Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1857 - Kaffee und Kippen
BeitragVerfasst: So 13. Nov 2022, 14:12 
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Folge 1857: Kaffee und Kippen

Spieltag: Donnerstag, 10.11.2022


Um kurz nach Mitternacht schwankt Popo an diesem beginnenden Donnerstag angetrunken durch die Lindenstraße. Sie hat in einer Bar in der Nähe den ganzen Abend mit einer Gruppe kanadischer Touristen gefeiert und sehnt sich nun nach ihrem Bett. Als sie vor dem Haus Nr. 3 ankommt, muss sie jedoch entsetzt feststellen, dass sie ihren Schlüssel vergessen hat. Und selbst die Haustür ist abgeschlossen, so, dass sie nicht einmal ins Treppenhaus gelangt. Verflixt nochmal, wer sperrt hier nur immer zu? Bestimmt wieder dieser Klaus mit seiner ständigen Paranoia…
Kurz überlegt sie, Marcella und Sebastian aus dem Schlaf zu klingeln, entscheidet sich aber doch dagegen. Nett genug, dass die beiden ihr immer noch ihre Gastfreundschaft schenken, da muss sie nicht auch noch zum Dank ihre Nachtruhe stören…
Popo blickt sich um. Auch das Akropolis hat längst geschlossen und liegt im Dunkeln. Ihr Blick fällt auf das Hotel Bei den Linden. Gab es darin nicht eine Bar? Zielstrebig betritt Popo das Gebäude. Im Foyer sieht sich sich kurz suchend um und steuert dann die Richtung an, in der sie die Bar vermutet, als eine barsche Frauenstimme fragt:„Wohin wollen Sie denn bitte?“
Als Popo sich umblickt, sieht Rezeptionistin Britta Bachschmidt finster zu ihr hinüber.
„Ich will an die Bar!“ erklärt Popo.
„Die Bar ist nur für Gäste“, erwidert Frau Bachschmidt.
„Ich bin eine Gast!“ lügt Popo.
„Dürfte ich Sie dann bitte nach Ihrer Zimmernummer fragen?!“
„397“, schießt es aus Popo hervor und Britta Bachschmidt lacht kurz auf. „Dieses Zimmer gibt es hier gar nicht!“ sagt sie triumphierend grinsend.
„297?“ versucht Popo es nochmal.
„Am besten, Sie gehen jetzt!“ fordert Britta sie schnippisch auf.
„Die Dame gehört zu mir“, ertönt plötzlich eine männliche Stimme aus der Richtung, in der Popo die Bar vermutet hat. Dort steht nun ein überaus gut aussehende junger Mann mit schulterlangen Haaren und lächelt sie freundlich an.
„Entschuldigen Sie bitte, das wusste ich nicht, Herr zu Hohenlobese“, sagt Britta Bachschmidt.
Kolja zu Hohenlobese kommt auf Popo zu und erklärt: „Ich wollte eigentlich gerade auf mein Zimmer, aber ich trinke auch gerne noch was mit Ihnen an der Bar.“
„Ich finde, Zimmer klingt eigentlich very good“, erwidert Popo breit grinsend.
„Sie sind Amerikanerin?“ erkundigt sich Kolja.
„Canadian“, erklärt Popo.
„Schönes Land, ich war schon ein paar Mal dort“, sagt Kolja. „Woher genau kommen Sie?“
„Toronto“, antwortet Popo.
„Da war ich jetzt tatsächlich noch nicht. Möchten Sie mir davon erzählen? Oben? In meinem Zimmer?“
„Sehr gerne“, erwidert Popo und folgt ihm. Auf dem Weg zum Aufzug dreht sie sich noch einmal zu der Rezeptionistin um und grinst sie frech an. Britta lächelt höflich zurück, murmelt dann aber zu sich selbst: „Wenn sein Bruder wüsste, dass er jetzt auch noch irgendwelche billigen Weiber hier anschleppt…“
Für Popo und Kolja wird es in Koljas Zimmer eine heiße Nacht mit viel Sex und wenig Schlaf. Letzterer übermannt die beiden erst in den frühen Morgenstunden. Als Popo später in Koljas Arm erwacht, fällt bereits helles Tageslicht durchs Fenster in das Hotelzimmer.
„Soll ich dir vom Zimmer-Service das Deluxe-Frühstück bestellen?“ fragt Kolja.
„Nur mir?“ fragt Popo. „Nicht for you?“
„Ich brauche nur eine große Kanne schwarzen Kaffee“, sagt Kolja. „Und Zigaretten. Das reicht für mich als Frühstück.“
„Sehr gesund“, kichert Popo.
Und während sie in der letzten Nacht vor lauter Sex kaum zum Unterhalten gekommen sind, reden sie nun umso ausgiebiger, während Popo im Bett das Deluxe-Frühstück verputzt. Kolja berichtet ausgiebig von seinen Reisen und Popo erzählt ihm im Gegenzug von Toronto, eine der wenigen Städte der Welt, in die Kolja es tatsächlich noch nicht geschafft hat.
Währenddessen liegt Marcella im Haus Nr. 3 mal wieder auf dem Sofa und zappt ziellos durch die TV-Programme. Sie fühlt sich wie ein gestrandeter Wal und ihr ist entsetzlich langweilig. Und dann beginnt zu allem Überfluss auch noch der Rauchmelder im Flur zu piepen. Dr. Dressler hat zu seinen Lebzeiten noch veranlasst, dass alle Wohnungen des Hauses mit ausreichenden Feuermeldern ausgestattet wurden, doch das Exemplar aus Marcellas Flur hat schon seit Längerem eine Macke. Alle zwei bis drei Wochen piept er munter drauf los, obwohl die Batterien gerade erst gewechselt wurden – offenbar eine Störung. Marcella hat Andy bereits mehrfach aufgefordert, es im Rahmen seiner Hausmeistertätigkeit durch ein neues Modell auszutauschen, doch bisher ist diesbezüglich nichts geschehen. Marcella versucht zunächst, dass Piepen zu ignorieren und stellt den Fernseher lauter. Doch der Ton wird immer lauter und durchdringender und geht der schwangerschaftsgeplagten Italienerin sehr bald unerträglich auf die Nerven. Ein Versuch, Andy auf seinem Handy zu erreichen scheitert – Mailbox. Marcella quält sich von ihrer Couch und schlurft in den Flur. Dort unternimmt sie ein paar vergebliche Versuche, das piepende Monstrum einfach mit einem Besen von der Decke zu schlagen. Schließlich steigt sie auf eine Treppenleiter, um das Teil abzuschrauben. Während sie schwankend auf der obersten Stufe balanciert, der dicke Bauch dabei gegen den Griff der Leiter drückt und ihr der Schweiß in Strömen das Gesicht hinunter fließt, da sich dieses verdammte Teil auch gar nicht mal so leicht abdrehen lässt, kommt Sebastian zur Tür herein – und ist fassungslos über das, was er da sieht.
„Was machst du denn da?“ fragt er entsetzt. „Du kannst doch in deinem Zustand nicht da oben auf der Leiter rumturnen!“
„Ich bin schwanger und nicht sterbenskrank“, gibt Marcella patzig zurück. „Dann hilf mir halt mal, ich krieg das Ding nicht los und dieses Gepiepse raubt mir den letzten Nerv.“
Nachdem Marcella von der Leiter geklettert ist, steigt Sebastian hinauf und beendet in Sekunden die nervtötende Lärmerei.
„Du kannst sowas nicht machen“, sagt er vorwurfsvoll. „Wenn du runtergefallen wärst. Oder sich überanstrengt hättest. Bei einer Risikoschwangerschaft ist…“
„Soll ich mich hier stundenlang diesem Gedröhne aussetzen?“ fragt Marcella giftig.
„Wo ist Popo denn eigentlich?“ will Sebastian wissen.
„Keine Ahnung, unterwegs. Ich hab sie heute noch nicht gesehen…“
„Ich dachte, sie hat heute frei! Da könnte sie sich ja wenigstens mal im Haushalt nützlich machen und dich unterstützen, dafür, dass sie hier wohnen darf.“
„Es ist doch nichts passiert!“ winkt Marcella ab.
Aber Sebastian ist sauer. Und überhaupt geht ihm Popos Anwesenheit unendlich auf die Nerven. Popo ist faul und unzuverlässig und obendrein völlig egoistisch. Aber spätestens wenn in knapp zwei Wochen das Kind kommt, muss sie ohnehin woanders unterkommen…
Popo liegt derweil immer noch mit Kolja im Hotelbett und lässt sich von ihm die zahlreichen Fotos zeigen, die er auf seinen Reisen gemacht hat.
„Wow!“ sagt Popo begeistert. „Du machst echt so schönen Fotos. Beautiful. Du solltest verkaufen sie.“
„Ab und zu verkaufe ich wirklich mal was“, sagt Kolja. „Aber da muss man echt schon Glück haben. Ich hab außer der Digicam noch eine alte Polaroid. Wenn ich mal an irgendeinem klassischen Urlaubsort bin, fotografiere ich damit die Touris. Wenn die in Urlaubsstimmung sind, zahlen die schon mal ganz ordentlich. Aber die typischen Touristen-Ziele nerven mich eher. Ich bin lieber etwas abseits unterwegs.“
Er macht ein Polaroid-Bild von Popo, die gerade dabei ist, Aufnahmen vom Grand Canyon zu bewundern.
Derweil trifft Sebastian im Treppenhaus auf Andy und weist ihn nochmal auf den defekten Rauchmelder hin. Andy verspricht ihm, sich heute noch darum zu kümmern. Bei der Gelegenheit erkundigt Andy sich bei Sebastian, ob Popo immer noch bei ihnen wohnt.
„Momentan wohl, aber wenn das Baby kommt, muss sie raus“, erklärt Sebastian. „Sie schläft ja zur Zeit im Kinderzimmer.“
„Das ihr dieses Früchtchen überhaupt bei euch wohnen lasst“, murrt Andy. „ Nach allem, was die sich geleistet hat.“
„Was genau meinst du?“ fragt Sebastian.
„Ach, das wisst ihr gar nicht?“ fragt Andy überrascht – und berichtet detailliert von Popos Verleumdung gegen Herrn Hülsch. Sebastian kriegt vor Fassungslosigkeit den Mund nicht mehr zu.
Und auch Marcella glaubt ihren Ohren nicht zu trauen, als Sebastian sie wenig später über diese Neuigkeit in Kenntnis setzt.
„Dann war der Hülsch unschuldig und sie hat sich das alles nur ausgedacht?“ fragt Marcella. „Das ist doch nicht zu fassen. Und ich hab auch noch Mitleid mit ihr gehabt!“
Popo ahnt derweil nichts davon. Sie und Kolja haben ihren Tag im Hotelbett mit Reisefotos gucken, Quatschen und Sex verbracht. Als Popo sich irgendwann zum Aufbruch bereit macht, beschließen sie und Kolja, dass sie solch einen Tag durchaus nochmal wiederholen könnten, solange Kolja noch im Hotel Bei den Linden verweilt…
Gut gelaunt, klingelt Popo kurz darauf an Marcellas Wohnungstür.
„Sorry, hab forget meine Schlüssel“, zwitschert sie beim Eintreten – und wird sogleich von eisiger Stimmung umfangen.
„Ist etwas passiert?“ fragt sie misstrauisch.
„Allerdings“, sagt Marcella kühl und Sebastian verschränkt neben ihr unheilvoll die Arme vor der Brust. „Wir möchten, dass du ausziehst. Heute noch!“
„Aber… kommt das Baby denn schon?“ fragt Popo verwirrt.
„Wir haben keine Lust mehr, eine miese Lügnerin und Verleumderin wie dich auszuhalten“, erklärt Sebastian.
„What?“ fragt Popo.
„Wir wissen Bescheid über deine Lügerei in Bezug auf Hülsch“, sagt Marcella. „Andy hat uns darüber aufgeklärt, wie das alles in Wirklichkeit gelaufen ist!“
Popo sieht fassungslos zwischen den beiden hin und her. „Und wo ich soll hin?“ fragt sie entsetzt.
„Ist nicht unser Problem“, sagt Sebastian achselzuckend.
„Du fällst ja sonst auch immer auf die Füße“, meint Marcella. „Nimm dir halt irgendwo ein Zimmer. Den Job im Marcellas kannst du natürlich bis zum Ablauf deiner Kündigungsfrist behalten. Gian-Luca kümmert sich dann um die schriftliche Kündigung.“
Popo funkelt Marcella böse an. „Fuck you, bitch! Deinen Shit Job kannst du dir schieben in die Asshole. Und deine fucking Kündigungsfrist auch!“
Wütend packt Popo ihre wenigen Habseligkeiten zusammen und verlässt ohne jedes weitere Wort Marcellas Wohnung. Auf der Straße steht sie dann allerdings erstmal ratlos da und weiß nicht, wohin…
„Willst du verreisen?“ erklingt plötzlich eine ihr bekannte Stimme und im nächsten Moment steht Kolja neben ihr. „Davon hast du gar nichts erzählt.“
„Ich bin grad geflogen raus aus meine Bleibe“, erwidert Popo zerknirscht.
„Warum denn das?“
„Lange Geschichte.“
„Okay“, beschließt Kolja. „Dann kommst du einfach erstmal mit zu mir! Im Hotelzimmer ist Platz genug und dann haben wir alle Zeit der Welt, damit du mir deine lange Geschichte in Ruhe erzählen kannst…“
Popo ist begeistert. Nicht so allerdings Casper, als er Minuten später von seinem Büro aus Kolja und Popo mitsamt Popos Gepäck durch das Hotel-Foyer in Richtung Aufzüge marschieren sieht.
„Was wird das hier?“ will Casper gereizt von seinem Bruder wissen.
„Ich habe ab sofort einen Gast!“ erklärt Kolja.
„Von wegen! Überspann den Bogen nicht! Schlimm genug, dass du dich hier auf Papas Gutdünken einwanzt, aber die hier zieht nicht auch noch ein!“
„Die hier ist meine neue Freundin und wird in Zukunft bei mir wohnen“, sagt Kolja und noch während sein älterer Bruder nach Luft schnappend die passenden Worte sucht, verschwinden er und Popo bereits in einem der Aufzüge… Empört rast Casper in sein Büro und wählt die Nummer seines Vaters, während Kolja vom Zimmer aus für sich und seinen Gast beim Zimmer-Service das Deluxe-Abendessen bestellt…

Iffi sitzt bereits an ihrem Laptop und arbeitet, als Antonia an diesem Morgen die Küche betritt.
„Gehst du heute wieder nicht ins Labor?“ möchte sie von ihrer Mutter wissen.
„Nein, ich arbeite von zuhause aus“, erklärt die Gefragte. „Das ist zwar nicht so effektiv, als ob ich vor Ort wäre, aber es ist ja nun nicht so, dass ich hier gar nichts machen kann.“
„Meinetwegen musst du aber nicht immer hier bleiben“, sagt Antonia. „Ich komme auch ein paar Stunden alleine klar.“
„Ich möchte aber für dich da sein, wenn du mich brauchst.“
„Mama, bitte, ich bin kein Säugling mehr.“
„Aber… aber du kannst doch hier nicht den ganzen Tag alleine in der Bude hocken“, insistiert Iffi. „Da wirst du ja noch verrückt.“
„Ich… überlege sowieso, ob ich nächste Woche nicht wieder in die Schule gehen soll“, sagt Antonia. „Da wäre ich dann nicht mehr alleine.“
Iffi horcht auf. „Wirklich?“ fragt sie mit hörbarer Freude in der Stimme. „Das wäre ja ganz wunderbar, wenn du… wirklich wieder… Aber... ist dir das nicht noch zu früh? Willst du nicht lieber noch ein Weilchen abwarten, bis du wieder… also, bis du das alles ein wenig mehr verarbeitet hast?“
Antonia schüttelt den Kopf. „Ist schon okay. Ich glaube, dass würde mir ganz gut tun. Und wenn ich jetzt bald wieder loslege, dann schaffe ich das Schuljahr vielleicht ja in diesem Anlauf.“
„Und wann gehst du wieder zu Frau Dr. Scheidweiler?“
„Nächste Woche habe ich wieder einen Termin“, berichtet Antonia. „Ich glaube, das tut mir wirklich gut, mit ihr zu reden...“
Iffi drückt ihre Tochter an sich. „Ach, Toni, ich bin so froh, dass du wieder ins Leben zurückfindest.“
„Mama, du erdrückst mich!“
„Sorry!“ Iffi weicht zurück. „Ich… müsste eigentlich wirklich mal kurz ins Labor. Aber nur, wenn das für die okay ist. Ich kann das sonst auch telefonisch…“
„Mama, ist wirklich okay für mich. Und später kommt ja auch Tante Valerie vom Frühdienst nach Hause.“
Iffi verdreht die Augen. Als sie kurze Zeit später die Wohnung verlässt, sagt sie: „Es dauert nicht lange. Ich bin definitiv vor Valle zurück. Und ich bring uns was zu essen mit!“
Antonia beobachtet vom Fenster aus, wie Iffi in ihr Auto steigt und wegfährt. Dann verschickt sie von ihrem Handy aus eine Kurznachricht und verlässt kurze Zeit später die Wohnung.
Etwas später trifft sie auf dem Parkplatz eines stillgelegten Fabrikgeländes ein, wo Karim bereits auf sie wartet. Er küsst Antonia auf den Mund, doch sie weicht zurück.
„Was ist denn los?“ fragt er. „Ich dachte, zwischen uns ist alles wieder in Ordnung?“
Antonia tritt verlegen von einem Fuß auf den anderen und weiß nicht so recht, was sie erwidern soll.
„Du hast doch nicht etwa immer noch Angst vor mir?“ fragt Karim. „Ey, ich kann doch nichts für das alles. Das hat mein Onkel gemacht. Ich bin doch hier selbst nur Opfer. Aber die haben ihm seinen Laden dicht gemacht, er kann uns nichts mehr tun. Und meine ganze Familie kann mich mal. Heute Abend geht es auf in Richtung Portugal. Dann sind wir weit weg von unserem alten Leben, für immer!“
„Ich… weiß nicht, ob ich das wirklich machen soll“, sagt Antonia.
„Wie bitte?“ fragt Karim verständnislos.
„Es fühlt sich nicht richtig an, dass ich meine Familie schon wieder belüge. Und außerdem weiß ich nicht, ob… ob ich… ob ich dir wirklich… vertrauen kann. Nach allem, was war…“
„Das verstehe ich“, gibt Karim zu. „Und ich verstehe, dass du enttäuscht von mir bist. Aber ich hatte doch keine andere Wahl. Und ich dachte, wir hätten das inzwischen geklärt.“
Antonia zuckt mit den Schultern und Karim fragt: „Also willst du nicht mit mir nach Portugal. Also willst du nicht, dass wir unser Leben zusammen verbringen? So, wie wir uns das immer vorgestellt haben?“
„Doch… schon… aber… Es ist halt so viel kaputt gegangen…“
„Aber das bauen wir wieder auf! Das reparieren wir alles wieder. Wenn wir in Portugal sind, dann wird alles wieder schön zwischen uns. Wirst du schon sehen. Du bist die Einzige für mich. Du bist die Liebe meines Lebens! Bitte, du musst wieder lernen, mir zu vertrauen, sonst bricht mir das das Herz. Willst du mir wirklich mein Herz brechen?“
Er sieht sie mit einem Hundeblick an, dem Antonia kaum noch widerstehen kann, und als Karim sie schließlich leidenschaftlich küsst, ist es erneut um sie geschehen.
„Heute Abend um sechs hier?“ fragt sie und er nickt und strahlt sie aus so leuchtenden Augen an, dass es Antonia ganz warm ums Herz wird und sie sich nicht mehr vorstellen kann, dass dieser Mensch ihr jemals wieder was Schlechtes antun wird. „Ich bin pünktlich!“ sagt sie zum Abschied und geht.
Zuhause angekommen, sitzt Valerie am Küchentisch und löffelt einen Joghurt.
„Was machst du denn schon hier?“ fragt Antonia.
„Hab ein paar Überstunden abgebaut“, erklärt die Tante. „Wo bist du denn gewesen?“
„Luft schnappen“, erwidert Antonia knapp. In ihrem Zimmer packt sie kurz darauf die nötigsten Sachen in eine kleine Reisetasche. Als sie fertig ist, beschließt sie, diese jetzt schon zu dem Fabrikgelände zu bringen und dort irgendwo zu deponieren. Es gibt doch genug gute Verstecke und jetzt im Moment ist nur Valerie zuhause. Wenn der Rest der Sippschaft hier später auch noch rumschwirrt, könnte es schwieriger werden, das Gepäck unbemerkt aus der Wohnung zu schmuggeln.
Als Antonia hört, das Valerie gerade unter der Dusche steht, schleicht sie sich ohne Abschiedsgruß davon.
Am Fabrikgelände angekommen, überlegt Antonia, wo das passende Versteck für ihre Tasche ist – schließlich will sie nicht riskieren, dass sich am Ende womöglich noch irgendein Obdachloser an ihren Sachen zu schaffen macht. Während sie suchend auf dem Areal herumwandelt, hält sie plötzlich irritiert inne, als sie entdeckt, dass Karims Auto dort immer noch parkt. Oder schon wieder? Vorhin stand es jedenfalls an einer anderen Stelle… Antonia geht zu dem Wagen hinüber, der abgeschlossen ist. Und von Karim fehlt jede Spur. Sie schleicht um ein Nebengebäude der Fabrikhalle und hört plötzlich gedämpfte Stimmen. Vorsichtig geht sie näher ran. Und plötzlich entdeckt sie die beiden: Karim und ein Mädchen, jünger als sie selbst, allerhöchstens 16, sitzen eng umschlungen in einem kleinen von Efeu überwachsenen Verschlag. Sie hat ihren Kopf an seine Brust gelegt und die Augen geschlossen, er streichelt ihr übers Haar und sagt: „Du glaubst gar nicht, wie sehr ich dich liebe, Tara. Ich hab noch nie jemanden so sehr wie dich geliebt. Ich möchte, dass wir den Rest unseres Lebens zusammenbleiben.
Tara öffnet die Augen und strahlt ihn an. Und dann schiebt er seine Zunge in ihren Mund und die beiden küssen sich lange und intensiv. Antonia hat das Gefühl, dass ihr der Boden unter den Füßen weggerissen wird. Die ganze Welt um sie herum scheint sich zu drehen und sie muss sich gegen die Wand lehnen und abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren…
Antonia atmet einige Mal tief durch. Als sie erneut vorsichtig um die Ecke linst, sind die beiden immer noch eng umschlungen und küssen sich voller Zärtlichkeit.
Antonia schnappt sich ihre Tasche und huscht lautlos davon. Als sie an Karims parkendem Auto vorbeikommt, schnappt sie sich ihren Wohnungsschlüssel und versucht ein FICK DICH! In die Motorhaube zu kratzen. Mehr als FI bekommt sie jedoch nicht hin, weil ihr vor Wut und Enttäuschung die Hände zittern. Stattdessen schnappt sie sich schließlich einen umherliegenden Ziegelstein und pfeffert ihn mit voller Wucht in seine Windschutzscheibe. Dann eilt sie auf und davon…
Derweil herrscht in der Kastanienstraße Aufregung, denn Iffi ist zurück und hat natürlich das Verschwinden ihrer Tochter sofort bemerkt. Als Valerie ihr dann auch noch erzählt, dass Antonia schon mal weg war, als sie nach Hause gekommen ist, ist Iffi sofort hochgradig alarmiert.
„Hast du sie denn nicht gefragt, wo sie war?“ keift Iffi.
„Luft schnappen, hat sie mir gesagt.“
„Und wie konnte sie dann wieder abhauen, ohne dass du was merkst?“
„Ich war duschen!“ verteidigt sich Valerie. „Ich hab den ganzen Morgen im Krankenhaus geschuftet.“
In diesem Moment klingelt es an der Tür und Iffi hofft inständig, dass es Toni ist, dir nur ihren Schlüssel vergessen hat. Doch als sie öffnet, steht dort draußen die Polizeipsychologin Dr. Monika Scheidweiler
„Entschuldigen Sie bitte den Überfall, aber ich war gerade in der Nähe und dachte, ich komme einfach mal vorbei“, sagt Frau Dr. Scheidweiler.
„Das passt mir jetzt eigentlich gerade überhaupt nicht“, sagt Iffi unwirsch. „Was gibt’s denn?“
„Ich wollte mich nur mal erkundigen, ob bei Antonia alles in Ordnung ist. Es ist mehr so ein ungutes Gefühl. Wissen Sie, als unser erstes Gespräch letzte Woche so positiv verlaufen ist, habe ich mir im Grunde schon gedacht, dass es da noch einige… nennen wir es mal Wechselbäder geben wird…“
„Wechselbäder?“ fragt Iffi und versteht nur Bahnhof.
„Antonia steht zur Zeit noch ganz am Anfang eines sehr schweren Weges“, erklärt die Psychologin. „Es würde mich, ehrlich gesagt, sehr erstaunen, wenn sie bereits jetzt eine solch differenzierte Sicht auf diesen Karim hätte. Diese Typen sind schließlich Meister der Manipulation und dass Antonia so problemlos den Absprung schafft, wäre ziemlich unwahrscheinlich. Mädchen, die Opfer dieser Masche wurden, machen quasi eine Berg- und Talfahrt mit, wenn sie versuchen, das alles zu verarbeiten. An einem Tag sind sie einsichtig und vernünftig, an einem anderen wirken sie wieder wie angefixt…“
„Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?“ unterbricht Iffi die Frau genervt.
„Am Montag schien mir Antonias Einsicht, die sie bei unserem ersten Treffen an den Tag gelegt hat, wieder ein wenig… verpufft. Aber wie gesagt, ist das am Anfang normal und kein Grund, gleich die Pferde scheu zu machen. Aber als sie dann unseren morgigen Termin abgesagt hat, wollte ich doch mal auf Nummer sicher gehen…“
„Moment mal?“ fällt Iffi ihr ins Wort. „Morgiger Termin? Toni hat mir gesagt, sie hätte erst nächste Woche wieder einen Termin!?!“
„Nein, morgen, aber den hat sie gestern telefonisch abgesagt, weil sie im Moment, wie sie sagte, ‚zu durch‘ dafür sei…“
„Warum erfahre ich sowas denn nicht?“ schreit Iffi mit vorwurfsvoller Stimme. „Und jetzt kommen Sie mir nicht mit Schweigepflicht oder so einem Mist. Toni ist minderjährig und ich bin ihre Erziehungsberechtigte. Wenn Sie den Verdacht haben, dass etwas nicht stimmt, denn müssen Sie mich das wissen lassen!“
„Darum bin ich ja nun hier“, erklärt die Scheidweiler. „Und wie gesagt, ich will nicht gleich die Pferde scheu machen. Stimmungsschwankungen und wechselnden Ansichten sind am Anfang…
„Ja,ja… ganz normal“, keift Iffi. „Aber Toni ist verschwunden!!!“
„Verschwunden?“ fragt die Polizeipsychologin entsetzt. „Seit wann?“
„Heute Morgen war noch alles gut und dann… TONI!“ Hinter Fr. Dr. Scheidweiler ist in diesem Augenblick Antonia im Treppenhaus erschienen, vollkommen verheult und mit einer Reisetasche in der Hand.
„Er hat mich schon wieder belogen“, weint sie los. „Er wollte mit mir nach Portugal. Er hat gesagt, dass ich die Einzige für ihn bin und dass ihm das alles so leid tut. Und jetzt macht er da mit diesem anderen Mädchen rum und erzählt ihr genau den gleichen Mist!!!“
Antonia fällt ihre Mutter in die Arme.
Kurze Zeit später sitzen Mutter und Tochter sowie die Polizeipsychologin gemeinsam am Küchentisch, während Valerie im Flur herumschleicht und versucht, durch die geschlossene Tür etwas von dem Gespräch zu erhaschen. Frau Dr. Scheidweiler berichtet nochmal lange und ausführlich über die Masche eines Loverboy und Toni wird zunehmend klar, dass Karim nie mit ihr nach Portugal wollte, sondern sie vermutlich an das nächste Bordell verhökert hätte, wäre sie mit ihm mitgegangen…
„Oh mein Gott!“ entfährt es Iffi plötzlich. „Das ist doch die Gelegenheit, ihn dingfest zu machen. Er wird heute Abend auf Antonia dort auf diesem Industriegelände warten, wir müssen die Polizei dorthin schicken. Ich muss Nina anrufen! Oder Sie müssen Ihre Kollegen informieren, Frau Doktor Scheidweiler.“
„Aber meinst du denn, dass er kommen wird?“ fragt Antonia. „Ich hab schließlich sein Auto beschädigt, da wird er wohl kaum glauben, dass ich jetzt noch auf ihn warte…“
„Er kann doch nicht wissen, dass du das warst“, überlegt Iffi. „Es gibt sicher noch zig andere Mädchen, die ebenso Grund dazu hätten…“
„Ein Versuch ist es jedenfalls wert!“ beschließt Monika Scheidweiler und greift zum Telefon.
Doch Karim erscheint nicht am Treffpunkt. Offensichtlich ahnt er wirklich, dass Antonia hinter der Attacke auf sein Auto steckt und hat es für sicherer gehalten, dem Fabrikgelände fernzubleiben.
„Irgendwann werden wir ihn erwischen“, sagt Nina, als sie am Abend bei Iffi zu Besuch ist. „Wer weiß, wer da außer seinem Onkel, diesem Bordell-Betreiber, noch alles drin hängt. Diese Clans sind ja meistens riesig. Es muss ja wohl offensichtlich noch andere geben, für die dieser Karim neue Mädchen ranschafft.“
Antonia zieht sich derweil wieder völlig in sich zurück. Nachdem sie erneut beinahe auf ihren Peiniger reingefallen wäre, wird ihr zunehmend bewusst, wie weit weg sie immer noch ist von einem normalen Leben...

Sandra steigt am frühen Morgen aus dem Bus, der an der Ecke der Ulrike-Böss-Straße anhält, und stiefelt in Richtung Hotel. Vor dem Eingang der Villa entdeckt sie Jack und Ludde, die eifrig miteinander diskutieren.
„Boah, das ist so ätzend“, nörgelt Jack. „Da kann Ben kurzfristig Karten für die Veranstaltung auftreiben und wir können nicht hin, weil Gung ausgerechnet heute was vor hat. Ich will Emma aber auch nicht den ganzen Nachmittag alleine zuhause lassen. Die surft dann nur wieder die ganze Zeit im Netz und macht da irgendeinen Mist…“
„Ja, sorry“, sagt Ludde. „Aber ich kann heute echt nicht. Mein Bewährungshelfer steht nicht so drauf, wenn ich meine Termine mit ihm verschiebe.“
„Ich weiß ja“, murmelt Jack. „Dann müssen wir unsere Karten halt verfallen lassen.“
„Wat is’ denn los?“ erkundigt sich Sandra.
„Ach, Ben und ich haben ganz spontan Eintrittskarten bekommen für so eine Street Art Ausstellung heute Nachmittag“, erklärt Jack. „Das ist echt eine total coole Sache. Aber Vasily holt Emma erst heute Abend ab, Ludde hat einen Termin mit seinem Bewährungshelfer und Gung muss auch irgendwo hin. Aber ich will Emma nicht so lange alleine lassen. Die ist jetzt in einem Alter, in dem sie nur Blödsinn im Kopf hat, wenn sie alleine zuhause ist…“
„Isch könnte misch doch um Emma kümmern“, schlägt Sandra schnell vor.
„Musst du denn nicht arbeiten?“ fragt Jack.
„Nee, isch hab heut frei!“ lügt Sandra.
„Und was machst du dann hier?“
„Ach so, isch muss nur schnell wat abjeben beim Chef, danach hab isch Zeit!“
„Ist ja super!“ freut sich Jack und kramt ihren Schlüssel hervor, den sie Sandra in die Hand drückt. „Dann kannst du von mir aus gleich zu uns gehen und den ganzen Tag bleiben, so musste nicht extra zurück in die Stadt. Um 18 Uhr holt Vasily Emma ab und sie übernachtet dann bei ihm, also dann müsstet ihr zuhause sein.“
„Alles klar!“ sagt Sandra fröhlich – und brütet in Windeseile einen Plan aus…
Wenige Minuten später steht sie im Büro ihres Chefs Casper zu Hohenlobese, hat den Mundschutz bis weit über die Nase und die Haare bis in die Augen gezogen, so dass man kaum was von ihrem Gesicht erkennen kann, und stöhnt ihm etwas von Bauchkrämpfen, Durchfall und Erbrechen vor und dass sie so heute unter gar keinen Umständen arbeiten könne… Entsetzt weicht Casper mehrere Schritte zurück.
„Was machen Sie dann überhaupt hier?“ fragt er nahezu panisch. „Sie hätten sich doch auch telefonisch krank melden können. Nicht, dass Sie uns hier noch alle anstecken…“
„Isch hab gleisch enne Termin bei de Frau Doktor Brooks nebenan und da dacht isch, da kann isch doch glei’ ma’ persönlisch Bescheid saachen.“
„Okay, aber denn gehen Sie jetzt bitte. Und halten Sie sich bloß von der Küche fern! Ich gebe da Bescheid, dass Sie heute nicht kommen!“
Zufrieden verlässt Sandra das Hotel. Nachdem sie sich in der Küche der Villa umgesehen hat, welche Lebensmittel noch so vorhanden sind, geht sie zunächst mal in den Supermarkt rüber, um einen Großeinkauf zu starten – mit verstohlenem Blick in Richtung Hotel und in der Hoffnung, dass keiner ihrer Kollegen oder gar ihr Chef sie sieht…
Als sie mit Einkäufen bepackt den Supermarkt verlässt, hält sie am Ausgang erschrocken inne; ihr Chef Casper steht vor dem Hotel und telefoniert. Warum bloß da draußen? Nervös drückt sich Sandra im Eingangsbereich herum und behält ihn im Auge.
„Stimmt irgendwas nicht? Ist alles in Ordnung?“ fragt plötzlich Jenny hinter ihr, die gerade dabei ist, die Obst-und Gemüseauslagen im Eingangsbereich zu drapieren.
„Nee, alles in Orchdnung, isch… äh… guck grad nur’n bissken.“
„Aha“, macht Jenny irritiert und wendet sich wieder ihrer Arbeit zu…
Nun marschiert Casper telefonierend in Richtung Ulrike-Böss-Straße und bleibt ausgerechnet direkt vor der Villa stehen. Auch das noch… Sandra beobachtet ihn noch ein Weilchen. Und als er keine Anstalten macht, wieder zu gehen, läuft sie mit eiligen Schritten in Richtung Kastanienstraße – und stößt vor dem Akropolis prompt mit Vasily zusammen…
„Was machst du denn hier?“ fragt der Grieche unfreundlich.
„Nix, isch...äh… musste nur wat besorgen“, erwidert Sandra hektisch, blickt sich nochmal verstohlen um, sagt kurz „tschö“ zu Vasily und biegt in die Kastanienstraße ab.
Nachdem sie die nächste Parallelstraße genommen hat und dann über die Ulrike-Böss-Straße wieder zur Lindenstraße gelangt, ist ihr Chef verschwunden. Sandra atmet erleichtert auf und eilt schnellen Schrittes in die Villa.
Als Emma am Mittag aus der Schule kommt, freut sie sich über Sandras Anwesenheit.
„Und isch hab auch schon enne janz tolle Idee, wat wir zwei beiden jetzt machen“, sagt Sandra geheimnisvoll. „Wir werden nämlisch jetzt kochen. So en rischtiges sterneverdächtiges Mehrere-Gänge-Menü. Und damit überraschen wir dann den Papa. Wenn der nämlisch heute Abend kommt, um dich abzuholen, dann essen wir mit dem, so rischtisch jemütlisch mit Kerzenschein und allem. Is dat nisch toll?“
„Oh ja, cool!“ freut sich Emma und beginnt sogleich voller Tatendrang, die von Sandra eingekauften Lebensmittel zu inspizieren…
Mit Feuereifer machen die beiden sich schließlich ans Werk und Emma findet dabei zunehmend Spaß am Kochen. Obwohl Sandra als professionelle Köchin weiß, wie sie ihr Handwerk machen muss, ohne dass alles in einem vollkommenen Chaos ausartet, lässt sie Emma in ihrer kindlichen Spielfreude gewähren, wie sie will – und schon bald sieht die Küche der Villa aus wie ein Schlachtfeld…
Als Sandra und Emma gerade dabei sind, den Nachtisch in Dessert-Schälchen zu verteilen, steht plötzlich und unerwartet Gung in der Küchentür – und bekommt vor Entsetzen große Augen, als er sieht, was in seinem Wirkungsbereich geschehen ist…
„Woas is’ dänn hier looos?“ fragt er entsetzt.
„Hallo Gung!“ jubelt Emma und Sandra erklärt: „Wir beide haben ´n bissken gekocht, aber keine Sorge, wie räumen nachher alles wieder etwa, nä, Schätzeken?!“
„Klar!“ jubelt Emma.
„Aber, aber…“ setzt Gung an.
„Weißte wat, eijentlisch störste hier grad ´n bissken“, schneidet Sandra ihm das Wort ab. „Kannste nisch vielleischt noch ´n paar Runden um den Block gehen? Oder besser noch…“ Sandra kramt ihr Portemonnaie hervor und drückt dem Vietnamesen einen 20-Euro-Schein in die Hand. „… geh mal schön ins Kino. Dat reischt auch noch für Popcorn oder Nachos!“
Fassungslos starrt Gung auf den Geldschein. „Ich waar seit über 20 Jaahren nicht mehr in Kiiino!“
„Na, dann wirdet aber ma wieder höchste Zeit! Gibt viele neue Filme seither. Viel Spaß und Tschüssikowski!“ Mit diesen Worten beginnt Sandra ihn in Richtung Tür zu schieben.
„Aaaber, aaaber, Konfuse sagt…“
„Nee, Konfuzius saacht jetzt heut ma nix mehr!“ fällt Sandra ihm erneut ins Wort. „Bis später. Tschö mit ö!“
Und ohne dass er sich dessen erwehren kann, steht Gung auf der Treppe und Sandra schlägt ihm die Wohnungstür vor der Nase zu.
Als Vasily am Abend klingelt, ist das Essen fertig und der Tisch wunderschön gedeckt.
„Was machst du hier?“ fragt Vasily bei Sandras Anblick irritiert.
„Wir haben gekocht und jetzt essen wir zusammen!“ ruft Emma fröhlich und zerrt ihren Vater zum Tisch.
„Wer wir?“ fragt er überrumpelt.
„Wir drei, dachte isch“ sagt Sandra und lächelt verlegen.
„So, dachtest du!“ sagt Vasily barsch. „Ich denke, Emma und ich gehen jetzt nach Hause und essen mit Simone!“
„Aber wir haben doch extra gekocht!“ beklagt sich Emma.
„Ich bin sicher, dass Jack und ihre Mitbewohner sich sehr darüber freuen werden“, sagt Vasily. „Und wenn du so gerne kochst, dann können wir das zuhause ja auch mal machen, vielleicht zusammen mit Simone…“
Fassungslos starrt Sandra auf den gedeckten Tisch, während Vasily Emma dazu antreibt, sich ihre Jacke anzuziehen und sie aus der Villa bugsiert.
Kaum sind die beiden draußen, schneit Ludde in die Wohnung und bleibt sprachlos vor dem Tisch stehen.
„Was’nn das hier?“ fragt er andächtig. „Hast du Geburtstag?“
„Is’ alled für disch! Hau rein, Jung’!“ sagt Sandra aufgewühlt und stürmt hektisch aus dem Haus. Irritiert schaut Ludde ihr hinterher. Dann setzt er sich breit grinsend an den Tisch und beginnt mit der Vorspeise…
„BLEIB STEHEN, VASILY!“ kreischt Sandra ihrem Ex auf der Straße hinterher.
„Was willst du noch?“ murrt der Grieche.
„Is’ jetzt nischt dein Ernst, datt du misch so abkanzelst, oder?“
Vasily drückt Emma seinen Wohnungsschlüssel in die Hand. „Geh schon mal vor, to mikró mou, ich komme gleich nach.“
Irritiert blickt Emma zwischen Vasily und Sandra hin und her, dann steuert sie achselzuckend auf das Akropolis zu.
„Was soll das?“ faucht Vasily böse. „Dachtest du, du kochst was, spannst Emma mit ein und dann sind wir wieder gut miteinander, oder was?“
„Vasily, isch… isch hab damals Fehler jemacht. Und dat mit Manolis, dat war natürlisch rischtisch kacke… Aber, et is’ so viel Zeit verstrischen und wir… wir jehörn doch zusammen…“
„Wie du vielleicht mitbekommen hast, gehöre ich inzwischen zu Simone!“ knurrt Vasily.
„Aber die passt doch überhaupts net zu dir, diese Simone!“ klagt Sandra, wobei sie Simones Namen sehr deutsch auspricht.
„Simone und ich sind sehr glücklich“, faucht Vasily und betont das Simone übermäßig deutlich französisch. „Und unsere Ehe, Sandra, war ein einziger Fehler!“
Sandra schluckt bitter und fragt: „Dat meinste jetz’ aber nisch ernst!?“
„Was ist denn hier los?“ Simone ist unbemerkt aufgetaucht und blickt die beiden fragend an.
„Es ist alles in Ordnung!“ sagt Vasily zu ihr. „Komm, wir gehen!“
Er nimmt Simones Hand und zieht sie in Richtung Akropolis. Simone ist immer noch irritiert angesichts der sonderbaren Situation, lässt sich aber mitziehen.
„Dat is’ nisch dein Ernst, Vasily!“ ruft Sandra den beiden mit tränenerstickter Stimme nach. „Dat die da dir wischtiger is’ als isch! Wir hatten sooo viel, Vasily! Wir waren sooo glücklisch!“
„Ja, und du hast es kaputt gemacht!“ bellt Vasily. „Also beschwer dich jetzt auch nicht!“
„Was ist denn hier eigentlich los?“ fragt Simone vollkommen fassungslos.
„Meine Ex-Frau meint, dass sie mich mit einem Abendessen wieder zurückgewinnen kann“, erklärt Vasily platt.
„Wie bitte?“ entfährt es Simone.
„Wat hat die denn, wat isch dir nisch bieten kann?“ jammert Sandra, der in ihrer augenblicklichen Lage mittlerweile jede Form von Pietät oder Anstand abhanden gekommen ist.
„Also, jetzt mach aber mal ´nen Punkt!“ fährt Simone sie aggressiv an. „Was bildest du dir eigentlich ein?“
„Isch red mit Vasily und nisch mit dir!“ kreischt Sandra aufgebracht. „Disch geht dat alles hier überhaupt nix an!“
„Ich glaube sogar, dass mich das eine ganze Menge angeht, meine Liebe!“ faucht Simone zurück.
„Isch bin nisch deine Liebe, ja!“ schreit Sandra. „Isch will jetzt mit meinem Mann reden! Ohne disch!!!“
„Ich bin nicht mehr dein Mann!“ murrt der Grieche.
„Komm, Vasily, wir gehen!“ beschließt Simone. „Ich muss mich hier nicht auf offener Straße anpöbeln lassen von so einer dahergelaufenen Proll-Barbie!“
„Proll-Barbie?“ keift Sandra weiter. „Du musst grad ma’ den Mund aufreißen und disch hier als wat Besseres aufspielen, du billige Groschenroman-Schreiberin!“
Empört schnappt Simone nach Luft. „Ich habe gerade erst einen Roman rausgebracht, der jetzt schon ein Bestseller ist!“ schimpft sie wütend.
„Ja, ja, dat blinde Huhn, dat auch mal ´n Korn findet“, lacht Sandra. „Ansonsten nur Trivial-Krimis. Isch hab auch den Artikel über disch von Klaus Beimer jelesen.“
„Klaus Beimer“, schnappt Simone. „Das ist nun wirklich ein ganz billiger Schreiberling. Meine Krimis hingegen haben Anspruch. Und eine treue Fan-Gemeinde, die ungeduldig auf den nächsten Roman wartet!“
„Roman!“ lacht Sandra auf. „Wat du so Roman nennst!“
„Das muss ich mir nicht länger anhören!“ zischt Simone.
„Na, dann hau doch ab!“ keift Sandra.
„WIR hauen jetzt zusammen ab!“ sagt Vasily entschlossen, nimmt Simone beim Arm und zieht sie mit sich in Richtung Akropolis. An Sandra gewandt sagt er: „Und du hört auf mit diesem Blödsinn. Es ist aus zwischen uns! Ein für allemal!“
„Vasily!!!“ ruft Sandra ihrem Ex verzweifelt hinterher, doch er und Simone würdigen ihr keines Blickes machen.
„Sandra?“ fragt plötzlich eine Stimme hinter ihr. Sandra fährt herum und sieht sich Roland gegenüber. „Wös mochst dü den doa? Üsch dochte, dü büst kronk?“
„Roland… isch… äh…“, stottert Sandra.
„Nee, ödda?“ entfährt es Roland. „Dü büst go nüscht krank? Dü lässt uns hängen in all dem Stress müt düsem Scheiß Hörd, dör ümmer ussfällt und allem und poloverst stattdessen hür deinem Ex hinnerher?! Dös darf ja wöhl nüscht woahr sein…!!!“

CLIFFHANGER auf: Sandra Sarikakis

Mitwirkende Personen
Sandra Sarikakis
Vasily Sarikakis
Emma Sarikakis
Simone Stadler
Roland Landmann
Iffi Zenker
Valerie Zenker
Antonia Zenker
Andy Zenker
Nina Zöllig
Casper zu Hohenlobese
Kolja zu Hohenlobese
Popo Wolfson
Marcella Varese
Dr. Sebastian Ritter
Jack Aichinger
Ludde Mayer
Gung Phan Kien
Jenny Lüders
Karim El-Farooq
Britta Bachschmidt
Dr. Monika Scheidweiler
Tara Bruckhaus

© ´popo wolfson` 2022

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Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: So 13. Nov 2022, 14:12 


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1857 - Kaffee und Kippen
BeitragVerfasst: So 13. Nov 2022, 15:38 
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Ach, wie herrlich. Proll-Barbie :lol:


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1857 - Kaffee und Kippen
BeitragVerfasst: So 13. Nov 2022, 19:00 
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Das war Miliestudie pur :lol: . Ich mochte die erste Sandra ja ganz gerne. Schade, dass die so cheyennehaft geworden ist.
:D


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1857 - Kaffee und Kippen
BeitragVerfasst: So 13. Nov 2022, 19:06 
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Registriert: Mi 29. Sep 2010, 00:11
Beiträge: 11590
"to mikró mou" ist das eine verkleinerte Variante von "matia mou" :D . Oder gibt es das wirklich?


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1857 - Kaffee und Kippen
BeitragVerfasst: So 13. Nov 2022, 19:53 
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Registriert: Di 14. Sep 2010, 16:04
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fräulein hülschigung hat geschrieben:
"to mikró mou" ist das eine verkleinerte Variante von "matia mou" :D . Oder gibt es das wirklich?


Ich hab mir das mit Google Translate übersetzt, das heißt "meine Kleine"

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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1857 - Kaffee und Kippen
BeitragVerfasst: Mo 14. Nov 2022, 12:22 
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Registriert: Mi 29. Sep 2010, 00:11
Beiträge: 11590
Ich dachte, es wäre eine kreative eigene Wortkreation in Anlehnung an "matia mou" von Dir.
Mikro mou, finde ich jedenfalls auch süss.


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