Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1851 - Grautöne
BeitragVerfasst: So 2. Okt 2022, 13:44 
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Folge 1851: Grautöne

Spieltag: Donnerstag, 29.09.2022

Robert steht rauchend im Eingang seiner Buchhandlung und beobachtet die Handwerker bei ihren Renovierungsarbeiten. Er ist froh und erleichtert darüber, dass die Abwicklung über die Versicherung in diesem Fall so schnell und unproblematisch verlaufen ist und man ihm gleich grünes Licht gegeben hat, die Schäden beheben zu lassen, die dort vor einer Woche entstanden sind. Das Gutachten nach dem Anschlag hat ergeben, dass die Täter, nachdem sie die Schaufensterscheibe mit dem Ziegelstein eingeworfen haben, zunächst einen Feuerwerkskörper und anschließend noch einen Brandsatz aus verschiedenen entzündlichen Stoffen ins Innere des Ladens geworfen hat.
„Das hätte noch ganz anders ausgehen können“, sagt plötzlich eine Stimme hinter ihm und als Robert sich umdreht, steht dort Simone.
„Wie geht es denn Herrn Finkelstein?“ erkundigt sich Robert. „Haben Sie noch was von ihm gehört.“
„Den Umständen entsprechend gut“, berichtet Simone. „Aber für weitere Vorlesungen, Interviews oder ähnliches steht er nicht mehr zur Verfügung. Die Sache hat ihn doch sehr aufgeregt. Er wird sich komplett aus der Öffentlichkeit zurückziehen.“
„Verständlich“, sagt Robert.
In dem Moment kommt Roland vorbei, der gerade auf dem Weg zur Arbeit ins Hotel ist, und bleibt stehen. Er funkelt Robert böse an und grölt: „Wer weeß dönn schon, ob düser Anschlog überhaupt dem alten Mann gegolten hat! Vülleischt warst du ja ooch damit gemeint, sö viel Dreck wie du am Stecken hast!“
„Jetzt bitte ich dich aber“, sagt Simone. „Dieser antisemitische Spruch auf dem Stein war ja wohl Antwort genug!“
„Ach, müt dür red’sch doch gör nüscht“, schnauzt Roland Simone an und setzt seinen Weg fort.
„Einfach ignorieren“, meint Robert. „Solche Arschlöcher beachtet man am besten gar nicht.“
Später an diesem Tag besucht Simone Ibraim Finkelstein in der Seniorenresidenz.
„Wie geht es Ihnen denn inzwischen?“ erkundigt sie sich besorgt.
„Ich bin… schockiert“, antwortet Finkelstein nach kurzem Schweigen. „Es erschüttert mich zutiefst, dass die Menschen offenbar immer noch nichts begriffen haben.“
„Nicht die Menschen im allgemeinen“, erwidert Simone. „Nur ein paar gehirnamputierte Primaten.“
„Immer noch zu viele“, sagt Finkelstein traurig. „Der Antisemitismus wird niemals sterben. Aber ich werde in meinem kläglichen Restchen Leben nichts mehr an dieser Welt ändern. Ich hoffe, Sie verstehen, dass ich zukünftig für keinerlei öffentliche Auftritte mehr zu haben bin…“
„Natürlich“, entgegnet Simone. „Aber sagen Sie nicht, Sie hätten nichts verändert. Unser Buch… Ihr Buch… hat schon jetzt so viele Menschen erreicht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie damit schon eine ganze Menge verändern konnten…“
Später in der Lindenstraße läuft Simone Nina über den Weg, die ihr erzählt, dass das Autokennzeichen, das sie sich in der Vorwoche von dem davonrasenden Geländewagen notiert hat, gar nicht existiert. Die Tatsache, dass die Gestalten, die den Anschlag verübt haben, auch niemand nur ansatzweise erkennen konnte, macht es daher eher unwahrscheinlich, dass die Täter jemals gefasst werden.
„Es ist niemandem was passiert“, sagt Simone. „Die Versicherung bezahlt den Schaden an der Buchhandlung und selbst Herr Finkelstein scheint die Sache einigermaßen gut verkraftet zu haben. Das ist die Hauptsache..“

Als sich Lea am Morgen auf den Weg zur Arbeit macht, trifft sie im Treppenhaus auf Sarah.
„Wie geht es denn deinem Chef?“ erkundigt Lea sich nach Tristan.
„Er hat sich den linken Arm gebrochen“, erklärt Sarah. „Im Moment ist er noch zuhause, aber nächste Woche will er unbedingt wieder zur Arbeit kommen.“
„Naja, warum auch nicht“, meint Lea schnippisch. „Wenn man den ganzen Tag nur am Schreibtisch sitzt und dumm rumlabert, braucht man seine Arme ja auch nicht unbedingt.“
„Du bist echt immer ganz schön gehässig zu ihm“, stellt Sarah grinsend fest. „Besuch ihn doch mal, er würde sich bestimmt drüber freuen.“
„Ganz sicher nicht!“ winkt Lea ab. „Ich hab zu tun. Ich hab ja schließlich keinen Schreibtisch-Job, in dem man auch mit gebrochenen Armen sein Geld verdienen kann…“
Doch als Lea kurze Zeit später im Salon steht, nimmt sie weder viel von dem wahr, was Tanja und ´Lotti` ihr erzählen, noch was Kerstin ihr zu sagen hat, die gerade von ihr bedient wird.
Und auch in der Mittagspause, die sie mit Konstantin im Marcellas verbringt, ist sie wortkarg und geistesabwesend.
„Wahnsinn, wie das letzte Woche gescheppert hat im Buchladen“, sagt Konstantin kauend. „Und wie rigoros diese Typen vorgegangen sind. Hab mich total erschrocken, als ich auf der anderen Straßenseite gerade zum Joggen aus dem Haus kam.“
„Mmmmh“, macht Lea.
Konstantin betrachtet Gian-Luca, der gerade Kaffee an einem benachbarten Tisch serviert.
„Und das ist der Stiefbruder von Marcella?“ fragt Konstantin.
„Mmmmmh“, brummt Lea und rührt in ihrer Tasse.
Konstantin betrachtet sie irritiert. „Und wo bist du gerade mit deinen Gedanken?“ erkundigt er sich.
„Ja, klar“, antwortet Lea zusammenhanglos.
„Wollen wir uns heute Abend die Birne zuknallen?“, fragt Konstantin. „Bei mir an der Schule wird massenhaft Dope vertickt. Und wenn ich den Schülern androhe, sie bei ihren Lehrern oder bei der Klöckner zu verpfeifen, krieg ich das Zeug umsonst.“
„Mmmmh“, macht Lea erneut.
Konstantin grinst, dann sagt er: „Hast du auch schon mitgekriegt, dass Lola Zenker, die Mutter von Andy, jetzt eine Affäre mit Jacks Bruder hat?“
„Ja, weiß ich“, murmelt Lea verträumt.
„Und Ben betrügt Jack jetzt mit der Ziegler!“
„Mmmmh“, macht Lea, horcht dann aber doch auf und fragt: „Was ist mit Anna?“
„Die Frage ist eher, was mit dir ist“, lacht Konstantin. „Du bist ja Lichtjahre entfernt!“
„Nee, alles gut“, versichert Lea.
„Erzähl mir nichts“, sagt Konstantin. „Du bist in Gedanken bei deinem Anwalt.“
„Er ist nicht MEIN Anwalt!“ widerspricht Lea empört.
„Mein Anwalt, dein Anwalt, legal, illegal, scheißegal“, erwidert Konstantin. „Geh doch einfach zu ihm, besuch ihn, frag ihn, wie’s ihm geht…“
„Warum?“ Lea wirkt nun noch empörter.
„Weil du total auf ihn abfährst und einfach nur zu zickig bist, um das zuzugeben“, antwortet Konstantin.
„Gar nicht!“ mault Lea.
Doch auch den Nachmittag über wandern ihre Gedanken immer wieder zu Tristan. Und nach Feierabend fasst sie sich endlich ein Herz und überwindet sich. Statt nach Hause zu gehen, steuert sie das Hotel an, wo Tristan vor einer Weile eine der beiden Penthouse-Appartements bezogen hat. Sie kann sich ja einfach mal erkundigen, wie es ihm und seinem Arm geht – ganz unverbindlich, ohne Hintergedanken, ohne ihm zu nah zu kommen…
Sie klingelt am seitlichen Eingang des Hotels, von wo ein Aufzug ins Dachgeschoss zu den Appartements fährt.
„Ja?!“ erklingt Tristans Stimme aus der Gegensprechanlage.
„Ich… äh… hier ist Lea… Starck. Also Lea Starck… vom Salon… Fr...Friseursalon“, stottert Lea unwirsch in die Sprechanlage. „Ich… ich… äh… ich, ich… wollte nur mal gucken… also fragen, ob es… also, wie es Ihnen geht. Also, ja genau, wie es Ihnen geht!“
Lea klatscht sich mit der flachen Hand an die Stirn, wie kann man nur so unglaublich dämlich daher reden? Ohne weiteren Kommentar vom Anwalt öffnet sich plötzlich die Fahrstuhltür und Lea blickt irritiert hinein.
„Einfach einsteigen, er fährt dann von selbst wieder rauf“, ertönt Tristans Stimme erneut aus der Gegensprechanlage. Zögernd betritt Lea die Kabine und fährt hinauf. Als sie das wirklich große und nobel eingerichtete Penthouse des Anwalts direkt beim Verlassen des Aufzugs betritt, ist sie erstmal sprachlos.
„Hier bin ich!“ hört sie eine Stimme neben sich. Tristan steht, den linken Arm in einer Schlinge, vor einem Panoramafenster, das auf eine imposante Dachterrasse hinaus zeigt. Lea verschlägt der stilvolle Luxus für einen Moment die Sprache.
„Darf ich Ihnen was zu trinken anbieten?,“ erkundigt sich Tristan und öffnet eine beachtliche Hausbar.
Lea wagt es derweil kaum, etwas zu berühren in diesem eleganten Penthouse. 50 Shades of Grey, schießt ihr kurz durch dann Kopf, dann hat sie ihre Ehrfurcht überwunden und kichert: „Jetzt weiß ich, warum Sarah unbedingt Anwältin werden wollte. Ihr verdient ja offenbar echt ein Schweinegeld!“
„Was genau führt Sie denn eigentlich zu mir?“ fragt Tristan. „Ich bin tatsächlich ziemlich überrascht, mit Ihnen hätte ich wirklich nicht gerechnet.“
„Ich wollte halt nur mal fragen, wie es Ihnen inzwischen geht“, sagt Lea und die abfällige Arroganz, mit der sie Herrn von Sassnitz normalerweise gerne gegenüber tritt, ist plötzlich vollständig aus ihrer Stimme verschwunden.
„Das finde ich wirklich nett“, erwidert Tristan lächelnd.
„Und nett ist die kleine Schwester von Scheiße“, entgegnet Lea und der sarkastische Tonfall ist zurück.
„Na, Gott sei Dank,“ lacht Tristan. „Das sind Sie ja wieder, so, wie ich Sie kenne. Für einen Moment hab ich schon befürchtet, ein Alien hätte Besitz von ihrem Körper ergriffen.“
Lea setzt zur nächsten patzigen Antwort an, hält dann aber inne und sagt stattdessen: „Sorry, ich… äh… bin manchmal vielleicht ein bisschen…“
„Kratzbürstig?“ versucht Tristan den Satz zu vollenden.
„Ich bin nicht kratzbürstig“, erwidert Lea empört. „Ich bin höchstens manchmal ein bisschen drüber… wollte ich sagen.“
„Schade eigentlich“, grinst Tristan. „Ich mag Kratzbürsten. Die… kratzen so schön.“
Nun muss Lea auch grinsen. Langsam kommt Tristan auf sie zu und küsst sie. Nach kurzem Zögern lässt Lea sich darauf ein. Erst als Tristan damit beginnt, ihr, etwas unbeholfen mit dem einen zur Verfügung stehenden Arm, das Oberteil auszuziehen, weicht sie verunsichert zurück.
„Ich bin… HIV-positiv“, stammelt sie nervös.
„Und ich hab Kondome“, erwidert Tristan – und kurz darauf liegen die beiden nackt auf dem riesigen grauen Sofa in seinem Wohnzimmer.
Nach dem Sex liegen beide eng umschlungen auf dem Sofa.
„Das hätten wir schon viel früher haben können“, stellt Tristan fest. „Warum hast du dich plötzlich so zurückgezogen. Das war doch eigentlich ganz schön an dem Abend damals, als wir auf dem Weihnachtsmarkt Glühwein getrunken haben.“
Lea verdreht die Augen. „Ja“, stöhnt sie. „Bis meine Oma herausposaunen musste, dass ich… dass ich halt HIV-positiv bin…“
Tristan meint lachend: „Aber du kannst doch nichts für deine Oma!“
„Aber ich kann was dafür, dass ich positiv bin“, entgegnet Lea. „Wenn ich nicht ungeschützt… Wie kann man denn so dämlich und verantwortungslos sein? Wir leben im 21. Jahrhundert, da sollte man als geschlechtsreifer Mensch doch wohl etwas aufgeklärter und vernünftiger sein.“
„Menschen machen Fehler“, winkt Tristan ab. „Auch geschlechtsreife Menschen. Aber HIV ist dank des medizinischen Fortschritts ja heutzutage auch nichts mehr, womit man nicht leben kann.“
„Trotzdem wäre es mir lieber wenn…“, murmelt Lea.
„Es ist jedenfalls nichts, womit ich nicht klar komme“, versichert Tristan.
Als Lea später nach Hause kommt, liegt Konstantin auf dem Sofa vor dem Fernseher.
„Du bist aber spät heute“, stellt er fest – und deutet Leas breites Grinsen sofort richtig.
„Ach was“, sagt er. „Du und der Anwalt? Das arrogante Arschloch?“
„Eigentlich ist er gar nicht so arrogant“, meint Lea schulterzuckend.
„Na, sieht mal einer an“, lacht Konstantin. „Dann werdet ihr ja sicher schon bald gemeinsam bei Pflaumenkuchen an Oma Helgas Kaffeetafel sitzen…“
„Oh Gott!“ stöhnt Lea auf. „Wir müssen ihn ja jetzt nicht gleich vertreiben…“
Und beide müssen laut lachen...

Die Stimmung in der Alten-WG ist bereits am Morgen zum Schneiden angespannt. Grund dafür ist der heutige Prozess gegen Herrn Hülsch. Die Beweggründe der Anspannung sind bei allen WG-Bewohnern unterschiedlich: Während Helga und Pat mittlerweile darüber im Bilde sind, dass Popo Herrn Hülsch zu Unrecht beschuldigt hat, sind die Zenkers darüber immer noch im Unklaren. Helga und Pat haben die vergangenen Tage inständig darauf gehofft, dass Popo zur Vernunft kommen und einen Rückzieher machen wird. Und tatsächlich ist Popo am heutigen Morgen sehr still und blass, hat sich aber bereits für den Gerichtstermin so seriös wie möglich in Schale geworfen und scheint ihr Ding weiterhin durchziehen zu wollen.
„Blass schaust aus“, stellt Gabi besorgt fest. „Bist sicher froh, wenn’s des alles hinter dir hast, gell? Aber du wirst sehen, der Hülsch wird seine gerechte Straf kriegen.“
Während Helga und Pat sich verstohlen Blicke zuwerfen, ist selbst Andy heute ungewohnt freundlich und sensibel und hat ebenfalls ein paar aufbauende Worte für Popo parat.
Gerade als sich auch noch Lola an den Tisch setzt und Popo aufmunternd zulächelt, betritt Jekaterina die Küche. „Ich habe Neuigkeiten“, verkündet sie. „Hab Wohnung gefunden. Ab Mitte Oktober. Nur zwei Straßen weiter, in Ulmenstraße. Ist nichts Besonderes, aber groß genug für uns alle!“
„Für UNS alle?“ fragt Lola verwirrt – und Andy hat für einen kurzen Moment die irrwitzige Hoffnung, dass Jekaterina seine Mutter vielleicht mitnimmt. Und die beiden Kanadierinnen obendrein.
„Für meine Eltern, meine Schwester und mich!“ erklärt Jekaterina. „Ziehen wir alle in Ulmenstraße, müssen Mutter und Vater nicht mehr wohnen bei Klaus und meine Schwester nicht mehr bei Frau Doktor. Ist besser so für uns alle. Und wir sind wieder zusammen unter einem Dach. Fast alle. Fehlt nur noch Evgenij…“
Mit sehnsuchtsvollem Blick denkt Jekaterina an ihren Bruder, der immer noch im Krieg kämpft.
„Vielleicht findet dieser Wahnsinn ja doch endlich bald ein Ende“, sagt Helga und legt ihre Hand auf die von Jekaterina. „Jetzt, wo selbst die russische Bevölkerung allmählich zu begreifen beginnt, was da vor sich geht und sich nicht mehr so bedingungslos von Putin und seinen Lügen einlullen lässt.“
„Das glaubst du doch wohl selber nicht!“ poltert Andy. „Und ein durch und durch Irrer wie Putin gibt sich doch nicht so einfach geschlagen!“
„Aber Putin kann diesen Krieg nicht gewinnen!“ stöhnt Helga. „Das sagt doch jeder!“
„Ja“, sagt Lola, „aber er ist wie ein bockiges Kind. Auch wenn er nicht kann, wollen will er trotzdem und dafür ist er zu allem bereit. Der ist genauso wahnsinnig wie Hitler damals. Was waren das für schreckliche Zeiten!“
„Wieso waren?“ fragt Andy. „Die Zeiten sind doch heute auch nicht besser. Sieht man doch daran, was da letzte Woche in der Buchhandlung passiert ist.“
Alle schweigen. Bis sich Popo schließlich mit Pat und Helga im Gefolge auf den Weg zum Gericht macht.
Vor der Verhandlung versuchen Helga und Pat ein weiteres Mal, Popo davon zu überzeugen, einen Rückzieher zu machen und die Wahrheit zu sagen, doch Popo schweigt dazu eisern.
Als Popos Anwältin Dr. Gudrun Piasecki eintrifft, sagt Popo plötzlich zu Pat und Helga: „Ich möchte nicht, dass ihr mich begleitet in die Saal!“
„Wie bitte?“ fragt Helga überrumpelt.
„Nur Frau Dr. Piasecki!“ erklärt Popo. „Ihr wartet draußen, ich will euch nicht haben dabei!“
„Popo!!!“ entfährt es Pat scharf und Helga stammelt: „Aber… aber, das ist doch…“
„Ich kann das sehr gut verstehen“, mischt sich die Anwältin ein. „Auch wenn Sie als Angehörige in dieser Situation natürlich gerne Rückenstärkung geben möchten, ist es nur allzu verständlich, dass man als Opfer einen solchen Schritt alleine gehen möchte!“
„Opfer!“ entfährt es Helga naserümpfend. „Frau Dr. Pia… dings, es gibt da noch etwas, das sie dringend erfahren sollten...!“
„Ich glaube, wir haben uns ausreichend auf den heutigen Termin vorbereitet“, fällt Dr. Piasecki ihr ins Wort. „Außerdem wird es allmählich Zeit. Sie entschuldigen uns!“
Damit zerrt die Anwältin ihre junge Mandantin einfach in den Gerichtssaal und lässt Helga und Pat sprachlos auf dem Gang zurück.
„Was wir sollen tun?“ fragt Pat nervös.
In diesem Moment wird Hülsch, direkt aus der Untersuchungshaft, flankiert von seinem Anwalt und einem Vollzugsbeamten, in den Gerichtssaal begleitet und funkelt Helga und Pat im Vorbeigehen böse an.
Im Gerichtssaal beginnt kurz darauf der Prozess und die Richterin Dr. Evelyn Planck-Seidensticker bittet Popo, die Geschehnisse des 21.April nochmal aus ihrer Sicht zu schildern, auch wenn es ihr schwer falle.
Popo fühlt sich tatsächlich zunehmend unwohl in ihrer Haut, während sie stockend die Geschichte zum Besten gibt, die sie in den letzten Monaten immer und immer wieder erzählt hat und die sie fast schon so in- und auswendig wiedergeben kann, als habe sie das Ganze wirklich selbst erlebt und nicht nur erfunden…
„Das sind infame Lügen!“ fällt Hülsch ihr aufgebracht ins Wort. „Dieses kleine Miststück will mich fertig machen!“
„Herr Hülsch!“ mahnt Richterin Planck-Seidensticker. „Bitte mäßigen Sie sich, sonst lasse ich Sie bis zu Ihrer eigenen Aussage des Saales verweisen!“
Popo wird es zunehmend abwechselnd heiß und kalt. Stockend und zitternd bringt sie ihre Aussage zu Ende. Und tatsächlich scheinen die Anwesenden zu glauben, dass ihre Nervosität und Unruhe auf die erneute Konfrontation mit ihrem Peiniger und dem damit verbundenen traumatischen Erlebnis zurückzuführen ist und nicht auf die Tatsache, dass Popo aufgrund ihres eigenen Märchens sprichwörtlich zunehmend der Arsch auf Grundeis geht.
Als Hülsch schließlich seine Version der ganzen Sache erzählt, hält Popo die Anspannung nicht mehr aus und bricht in Tränen aus – was vom Gericht wiederum als Pluspunkt ihrerseits gewertet wird. Jeder scheint ihr die Opferrolle abzunehmen. Als Popo dies begreift, erlangt sie zunehmend ihre Selbstsicherheit zurück und wird wieder ruhiger – bis plötzlich die Tür des Gerichtssaals auffliegt und Helga, einer Rachegöttin gleich, im Eingang steht und ruft: „Stopp! Sofort aufhören!“
Pat steht wie ein geprügelter Hund mit hängenden Schultern hinter ihr…
„Was wird das denn jetzt hier?“ fragt die Richterin empört.
„Wir können nicht zulassen, dass hier durch Lügen und Falschaussagen ein Unschuldiger… Also zumindest in dieser Sache unschuldiger Mensch… dass… dass der ins Gefängnis gebracht wird“, presst Helga japsend hervor.
„Wie bitte?“ fragt die Richterin fassungslos – und muss sich im nächsten Moment von Helga anhören, dass Popo die ganze Geschichte aus Rache erfunden hat – aus Rache für eine Stelle, die Hülsch ihr nicht besorgt hat.
„Das sage ich doch die ganze Zeit“, kräht der Angeklagte aufgewühlt.
„Und in welchem Verhältnis stehen Sie zu den hier anwesenden Personen?“ will Evelyn Planck-Seidensticker nun wissen.
„Ich bin Frau Wolfsons Oma“, sagt Helga. „Also… sozusagen… ihre Stiefoma. Mein verstorbener Mann Erich…“
„Ich bin ihre Mom“, fällt Pat Helga ins Wort. „Ich bin Patricia Wolfson, ihre Mutter. Und meine Tochter… meine Tochter is a liar… eine Lügnerin! Sie… nimmt es nicht so ernst with die… die Moral! Sie… hat diese ganze Story erfunden!“
Ein Raunen geht durch den Gerichtssaal, die Augen aller Anwesenden wandern zwischen Pat und Popo hin und her.
„I’m so sorry, Popo“, sagt Pat bitter. „Aber wir können das nicht lassen zu…“
Und nun knickt Popo endgültig ein. Sie beginnt am ganzen Leib zu zittern und die Tränen laufen ihre wie Sturzbäche über das Gesicht.
„Ist das wahr, Frau Wolfson?“ möchte die Richterin im scharfem Ton wissen und auch Anwältin Piasecki starrt ihre Mandantin fassungslos von der Seite an. Diese beginnt schließlich schluchzend zu nicken. Gudrun Piasecki schnaubt hörbar durch die Nase auf und die Richterin fragt eindringlich: „Und wie hat sich das Ganze dann tatsächlich zugetragen?“
Und Popo legt ihre ´Beichte` ab und rückt mit der ganzen Wahrheit raus – vom Anfang bis zum Ende.
„Ist Ihnen eigentlich bewusst, was Sie da gemacht haben?“ fragt Evelyn Planck-Seidensticker in eisigem Tonfall. „Ich kann Ihnen jetzt schon versichern, dass das Ganze Konsequenzen für Sie haben wird. Wie die aussehen, wird sich zeigen, aber die Behörden werden sich dieses Falles annehmen! Durch Ihre Schuld hat ein Mann, der Ihnen nicht das Geringste getan hat, mehrere Monate in Untersuchungshaft verbracht. Ist Ihnen das bewusst??? Sie hätten hier beinahe ein Leben zerstört!!! Und Sie können noch von Glück reden, dass Sie die Sache richtig gestellt haben, bevor Sie eine Aussage vor Gericht gemacht haben!!! Ihre Falschaussage bei der Polizei wird Ihnen noch Probleme genug bereiten, davon können Sie ausgehen. Eine Falschaussage vor Gericht wäre noch fataler für Sie gewesen! Himmel Herrgott nochmal, Mädchen, was geht denn vor in Ihnen?“
Popo strafft die Schultern, blickt die Richterin aggressiv an und fragt: „Sind wir fertig hier?“
Ungläubig schüttelt Dr. Evelyn Planck-Seidensticker den Kopf. „Ja, wir sind fertig“, sagt sie im verächtlichen Tonfall. „Sie werden dann demnächst auf dem Postweg wieder von uns hören!“
Popo steht auf und verlässt den Gerichtssaal, ohne irgendwem, auch nicht ihrer Mutter und Helga, auch nur noch eines Blickes zu würdigen…
Als Helga und Pat nach Hause kommen, fehlt von Popo jede Spur. Dafür werden Gabi, Andy und Lola nun endlich über das in Kenntnis gesetzt, was Popo getan hat – und sind fassungslos. Allen voran Andy ist auf 180 – schließlich hat er selbst seinerzeit mal eine ähnlich unschöne Sache mit Chantal Löhmer erlebt…
Als Popo eine Weile später nach Hause kommt, wird sie mit frostiger Stimmung empfangen.
„Vielleicht, es ist besser, wenn wir so schnell wie möglich zurück fliegen nach Toronto“, sagt Pat schließlich zu ihrer Tochter. „Wir sollten beginnen eine Neustart!“
„Ich komm nicht mit zurück nach Toronto!“ erwidert Popo entschlossen.
„Du willst nicht…?“ Pat ist überrascht. Und Popo schüttelt energisch den Kopf.
„Hier wirst du aber auch nicht bleiben!“ erklärt Helga entschlossen. „Wir sind maßlos enttäuscht von dir Popo! Wir möchten dich nicht mehr unter unserem Dach haben!“
„Aber Helga…“, setzt Gabi an, wird aber sogleich von Andy unterbrochen, der lospoltert: „Allerdings wollen wir dich hier nicht mehr haben, du Früchtchen. Weißt du eigentlich, was du da getan hast? Was geht nur in deinem Kopf vor, du verdammte Kröte?“
„Okay!“ sagt Popo entschlossen. „Dann ich werde mir suchen etwas anderes. Aber ich geh nicht zurück nach Kanada! Ich komme auch ohne euch alle klar!!!“

CLIFFHANGER auf: Popo Wolfson

Mitwirkende Personen
Tristan von Sassnitz
Lea Starck
Helga Beimer
Pat Wolfson
Popo Wolfson
Lola Zenker
Andy Zenker
Gabi Zenker
Roland Landmann
Konstantin Landmann
Simone Stadler
Robert Engel
Gian-Luca Conti
Kerstin Wendland
Sarah Ziegler
Tanja Schildknecht
Peter ´Lotti` Lottmann
Nina Zöllig
Hans-Wilhelm Hülsch
Jekaterina Litwinski
Ibraim Finkelstein
Dr. Gudrun Piasecki
Dr. Evelyn Planck-Seidensticker

© ´popo wolfson` 2022

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


Zuletzt geändert von popo wolfson am Mo 3. Okt 2022, 18:42, insgesamt 1-mal geändert.

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Verfasst: So 2. Okt 2022, 13:44 


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1851 - Grautöne
BeitragVerfasst: Mo 3. Okt 2022, 13:32 
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Registriert: Mi 29. Sep 2010, 00:11
Beiträge: 11590
Gute Folge! Pat ist so vernünftig geworden. Hätte ich ihr nicht zugetraut. Bin auf die Strafe gespannt.


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1851 - Grautöne
BeitragVerfasst: Mo 3. Okt 2022, 14:21 
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Registriert: Mi 15. Sep 2010, 12:37
Beiträge: 10009
Puh, da hat Herr Hülschi aber nochmal Glück gehabt!


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