber…“
Marcella und Gian-Luca einigen sich schließlich darauf, dass Marcella nach dem Wochenende wieder in den Bistro-Betrieb einsteigt.
Als Marcella zuhause gerade die Tür aufschließen will, verlässt die schwangere Mandy die gegenüberliegende Wohnung.
„Oh hi!“ sagt Mandy und wirkt ein wenig überrumpelt.
„Hallo“, entgegnet Marcella zaghaft.
Für einen Augenblick stehen die beiden schweigend da. Dann fragt Mandy: „Wie… geht es dir?“
Marcella zuckt mit den Schultern. „Geht so“, sagt sie.
Erneutes Schweigen.
„Ich muss dann mal weiter“, sagt Mandy schließlich.
„Möchtest du vielleicht für einen Moment mit reinkommen?“ fragt Marcella.
„Okay“, erwidert Mandy – und kurz darauf sitzen die beiden gemeinsam an Marcellas Küchentisch. Paolo hat sich derweil daran gemacht, im Wohnzimmer das Fenster zu putzen.
„Ich stell mir das so schrecklich vor“, sagt Mandy bedauernd. „Ein Kind zu verlieren… Meine Kinder waren und sind für mich immer das Wichtigste im Leben…“
„Ich komme klar“, sagt Marcella leise und starrt auf Mandys Bauch. „Und wie läuft es?“
„Gut“, erwidert sie und schämt sich ein wenig für diese Aussage.
„Wisst ihr denn inzwischen, was es wird?“
„Wir wollen uns überraschen lassen“, antwortet Mandy kopfschüttelnd. Im nächsten Moment verzieht sie schmerzhaft das Gesicht und stöhnt: „Oh Mann, egal was es wird, an ihr oder ihr ist ein Preisboxer verloren gegangen. Beziehungsweise Boxerin…“
Marcella lächelt krampfhaft, dann sagt sie leise: „Ich fand das alles schrecklich. Die ganze Schwangerschaft, von Anfang bis Ende. Ich hab mich in meinem ganzen Leben noch nie so beschissen gefühlt. Ich frage mich, wie du das zum dritten Mal durchstehen kannst…“
„Ich habe jede Schwangerschaft genossen“, erwidert Mandy.
Marcella grübelt kurz darüber nach, ob sie das, was ihr gerade durch den Kopf geht auch wirklich aussprechen soll. Dann flüstert sie: „Vielleicht… ist es tatsächlich besser so, wie es ist.“
Als sie Mandys Blick sieht, der irgendwo zwischen fragend und schockiert schwankt, fügt sie hinzu: „Natürlich ist es schrecklich, dass ein Mensch gar nicht erst die Chance hatte, sein Leben zu leben. Aber… ich glaube, ich bin einfach nicht fürs Muttersein gemacht. Das funktioniert einfach nicht, ich bin nicht der Mensch für sowas…“
Mandy hat an dieser Aussage zu knabbern, dennoch kann sie Marcellas Standpunkt in gewisser Weise verstehen.
Als sie sich verabschiedet und von ihrem Stuhl erhebt, krampft sich ihr Unterleib zusammen und sie muss sich kurz stöhnend an der Stuhllehne festhalten.
„Ist… wirklich alles okay?“ erkundigt sich Marcella besorgt.
„Ja ja“ winkt Mandy ab. „Jeremy hat auch immer so doll getreten, ich kenne das!“
Als Mandy weg ist, denkt Marcella anerkennend darüber nach, wie Mandy ihr Leben als mittlerweile fast dreifache Mutter meistert, trotz ihrer überstandenen Krankheit, den frühen Tod ihres Mannes und all der anderen Hürden, die sie zu nehmen hatte. Und sie selbst war schon mit ihrer einzigen Schwangerschaft komplett überfordert…
Als Sebastian am Abend nach Hause kommt, erklärt Marcella ihm: „Ich werde nächste Woche wieder anfangen, zu arbeiten!“
Er sieht sie kurz an und ein Vorwurf huscht durch seinen Blick. „Wenn du meinst…“, sagt er schließlich.
„Du arbeitest doch auch!“ ruft Marcella ihm nach – doch da ist er bereits im Badezimmer verschwunden…

„Ich möchte den Stammtisch wiederbeleben“ verkündet Andy am Frühstückstisch in der Senioren-WG.
„Den Stammtisch?“ fragt Helga irritiert.
„What is Schammstisch?“ erkundigt sich Popo.
„Das war so eine schöne Zeit damals“, sinniert Andy. „Mit Erich und Hans und Hajo… Leider sind ja nur noch Gung und ich von der alten Runde übrig. Aber vielleicht lassen sich hier in der Nachbarschaft ja ein paar frische Gesichter finden, die für so etwas zu haben sind…!“
„Wenn’s meinst“, murmelt Gabi gleichgültig und konzentriert sich auf ihr Frühstück.
„Ach, Erich!“ seufzt Helga.
„What is Schwammtisch?“ bohrt Popo – und Andy erklärt es ihr mürrisch.
„That’s cool!“ freut sich Popo. „Ich bin deine erste frische Gesicht für diese Schlammtisch!“
Andy verschluckt sich an seinem Kaffee und prustet über den Tisch. „Das geht nicht“, keucht er.
„Why not?“ fragt Popo irritiert.
„Stammtisch ist ein Männerding!“ erklärt Andy brummig. „Frauen haben da nichts zu suchen!“
„Oh, that’s so sexistisch, Grumpy Old Andy“, stöhnt Popo. „And so retro. Du musst überdenken deine Sichtweise. Wir leben in the 21th Century!“
„Ich lass mir von einem Früchtchen wie dir bestimmt nicht meine Sichtweise vorschreiben!“ mault Andy.
Als das Akropolis am Mittag öffnet, steht Andy bereits dort auf der Matte, um sich bei Vasily nach dem Wiederauflebenlassen des Stammtisches zu erkundigen.
„Wie groß soll die Runde denn werden?“ erkundigt sich der Grieche.
„Gute Frage, kommt drauf an, wie viele Interessenten ich finde“, überlegt Andy. „Im Idealfall so fünf bis sieben Personen.“
„Gut“, sagt Vasily und deutet auf einen Tisch. „Dann würde ich den für euch reservieren. Gib mir einfach Bescheid, wann es losgehen soll.“
Und so begibt sich Andy in der Nachbarschaft auf die Suche nach Stammtischbrüdern und schlägt zunächst bei Gung auf. Der ist auch sofort Feuer und Flamme und gibt Andy die verbindliche Zusage, sofort wieder einzusteigen.
Danach steht Andy bei Alex vor der Tür und trägt ihm sein Anliegen vor.
„Ehrlich gesagt nicht“, erwidert Alex. „Es ist nämlich so… Also, es ist eigentlich noch nichts offiziell. Also behalte das erstmal für dich, okay? Iris und ich… wir… wir planen, gemeinsam mit Iris’ Vater in die USA auszuwandern. William hat Heimweh, er will fort aus Deutschland. Und Lara studiert ja inzwischen in Pennsylvania. Und daher liegt es nahe…“
„Aha!“ gibt Andy sich aufrichtig überrascht.
„Naja, vielleicht würde ich ja doch erst nochmal mitmachen, solange, bis er wirklich soweit ist“, überlegt Alex.
„Du bist jedenfalls herzlich Willkommen!“ freut Andy sich.
Im Anschluss denkt er kurz darüber nach, Roland mit an Bord zu holen, hat dann aber doch wenig Lust auf den sonderbaren Cousin seiner Frau und Lebensgefährten seiner Tochter. Stattdessen verschlägt es ihn in der Kastanienstraße zu den Wendlands, wo er bei Nils ebenfalls auf offene Ohren für sein Projekt stößt.
Zurück im Haus Nr. 3 läuft ihm im Eingang David über den Weg. Und auch er scheint nicht abgeneigt zu sein.
Als Andy wieder in die Senioren-Wohngemeinschaft kommt, hat Helga gerade Besuch von Klaus – und auch der wird sofort zu einer Teilnahme eingeladen.
„Auf gar keinen Fall, mein Hase!“ mischt sich Helga sofort ein. „Sieh dir nur an, wie dick du wieder geworden bist! Wenn du nun jede Woche beim Griechen hockst, literweise Bier trinkst und dann womöglich noch dieses fettige Essen in dich hinein futterst, wirst du ja bald platzen!“
„Mum, bitte, hörst du mal auf damit?“ zischt Klaus sie scharf an. „Ich muss dich ja wohl nicht um Erlaubnis bitten, ich bin schließlich keine 15 mehr!“
„Eben!“ sagt Helga. „Du bist jetzt in einem Alter, in dem man ein bisschen besser auf seine Gesundheit achten sollte. Wenn du weiterhin solchen Raubbau mit deinem Körper treibst, denn wird dich eines Tages auch noch ein Herzinfarkt dahin raffen – so wie den armen Erich…“
Als Helga in der Küche verschwunden ist, zwinkert Klaus Andy zu und flüstert: „Und natürlich nehme ich doch teil!“
Andy ist zufrieden. Immerhin hat er nun schon ein paar Weggefährten für sein Stammtisch-Projekt finden können und vielleicht gesellen sich später ja noch ein paar weitere Gesichter dazu...


Heute ist der Tag der großen Demo gekommen, an der Lovis hinter dem Rücken und gegen den Willen ihrer Eltern teilnehmen möchte.
„Ich gehe heute Nachmittag zu Luzie“, erklärt Lovis beim Frühstück und belauert dabei argwöhnisch ihre Familie. Noch vor zwei Wochen hat sie schließlich lang und breit verkündet, dass sie heute an dieser Demonstration teilnehmen möchte – und nun kann sie nur hoffen, dass diesen Termin niemand mehr so genau auf dem Schirm hat…
„Wer ist denn Luzie?“ erkundigt sich Kerstin.
„Das ist eine aus meiner Klasse“, erklärt Lovis schnell.
„Den Namen hab ich ja noch nie gehört“, merkt Kerstin an.
„Die ist auch noch ziemlich neu bei uns“, erwidert Lovis. „Ich will ihr bei Englisch helfen. Die waren an ihrer alten Schule noch nicht so weit, wie wir. Und wir schreiben nach den Ferien ja diese Klausur.“
„Das ist aber nett von dir“, sagt Nils anerkennend.
Ihre Eltern widmen sich wieder dem Frühstück, Annalena wischt auf ihrem Handy rum und Maite und Merle, die seit der Sache mit der Pyjama-Party immer noch zerstritten sind, kreisen derzeit sowieso nur um sich selbst. Scheinbar schöpft hier niemand Verdacht und Lovis ist unendlich erleichtert…
Dennoch ist es ungünstig, dass auch ihre Eltern sich in der Woche nach Ostern Urlaub genommen haben und somit ihre ganze Familie zuhause ist – denn schließlich muss Lovis ja auch irgendwie ihr Demo-Plakat unbemerkt aus der Wohnung schaffen.
DIE AMPEL STEHT AUF ROT, ABER IHR GEBT VOLLGAS!!! steht in großen, roten Buchstaben auf dem Plakat, das Lovis in den letzten beiden Wochen sorgsam unter ihrem Bett versteckt hat. Vorsichtig zieht sie es hervor und schleicht sich damit aus ihrem Zimmer. Als sie fast an der Wohnungstür angelangt ist, wird diese von außen aufgeschlossen und ihre Mutter tritt mit zwei Einkaufsbeuteln ein. Hastig huscht Lovis zurück in ihr Zimmer. Sie verharrt ein paar Sekunden lauschend hinter der Tür. Als sie ihre Mutter sicher in der Küche wähnt, tritt sie erneut in den Flur. Die wenigen Schritte bis zur Wohnungstür erscheinen ihr schier endlos. Endlich hat sie es geschafft. Als sie gerade im Treppenhaus steht, hört sie die Stimme ihrer Mutter: „LOVIS???“ Und dann Schritte, die sich durch den Wohnungsflur nähern. Eilig hastet Lovis ein paar Stufen hinauf, lehnt das Plakat an die Wand des Treppenhauses und huscht wieder runter.
„Was machst du da?“ fragt Kerstin, die inzwischen irritiert in der Wohnungstür steht.
„Ich hab nur was geguckt“, sagt Lovis atemlos.
„Was denn?“ fragt Kerstin und schielt die Treppen hinauf.
„Nichts“, erwidert Lovis. „Ich geh dann jetzt zu Luzie.“
„Okay“, sagt Kerstin schulterzuckend. „Bist du zum Abendessen zurück.“
„Nee, ich ess noch bei Luzie“, behauptet Lovis und geht langsam die Treppe hinunter, während Kerstin noch in der offenen Wohnungstür steht und ihr nachwinkt. Lovis nickt ihr krampfhaft lächelnd zu und verharrt hinter der Biegung, bis sie hört, dass die Wohnungstür endlich ins Schloss fällt. Dann hechtet sie die Stufen hinauf, um ihr Plakat zu holen – und erstarrt. Dagmar steht, mit in die Hüften gestemmte Hände vor dem Plakat und zetert lautstark: „Was soll das denn hier? Jetzt lädt hier schon jemand seinen Unrat im Treppenhaus ab. Unglaublich, so etwas!!!“
„Das ist meins“, keucht Lovis außer Atem. „ Das wollte ich gerade abholen.“
Dagmar blickt scharf zwischen dem Mädchen und dem Plakat hin und her.
„Ist das für eine Demonstration?“ fragt sie scharf. „Du gehst doch nicht etwa zu dieser Massenveranstaltung, von der schon seit Tagen in den Medien zu hören ist?“
„Nein, natürlich nicht!“ lügt Lovis schnell. „Das ist… für ein Schulprojekt!“
Damit schnappt sie sich das Plakat und stürmt die Treppen hinunter. Hoffentlich kommt diese blöde Kuh nicht auf die Idee, ihre Eltern darauf anzusprechen… Aber Lovis hat jetzt keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, sie muss sich jetzt echt beeilen, sonst ist ihr Bus weg…
Als Lovis an der Station aussteigt, die dem Gebiet, in dem die Demo stattfindet am nächsten liegt, ist bereits die Atmosphäre der Veranstaltung deutlich zu spüren. Überall strömen Menschen, alleine oder in kleinere oder größeres Gruppen, in Richtung des Geschehens, tragen Schilder, Plakate und Transparente bei sich. Es sind Sprechgesänge und Trillerpfeifen zu hören – und überall scheint Polizei zu sein. Offenbar hatte ihre Mutter recht und die nehmen das Ganze sehr ernst…
Ein wenig mulmig fühlt Lovis sich schon. Wenn ihre Eltern wüssten, dass sie wirklich hier ist. Vermutlich würde sie Hausarrest bis zum Abi kriegen… Aber egal, kneifen gilt jetzt nicht…
Und dann dauert es gar nicht mehr lange und Lovis ist mittendrin im Demonstrationsgeschehen. Und es ist bombastisch… Lovis wird sofort mitgerissen von der Stimmung und obwohl sie hier niemanden kennt, fühlt sie sich, wie unter guten Freunden. Lauter fremde Menschen, die eine gemeinsame Vision haben und gemeinsam für eine wirklich gute und wichtige Sache kämpfe. Lovis ist völlig geflasht von all dem. Sie hebt ihr Plakat in die Höhe und stimmt voll ein in die Rufe und Gesänge der Menschen um sie herum. Wahnsinn! Sie fühlt sich fast so, als könne sie fliegen…
Die argwöhnischen Blicke der Ordnungshüter, die sich überall im und am Rande des Geschehens herumdrücken, ignoriert sie einfach. Was wollen die denn auch? Es tut hier doch niemand was Unrechtes! Im Gegenteil: Dass, was sie hier tun, ist so wichtig! Und die Stimmung ist doch friedlich! Oder…?
Lovis weiß gar nicht so genau, was und wie es geschieht, denn plötzlich scheint die Stimmung so schnell zu kippen. Weiter vorne in der Menschenmenge ist ein Tumult zu hören. Wütende Stimmen, Schreie, Rufe. Und dann geht alles wirklich schnell. Irgendjemand in ihrer Nähe ruft: „Fuck the Police!“ Ein Stück vor ihr scheint es zu einem Handgemenge zu kommen. Die Schreie und Rufe werden lauter. Statt für den Schutz des Klimas und der Umwelt zu protestieren, fallen plötzlich in erster Linie Sätze wie „Scheiß Polizeistaat“ und Wörter wie „Bullenschweine“ und „Polizeigewalt“. Irgendein ein Beamter ruft etwas in ein Megafon, Lovis schnappt Wortfetzen wie „beendet“ und „nach Hause gehen“ auf, aber im allgemeinen Lärm um sie herum gehen die vollständigen Sätze unter. Und plötzlich gerät die ganze Menge um sie herum in Bewegung. Lovis wird angerempelt und verliert ihr Plakat. Als sie sich danach bückt, bekommt sie von irgendwo ein Stoß und kippt kopfüber in die Menschenmenge. Vergeblich versucht sie, sich aufzurappeln. Sie sieht ein paar Meter entfernt, wie ihr Plakat von den Menschenmassen zertrampelt wird und zieht panisch die Hände ein, weil sie Angst hat, dass ihr jemand auf die Finger tritt.
Orientierungslos robbt sie umher und versucht irgendwie, wieder auf die Beine zu kommen. Allmählich beginnt Panik in ihr aufzusteigen. Plötzlich ruft jemand über ihr so etwas wie „Wasserwerfer“ – und im nächsten Moment dreht sich die Welt um die eigene Achse, Lovis ist klatschnass und wird von einer Druckwelle ein Stück die Straße lang gespült. Sie schluckt Wasser und sieht alles nur noch verschwommen – und ihre Ohren pfeifen. Keuchend und röchelnd versucht sie, sich aufzurappeln und das Wasser aus den Augen zu reiben, um wieder sehen zu können. Und wie aus dem Nichts, wird sie von hinten hochgerissen und eine männliche Stimme, die noch nicht sehr alt klingt, ruft: „Komm mit! Hier lang!“ Doch Lovis kann immer noch nicht viel sein, stolpert blindlings drei Schritte vor, verliert das Gleichgewicht und kippt vorn über. Ehe sie erneut auf den Boden klatscht, wird sie aufgefangen. Jemand nimmt ihre Hand und zieht sie mit sich. Desorientiert und mit immer noch verschwommem Blick, lässt sie sich mitziehen.
Der Lärmpegel in ihrem Rücken schwillt an und plötzlich schießt ihr von hinten die nächste Ladung ins Kreuz und reißt sie von den Beinen. Auch der Typ, der sie mit sich gezogen hat und ein paar andere Leute gehen zu Boden.
Und dann passiert etwas, das Lovis aufgrund ihrer immer noch unklaren Sicht nur hören, staft sehen kann. Die Leute um sie herum werden vom Boden hochgerissen, aggressive Rufe und Flüche, dann wird auch Lovis plötzlich gewaltsam auf die Beine gezerrt und unsanft nach vorne gestoßen. Blindlings stolpert sie weiter – und findet sich plötzlich, als sich ihr Blick allmählich wieder klärt, auf der Bank eines Polizeibusses wieder. Irritiert blickt Lovis sich um. Neben ihr sitzt ein langhaariger Typ und fragt: „Geht’s?“
„Ich… ich…“, stottert Lovis. „Hast du mir grad geholfen?“
„Ich bin Emanuel!“ sagt er und streckt ihr die Hand entgegen – und dann wird die Tür des Busses zugeschlagen.
Die Wendlands sitzen gerade am Abendbrottisch, als das Telefon klingelt. Nils erhebt sich und sucht das Gerät.
„Liegt im Flur!“ ruft Kerstin, während Maite und Merle sich an den Tisch setzen und dabei gegenseitig keines Blickes würdigen.
„Isst Lovis nicht mit?“ fragt Annalena.
„Die ist noch bei irgendeiner Freundin“, erklärt Kerstin.
In diesem Moment betritt Nils wieder die Küche und ist kreidebleich.
„Was ist denn los?“ fragt Kerstin besorgt.
„Das war die Polizei“ erklärt Nils.
„Die Polizei?“ fragt Kerstin erschrocken. „Ist was passiert.“
Nils schluckt, dann sagt er: „Wir… sollen Lovis auf dem Revier in der Waldfriedstraße abholen…“

CLIFFHANGER auf: Nils Wendland

Mitwirkende Personen
Nils Wendland
Kerstin Wendland
Annalena Wendland
Lovis Wendland
Maite Wendland
Merle Wendland
Dr. Sebastian Ritter
Marcella Varese
Paolo Varese
Mandy Peschke
David Krämer
Andy Zenker
Gabi Zenker
Popo Wolfson
Helga Beimer
Klaus Beimer
Alex Behrend
Gung Phan Kien
Vasily Sarikakis
Dagmar Hoffmeister
Gian-Luca Conti
Emanuel Armbruster

© ´popo wolfson` 2023

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Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: Sa 15. Apr 2023, 23:46 


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1876 - Kindstod
BeitragVerfasst: So 16. Apr 2023, 18:36 
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Registriert: Mi 29. Sep 2010, 00:11
Beiträge: 11591
spannende Folge, Popo.
Mal sehen, wie es mit Lovis weitergeht. Ich bin immer noch bisschen irritiert, weil mir im Leben bisher nur ein männlicher Lovis begegnet ist. Aber hier ist Lovis ein Mädchen. Ich finde es aber cool, wenn in der Lindenstrasse wieder Jemand ernsthaft die Welt retten will und die Jugend sich engagiert.

Und Marcella: interessant, dass für uns als Leser nicht thematisiert wird, ob Marcella in irgendeiner Form Trauer für ihren Sohn empfindet, ob sie überhaupt Gefühle für ihn entwickelt hat, denn die Depression hatte sie ja mittlerweile ganz gut im Griff.
Ich hatte ja auch eine Bekannte, die während der Schwangerschaft eine Depression hatte und das Kind in ihrem Bauch komplett abgelehnt hat. Die werdenden Eltern waren sogar soweit, dass sie das Kind nach der Geburt weggeben wollten. Wobei der Vater sich eigentlich auf das Kind freute, aber diese Gefühle gar nicht zulassen konnte bis dato.
Das Kind blieb in der Familie. Der Vater und dessen Eltern haben der Mutter absolut den Rücken frei gehalten. Ich glaube, das ist bis heute so geblieben. Die Mutter geht ihren Hobbies fröhlich nach. Das Kind ist ein absolutes Papakind. Alle haben sich damit arrangiert.
Bei der Bekannten, die ich nur noch selten gesehen habe, war ich mir nie so sicher, wie ihre Gefühle zu ihrer Tochter nach der Depression waren, ob da wirklich große Gefühle sind.
Deshalb fände ich interessant, ob Marcella in der kurzen Zeit ihres nicht depressiven Zustandes Gefühle für ihr Kind entwickeln konnte. Es wirkt irgendwie nicht so.


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1876 - Kindstod
BeitragVerfasst: Mo 17. Apr 2023, 23:43 
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Registriert: Di 14. Sep 2010, 16:04
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Wohnort: Popihausen
fräulein hülschigung hat geschrieben:
spannende Folge, Popo.
Mal sehen, wie es mit Lovis weitergeht. Ich bin immer noch bisschen irritiert, weil mir im Leben bisher nur ein männlicher Lovis begegnet ist. Aber hier ist Lovis ein Mädchen.


Ich hab tatsächlich mal eine weibliche Lovis kennengelernt und fand den Namen total schön. Aber ich glaube, dass diese Form (Lovis als Mädchenname) eher in skandinavischen Ländern verbreitet ist. Die Mutter von "Ronja Räubertochter" hieß ja auch Lovis.

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