Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1872 - Kältepeitsche
BeitragVerfasst: So 12. Mär 2023, 13:23 
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Folge 1872: Kältepeitsche

Spieltag: Donnerstag, 09.03.2023


Lisa misstraut Murat weiterhin. Und ohne je von ihr direkt auf ihren Verdacht angesprochen worden zu sein, ist er in den letzten Tagen sehr darum bemüht, jegliches Misstrauen in Lisa zu ersticken – und weckt es dadurch nur noch mehr.
Und so verabredet sich Lisa mit Andrea in deren Mittagspause im Marcellas. Während Andrea sich in Lisas Gegenwart zunehmend unwohl fühlt, legt diese auch gleich los: „Ich glaube, er ahnt, dass ich was ahne!“
„W...was?“ stottert Andrea und steht sofort vollkommen neben sich.
„Weißt du, was er diese Woche zu mir gesagt hat?“ fragt Lisa scharf.
„N...nein?!“
„Er hat mir gebeichtet, dass er den Laden zwischendurch häufiger zumacht, wenn ich arbeiten bin!“
„Ach… wirklich?“
„Ja!“ erwidert Lisa spitz. „Und weißt du, was er gesagt hat, warum er das tut?“
„N… nein!“
„Angeblich, um sich zwischendurch ein bisschen hinzulegen! Weil ihn das stresst, den ganzen Tag im Laden zu stehen!“
„Aber das ist doch toll!“ sagt Andrea. „Dann hast du ja jetzt eine Erklärung für alles! Siehst du, du hast dich also doch getäuscht! Es ist alles ganz harmlos!!!“
Lisa starrt Andrea lange und durchdringend an. Diese hat das Gefühl, dass Lisa ihr gerade in die letzten Winkel ihrer Seele blicken kann und es läuft ihr heiß und kalt den Rücken runter…
„Bist du so naiv oder tust du nur so?“ fragt Lisa barsch. „Das ist doch der totale Bullshit! Das sagt er doch jetzt nur, weil er seinen Kopf aus der Schlinge ziehen will. Erstens würde Murat es ansonsten niemals freiwillig zugeben, dass er rumfaulenzt, statt zu arbeiten, und zweitens; wenn es wirklich so wäre, dann wäre selbst Murat nicht so dämlich, dass er das ausgerechnet zu den Stoßzeiten über Mittag oder abends machen würde. Er würde dann halt vormittags etwas später aufmachen oder sich nachmittags ein oder zwei Stündchen zurückziehen. Aber dann nicht über Mittag oder abends, wenn die meisten Kunden kommen. Aber dann hat seine Ische Mittagspause. Beziehungsweise Feierabend. Dann hat sie Zeit für ihn!“
Als Andrea Lisa nur belämmert anblickt, faucht diese: „Ist doch logisch, oder?!?“
„Ich… weiß nicht“, murmelt Andrea leise. „Ich kann mir sowas bei Murat irgendwie gar nicht vorstellen.“
„Natürlich nicht!“ erwidert Lisa harsch. „Weil du viel zu leichtgläubig bist und immer nur das Gute in anderen siehst. Deshalb hast du ja auch erst gar nicht geschnallt, dass du vor zwei Jahren deinen Typen mit einem halben Dutzend anderer Frauen geteilt hat!“
Andrea schweigt einen Moment. Dann fragt sie: „Was willst du denn jetzt machen? Ihn direkt mit deinem… deinem Verdacht konfrontieren?“
„Bist du verrückt? Damit er auch noch gewarnt ist?! Ich muss ihn in flagranti erwischen!“
Andrea starrt sie entsetzt an. „Und wie?“ fragt sie, beinahe ängstlich.
„Da denke ich mir schon was aus!“ sagt Lisa entschlossen und verabschiedet sich.
Kurz darauf taucht Lisa im Döner-Imbiss auf. Ihr Misstrauen Murat gegenüber ist ungebrochen und obwohl er sich bemüht, weiterhin Unschuld und Ahnungslosigkeit zu demonstrieren, machen ihn Lisas Anwesenheit und ihr forschender Blick doch sichtlich nervös.
Zurück in ihrer Wohnung, ruft Lisa im Krankenhaus an und meldet sich für ihren heutigen Spätdienst im Krankenhaus mit vermeintlichen Regelbeschwerden krank. Sollen die doch mal einen Tag ohne sie klarkommen, dann können die auch mal sehen, was sie ständig leistet…
Später an diesem Nachmittag steht Lisa ein paar Stockwerke tiefer bei David vor der Wohnungstür.
„Oh!“ sagt dieser ziemlich irritiert. „Das ist jetzt aber mal eine Überraschung.“
David erinnert sich lebhaft daran, wie unsterblich verliebt er damals in Lisa gewesen ist, als er und seine Tante Ines in der Lindenstraße gewohnt haben. Und wie unerreichbar sie die ganze Zeit für ihn gewesen ist. Seit seiner Rückkehr in die Lindenstraße hatten die beiden bis auf ein paar oberflächliche Begegnungen allerdings keine Berührungspunkte mehr gehabt – bis jetzt…
„Hallo David“, sagt Lisa und setzt ihr lieblichstes Lächeln auf. „Wie geht es dir?“ Doch ehe er überhaupt nur Luft holen kann, um zu einer Antwort anzusetzen, plappert sie schon weiter: „Du hattest doch früher immer so wahnsinnig viel Ahnung von so Computerdingen und so, stimmt’s?“
„Äh… ja, schon, irgendwie… also ich…“
„Das ist super!! fällt Lisa ihm ins Wort. „Könntest du auch so kleine Überwachungskameras installieren? So ganz kleine, die so klein sind, dass die einem auf den ersten Blick gar nicht auffallen. Und die ihre Aufnahmen dann aufs Handy oder Tablet oder auf den Laptop übertragen.“
„Ja… äh… schon, also...äh!“
„Prima!“ sagt Lisa. Und ehe David es sich versieht, beauftragt Lisa ihn damit, das erforderliche Equipment zu besorgen und eine Kamera in der Döner-Bude zu installieren und eine weitere in ihrem Schlafzimmer in der Wohnung.
„Willst du deinen Mann überwachen, oder was?“ fragt David skeptisch.
„Natürlich nicht“, sagt Lisa schnell. „Es ist nur… zum Schutz vor Einbrechern.“
„In eurem Schlafzimmer?“
„Ja, da bewahren wir Bargeld und Schmuck und sowas auf. Aber Murat soll nichts davon erfahren! Also von den Kameras!“
David muss grinsen. „Ja, nee, ist klar!“
„Was denn?“ faucht Lisa. „Machst du es jetzt oder nicht?“
„Ja“, sagt David. „Geht mich ja auch gar nichts an. Also, von mir aus, ich mach’s!“
Lisa ist zufrieden. Und wenn sie Murat jetzt sowohl im Imbiss wie auch in ihrem heimischen Schlafzimmer überwacht, steigert sich doch gleich die Chance, dass sie ihm und seiner Affäre auf die Schliche kommt…

Anna beobachtet vom Fenster des Café Bayer aus die obdachlose Frau, die auf einer der Bänke an der Lindenstraße kauert und vor sich hin starrt. Wie Harry früher, schießt es Anna durch den Kopf. Was aus dem wohl geworden ist? Irgendwann hat sie gehört, dass er sich in Richtung Süden aufgemacht haben soll, dass er irgendwo hin wollte, wo es wärmer ist… Ob er wohl noch lebt?
Anna wischt den Gedanken an Harry weg und fokussiert sich wieder auf die Frau da draußen. Es ist bitterkalt zur Zeit. Kurz vor dem Frühling will der Winter offenbar nochmal alles geben, die Temperaturen bewegen sich um den Gefrierpunkt, im Wetterbericht ist von einer ´Kältepeitsche` die Rede, die für das bevorstehende Wochenende noch mehr kalte Luft bringen soll, mit Schnee und Sturm und Nachttemperaturen bis zu 10 Grad minus…
Anna blickt sich um. Das Café ist vollkommen leer, hin und wieder etwas Laufkundschaft, um Brot oder Kuchen zu kaufen, aber keine Gäste an den Tischen.
Kurzentschlossen wirft Anna sich ihre Jacke über und eilt raus und über die Straße zu den Bänken.
„Darf ich Sie auf einen Becher Kaffee einladen?“ fragt Anna.
Mechthild schaut irritiert zu ihr auf. „Wie bitte?“ knurrt sie.
„Eine Tasse Kaffee bei der Kälte“, wiederholt Anna. „Und vielleicht auch ein Stück Kuchen oder ein belegtes Brötchen? Ich lade Sie ein.“
„Was wollen Sie von mir?“ fragt Mechthild mit hörbarem Misstrauen in der Stimme.
„Sie einladen“, sagt Anna nochmal. „Es ist doch viel zu kalt, um so lange hier zu sitzen…“
In diesem Moment setzt ein Nieseln aus Schneeregen ein. Mechthild schaut zum Himmel, dann erhebt sie sich und schlurft Anna hinterher ins Bayer.
Wenige Minuten später fällt sie über das Schinken-Käse-Sandwich her, das Anna ihr serviert hat, und trinkt ihren heißen Becher Kaffee. Dennoch scheint ihr Misstrauen zu bleiben.
„Warum machen Sie das?“ will sie von Anna wissen.
Anna zuckt die Schultern. „Einfach nur so. Keine Ahnung. Ich dachte, Sie könnten das jetzt gebrauchen.“
„Menschen machen nichts ohne Hintergedanken“, knurrt Mechthild.
Anna stutzt. Dann lächelt sie und sagt: „Okay, dann werde ich mir mal Gedanken machen, welche Gegenleistung ich dafür von Ihnen erwarte.“
Mechthild blickt sie einen Moment konsterniert an. Dann muss auch sie schmunzeln und knurrt: „Danke!“
Während Anna hinter ihrer Theke verschwindet, widmet sich Mechthild den Resten ihres Sandwichs, als Constanze Bayer, die Chefin der Bayer-Kette, das Café betritt.
Zunächst nimmt Frau Bayer keine Notiz von Mechthild. Sie widmet sich voll und ganz Anna und will von ihr wissen, wann Gabi Zenker endlich wieder zur Arbeit erscheinen wird.
„Meiner Cousine geht es immer noch nicht gut“, erklärt Anna.
„Aber das kann doch nicht ewig so weiter gehen“, zetert Constanze Bayer. „Vor allen mit diesem unbezahlten Urlaub, den sie da jetzt nimmt. Wenn Sie psychisch nicht in der Lage ist zu arbeiten, dann soll sie sich das ärztlich attestieren lassen und eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreichen. Hätte sie das so gemacht, dann hätte ich längst einen von der Krankenkasse finanzierten Ersatz für sie organisieren können. Aber so wird das natürlich nichts…“
„Ihr ist das Ganze auch unangenehm“, erklärt Anna.
„Unangenehm!“ wiederholt die Bayer herrisch. „Lächerlich, solch ein falscher Stolz! Und in der Zwischenzeit machen Sie hier ihre Arbeit mit. Mit solchen Allüren tut sie weder sich noch Ihnen noch dem Betrieb einen Gefallen. Sagen Sie ihr das bitte! Was… was riecht hier eigentlich so streng?“
„Ähäm…“, macht Anna, doch in diesem Moment fährt Frau Bayer bereits ruckartig rum und erblickt Mechthild.
„Was… äh…“, entfährt es ihr stockend.
„Sie ist ein zahlender Gast!“ erklärt Anna.
„Ein zahlender Gast“, wiederholt Constanze. „Äh… ja, schön, wenn sie zahlt, dann kann man ihr ja was mitgeben. Aber muss sie sich denn hier drin an den Tisch setzen? Sie hätten sie doch vielleicht dezent darauf hinweisen können, dass das… nicht ganz so passend ist. Wir sind hier schließlich keine Notunterkunft für… solches Volk!“
Ruckartig erhebt sich Mechthild und dreht sich in Richtung Theke. „Ihnen ist schon klar, dass ich Sie hören kann, oder?“ fährt sie Frau Bayer an.
„Äh...äh“, stammelt diese nur und weicht nervös zwei Schritte zur Seite, als die Obdachlose auf die Theke zukommt. „Vielen Dank für Ihre Freundlichkeit“, sagt Mechthild zu Anna, wirft Frau Bayer noch einen bösen Blick zu und verlässt das Lokal.
„In Zukunft suchen Sie bitte nach Lösungen, um solche Leute nicht unbedingt hier drinnen zu bewirten“, sagt Constanze zu Anna, als sie sich wieder halbwegs gefasst hat. Dann verlässt auch sie das Café.
Nachdem Anna später Feierabend macht und sich auf den Heimweg begibt, entdeckt sie erneut Mechthild, die sich jetzt am Eingang des Supermarktes rumdrückt. Und prompt erscheint Supermarktleiter Christopher Fröhlich auf der Bildfläche, um die Frau zu vertreiben. Wortfetzen wie „Ich habe Ihnen schon so oft gesagt…“ und „ich rufe die Polizei“, wehen über die Straße zu ihr hinüber. Fassungslos beobachtet Anna das Schauspiel, doch als sie gerade dabei ist, die Straße zu überqueren und dem Mann ihre Meinung zu sagen, ist dieser auch schon wieder im Supermarkt verschwunden.
„Was fällt ihnen eigentlich ein?“ brüllt Anna ihm nach. „Es ist ja wohl nicht verboten, sich hier draußen im Eingang mal unterzustellen.“ Doch Fröhlich ist bereits zwischen den Regalen zu verschwunden und nimmt keine Notiz von ihr.
„Lassen Sie’s gut sein“, sagt die Obdachlose. „So etwas bin ich gewöhnt.“
„Haben Sie nichts, wo sie heute Nacht unterkommen können?“ fragt Anna besorgt. „Es wird bitterkalt, Sie können unmöglich hier draußen bleiben, Sie holen sich ja den Tod!“
„Ich komme zurecht, ich lebe lange genug auf der Straße!“
„Es gibt doch Obdachlosenunterkünfte“, erwidert Anna.
„Dahin gehe ich nicht“, faucht Mechthild. „Da wird man nur beklaut!“
„Aber… aber hier draußen erfrieren Sie womöglich“ , entgegnet Anna.
Anna ist ernsthaft besorgt und drauf und dran, die Frau mit zu sich nach Hause zu nehmen. Doch ihre Gedanken überschlagen sich. Eine obdachlose Fremde über Nacht in der Wohnung, in der sie mit ihren Kindern lebt? Bei aller Nächstenliebe behagt ihr dieser Gedanke nicht …
„Ich bringe Sie zu einer Obdachlosenunterkunft“, versucht Anna es schließlich nochmal. „Für ein paar Tage wird das schon gehen, so lange, bis diese schreckliche Kältewelle vorbei ist…“
„Nein!“ weist Mechthild sie im schroffen und bestimmten Tonfall ab. Dann geht sie an ihr vorbei und verschwindet kurz darauf in der Dunkelheit. Verunsichert starrt Anna ins Dunkel. Sollte sie sie aufhalten? Schließlich lässt Anna es und geht nach Hause. Wenn diese Frau wirklich schon so lange auf der Straße lebt, wird sie sich wohl zu helfen wissen… Aber das schlechte Gewissen bleibt…
Mechthild irrt derweil durch den Abend. Jetzt hat es wieder angefangen zu schneien. Zudem wird es immer stürmischer und die Schneeflocken wirbeln in der Dunkelheit wie wild um sie herum. Sie fühlt sich wie in einem Tunnel wirbelnder, weißer Punkte und es ist wirklich klirrend kalt. Nachdem sie eine Weile durch den Park geirrt ist, kommt Mechthild wieder bei der Hotel-Ruine an. Dass dieses Haus aber auch abbrennen und einstürzen musste, der Keller war einfach zu perfekt als Unterkunft. Mehrmals hat sie in den letzten Wochen versucht, unter den Trümmern einen Zugang zu ihrem ehemaligen Versteck zu verschaffen – vergebens. Vermutlich wird dieses Trümmerfeld hier aber ohnehin bald abgetragen, so dass diese Option eh nur von kurzer Dauer gewesen wäre. Mechthild lässt von der Ruine ab und umrundet die Villa, rüttelt an Fensterläden… nichts…
Es treibt sie wieder die Lindenstraße entlang. Das Schneetreiben ist inzwischen so dicht, dass man, angesehen von wirbelnden und tanzenden Flocken, kaum noch etwas sehen kann.
Als sie auf Höhe des Hauses Nr. 3 ist, kommt Konstantin quer über die Straße geeilt. Im Schneesturm nimmt er die ältere Frau an der Hausfassade gar nicht wahr. Eilig kramt er seinen Schlüssel hervor, schließt die Haustür auf – und lässt sie nach dem Eintreten einfach hinter sich zu fallen, ohne sie wieder zu verriegeln…
Mechthild wittert eine Chance. Vorsichtig öffnet sie die Tür und betritt den Hausflur. Im Treppenhaus blickt sie sich suchend um. Von oben hört sie Konstantins Schritte, die auf den Stufen hinauf eilen.
Mechthild entdeckt die Kellertreppe und schleicht hinunter. Mehrere verschlossene Kellerverschläge entlang des Ganges, doch dann stößt sie hinter einer unverschlossenen Tür auf einen Raum, in dessen Mitte sich ein paar Fitnessgeräte befinden, ein Heim-Trainer, ein Laufband, eine Hantel-Bank, die alle schon seit längerer Zeit nicht mehr benutzt worden zu sein scheinen. An der Wand stehen mehrere Kisten und Kartons. Und auf einem Regal gleich neben der Tür liegt ein Schlüssel. Mechthild steckt ihn von innen ins Schloss – er passt. Perfekt, denkt sie sich und verschließt hinter sich die Tür. Hier könnte man es doch ein Weilchen aushalten…

Frostige Stimmung im Hause Varese an diesem bitterkalten Morgen, an dem die Temperaturen trotz des bevorstehenden Frühlings weit unter dem Gefrierpunkt liegen. Heute soll Sebastian nach seinem Unfall in der Vorwoche aus dem Krankenhaus entlassen werden, doch weder Paolo noch Marcella können sich augenblicklich wirklich darüber freuen. Eher ruhig und betreten sitzen Vater und Tochter an diesem Morgen am Frühstückstisch.
Nach längerem Schweigen räuspert Marcella sich und fragt leise: „Wirst du… ihm davon erzählen?“
Paolo springt auf und tigert wie ein Raubtier im Käfig in der Küche auf und ab. Nervös sagt er: „Das können wir ihm nichte verheimlichen. Er iste der Vater!“
„Aber… es ist doch gar nichts passiert“, flüstert Marcella.
„Ja!“ ruft Paolo aus. „Weil ich rechtzeitig nach Hause gekommen bin!“
In diesem Moment beginnt Matteo in seinem Bettchen zu plärren und Paolo lässt Marcella Marcella und Frühstück Frühstück sein und eilt zu seinem Enkel, um sich um ihn zu kümmern. Nachdem er Matteo gewickelt, gefüttert und dick eingepackt hat, macht er mit ihm einen Spaziergang durch die morgendliche Kälte und landet schließlich bei seiner anderen Tochter im Marcellas.
„Was ist eigentlich in letzter Zeit los mit dir?“, erkundigt sich Giovanna.
„Wase soll denn los sein?“ fragt Paolo konfus.
„Ja, das frag ich dich! Seit einigen Tagen bist du total komisch! Ist irgendwas passiert?“
Paolo sieht sich verstohlen um und vergewissert sich, dass die einzigen beiden Gäste, die sich an diesem Morgen durch die Kälte in das Bistro verirrt haben und an einem der hinteren Tische sitzen, außer Hörweite sind. Dann räuspert er sich und erklärt mit gesenkter Stimme: „Deine Schwester hat letzte Woche versucht, Matteo umzubringen…“
Es scheppert, als Giovanna mehrere Löffel zu Boden fallen lässt. „Sie hat was?“, fragt sie entsetzt und Paolo berichtet ihr von seinem Besuch im Akropolis, weil Marcella an diesem Tag endlich besser drauf zu sein schien, davon, dass er für sie erreichbar sein wollte und dann dummerweise sein Handy auf der Toilette hat liegen lassen. Von dem ehrlichen Finder, der das Teil am Tresen abgegeben hat, von den verstörten, panischen Nachrichten, die Marcella ihm in der Zwischenzeit darauf hinterlassen hat und davon, dass er, als er daraufhin sofort nach Hause eilte, Marcella vorfand, wie sie gerade dabei war, Matteo in seinem Bett unter einen Kissen zu begraben…
„Heilige Scheiße…!“ entfährt es Giovanna. „Und… und was sagt sie jetzt dazu?“
„Sie war vollkommen aufgelöst, sie hat das nicht machen wollen, sagt sie. Aber ich weiße nichte, wie weit sie gegangen wäre, wenn ich nicht rechtzeitig… das Kissen lag ja schon aufe ihm!“
Giovanna starrt ihren Vater ungläubig an. „Warum erzählst du mir sowas denn nicht?“ fragt sie fassungslos.
„Ich… es… es hat schon was mit ihr gemacht!“ erklärt Paolo. „Sie iste wohl geschockt über sich selbst. Sie nimmt jetzt ihre Medikamente und geht zu ihrem Therapeuten… Sie… sie scheinte allmählich aufgewacht zu sein…“
Giovanna ist immer noch dabei, diese Neuigkeit irgendwie zu verdauen und kann keinen klaren Gedanken fassen. „Aber ist denn dann jetzt nicht alles in Ordnung?“ fragt sie unwirsch.
„In Ordnung?“ fragt Paolo aufgebracht. „Sie wollte ihren eigenen Sohn ersticken. Und jetzt kommte heute Sebastiano aus die Krankenhaus. Wie gehen wir denn damit um? Marcella erwartet, dass wir ihm diese Sache verheimlichen…“
„Ist ja vielleicht auch das Beste?“ Giovannas Aussage klingt eher wie eine Frage.
Paolo ist sich diesbezüglich alles andere als sicher. Egal wie extrem die Ausnahmesituation auch war, in der sich seine Tochter befunden hat, aber was Marcella da beinahe getan hätte, war so unvorstellbar schrecklich… Darf man Sebastian so etwas wirklich verheimlichen?
Als Paolo mit Matteo in die Wohnung zurück kommt, ist Sebastian zu seiner großen Überraschung bereits da.
„Sebastiano?!? Was machste du denn schon hier?“ fragt Paolo fassungslos. „Ich hätte dich doch später abgeholt!“
„Ich wollte da endlich raus und hab mir ein Taxi genommen!“ erklärt Sebastian, während er seinen Sohn überschwänglich begrüßt. Marcella hält sich bedeckt im Hintergrund und sieht ihren Vater flehentlich an. Der befindet sich in einem absoluten moralischen Zwiespalt…
Der Tag verstreicht und Paolo fühlt sich immer unwohler in seiner Lage.
Am Abend hält er es schließlich nicht mehr aus. Er ist der Meinung, dass Sebastian wissen muss, was Marcella in der vergangenen Woche beinahe getan hat. Die ganze Sache hat sie schließlich wachgerüttelt, sie nimmt seither ihre Medikamente und geht zu ihrer Therapie. So gesehen hatte diese Beinahe-Verzweiflungstat ja im Grunde sogar etwas Gutes gehabt. Aber verheimlichen darf sie seiner Meinung nach Sebastian dennoch nicht.
Und so lässt Paolo beim Abendessen die Bombe platzen – und Sebastian fällt aus allen Wolken. Was jetzt passiert, kommt einer Naturkatastrophe gleich. Während Marcella vollkommen verzweifelt versucht, sich zu erklären und es einfach nicht fassen kann, dass ihr Vater nicht einfach den Mund gehalten hat, flippt Sebastian völlig aus. Er macht Paolo die heftigsten Vorwürfe, dass er Marcella in ihrem Zustand mit Matteo allein gelassen hat. Dann lässt er seinen vollen Frust an Marcella aus und lässt sie wissen, dass sie seiner Meinung nach in die geschlossene Anstalt gehört.
„Du bist doch wirklich nicht normal“, brüllt Sebastian Marcella ins Gesicht. „Du bist ja gemeingefährlich!“
„Ich… ich war verzweifelt“, jammert Marcella. „Er hörte und hörte nicht auf zu schreien, ich wusste einfach nicht mehr weiter…“
„Ja, und da drückt man dann einem Säugling ein Kissen ins Gesicht, oder was?“ brüllt Sebastian.
„Ich… ich hab ihm das Kissen nicht ins Gesicht gedrückt“, versucht Marcella sich verzweifelt zu erklären. „Ich hab es nur auf ihn drauf gelegt…“
„Ach sooo! Ja, das macht es natürlich deutlich besser!“ tobt Sebastian. Dann wendet er sich wütend an Paolo: „Und wieso hast du es eigentlich die ganze Woche nicht für nötig befunden, mir davon zu erzählen?“
Als Paolo ihm keine Antwort auf diese Frage geben kann, sagt Sebastian: „Wisst ihr was? Das geht nicht mehr. Das funktioniert hier einfach nicht mehr. Du bist als Mutter wirklich völlig fehlbesetzt, Marcella! Ich nehm Matteo mit und dann verschwinden wir!“
„Was? Nein!“ ruft Marcella entsetzt.
„Warum nicht?“ fragt Sebastian. „Vor ein paar Wochen hast du doch selbst noch gewollt, dass ich mit ihm abhaue!“
„Ich war durcheinander“, versucht Marcella sich zu erklären. „Bitte lass uns doch nochmal über alles reden, bitte!“
„Vergiss es!“ sagt Sebastian. „Hier gibt es nichts mehr zu reden. Dafür ist es jetzt zu spät!“

CLIFFHANGER auf: Marcella Varese

Mitwirkende Personen
Mechthild Walther
Anna Ziegler
Dr. Sebastian Ritter
Marcella Varese
Matteo Varese
Giovanna Varese
Paolo Varese
Andrea Neumann
Murat Dagdelen
Lisa Dagdelen
Konstantin Landmann
David Krämer
Constanze Bayer
Christopher Fröhlich

© popo wolfson 2023

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: So 12. Mär 2023, 13:23 


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1872 - Kältepeitsche
BeitragVerfasst: So 12. Mär 2023, 15:15 
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Registriert: Mi 29. Sep 2010, 00:11
Beiträge: 11591
Uji, die Folge hat es in sich. Lisa kommt in Hochform.... Arme Andrea... Ich hoffe ja, dass Murat und Andrea eine Chance bekommen, endlich eine richtige Beziehung führen zu können. Aber ob Lisa das zulässt? Bzw. ob einer der Beiden oder sogar beide das überleben? Versteckt sämtliche Bratpfannen in der Lindenstrasse!

Paolo ist auch ein Depp. Sowas kann man nicht aussprechen. Allerdings ja klar, wenn das Baby in Gefahr ist...das geht natürlich auch nicht. Aber hätte er es nicht lieber der Therapeutin sagen können und Marcella bekommt Jemanden an ihre Seite? Wobei nein, wahrscheinlich hätten sie ihr das Kind sofort weggenommen.
Wäre ich Paolo gewesen, hätte ich vermutlich nicht mal Giovanna etwas gesagt. Das war zu gruselig. Andererseits wenn soetwas noch einmal vorgekommen und dem Baby etwas passiert wäre.... da wird man auch nicht mehr froh. Ob Sebastian jemals Marcella wieder vertraut?
(Marcella hätte den Schritt auf Sebastian zutun müssen. Vielleicht hätte sie nicht alles komplett erzählen dürfen.... Naja, nachher ist man immer schlauer.) Ja spannende Story!

Schön, dass Mechthild in den Hobbykeller gezogen ist. :D
Ich habe kurz gedacht: Else Kling wird sie als Erste entdecken und zetern durchs ganze Treppenhaus. Aber nein, die ist ja schon lange nicht mehr da...


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1872 - Kältepeitsche
BeitragVerfasst: So 12. Mär 2023, 16:17 
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Registriert: Mi 15. Sep 2010, 12:37
Beiträge: 10009
Jau, harter Tobak, diese Folge. Nur gut, dass Marcella das Kind nicht ermordet hat. Ob das ein Happy End gibt? Murat wird in die Falle tappen :D


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