Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1871 - Blitzeis
BeitragVerfasst: So 5. Mär 2023, 07:57 
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Folge 1871: Blitzeis

Spieltag: Donnerstag, 02.03.2023

Nachdem es am Tag zuvor fast pausenlos geregnet hat, hat es in der Nacht einen Temperatursturz gegeben, der in den frühen Morgenstunden zu Eisregen und Blitzeis auf den Straßen geführt hat. Und so ist auch in der Lindenstraße an diesem Morgen alles spiegelglatt…

Rahel sitzt als erste Mandantin dieses Tages im Büro von Tristan in dessen Anwaltskanzlei. Nach einer Schlitterpartie durch die Straßen ist sie tatsächlich nur mit wenigen Minuten Verspätung zu ihrem Termin erschienen.
„Natürlich können wir klagen“, sagt Tristan, nachdem Rahel ihm ihr Anliegen in allen Einzelheiten vorgetragen hat, „aber ich sage Ihnen gleich, dass das Ganze nicht sonderlich erfolgversprechend sein dürfte.“
„Und warum nicht?“ fragt Rahel spitz.
„Weil ich befürchte, dass es nicht viel bringen wird“, erwidert der Anwalt. „Sie sagten ja selbst, dass weder die Autorin noch der Verlag im Vorfeld etwas davon gewusst haben, dass der Mann nicht seine eigene Geschichte erzählt hat. Demnach werden wir die auch beide nicht belangen können. Wir könnten diesen Herrn Funkelstein…“
„...Finkelstein!“
„… Finkelstein verklagen, aber auch das dürfte nicht sehr erfolgversprechend sein. Zum einen lebt Ihr Großvater nicht mehr, der ja am ehesten beweisen könnte, inwiefern diese Geschichte stimmt und zum anderen… Wissen Sie, ob dieser Herr Funk… Finkenstein…“
„… Finkelstein!“
„… überhaupt über die finanziellen Mittel verfügt, Ihnen eine Entschädigung zahlen zu können?“
„Keine… Ahnung“, gibt Rahel zu.
„Selbst wenn… Das ist eine Sache, die sich über einen sehr langen Zeitraum ziehen kann, ehe etwas dabei rumkommt. Und Sie sagten ja, dass dieser Mann schon sehr alt ist. Und dass er keine Nachkommen hat. Wenn er versterben sollte, ehe wir was erreicht haben, dann wird diese ganze Sache eh fallen gelassen und Sie bekommen gar nichts. Und wenn wir doch noch zu seinen Lebzeiten zu einem Ergebnis kommen sollten, dann dürfte das, was man Ihnen zuspricht, äußerst gering ausfallen. Selbst dann, wenn er wirklich entsprechend vermögend sein sollte… Aber kein Richter in diesem Land würde einen so alten Mann zu einer horrenden Geldstrafe verurteilen. Noch dazu einen Mann, jüdischen Glaubens. Können Sie sich vorstellen, was das für Wellen schlagen würde in Zeiten, in denen der Antisemitismus wieder aufblüht wie seit langem nicht mehr? Das würde vermutlich einen Skandal sondergleichen nach sich ziehen!“
„Aber ich bin auch Jüdin!“ protestiert Rahel.
„Aber Sie können nichts beweisen. Oder gibt es eventuell Tagebuchaufzeichnungen oder etwas in der Art von ihrem Großvater?“
„Nicht, dass ich wüsste“, sagt Rahel.
„Dann wäre die Sache zumindest ein wenig erfolgsversprechender“, erwidert Tristan. „Wären solche Sachen schriftlich fixiert, könnte man ihm zumindest Plagiatsvorwürfe machen. Aber wenn das alles nur auf reine Erzählungen Ihres Großvaters beruht…“
„Ja ja, schon gut!“, ruft Rahel gereizt aus. „Ist schon klar, dass so ein mickriger Vorstadt-Anwalt wie Sie mir nicht helfen kann!“
Mit wehenden Schritten rauscht Rahel aus der Kanzlei. Etwas später sitzt sie im Marcellas, stochert lustlos in ihrem Rührei und versucht nebenher, vergeblich telefonnisch Kontakt zu den Anwälten ihrer Familie in Tel Aviv aufzunehmen.
„Schmeckt es Ihnen nicht?“ erkundigt sich Giovanna skeptisch.
„Doch, doch“, murrt Rahel und legt ihr Handy gereizt weg. Im nächsten Moment entdeckt sie bei einem Blick aus dem Fenster, wie David und Mandy den immer noch vereisten Gehweg der Lindenstraße entlang schlittern und auf Davids Auto zusteuern, das vor der Villa parkt.
„Stimmt so!“ ruft Rahel, knallt einen 10-Euro-Schein neben das kaum angerührte Ei und stürmt aus dem Bistro. Auf der Straße gerät sie kurz ins Schlingern, kann sich aber fangen und stolpert rutschend zur Lindenstraße rüber. Vor David und Mandy kommt sie zum Stehen und spielt die Überraschte. „Ach, das ist ja ein schöner Zufall, dass wir uns hier über den Weg laufen“, säuselt sie. „Dann lerne ich ja jetzt endlich mal deine Verlobte kennen!“
Während David die Begegnung offensichtlich äußerst unangenehm ist, sieht Mandy nur fragend zwischen den beiden hin und her.
„Ach, ihr seid gar nicht verlobt?“ fragt Rahel. „Oh, entschuldigt bitte, ich hab halt nur gedacht, weil ihr ja Nachwuchs erwartet. Und David war ja doch immer schon ein bisschen spießig und da hab ich gedacht, wenn er jetzt Vater wird, da will er bestimmt auch alles hundertprozentig machen…“
„Entschuldigung, aber wer sind Sie denn eigentlich?“ fragt Mandy leicht irritiert.
„Ach so, David hat dir noch gar nichts von mir erzählt?“ wundert sich Rahel. „Ich bin Rahel Katz, David und ich waren ein Paar, in Tel Aviv. 18 Jahre lang.“
Während David die Röte ins Gesicht steigt, sagt Mandy: „Oh, äh, ja, doch, erzählt hat er mir schon von Ihnen. Aber… aber ich wusste jetzt nicht, dass Sie in München sind!?“
„Ach, nicht?“ wundert sich Rahel. „Hat David dir das nicht erzählt? Na, er ist manchmal halt ein bisschen schusselig. War er schon immer, stimmt’s, David? Keine weiß das so gut, wie ich. Wir waren ja immerhin 18 Jahre zusammen! Kinder waren da aber nie ein Thema. Merkwürdig, wie sich manche Dinge plötzlich ändern…“
„Ähm...ich… also, ich…“, beginnt David stotternd.
„Ja, kommt halt immer drauf an, von wem, nicht wahr?!“ gibt Mandy schnippisch zurück.
„Tja, dann will ich mal gar nicht länger stören!“ lacht Rahel. „Aber vielleicht sieht man sich ja noch.“ Damit schlittert sie davon – und ärgert sich darüber, dass nicht mal der Gehweg rutschfrei ist – Scheiß deutscher Winter!
„Was war das denn?`“ fragt Mandy und sieht Rahel skeptisch nach.
„Das war meine Ex“, murmelt David kleinlaut.
„Und warum hast du mir nicht erzählt, dass sie in München ist?“ fragt Mandy.
„Weil… ich… ich fand das halt überhaupt nicht wichtig“, versucht David kleinlaut zu erklären. „Es… es ist mir halt einfach egal gewesen. Es ist aus zwischen uns.“
„Aber ihr wart fast 18 Jahre zusammen. Das ist eine beschissen lange Zeit.“
„Trotzdem ist sie mir inzwischen egal“, sagt David. „Mein altes Leben in Tel Aviv fühlt sich mittlerweile so unendlich weit weg an.“
„Bist du sicher, dass sie das auch so sieht?“ fragt Mandy skeptisch und beobachtet, wie Rahel mit ihrem Leihwagen schlingernd von der spiegelglatten Lindenstraße in die spiegelglatte Kastanienstraße abbiegt.
„Ja, ja, natürlich“, sagt David schnell.
„Und was macht sie hier?“ bohrt Mandy weiter.
„Irgendwas Familiäres oder so. Keine Ahnung, hat sie mir nicht wirklich gesagt. Komm jetzt, sonst kommen wir zu spät zum Ultraschalltermin. Die meisten Straßen sind immer noch glatt.“
Als Mandy in Davids Auto steigt, ist sie sich allerdings gar nicht so sicher, ob David und Rahel sich wirklich so egal sind. Diese Frau hat sich ja mehr als schräg verhalten und David hätte ihr ja wohl zumindest mal erzählen können, dass sich seine Ex in der Stadt aufhält…
Im Laufe des Tages erreicht Rahel derweil endlich einen der Anwälte ihrer Familie in Tel Aviv, aber auch der kann ihr keine großen Hoffnungen auf einen erfolgreichen Ausgang einer möglichen Klage machen. Im Grunde bestätigt er das, was Tristan von Sassnitz ihr auch bereits am Morgen mitgeteilt hat.
Frustriert kehrt Rahel am Abend im Akropolis ein.
„Auch das noch“, flüstert Simone genervt Vasily zu, als sie Rahel erblickt. „Kannst du der nicht irgendwie Hausverbot geben oder so?“
„Und mit welcher Begründung?“ fragt Vasily.
„Keine Ahnung… Weil sie eine böse Aura hat und das Klima hier verdirbt?“
Vasily muss grinsen und verschwindet in der Küche, während Rahel auf Simone zusteuert.
„Und, wie läuft die Klage?“ fragt Simone unterkühlt.
„Keine Klage. Deshalb bin ich hier. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich es mir anders überlegt habe. Ich werde den Finkelstein nicht verklagen. Und Sie und Ihren Verlag sowieso nicht.“
„Woher der Sinneswandel?“ fragt Simone verwundert.
„Weil ich ein guter Mensch bin!“ erwidert Rahel.
„Sicher doch! Dann fliegen Sie jetzt also zurück nach Tel Aviv?“
„Nein, ich bleibe noch ein bisschen. Ich hab noch was zu erledigen.“
„Und was?“ fragt Simone. „Noch andere alte Männer verklagen?“
Rahel wirft ihr einen abschätzigen Blick zu. Dann sagt sie: „Ich habe vor etwa zwei Jahren etwas sehr Dummes gemacht. Ich habe mich nach fast achtzehnjähriger Beziehung von meinem damaligen Partner getrennt. Heute ist mir klar, dass das der vielleicht größte Fehler meines Lebens war. Ich will ihn zurück.“
Simone starrt sie verdutzt an. „Und deshalb bleiben Sie noch in München?“ fragt sie irritiert. „Ist er auch hier, oder was?“
Rahel gibt ihr keine Antwort, sondern grinst sie nur süffisant an, ehe sie ohne jeden weiteren Kommentar das Lokal verlässt. Kopfschüttelnd sieht Simone ihr nach…

„Können wir dieses Jahr nicht vielleicht mal in Urlaub fahren?“ möchte Deniz beim Frühstück unvermittelt wissen.
„Wie bitte?“ Lisa glaubt, sich verhört zu haben. „Wie kommst du denn jetzt darauf? Wo willst du denn jetzt mitten im Schuljahr hinfahren?“
„Nicht jetzt“, erklärt Deniz, „In den Sommerferien. Alle anderen fahren auch immer weg.“
Lisa seufzt. „Das weiß ich nicht. Es ist ja alles nicht so einfach zur Zeit.“
„Aber warum denn nicht?“, quengelt Deniz. „Corona ist doch jetzt nicht mehr so schlimm, man darf doch jetzt alles Mögliche wieder und wir sind geimpft und alles. Und du hattest ja gerade erst Corona.“
„Es ist ja nicht nur wegen Corona“, erwidert Lisa. „Wie soll das gehen mit Papas Laden? Den können wir nicht einfach tage- oder wochenlang dicht machen, das geht nicht!“
„Vielleicht können wir ja eine Vertretung finden“, überlegt Murat – und erntet dafür einen strafenden Blick von Lisa.
„Wie soll das denn gehen?“ faucht sie. „Die kennt sich ja gar nicht aus und müsste erstmal eingearbeitet werden und alles!“
„Vielleicht könnte ich ja generell eine Aushilfe einstellen“, schlägt Murat vor.
„Die muss dann aber auch bezahlt werden!“ zischt Lisa.
„Ja, aber der Laden läuft doch“, sagt Murat. „Und ich mach das seit Monaten alleine. Um 11 Uhr fange ich schon an, weil du willst, dass ich das Mittagsgeschäft mitnehme, und dann stehe ich da tagein, tagaus, bis nach 22 Uhr abends, ohne Urlaub, ohne freie Tage…“
„Du hast doch montags Ruhetag!“ wirft Lisa ein.
„Toll“, murrt Murat. „Dein Geiz und dein Profit- und Erfolgswahnsinn sind doch nicht mehr normal. Eine Aushilfe könnten wir uns leisten, ohne dass der Imbiss gleich pleite geht. Und ich brauch auch mal ein bisschen freie Zeit. Ich hab ja fast schon Burn out!“
„Ach, Murat, bitte jetzt!“ zetert Lisa. „Du stehst doch da nur gemütlich rum und verkaufst Döner. Das ist nun wirklich kein Knochenjob! Du solltest mal sehen, wie ich mich im Krankenhaus täglich abschufte…“
Während Murat prompt die Worte fehlen, fragt Deniz traurig: „Also fahren wir dieses Jahr wieder nicht in Urlaub?“
„Vielleicht können wir beide ja alleine fahren, wenn ich Urlaub habe“, schlägt Lisa aufmunternd vor.
„Ohne Papa ist das aber nicht dasselbe“, nölt Deniz. „Dann ist es ja gar kein richtiger Familienurlaub!“
„Wir könnten ja Paul mitnehmen“, versucht Lisa es erneut.
„Ohne Papa ist es aber trotzdem nicht dasselbe!“ jammert Deniz.
Die Diskussion dreht sich im Kreis, kommt aber zu keinem Ergebnis, ehe sich Deniz auf den Weg zur Schule machen muss.
Als Lisa, die heute einen freien Tag hat, später im Supermarkt einkauft, steht plötzlich Angelina in der Schlange an der Kasse hinter ihr.
„Läuft euer Döner eigentlich zu gut?“ fragt Angelina sie spitz.
„Wie meinst du das?“ fragt Lisa irritiert.
„Na, weil Murat mitten während der Geschäftszeit ständig den Laden zu macht“, erwidert Angelina.
Lisa horcht auf. „Wie bitte?“ fragt sie.
„Das fällt mir in letzter Zeit ständig auf und ich frage mich, was das soll“, erklärt Angelina. „Morgens um 11 macht er auf, eine Stunde später ist dann plötzlich wieder zu. Dann macht er nachmittags wieder auf. Und letzte Woche hatte er jeden Abend so ab 18 Uhr für ein oder zwei Stunden zu, ausgerechnet, wenn das Geschäft am besten läuft. Finde ich schon ziemlich merkwürdig.“ Als Angelina Lisas verwirrten Blick bemerkt, fügt sie hinzu: „Aber du wusstest davon gar nichts, oder?“
„Doch, doch“, sagt Lisa eilig. „Er musste letzte Woche seiner Tante helfen!“
Hastig bezahlt Lisa ihre Einkäufe und verlässt den Supermarkt…
In ihrem Kopf rasen jedoch die Gedanken. Was hatte das zu bedeuten? Letzte Woche hatte sie Spätdienst im Krankenhaus. Nutzt Murat etwa ihre Abwesenheit, um hinter ihrem Rücken den Laden zu schließen und sich zuhause auf die faule Haut zu legen? Aber ausgerechnet abends, wenn das Geschäft am meisten boomt? Da wäre es doch sinnvoller, nachmittags für eine oder zwei Stunden zu schließen…
Lisa besucht Murat in seinem Imbiss. Ohne ihn mit der Sache direkt zu konfrontieren, versucht sie, ihm auf den Zahn zu fühlen – jedoch ohne Erfolg. Doch als sie länger darüber nachdenkt, kommt Lisa plötzlich ein ganz anderer Verdacht – einer, über den sie dringend mit jemandem reden muss…
Und so ruft sie Andrea an und verabredet sich mit ihr für den Abend im Marcellas.
Andrea kommt zehn Minuten zu spät, stürmt gehetzt in den Laden, bestellt bei Giovanna ein Glas heißes Wasser und entschuldigt sich bei Lisa für die Verspätung – in der Praxis sei heute die Hölle los gewesen… Nachdem sie Lisa kurz über den neuesten Patientenklatsch und über den neuesten Tratsch über die fürchterliche Kollegin Corinna Marx ins Bild gebracht hat, erkundigt sie sich bei Lisa, wie es ihr geht und worüber sie so dringend mit ihr reden wollte.
Lisa starrt einen Moment lang verbissen vor sich auf den Tisch. Dann sagt sie leise und mit bemüht fester Stimme: „Ich glaube, Murat betrügt mich…“
Andrea, die gerade einen Schluck Wasser genommen hat, spuckt diesen vor lauter Schreck im hohen Bogen quer durch den Raum.
„Ey, geht’s noch?“ schreit Konstantin, der am Nachbartisch sitzt und die volle Ladung abbekommen hat.
„Sorry“, ruft Andrea ihm zu. Dann flüstert sie in Lisas Richtung: „Wie… wie kommst du denn darauf?“
Lisa berichtet von ihrer Begegnung mit Angelina und von dem, was die ihr erzählt hat.
„Aber… aber das kann doch auch eine ganz harmlose Erklärung haben“, sagt Andrea schnell.
„Welche denn?“ zischt Lisa – und Andrea kann nur mit den Schultern zucken.
„Es ist doch eigentlich ziemlich offensichtlich“, erklärt Lisa. „Wenn ich Spätdienst habe, macht er den Laden um 18 Uhr dicht, weil sie dann wahrscheinlich Feierabend hat. Und wenn ich Frühdienst habe, trifft er sich mit ihr um die Mittagszeit. Und warum?“
„Warum?“ fragt Andrea schüchtern.
„Na, weil sie dann Mittagspause hat!“ erklärt Lisa. „Aber er trifft sie immer dann, wenn ich Arbeiten bin, damit ich bloß nicht mitkriege, was er hinter meinem Rücken so treibt.“
Andrea schluckt. „Hast du… eine Ahnung, wer sie ist?“ fragt sie kleinlaut.
„Nein! Aber das finde ich raus!“ sagt Lisa entschlossen.
„Wie denn?“ fragt Andrea vorsichtig.
Lisa überlegt kurz. Dann sagt sie: „Ich muss an sein Handy!“
„Sein… Handy?“
„Ja! Natürlich! Er schreibt oder telefoniert doch sicher mit ihr!“
Andrea nickt verunsichert und Lisa sagt: „Sorry, aber ich muss jetzt los!“ Eilig zahlt sie bei Giovanna und verlässt das Bistro, während Andrea immer noch wie vom Donner gerührt dasitzt. Nachdem sie den ersten Schrecken überwunden hat, zuckt Andrea ihr Handy und schreibt Murat: ´Bin in einer Stunde im Imbiss! Ist wichtig! Und lösche unseren Chat-Verlauf! Sofort!!! Dringend!!! Erkläre dir nachher alles!!!´…
Als Andrea eine knappe Stunde später im Döner-Imbiss erscheint, hat Murat, der um diese Zeit alle Hände voll zu tun hat, Andreas Nachricht gerade erst gelesen und ist ziemlich perplex… Zum Schein bestellt Andrea sich einen Döner bei Murat – sie würde sich nicht wundern, wenn Lisa ihn bereits beobachtet… Während Murat den Döner zubereitet, erstattet Andrea ihm Bericht. Murat ist über diese Neuigkeit so verunsichert, dass er vor lauter Aufregung mehr Fleisch und Salat auf dem Boden seines Ladens verteilt als in die Fladenbrottasche zu stecken. Während Andrea sich an einen Stehtisch stellt und lustlos an ihrem ramponierten Döner hrumknabbert, fragt Murat: „Und wie soll das jetzt weitergehen? Wann sollen wir uns denn jetzt noch treffen?“
„Gar nicht mehr!“ sagt Andrea entschlossen. „Das muss jetzt aufhören!“
„Aber das will ich nicht!“
„Ich auch nicht! Aber es geht nicht mehr anders.“
„Dann… sag ich Lisa die Wahrheit und trenne mich!“ beschließt Murat.
Andrea rutscht der Döner aus den Fingern und klatscht auf den Boden. „Das geht nicht!“ keucht sie. „Das kannst du auch Deniz nicht antun!!!“
„Ich will dich nicht verlieren!“ flüstert er. „Das mit uns ist so… besonders. Und Lisa… Lisa ist immer nur noch kalt und herrisch.“
Andrea denkt kurz nach. Dann sagt sie: „Dann… lass uns bitte eine Pause machen. So lange, bis etwas Gras über die Sache gewachsen ist und Lisa sich sicher ist, dass an ihrer Vermutung nichts dran ist…“
„Und wie lange soll das sein?“ fragt Murat.
„Keine Ahnung“, erwidert Andrea. Als sie den Laden verlässt, dreht sie sich nochmal um und sagt: „Und lösch unseren Chat!“
Murat sieht ihr traurig nach, als Andrea die Straße lang zu ihrem Auto geht. Dann tut er, wie ihm geheißen, und löscht den Chatverlauf mit Andrea.
Als er später nach Hause kommt, sitzt Lisa vor dem Fernseher und bemüht sich, sich nichts anmerken zu lassen – aber sie wirkt noch kühler und distanzierter als sonst…
Als Murat unter die Dusche geht, lässt er demonstrativ sein eingeschaltetes und entsperrtes Handy auf dem Wohnzimmertisch liegen – und ist zumindest ein wenig befriedigt, als er durch den Türschlitz beobachtet, wie Lisa die Gunst der Stunde sogleich nutzt, sich das Gerät krallt, durch seine Chats und Anruflisten scrollt – und nichts Verdächtiges findet...

Erneut beginnt der Tag bei Marcella und Sebastian wenig verheißungsvoll. Am seit Wochen herrschenden Dauerzustand hat sich nichts verändert, Marcella verweigert sowohl die Einnahme ihrer Medikamente wie auch die Kontaktaufnahme zu Matteo, Sebastian muss arbeiten und Paolo ist es, der alles zusammenzuhalten versucht. Und über allem schweben die Taufvorbereitungen von Ginas Seite.
„Willst du jetzt wieder den ganzen Tag im Bett rumliegen?“ will Sebastian von Marcella wissen, bevor er sich auf den Weg in die Praxis macht.
„Weiß nicht“, knurrt Marcella, ohne sich zu ihm umzudrehen.
„Also ja“, schlussfolgert Sebastian. „War ja auch nicht anders zu erwarten.“
„Was soll das denn heißen?“ murrt Marcella.
„Das soll heißen, dass du eine Rabenmutter bist“, rutscht es Sebastian heraus. Nun dreht Marcella sich doch zu ihm und und sieht ihn mit einer Mischung aus Wut, Entsetzen und Fassungslosigkeit an. Sebastian tut seine Aussage auch bereits im selben Moment leid, doch er will hier und jetzt nicht zurückrudern und sich entschuldigen. Stattdessen verlässt er ohne jedes weitere Wort die Wohnung und macht sich auf den Weg zur Arbeit.
In Marcella arbeitet es derweil. Die Ansage von Sebastian hat sie innerlich aufgewühlt. Ein gewisser Trotz steigt in ihr auf, ein Verlangen, Sebastian zu beweisen, dass er im Unrecht ist. Aber dieses kurze Aufbäumen verfliegt auch schnell wieder und Marcella fällt zurück in ihre Lethargie. Zwar legt sie sich nicht wieder ins Bett, aber sie kauert im dem Sessel, der an ihrem Schlafzimmerfenster steht, und starrt betrübt ins Leere…
Paolo macht derweil einen Spaziergang mit Matteo und trifft unterwegs auf Vasily, der ihn dazu auffordert, bei Gelegenheit mal auf ein Bier im Akropolis vorbeizukommen.
„Ich werde es versuchen“, sagt Paolo, „aber im Moment, es iste schwierig.“
Mit knappen Sätzen erzählt er dem Griechen von Marcellas derzeitigen Problemen und der hört mitfühlend zu.
Auch als Paolo mit Matteo nach Hause kommt, hockt Marcella noch immer in ihrem Sessel. Irgendwann wird sie vom Klingeln des Telefons aufgeschreckt, ignoriert es aber. Ihr Vater soll gefälligst ran gehen. Es klingelt ziemlich lange, aber irgendwann geht Paolo doch ran. Marcella hört seine Stimme durch die angelehnte Tür.
„Was? - „Und ist ihm was passiert? - Im Krankenhaus? Madonna! - Wie geht es ihm? - Sehr schlimm? - Oh, Madonna mia!“ Marcella horcht nun doch auf. Mit wem telefoniert Paolo da? Kurz darauf tritt er ins Schlafzimmer und sagt: „Marcella, das war eine Mitarbeiterin aus Sebastians Zahnarztpraxis. Sebastian hatte einen Unfall, auf dem Weg zur Arbeit, bei die Glatteis. Er ist mit dem Auto abgekommen von die Straße und in die Graben gerutscht.“
Wie ein Blitz durchzuckt es Marcella. Kerzengerade sitzt sie in ihrem Sessel und fragt nervös: „Was ist mit ihm? Ist es schlimm? Geht’s ihm gut?“
„Er liegt in die Krankenhaus. Er hat sich das Bein gebrochen. Aber ansonsten ist ihm wohl nix passiert, ein paar Prellungen, sagt sie. Er konnte uns nicht erreichen. Darum er hat in die Praxis angerufen. Madonna, er muss es hier versucht haben, als ich vorhin mit Onkel Aldo in Italia telefoniert habe. Es hat geklopft an, aber ich habe ignoriert! Madonna!!!“
Nachdem sich die erste Aufregung bei Vater und Tochter gelegt hat, stellt sich alles als halb so wild raus. Die beiden können schließlich mit Sebastian telefonieren, Und der versichert ihnen, dass es ihm den Umständen entsprechend gut geht und dass sie sich nicht die Mühe machen müssen, ihn heute noch im Krankenhaus zu besuchen. Der Schreckmoment, als sie von dem Unfall erfahren hat, hat Marcella jedoch einen unerwarteten Aufschwung gegeben. Sie scheint endlich aus ihrer Lethargie erwacht und begibt sich kurze Zeit später erstmals unaufgefordert dazu, als Paolo Matteo pampert.
„Woher kannst du das so gut?“ fragt Marcella anerkennend.
„Na, hör mal“, lacht Paolo. „Ich hatte schließlich auch mal zwei Bambini. Und die konnten riesige Haufen kacken.“
Paolo lacht schallend los. Marcella verzieht zunächst den Mund, fällt dann aber doch zaghaft in das Lachen mit ein.
„Willst du weiter machen?“ fragt Paolo.
Marcella zuckt mit den Schultern, dann versucht sie es aber doch zaghaft.
„Das hast du sehr gut gemacht“, lobt Paolo sie anschließend. „Warum du bist so distanziert zu ihm? Er ist doch deine Sohn…“
Erneut zuckt Marcella mit den Schultern. „Mir ist das… alles so fremd“, sagt Marcella leise. „Ich wollte nie Mutter sein. Mich überfordert das alles. Und es ist… es fühlt sich so endgültig an. Ein Kind ist ja nichts, was nach ein paar Wochen wieder vorüber geht. Der bleibt jetzt bei mir, mindestens bis er 18 ist…“
Paolo sieht seine Tochter kurzzeitig konsterniert an. Dann lacht er: „Aber das iste doch schön! Das iste das Schönste von der Welt. Ein Kind ist das größte Geschenk, das eine Mensch bekommen kann…“
In diesem Moment beginnt Matteo zu plärren.
„Hat er jetzt schon wieder die Pampers voll?“ fragt Marcella entsetzt.
„Ich glaube, er hat Hunger“, vermutet Paolo.
Die beiden bereiten gemeinsam Matteos Essen zu und füttern in dann zusammen. Und tatsächlich scheint Marcella im Umgang mit ihrem Sohn allmählich aufzutauen, wie Paolo erfreut feststellt.
Als Matteo friedlich schläft und auch Marcella und Paolo etwas gegessen haben, erzählt Paolo ihr beiläufig von seiner heutigen Begegnung mit Vasily und dass er unbedingt mal ein Bier bei ihm trinken muss, wenn Sebastian wieder aus dem Krankenhaus zurück ist.
Marcella zögert einen Augenblick, dann sagt sie: „Geh doch jetzt.“
Paolo schaut seine Tochter ungläubig an. „Biste du sicher?“ fragt er.
„Matteo schläft doch“, erwidert Marcella schulterzuckend. „Und du kannst ja dein Handy mitnehmen. Wenn irgendwas ist, rufe ich dich an.“
Nachdem Paolo sich nochmal vergewissert hat, dass sein Enkel wirklich tief und fest schläft, macht er sich gut gelaunt auf den Weg zum Akropolis, während Marcella es sich immerhin vor dem Fernseher gemütlich macht, statt sich wieder in ihr Bett zu verkriechen.
Paolo freut sich derweil, mal wieder Zeit für das Akropolis, seinen früheren Arbeitsplatz, zu haben. Und obwohl es heute ziemlich voll ist, findet er dennoch Zeit, mit Vasily anzustoßen. Dabei schaut er jedoch immer wieder verstohlen auf sein Handy, doch alles bleibt ruhig. Für Paolo eine echte Erleichterung – zum ersten Mal seit Wochen hat er die berechtigte Hoffnung, dass Marcella ihre Probleme endlich in den Griff bekommt…
Diese ist derweil gerade vor dem Fernseher eingedöst, als sie abrupt von Matteos Plärren aus dem Dämmerschlaf gerissen wird. Sehr verhalten versucht Marcella, der Ursache des Geschreies auf den Grund zu gehen und ihren Sohn zu beruhigen. Aber seine Pampers ist trocken und ein Fläschchen verweigert er auch. Ein Bäuerchen ist nicht aus ihm raus zu bekommen und auch sonst hilft nichts dabei, den Jungen zu beruhigen – im Gegenteil; sein Geschrei wird immer intensiver und innerhalb kürzester Zeit liegen Marcellas Nerven blank.
Derweil hat sich Paolo auf die Toilette begeben, checkt dort vor dem Händewaschen nochmal beruhigt sein Handy, das immer noch keine neuen Nachrichten anzeigt – und lässt das Gerät prompt versehentlich auf der Ablage vom Waschbecken liegen, als er in den Gastraum zurückkehrt…
Marcella weiß inzwischen weder ein noch aus. Matteo schreit und heult und wird dabei immer hysterischer – aber als sie Paolo anruft, geht nach wiederholtem Klingeln nur die Mailbox ran. Marcella hinterlässt eine verzweifelte Nachricht, wenige Minuten später die nächste, während Matteo weiterhin nicht zu beruhigen ist…
„Hör auf!“ jammert sie überfordert. „Hör bitte endlich auf!“ Ein weiterer Anrufversuch bei Paolo schlägt fehl.
Der schwelgt derweil mit Vasily, der gerade eine etwas ruhigere Arbeitsphase hat, in Erinnerungen an die alten Zeiten.
Marcella hat Matteo inzwischen in sein Bettchen gelegt, doch der hat sich nach wie vor nicht beruhigt und bei Paolo geht wieder nur die Mailbox ran.
Marcella setzt sich verzweifelt in die Ecke des Kinderzimmers und presst sich die Hände auf die Ohren, doch das Geschrei ist einfach zu durchdringend. Marcella quält sich auf die Beine und tritt an Matteos Bett.
„Bitte hör endlich auf“, seufzt Marcella weinend. „Sei endlich ruhig! Hör doch bitte auf!“
Doch Matteo brüllt weiter. Verzweifelt tigert Marcella im Zimmer auf und ab. Schließlich greift sie sich ein Kissen und tritt damit an Matteos Bett. Langsam beugt sie sich über ihn - und legt das Kissen auf den schreienden Säugling…

CLIFFHANGER auf: Marcella Varese

Mitwirkende Personen
Dr. Sebastian Ritter
Marcella Varese
Matteo Varese
Giovanna Varese
Paolo Varese
Vasily Sarikakis
Simone Stadler
Andrea Neumann
Murat Dagdelen
Lisa Dagdelen
Deniz Dagdelen
Angelina Buchstab
David Krämer
Mandy Peschke
Konstantin Landmann
Tristan von Sassnitz
Rahel Katz

© `popo wolfson`2023

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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Verfasst: So 5. Mär 2023, 07:57 


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1871 - Blitzeis
BeitragVerfasst: So 5. Mär 2023, 16:32 
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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1871 - Blitzeis
BeitragVerfasst: So 5. Mär 2023, 19:03 
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Oh nein, hoffentlich kommt Marcella noch zur Vernunft!


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1871 - Blitzeis
BeitragVerfasst: Mo 6. Mär 2023, 00:24 
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Naja, im Prinzip führt sie ES ja schon aus. (So wie es Popo beschrieben hat.)

Aber ich denke auch, dass Marcella einen Augenblick später aufwacht. Es ist ja schließlich ein Film.


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1871 - Blitzeis
BeitragVerfasst: Mo 6. Mär 2023, 00:32 
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Allerdings wäre es auch sehr interessant, ob man Marcella die Tat überhaupt nachweisen könnte.


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