Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1866 - Besuch aus Italien
BeitragVerfasst: So 22. Jan 2023, 16:40 
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Folge 1866: Besuch aus Italien

Spieltag: Donnerstag, 19.01.2023


Seit ihrem Zusammenbruch in der vergangenen Woche hat Antonia wieder mehrmals die Polizeipsychologin Dr. Monika Scheidweiler besucht. Nina hat dies arrangiert und die Gespräche mit der Psychologin scheinen Toni tatsächlich gut zu tun. Iffi ist erleichtert darüber und hofft, dass sich Antonias Zustand bald stabilisieren wird und sie nun auf dem richtigen Weg ist. Aber sie macht sich auch Vorwürfe, weil sie die Ängste ihrer Tochter nicht ernstgenommen und sich eingeredet hat, dass Antonia die ganze Geschichte schon weitaus besser verdaut hat, als dies tatsächlich der Fall war. Umso mehr ist Iffi nun darauf bedacht, keine weiteren Fehler zu machen und voll und ganz für ihre Tochter da zu sein. Darum arbeitet sie derzeit auch wieder so häufig wie möglich von zuhause aus und reduziert ihre Anwesenheit im Labor auf das notwendigste Minimum. Auch heute verspricht sie Toni, nachdem sie sie bei der Psychologin abgeliefert hat, sie später wieder dort abzuholen. Allerdings muss Iffi in der Zwischenzeit wirklich ins Labor, da heute eine Versuchsreihe abgeschlossen wird, bei der ihre Anwesenheit dringend erforderlich ist. Und dies zieht sich länger, als geplant…
Als Antonia das Büro von Frau Dr. Scheidweiler verlässt und sich im Grunde recht gut fühlt, klingelt ihr Handy. Es ist Iffi die ihr mitteilt, dass sie sich ein wenig verspäten wird.
„Es tut mir so leid, mein Schatz!“ jammert ihre Stimme aus dem Telefon. „Aber in spätestens einer halben Stunde sind wir hier fertig und dann komme ich sofort und hole dich ab. Vielleicht kannst du da irgendwo so lange warten?!“
Antonia atmet kurz durch, dann sagt: „Ist schon okay, du brauchst dir keinen Stress machen, ich nehm den Bus.“
Ein kurzes Schweigen am anderen Ende, dann fragt Iffi skeptisch: „Bist du sicher?“
„Ja, ist ja nicht weit“, erwidert Antonia. „Der Bus hält hier direkt vor der Tür, im Bus sind überall Leute und das letzte Stück zu Fuß schaffe ich auch. Es ist ja Tag. Ich kriege keine Panik-Attacke mehr. Wirklich nicht!“
„Aber nur, wenn du dir wirklich sicher bist!“ sagt Iffi – doch das ist Antonia. Sie muss sich ihren Ängsten stellen…
Als der Bus etwas 20 Minuten später an der Ecke Lindenstraße und Ulrike-Böss-Straße vor der Villa hält, ist Antonia froh darüber, dass sie diesen Schritt gemacht hat – und sich dabei überhaupt nicht unwohl gefühlt hat. Naja – fast nicht…
Sie steigt aus dem Bus aus und geht die Lindenstraße entlang – das Haus in der Kastanienstraße als Ziel fest im Auge – als plötzlich jemand von hinten ihren Namen ruft. Antonia geht es sofort durch Mark und Bein, denn diese Stimme kennt sie nur zu gut. Als sie sich langsam umdreht, kommt Karim von der anderen Straßenseite her winkend zu ihr hinüber. Antonia würde am liebsten wegrennen, doch sie fühlt sich sofort wie gelähmt. Ihre Beine fühlen sich wie Blei an, ihre Kehle ist wie zugeschnürt und sie beginnt am ganzen Körper zu zittern. Und schon hat Karim sie erreicht…
„Wie schön, dich zu sehen“, sagt Karim sanft zu ihr. „Ich hab mir das so sehr gewünscht, dass wir uns endlich aussprechen können. Es ist so vieles schief gelaufen, Antonia. Und ich muss dir so viel erklären. Ich hab dich schrecklich vermisst!“
Antonia starrt ihn an und bringt immer noch keinen Ton hervor.
„Was ist denn los?“ fragt Karim sacht. „Du siehst ja aus, als hättest du einen Geist gesehen. Ich kann ja verstehen, dass du nicht so gut auf mich zu sprechen bist, aber es ist alles ganz anders, als du denkst…“
Lass… lass mich!“ bringt Antonia mühsam keuchend hervor.
„Aber wir wollten doch nach Italien. Oder Spanien“, erwidert Karim mit gespielter Verständnislosigkeit.
„Hör auf damit!“ Plötzlich ist Antonias Stimme wieder da und sie spürt die Wut in sich aufsteigen über all die Verletzungen, die sie während ihrer gemeinsamen Zeit mit Karim erlitten hat. „Hör auf, mich zu verarschen, du Schwein! Du bist ein Scheißkerl! Und du gehörst in den Knast! Lass mich in Ruhe oder ich ruf die Polizei!“
Binnen Sekunden verwandelt sich Karims eben noch so zärtlicher Blick in eine verzerrte Fratze. Er packt Antonia am Arm und zischt: „Pass auf, was du sagst! Ich lass mich von dir nicht einschüchtern. Du kannst mir gar nichts. Du bist eine kleine Schlampe! Was kann ich dafür, wenn du in deiner Geldgeilheit anschaffen gehst, häh?“
Antonia reißt sich los und rennt die Straße entlang nach Hause. Dort angekommen verriegelt sie die Wohnungstür hinter sich und sinkt atemlos keuchend zu Boden. Nachdem sie sich einigermaßen gefangen hat, rappelt sie sich auf und sieht aus dem Küchenfenster. Karim steht immer noch unten auf der Straße und sieht zu ihr hinauf. Erschrocken weicht Antonia zurück. In diesem Moment hört sie einen Schlüssel im Schloss und im nächsten Moment taucht Iffi in der Küche auf.
„Es tut mir so leid, mein Schatz“, sagt sie bedauernd. „Ich muss nachher auch nochmal ins Labor. Manchmal ist es wie verhext. Aber in den nächsten Tagen kann ich dann wirklich immer von zuhause aus arbeiten. Versprochen! Hat denn alles geklappt? Bist du gut nach Hause gekommen?“ In diesem Moment realisiert Iffi das angsterfüllte Gesicht ihrer Tochter fragt erschrocken: „Was ist passiert?“
Aufgeregt erzählt Antonia ihrer Mutter von ihrer Begegnung mit Karim. Als die beiden ans Fenster treten und hinunter blicken, ist Karim verschwunden.
„Okay“, sagt Iffi um Ruhe bemüht und versucht, sich zu sammeln. „Ich muss nochmal weg. Roland hat heute seine Probeschicht in dieser Kantine und Nina hat Dienst. Aber Valerie kommt jeden Moment nach Hause. Ich bleibe so lange hier, bis Valle wieder da ist. Sie soll bei dir bleiben, bis ich zurück bin. Und ich rufe Nina an. Sie soll dafür sorgen, dass ihre Kollegen hier vielleicht vermehrt Streife fahren. Und wenn du diesen Scheißkerl nochmal da unten siehst, dann rufst du SOFORT die Polizei an, okay?!“
Während Antonia verstört nickt, kommt Valerie nach Hause und wird von Iffi instruiert, ihre Tochter während ihrer Abwesenheit auf keinen Fall alleine zu lassen.
„Wollen wir vielleicht was spielen?“ fragt Valerie, als die beiden alleine in der Wohnung sind. Doch dafür ist Antonia viel zu aufgeregt. Immer wieder läuft sie ans Fenster und sieht hinunter. Irgendwann ist Valerie ziemlich genervt von der Nervosität ihrer Nichte – und davon, ihr nun permanent Gesellschaft leisten zu müssen. Viel lieber würde sie ein Bad nehmen und danach ein Nickerchen machen. Seit der arbeitslose Roland und die traumatisierte Antonia sich tagsüber ständig in der Wohnung aufhalten, ist es für Valerie zunehmend komplizierter geworden, dort selbst ihre Tage zu verbringen und sie ist wieder víel häufiger dazu gezwungen, sich in der Stadt rumzutreiben, wenn sie vorgibt, auf der Arbeit zu sein…
Während Valerie ihren Gedanken nachhängt und von einem besseren Leben träumt – einem, mit einem fürsorglichen Mann und zwei bis drei entzückenden Kindern – schreit Antonia plötzlich vom Fenster her: „Da! Da ist er wieder!“
Valerie eilt nun ebenfalls ans Fenster. Antonia deutet panisch auf einen dunkelhaarigen, jungen Mann, der auf der anderen Straßenseite vor dem Akropolis steht – und zu dem sich nun zwei weitere, etwas ältere, sehr kräftige Männer gesellen, allesamt offenbar arabischer Abstammung. Ehe Valerie überhaupt die Gelegenheit hat, sie genauer in Augenschein zu nehmen, überqueren sie gemeinsam die Straße und kommen mit großen Schritten schnurstracks auf das Haus zu.
„Sie kommen her!“ ruft Antonia panisch aus.
„Vielleicht wollen sie nur einen Döner essen?“ überlegt Valerie laut. „Oder eine Pizza!“
Doch bereits im nächsten Moment sind schwere Schritte im Treppenhaus zu hören. Dann klingelt es an der Wohnungstür und Sekunden später geht das Klingeln in ein energisches Klopfen über. Die beiden Zenkerinnen zucken erschrocken zusammen. Das Klopfen geht in Gebrüll über, das wütend klingt. Irgendjemand ruft Antonias Namen.
„Ich ruf die Polizei!“ sagt Valerie und schnappt sich das Telefon. Sie wählt Ninas Handynummer.
„Entschuldige, dass ich dich anrufe“, japst Valerie hektisch, nachdem Nina abgenommen. „Ich wusste nicht, ob ich die 110 wählen soll oder lieber dich anrufe!“ Panisch erzählt Valerie, was gerade geschieht und Nina verspricht ihr, einen Streifenwagen in der Nähe zu informieren.
Derweil wird auch Onkel Claudio durch den Tumult, der durch das ganze Haus schallt, auf den Plan gerufen. Ihm waren die drei düsteren Typen, deren Eintritt in das Haus er von seiner Pizzeria aus gesehen hat, vom ersten Moment an nicht geheuer. Nun erscheint er ebenfalls vor der Wohnung.
„Was iste das hiere für eine Lärm?“ fragt er aufgebracht. „Was tun Sie da? Wase wollen Sie von diese Leute?“
„Hau ab, Opa!“ herrscht Karim ihn an, während einer seiner beiden Gefolgsleute ein Klappmesser zückt. Erschrocken weicht Claudio einen Schritt zurück.
„Abhauen, sonst Kehle durch!“ droht der Araber ihm laut.
Valerie und Antonia können drinnen jedes Wort verstehen. Antonia presst sich panisch die Hände auf die Ohren und rennt in die Küche, während Valerie Claudio zuruft: „Gehen Sie wieder runter! Es ist alles in Ordnung! Ich hab die Polizei gerufen, die sind jeden Moment hier!!!“
Claudio zögert einen Augenblick, dann tritt er, in Anbetracht des Messers und der grimmigen Entschlossenheit dieser Kerle, den Rückzug an.
Die Araber warten, bis der Italiener verschwunden ist, dann beginnen sie mit vollem Körpereinsatz die Wohnungstür zu traktieren. Während Antonia wimmernd auf dem Küchenboden kauert, hofft Valerie panisch, dass die Tür den Angriffen standhält. Wie ein beruhigendes Mantra, aber in hysterischer Lautstärke ruft sie immer wieder und wieder die Sätze: „HAUT AB! DIE POLIZEI IST UNTERWEGS! HAUT AB! DIE POLIZEI IST UNTERWEGS!“
Als Valerie bereits befürchtet, dass die Tür gleich bersten wird, verstummt der Lärm plötzlich. Im nächsten Augenblick hört man Martinshörner und sieht zuckendes Blaulicht durch das Küchenfenster.
Vorsichtig rappelt Antonia sich vom Küchenboden hoch und tastet sich zu Valerie in den Flur. Dort lauschen die beiden gebannt und mit angehaltenem Atem ins Treppenhaus – und zucken erneut zusammen, als plötzlich die Wohnungstür aufgeschlossen wird. Doch dann stürzt Nina in die Wohnung, dicht gefolgt von Iffi. Die Erleichterung bei Antonia und Valerie ist unendlich.
Kurz darauf erhält Nina von ihren Kollegen die Benachrichtigung, dass Karim und die beiden anderen ihnen entkommen konnten…
Eine knappe Stunde später kommt Roland nach Hause zurück und ruft bereits im Flur: „Üsch bün wüdder dohooo! Üsch hab den Job jökrüscht. Föbrüar könn üsch anfangen. Is zwar keene Störnküsche, doa ünne Kantiner, aber vülleuscht kriesch ja bald wös bössrers, wönn üsch müsch weiter bewerben düe! Jödenfolls bün üsch froh, dess…“
Erschrocken hält er inne, als er Iffi, Antonia, Valerie und Nina kreidebleich und mit todernsten Gesichtern um den Küchentisch versammelt findet. Iffi erklärt ihm ein Kurzform, welches Drama sich am heutigen Tage wieder abgespielt hat. Kaum, dass sie mit ihren Ausführungen geendet hat, klingelt es an der Wohnungstür.
„Das ist sie!“ sagt Nina – und öffnet der Polizeipsychologin Frau Dr. Monika Scheidweiler.
Als sie alle kurz darauf bei Kaffee und Tee um den Tisch sitzen, sagt die Psychologin:„Ich denke, es wäre tatsächlich das Beste, Antonia hier vorerst aus der Schusslinie zu holen.“ Sie sieht Antonia an. „Du weißt, wovon ich rede, wir haben diese Woche ja schon einmal kurz darüber gesprochen.“
Antonia nickt wissend.
„Äh… wovon reden wir?“ fragt Iffi irritiert.
„Es gibt da in der Schweiz einen ehemaligen Schwesternorden, der von einer Stiftung zu einem Therapiezentrum für Mädchen und junge Frauen umfunktioniert wurde, die traumatische Erfahrungen in Form von sexualisierter Gewalt, Hörigkeit, Missbrauch und so weiter gemacht haben.“
„Therapiezentrum?“ fragt Iffi beunruhigt. „Ist das so etwas wie eine psychiatrische Klinik?“
„Nein, damit ist das nicht zu vergleichen“, erklärt die Psychologin. „Es ist viel mehr eine Art Dorf. Eine Welt für sich, die sich selbst versorgt und von der Außenwelt isoliert ist. Niemand kommt dort unbefugt rein. Antonia wäre dort zum einen sicher vor diesem Karim und seinem Clan und zum anderen könnte sie das, was sie erleben musste, verarbeiten, mit professioneller Unterstützung und gemeinsam mit anderen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben.“
„Wie hab ich mir das denn vorzustellen?“ fragt Iffi immer noch skeptisch.
„Dieser ehemalige Orden umfasst ein riesiges Areal, weit draußen in der Natur. Die nächste größere Ortschaft oder gar Stadt ist kilometerweit entfernt, ringsum gibt es nur Berge und Wälder. Es gibt dort ein Hauptgebäude und zahlreiche Nebengebäude. Es gibt für die Betroffenen Gruppen- und Einzeltherapien sowie ein breites Spektrum an betreuten Freizeitaktivitäten. Es gibt dort die Möglichkeit, in Lerngruppen versäumten Schulstoff aufzuholen oder Praktika zu machen. Dort sind mehrere Werkstätten, in denen man sich in verschiedenen handwerklichen Bereichen ausprobieren kann. In den Sommermonaten gibt es einen eigenen Obst-Und Gemüseanbau oder verschiedene Arten der Lebensmittelherstellung, zum Beispiel eine eigene Käserei. Es gibt Kreativangebote wie Töpferkurse, Foto-Workshops, Mal- und Zeichenkurse, Handarbeitskurse in Form von Nähen, Stricken, Häkeln… Und vor allen Dinge gibt es sehr viel Ruhe und sehr viel Zeit…“
„Würdest du das denn wollen?“ möchte Iffi, immer noch sehr unschlüssig, von ihrer Tochter wissen.
„Ja!“ sagt diese laut und voller Überzeugung.
„Ooookaaaay“, sagt Iffi gedehnt. „Und… wann würde das los gehen?“
„Sofort!“ sagt Frau Dr. Scheidweiler.
„Wie bitte?“ fragt Iffi überrumpelt.
„Ich habe bereits ein paar Vorkehrungen in die Wege geleitet“, erklärt die Polizeipsychologin. „Wenn ich mein Go gebe, dann würde Antonia noch heute Abend, sobald es richtig dunkel ist, von einem zivilen Polizeifahrzeug abgeholt und in die Schweiz gebracht. Ein Anruf von mir genügt.“
Iffi geht das alles immer noch zu schnell. „Und wie lange würde dieser… dieser Aufenthalt dort dauern?“ fragt sie.
„Also zunächst mal ist das keine Einweisung oder so etwas, sondern es geschieht alles auf freiwilliger Basis“, erklärt die Scheidweiler. „Wenn Antonia merkt, dass es ihr dort nicht gefällt oder ihr die Sache nichts bringt, wenn sie Heimweh hat oder sich unwohl fühlt, dann kann sie das Ganze jederzeit abbrechen und zurück nach Hause…“
„Und… wenn nicht?“ fragt Iffi mit einem Kloß im Hals – sie hat gerade das Gefühl, ihre Tochter für Jahre auf einen fernen Kontinent verabschieden zu müssen.
„Wochen. Monate. Ein halbes Jahr. Oder auch etwas länger. Das hängt ganz alleine davon ab, wie gut Antonia das ganze tut und wie lange sie selbst noch bleiben möchte.“
„Und du willst das wirklich?“ vergewissert Iffi sich erneut bei ihrer Tochter.
„Ich geh packen!“ erwidert diese erneut entschlossen und verlässt die Küche.
Und nun geht wirklich alles ganz schnell. Monika Scheidweiler tätigt ihren Anruf und keine zwei Stunden später steht ein unauffälliger Wagen in einer Parallelstraße hinter dem Haus, der Antonia mit einer kleinen Reisetasche mit dem nötigsten Gepäck abholt.
„Nicht traurig sein“, sagt Antonia zu ihrer Mutter zum Abschied. „Ich komm ja wieder!“
Und ehe Iffi überhaupt richtig realisiert hat, was da gerade geschieht, ist Toni auch schon auf und davon – und keiner weiß, was diese Reise letzten Endes bringen und wie lange sie dauern wird…


Das kann kein guter Tag werden: Sebastian steht kurz nach dem Aufstehen im Bad und rasiert sich, als es an der Wohnungstür Sturm zu klingeln beginnt. Dadurch wird Matteo aus dem Schlaf gerissen und beginnt in seinem Bettchen haltlos zu plärren, während Marcella hingegen gar keine Anstalten macht, aufzustehen, weder, um sich um ihren Sohn zu kümmern, noch um die Tür zu öffnen. Wie soll das nur weitergehen? Sebastian hatte sich die letzten Tage krank gemeldet, um sich selbst tagsüber um Matteo kümmern zu können, weil Marcella sich dazu nicht im Stande fühlte. Gestern nun war sie ein wenig besser drauf, weshalb Sebastian gehofft hatte, heute zumindest den halben Tag wieder zu arbeiten und Mutter und Kind solange alleine lassen zu können. Doch dem Anschein nach ist seine Freundin heute wieder zu gar nichts in der Lage…
Wütend über die frühmorgendliche Ruhestörung stapft Sebastian durch den Flur und reißt die Wohnungstüre auf. Draußen steht ein großgewachsener, dünner Mann mit Brille und grauem Haar und ruft fröhlich: „Buon giorno! Du musst Sebastiano sein!? Ich freue mich, dich endlich kennen zu lernen zu dürfen. Scusi, meine Deutsch war nie perfecto und iste jetzt noch eine bisschen mehr… come si dice… eingerostet! Ich bin Paolo, der Pappa von Marcella!“
„Ach!“ bringt Sebastian nur völlig überrumpelt hervor.
„Si!“ sagt Paolo fröhlich. „Ich bin hier um zu besuchen meine Tochter und kennenzulernen meine Enkel!“
Vielleicht ist der Tag ja doch noch nicht vollkommen verloren, denkt sich Sebastian. Wenn Marcellas Vater nun zu Besuch ist, kann er sich während seiner Abwesenheit eventuell um den Enkel kümmern. Sebastian bittet Paolo in die Wohnung und nimmt ihn gleich mit zu Matteo. Während er seinem Sohn das Fläschchen mit der abgepumpten Muttermilch gibt – den Marcella will nach wie vor nicht selber stillen – erzählt Sebastian Paolo vom aktuellen Zustand seiner Tochter, der nun schon seit Matteos Geburt anhält…
„Das ist ja furchtebar“, stellt Paolo fest. „Was sagte denn die Doktore dazu?“
„Marcellas Ärztin war sich ganz sicher, dass sich das innerhalb von ein paar Wochen nach der Geburt von selber regeln würde“, berichtet Sebastian. „Aber inzwischen ist Matteo schon fast zwei Monate alt und der Zustand bessert sich überhaupt nicht. Gestern hatte ich etwas Hoffnung, aber heute ist wieder alles beim Alten…“
„Dann wird es Zeit, dass der Pappa sich kümmert!“ sagt Paolo entschlossen und springt auf, um seine Tochter zu wecken. Als diese ihren Vater in der Schlafzimmertür erblickt, rafft Marcella sich tatsächlich auf.
„Was machst du denn hier?“ fragt sie irritiert.
„Euch besuchen!“ ruft Paolo aus. „Und eine bisschen verwöhnen, wie sich das gehörte für eine gute Nonno!“
„Schön“, erwidert sie und klingt tatsächlich ein klein wenig erfreut. „Dann kann ich ja noch ein bisschen weiterschlafen.“
„Schlafen?“ fragt Paolo fassungslos. „Ich bin die ganze Nachte durchgefahren, um am Morgen bei euch zu seine. Ich wille jetzt mit euche fare colazione… eh… frühstücken. Nun steh schon auf, Marcellina!“
„Ich bin aber müde!“ stöhnt seine Tochter und zieht sich die Decke über den Kopf. Alle Versuche von Paolo, Marcella aus dem Bett zu bekommen, bleiben vergebens. Als Sebastian sich zur Arbeit verabschiedet, verspricht Paolo, sich zu kümmern. Und als Matteo gefüttert und gewickelt ist und Marcella immer noch keine Anstalten macht, sich zu erheben, packt Paolo seinen Enkel warm ein und bricht mit ihm im Kinderwegen auf, um sein ehemaliges Lokal zu begutachten…
„PAPA!“ ruft Giovanna ungläubig aus, als Paolo mit dem Kinderwagen das Marcellas betritt. „Ich fasse es nicht! Warum hast du denn nichts gesagt?“
„Aber dann wäre es ja keine Überraschung geworden!“ lacht Paolo. Nachdem er sich von Giovanna das Bistro hat zeigen lassen und alles ausgiebig bestaunt und begutachtet hat, wird ein wenig Small Talk gehalten und natürlich kommt die Sprache sehr schnell auf Marcella und ihren aktuell doch sehr besorgniserregenden Zustand.
Als Paolo mit Matteo den Rückweg antritt, um zuhause nachzuschauen, ob Marcella inzwischen aufgestanden ist, kommt ihm auf halber Strecke Urszula entgegen.
„Urszulina!“ entfährt es ihn überrumpelt.
„Das ist… eine Überraschung“, entgegnet Urszula.
„Arbeitest du noch hier vorne im Salon?“ erkundigt Paolo sich.
„Schon lange nicht mehr“, erwidert die Polin kopfschüttelnd. „Was führt dich hier her?“
„La Famigla!“ sagt Paolo. „Meine Enkel. Meine Töchter.“
„Verstehe“, erwidert Urszula. „Na dann…“
Sie setzt zum Weitergehen an, doch dann sagt Paolo: „Ich denke, ich werde nur eine Weile hier bleiben. Vielleichte wir treffen uns mal auf eine Kaffee oder so?“
Urszula zögert kurz, dann sagt sie: „Besser nicht!“ Und ehe Paolo noch irgendetwas erwidern kann, setzt sie eilig ihren Weg fort…
Zurück im Haus Nr. 3 hat Marcella sich tatsächlich inzwischen aus dem Bett gequält, sitzt am Küchentisch und trinkt einen Kaffee. Die Freude über das Wiedersehen mit ihrem Vater wirkt zwar echt, aber doch eher Verhalten – jedenfalls nicht halb so überschwänglich, wie man es erwarten sollte, wenn man sich mehrere Jahre nicht mehr gesehen hat. Und definitiv nicht dem Temperament einer Italienerin entsprechend, wie Paolo findet. Und für ihren Sohn Matteo, den Marcella heute noch gar nicht zu Gesicht bekommen hat, interessiert sie sich kein Stück.
„Er war sehr brav“, versucht Paolo das Gespräch auf den Jungen zu lenken.
„Schön“, murmelt Marcella nur desinteressiert.
„Wir haben Tante Giovanna besucht.“
„Hmmmhmmm.“
Alle Bemühungen helfen nichts, Paolo dringt einfach nicht zu seiner Tochter durch, Marcella scheint sich für nichts zu interessieren.
„Ich finde, wire müssen da dringend etwas unternehmen“, sagt Paolo zu Sebastian, als dieser von der Arbeit nach Hause kommt. „Einfach nure abwarten, bis sich das von alleine gibt, halte ich nichte für sehr klug.“
Da Marcellas Frauenarztpraxis telefonisch nicht zu erreichen ist, wenden sich Sebastian und Paolo mangels einer Alternative schließlich an Iris.
Als die nach Praxisschluss zu einem Hausbesuch vorbei kommt, reagiert Marcella zunächst gereizt und abweisend, schließlich sei sie nicht krank, nur müde, und verzieht sich schließlich wieder in ihr Schlafzimmer. Iris lässt sich derweil von Sebastian nochmal alle Symptome und Auffälligkeiten schildern, die Marcella seit Matteos Geburt aufgezeigt hat.
„Also das ist definitiv eine ausgewachsene Wochenbettdepression“, diagnostiziert Iris. „Und so, wie ich das einschätze keine, die einfach so von alleine wieder verschwindet. Hier muss dringend was passieren, ansonsten kann sich so etwas auch quasi festsetzen und zu einem chronischen psychischen Problem werde.“
„Meinen Sie, sie muss in eine Klinik?“ fragt Paolo.
„So weit würde ich jetzt nicht gleich gehen“, beruhigt Iris ihn. „Aber sie muss zumindest in professionelle Behandlung und möglicherweise auch vorübergehend medikamentös behandelt werden. Ich stelle morgen in der Praxis eine entsprechende Überweisung aus und kann auch den Kontakt zu einem Kollegen herstellen, dann geht es hoffentlich schnell mit einem Termin.“
„Ich bezweifle aber, dass Marcella dazu bereit ist“, befürchtet Sebastian.
Iris erinnert ihn an den eher guten Tag, den Marcella gestern hatte und rät, einen solch hellen Moment zu nutzen, um ihr die Notwendigkeit einer entsprechenden Behandlung klar zu machen. Marcella hat sich derweil bereits wieder in ihr Bett zurückgezogen und schläft tief und fest, während Sebastian und Paolo sich wieder um Matteo kümmern…

Lea genießt ihr wiedererlangtes Liebesglück mit Tristan und hat seine unmögliche Mutter, von der sie in den letzten Wochen nichts mehr gehört und gesehen hat, schon fast aus ihrem Gedächtnis verdrängt. Heute ist Tristan allerdings mit seiner Mutter im Café Bayer zum Frühstücken verabredet.
„Was macht denn deine kleine Lena“, fragt Ortrun mit gerümpfter Nase, während sie mit spitzen Fingern das Croissant inspiziert, das Anna ihr gerade serviert hat. „Alles in Ordnung bei euch? Noch kein Streit?“
„Sie heißt Lea, Mutter!“ verbessert Tristan sie mal wieder. „Und es ist alles bestens bei uns.“
„Das kann nicht lange gut gehen“, befindet Ortrun, nachdem sie mit spitzen Lippen ein Schluck Kaffee genommen und danach angewidert das Gesicht verzogen hat. „Was für eine Brühe… Im Café Brüning würde man so etwas nicht servieren. Nun ja, wie auch immer, dass mit deiner Lena und dir, das kann auf Dauer nicht funktionieren. Ihr kommt ja schließlich aus zwei ganz verschiedenen Welten, nicht wahr?!“
Tristan übergeht den Kommentar seiner Mutter und sagt stattdessen: „Es gibt übrigens Neuigkeiten. Ich hab eine neue Wohnung gefunden!“
„Ach wirklich!“ freut sich Ortrun. „Wo denn?“
„Dort drüben!“ sagt Tristan und zeigt durch das Fenster zum Akropolis hinüber.
„Wie bitte?“ fragt Ortrun fassungslos. „Über dem griechischen Lokal?“
„Im zweiten Stock, ja. In der ersten Etage wohnt der Betreiber von dem Restaurant.“
„In diesem hässlichen Bau?“ fragt Frau von Sassnitz angewidert. „Und dann über einem griechischen Lokal? Wenn du das die Fenster öffnest, bist du doch permanentem Gyros-Geruch ausgesetzt! Und wenn der Gastwirt unter dir wohnt, dann wirst du doch vermutlich rund um die Uhr von griechischer… wie heißt diese Musik noch? Mit diesem komischen Gedudel beschallt! Und schau dir diesen Kasten doch nur mal an?“
„Das ist eine sehr schöne, helle und geräumige Wohnung!“ erklärt Tristan.
„Darf ich Ihnen noch was bringen?“ fragt Anna, die plötzlich neben dem Tisch steht.
„Nein, Sie können das gerne wieder mitnehmen“, erwidert Ortrun und schiebt ihr angeekelt Teller und Tasse hin. „Es schmeckt wirklich abscheulich.“
Während Tristan sich nach dem Café-Besuch in seine Kanzlei begibt, hadert Ortrun mit ihrem für sie ach so unerträglichem Schicksal, dass ausgerechnet diese Lea die Frau an der Seite ihres Sohnes sein soll. Den ganzen Tag kreisen Ortruns Gedanken nur um dieses eine Thema. Und dann fasst sie einen Entschluss…
Am Abend fährt Ortrun erneut in die Lindenstraße und wartet im Schatten der Vorgarten der Villa auf den Geschäftsschluss des Friseur-Salons. Mit einem eisigen Schaudern wirft Ortrun immer wieder Blicke hinüber zur Ruine des Hotels und erinnert sich schmerzhaft an das schreckliche Erlebnis dort…
Endlich ist es soweit: Der Salon schließt. Während Chefin Tanja noch bleibt und Abrechnungskram erledigt, verlassen Lea und ´Lotti` den Laden. Zur Ortruns Erleichterung geht der männliche Kollege alleine die Ulrike-Böss-Straße hinunter, während Lea unbegleitet zur Lindenstraße rüberkommt…
„Guten Abend, Lena!“ sagt Ortrun bemüht freundlich und tritt einen Schritt aus der Dunkelheit hervor, als Lea auf ihrer Höhe ist. Diese zuckt überrascht zusammen.
„Oh, entschuldige bitte, Lena, ich wollte dich nicht erschrecken“, sagt Ortrun sacht.
„Ich heiße Lea“, erwidert die Angesprochene knapp. „Was wollen Sie von mir?“
„Entschuldige bitte“, lacht Ortrun, „aber mein Namensgedächtnis ist eine einzige Katastrophe. Ja, natürlich, Lea… Ich würde gerne mit dir reden. Ganz vernünftig und erwachsen. Aber nicht hier in der Kälte. Würdest du mich zu meiner Villa begleiten?“
Lea zögert zunächst, lässt sich dann aber doch umstimmen und steigt zu Ortrun ins Auto. Nach einer schweigsamen Fahrt durch München kommen sie bei der Villa von Sassnitz an.
„Das hier ist das Büro meines seligen Mannes“, erklärt Ortrun, als sie Lea in einen edel eingerichteten Raum führt und hinter einem wuchtigen Mahagoni-Schreibtisch Platz nimmt.
„Schön“, meint Lea knapp und blickt sich unsicher um.
„Nimm bitte Platz, meine Liebe!“ Ortrun deutet auf die andere Seite des Schreibtisches und Lea setzt sich zögernd.
„Nun, ich will gleich zur Sache kommen!“ Ortrun beginnt auf der Tastatur eines Computers herumzutippen, bis auf dem Monitor die Website einer Bank erscheint. „Meine Liebe, ich kann mir durchaus vorstellen, wie reizvoll ein Mann wie mein Sohn für eine kleine Mittelschichts-Göre wie dich ist. Er sieht gut aus, er ist klug und liebevoll. Und vor allem ist er vermögend. Und damit wären wir schon beim Punkt. Ich habe mir Gedanken gemacht. Und ich habe beschlossen, dass ich dir gerne finanziell unter die Arme greifen würde. Ich biete dir 50.000 Euro dafür, dass du die Finger von meinem Sohn lässt.“
Lea starrt Ortrun mit offenen Augen an. „Wie bitte?“ fragt sie fassungslos.
„Ach, jetzt zier dich nicht so!“ sagt Ortrun barsch. „Du bist jung. Du hast Träume und Pläne. 50.000 Euro sind eine Menge Geld für eine wie dich!“
„Für eine wie mich?!“ Lea schnappt empört nach Luft. „Also hören Sie mal…!“
„Es ging dir bei Tristan doch von Anfang an nur ums Geld! Stell dir vor, was du mit 50.000 Euro alles anfangen kannst. Vielleicht möchtest du ja mal deinen eigenen Salon aufmachen. Oder nochmal was anständiges lernen. Das wäre doch ein feines Startkapital. 50.000 und du lässt meinen Sohn in Ruhe! Einverstanden?“

CLIFFHANGER auf: Lea Starck


Mitwirkende Personen
Paolo Varese
Marcella Varese
Matteo Varese
Giovanna Varese
Dr. Sebastian Ritter
Ortrun von Sassnitz
Tristan von Sassnitz
Lea Starck
Roland Landmann
Iffi Zenker
Antonia Zenker
Valerie Zenker
Nina Zöllig
Tanja Schildknecht
Peter ´Lotti’ Lottmann
Urszula Winicki-Brenner
Anna Ziegler
Dr. Iris Brooks
Claudio Russo
Karim El-Farooq
Dr. Monika Scheidweiler

© ´popo wolfson`2023

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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