Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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BeitragVerfasst: So 12. Jun 2022, 13:04 
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Folge 1837: Wenn es Nacht wird in der Lindenstraße…

Spieltag: Donnerstag, 09.06.2022

Andrea ist froh, endlich Feierabend zu haben. Corinna hat sie den ganzen Tag lang wieder nur genervt, mit ihrer unangenehmen Art – mit dieser Frau wird sie nie warm werden. Mehr als ein knappes „tschüss“ ist daher zum Abschied auch nicht drin, als die beiden die Praxistür hinter sich schließen. Andrea will jetzt einfach nur noch schnell nach Hause und die Füße hochlegen.
„Gut, dass ich dich noch erwische!“ ertönt plötzlich eine Stimme hinter ihr. Andrea fährt herum. Wie aus dem Boden geschossen steht dort Lisa. In Andrea erwacht augenblicklich wieder das schlechte Gewissen. Nachdem sie am vergangenen Donnerstag erneut mit Murat geschlafen hat – in Lisas Bett – war sie erstmals heilfroh, dass Lisa nicht mehr in der Praxis arbeitet und dass sie ihr nicht Tag für Tag in die Augen sehen muss. Und nun steht sie plötzlich vor ihr – und Andrea beschleicht sogleich das ungute Gefühl, dass sie über alles Bescheid weiß, dass Murat irgendetwas rausgerutscht ist oder dass er sein Gewissen erleichtert hat und dass Lisa ihr nun die Hölle heiß machen wird…
„Was gibt’s denn?“ fragt Andrea vorsichtig.
„Du brauchst jetzt gar nicht nach Hause zu fahren, sondern du kommst gleich mit zu uns!“, erwidert Lisa im Befehlston.
„Warum?“ Andrea wird es heiß und kalt und sie blickt Lisa verunsichert an.
„Du isst heute Abend bei uns“, erklärt Lisa. „Ich hatte heute frei und ich habe gekocht. Wir müssen unbedingt mal wieder einen schönen Abend zusammen verbringen. Das ist längst überfällig. Und letzte Woche, als wir uns vor dem Supermarkt getroffen haben, ist mir das mal wieder so richtig deutlich bewusst geworden. Du fehlst mir!“
„Das… kommt jetzt aber plötzlich“, sagt Andrea überrumpelt.
„Ja, ich wollte dich überraschen!“ erwidert Lisa. „Wenn du früher Bescheid gewusst hättest, hättest du dir nun einen unnötigen Kopf gemacht über ein Gastgeschenk oder so einen Blödsinn.“
Andrea schluckt. Ihr ist die ganze Sache furchtbar unangenehm.
„Das geht so nicht, Lisa!“ sagt Andrea schließlich schnippischer, als sie es eigentlich gewollt hat. „Du kannst nicht immer erwarten, dass alle nach deiner Pfeife tanzen. Du lädst mich ein und ich hab sofort Gewehr bei Fuß zu stehen. Du fragst mich ja nicht mal, ob ich heute Abend vielleicht schon was anderes vorhabe!“
„Hast du denn was anderes vor?“ fragt Lisa vorsichtig.
„Nein“, gibt Andrea zu. „Aber es hätte ja sein können. Du kannst sowas doch nicht über meinen Kopf hinweg einfach entscheiden!“
„Was bist du denn heute so zickig?“ fragt Lisa verständnislos. „Kommst du nun mit oder nicht?“
„Ist Murat auch da?“ erkundigt Andrea sich zerknirscht.
„Murat und Deniz, ja“, erwidert Lisa. „Aber keine Sorge, Deniz geht danach sowieso in ihr Zimmer und Murat trifft sich nachher noch mit Herrn Russo und Enzo, um zu besprechen, wie sie ihre Zusammenarbeit konkret gestalten wollen, wenn Murat demnächst seinen Döner eröffnet. Nach dem Essen sind wir also unter uns und können in aller Ruhe mal wieder so richtig quatschen.“
Andrea willigt schließlich ein – und folgt Lisa mit sehr gemischten Gefühlen in die Dagdelen-Wohnung.
Das Abendessen wird sowohl für Andrea wie auch für Murat ein einziger Krampf. Während Deniz gut gelaunt von ihrem heutigen Tag berichtet und auch Lisa bestens aufgelegt ist, wissen Andrea und Murat kaum, wie sie einander begegnen sollen. Ihre verstohlenen, schuldbewussten Blicke sprechen Bände – doch Lisa merkt nichts…
Nach dem Essen verabschiedet sich Murat ins Akropolis, wo er mit Claudio verabredet ist, und Deniz verschwindet in ihrem Zimmer. Als es sich Lisa und Andrea gemeinsam im Wohnzimmer gemütlich machen, wird die Situation für Andrea nicht unbedingt leichter – sie schämt sich unendlich für ihr Verhalten Lisa gegenüber. Die beiden Freundinnen tratschen über die alten Zeiten und Andrea bringt den neuesten Klatsch über Corinna zu Tage. Während Lisa den Abend sichtlich genießt und es einfach nur schön findet, endlich mal wieder ungestört Zeit mit Andrea verbringen zu können, fühlt diese sich weiterhin unwohl.
Auch Murat ist mit seinen Gedanken immer wieder bei Andrea, während er mit Claudio im Akropolis sitzt, sich von Vasily Gyros und Bier servieren lässt und Zukunftspläne schmiedet.
Als Murat zu später Stunde in seine Wohnung zurückkehrt, hat Andrea es plötzlich sehr eilig aufzubrechen.
„Du musst jetzt aber nicht gehen, nur weil Murat wieder da ist!“ sagt Lisa.
„Nein, nein, es ist schon spät“, sagt Andrea hastig. „Ich wäre jetzt sowieso gegangen. War schön mir dir. Bis bald!“
Nahezu fluchtartig verlässt sie die Dagdelen-Wohnung. Während Lisa anfängt, die Gläser und das Knabberzeug vom Wohnzimmertisch zu räumen, steht Murat einen Moment lang belämmert im Raum rum. Dann ruft er plötzlich: „Ach, fuck! Ich hab mein Handy im Akropolis liegen gelassen! Ich bin gleich wieder da!“
„Du Schussel!“ ruft Lisa ihm noch nach, als er ebenfalls fluchtartig die Wohnung verlässt. Auf der Treppe nach unten kommt Andrea ihm wieder entgegen. „Die… die Haustür ist abgeschlossen“, erklärt sie zerstreut. „Ich komm nicht raus!“
„Ich mach dir auf“, sagt Murat und begleitet sie hinunter.
„Seit wann wird denn hier abgeschlossen?“ fragt Andrea verwundert. „Das war doch sonst nie so!“
„Hier sind ein paar unschöne Dinge passiert“, erwidert Murat.
„Ach wirklich? Was denn?“
„Andrea, ich… Soll das jetzt immer so krampfig sein zwischen uns?“
„Was erwartest du denn?“ flüstert Andrea. „Wir haben letzte Woche zum zweiten Mal miteinander geschlafen. Wieder in Lisas Bett. Da kann ich mich schlecht so verhalten, als wäre nichts!“
Murat will die Haustür aufschließen, hält dann aber inne und sagt: „Andrea. Ich…“
„Schließ jetzt bitte auf!“
„Ich muss immer an letzte Woche denken“, gesteht der Türke schließlich. „Ich… ich weiß, dass das falsch ist. Aber es… es fühlt sich komischerweise trotzdem irgendwie so richtig an!“
„Was?“ Andrea starrt ihn aus weit aufgerissenen Augen entsetzt an.
„Ich glaube, ich hab mich wirklich ernsthaft in dich verliebt!“ flüstert Murat.
Die beiden starren sich einen Augenblick wie versteinert an. Dann küsst Murat Andrea. Zunächst wehrt sie sich gegen den Kuss, gibt sich ihm dann schließlich aber hin und die beiden verharren sekundenlang in einer leidenschaftlichen Umarmung, ehe Andrea sich losreißt.
„Das geht nicht!“ keucht sie, dreht den im Schloss steckenden Schlüssel selber um und stürmt fluchtartig aus dem Haus. Murat blickt ihr bitter hinterher…


Als Jekaterina an diesem Abend Lola beim Zurechtmachen geholfen und sie zu Bett gebracht hat, begibt sie sich ins Wohnzimmer, wo Andy, Gabi und Helga bereits vor dem Fernseher sitzen.
„Bruno nicht da?“ erkundigt sich die Ukrainerin.
„Der ist mit seiner Marlene verabredet“, erklärt Helga mit möglichst viel Abfälligkeit in der Stimme.
„Lola macht gute Fortschritte“, sagt Jekaterina.
„Ja, des sagt der Arzt auch“, berichtet Gabi. „Wirklich erstaunlich, dass sie sich in ihrem Alter noch so gut berappelt. Bald ist sie wahrscheinlich wieder wie früher.“
„Dann sie braucht meine Hilfe nicht mehr“, bemerkt Jekaterina zögerlich.
„Sie können natürlich dann trotzdem erstmal bei uns wohnen bleiben“, sagt Helga, die befürchtet, dass die Ukrainerin sich um ihre Bleibe sorgt. „Es ist zwar alles ziemlich beengt hier mit so vielen Leuten, aber wie sagt man noch so schön: Raum ist in der kleinsten Hütte!“
„Hütte?“ fragt Jekaterina verwundert. „Ich nicht verstehen. Ist Wohnung hier, nicht Hütte.“
„Nur so eine dumme deutsche Redewendung“, knurrt Andy. „Kann ich das jetzt hier vielleicht mal weitergucken?“
Jekaterina verlässt das Wohnzimmer, sie will nicht beim Fernsehen stören. Ihre Hauptsorge gilt nicht dem Dach über dem Kopf, sondern dem Geld, das sie nicht mehr bekommt, wenn sie Lola nicht mehr pflegen und unterstützen muss. Sie muss dringend weiterhin Geld verdienen können, nicht nur für sich, sondern auch für ihre Familie. Wie soll es mit ihnen weitergehen, wenn der Krieg in ihrer ukrainischen Heimat noch ewig tobt? Und wenn er irgendwann vorbei ist? Ihre Familie muss sich dann in dem zerstörten Land eine ganz neue Existenz aufbauen. Und sie sorgt sich um ihren kleinen Bruder Evgenij, der immer noch im Krieg ist und seit Wochen kein Lebenszeichen gesendet hat…
Möglichst viel Geld für die ungewisse Zukunft zu verdienen, hat momentan oberste Priorität für Jekaterina. Und so beschließt Jekaterina an diesem Abend, das zu tun, womit sie in Deutschland bislang das meiste Geld verdienen konnte. Als aus dem Wohnzimmer weiterhin der Fernseher tönt, im Wohnungsflur aber alles ruhig und verlassen ist, schleicht sie sich in ihrem aufreizendsten Outfit aus der Wohnung – und läuft im Treppenhaus prompt Nina in die Arme.
„Das glaub ich jetzt nicht!“ entfährt es dieser beim Anblick der Ukrainerin fassungslos. „Du gehst jetzt nicht allen Ernstes anschaffen?“
„Ich geh in Disco mit Freundin“, behauptet Jekaterina.
„Das glaubst du doch wohl selbst nicht!“ Nina lacht empört auf. „Tagsüber pflegst du die alte Frau Zenker und nachts gehst du anschaffen?! Wissen die Zenkers davon?“
„Das geht dich an einen feuchten Kehrr… einen feuchten Scheiß!“ zischt Jekaterina.
„Es kann einfach nicht sein, dass du überhaupt nichts aus deinen Fehlern lernst“, bohrt Nina. „Es gibt Gesetze, an die musst auch du dich halten!“
„Was tust du überhaupt hier?“ will die Ukrainerin wissen. „Schnuffelst du mir nach? Ist der frühe Wurm auch ein später Wurm?“
„Ich komme gerade vom Spätdienst!“ verteidigt Nina sich empört.
„Fruhdienst! Spätdienst! Nazi-Bulle ist immer da, wo er gebraucht wird, tse pravda?“ faucht Jekaterina und schiebt sich an Nina vorbei. Diese lässt jedoch nicht locker und folgt der Ukrainerin die Treppen hinunter. Jekaterina beschleunigt ihren Schritt und stürmt zur Haustür hinaus, doch Nina klebt weiter an ihren Fersen.
„Wo machst du das denn überhaupt, ohne deine Wohnmobil?“ ruft die Polizistin ihr nach. „Auf dem Straßenstrich, oder was? Wie eine billige Bordsteinschwalbe?“
Jekaterina bleibt abrupt stehen und Nina rennt von hinten in sie hinein. Unmittelbar vor ihnen steht Hermann Benodakt, der pensionierte Lehrer, der seit dem vergangenen Herbst eine der Dachgeschosswohnungen in der Kastanienstraße bewohnt und der sich anscheinend gerade auf dem Rückweg von einem Abendspaziergang befindet. In Anbetracht von Jekaterina in ihrem gewagten Outfit und mit dem, was er gerade aus dem Streitgespräch der beiden Frauen mitangehört hat, wirkt er nahezu schockiert. Eindringlich betrachtet er die Ukrainerin von Kopf bis Fuß…
„Nicht zu fassen!“ entfährt es ihm schließlich. „Ich hatte ja die Hoffnung, dass das hier eine halbwegs anständige Gegend ist, aber ich werde immer wieder eines Besseren belehrt!“
Entrüstet schiebt er sich an den beiden vorbei und setzt seinen Weg in Richtung Kastanienstraße fort.
„Soll ich dir einen blasen, Opa?“ ruft die Ukrainerin ihm provokant hinterher. „Oder willst lieber richtig Ficki Ficki machen, häh? Kriegst du überhaupt noch einen hoch, alter Knacker?“
„Das ist ja wohl eine bodenlose Unverschämtheit!“, zetert der Pensionär. „Das ist wirklich die Höhe, dass ich mir hier so etwas bieten lassen muss! Sie widerliche Person, Sie! So etwas wie Sie ist wirklich… der Abschaum unserer Gesellschaft! Eine Schande sind Sie, eine echte Schande! Schämen sollten Sie sich, in Grund und Boden, jawohl! In Grund und Boden sollten Sie sich schämen!!!“
„Reg dich ab, Opa, kriegst ja gleich Herzinfarkt!“ winkt Jekaterina ab und stolziert weiter.
„Entschuldigen Sie bitte“, ruft Nina dem Mann zu, dessen Bleiche inzwischen einer Zornesröte gewichen ist, und läuft Jekaterina nach. Benodakt blickt ihr voller Verachtung hinterher.
„Lass mich jetzt in Ruhe“, schnauzt Jekaterina Nina an. „Es geht dich nichts an, was ich mache. Kümmere dich um deinen Kram!“
Nina lässt die Ukrainerin schließlich ziehen, kann es aber nicht fassen, dass sie ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland offenbar immer noch als Freifahrtschein sieht, um einfach überall und jederzeit anschaffen zu gehen. Nina dreht sich nochmal nach dem pensionierten Lehrer um, ob zu sehen, ob er möglicherweise Hilfe braucht, doch der rüstige Herr ist mit strammen Schritten bereits in der Kastanienstraße angelangt und verschwindet dort gerade in seinem Hauseingang…
Als Nina nach Hause kommt, beschließt sie, Klaus vorerst nichts von dem zu erzählen, was sich heute Abend ereignet hat – das würde nur wieder für schlechte Stimmung sorgen und der Haussegen hängt ja eh schon ständig schief. Aber sie beschließt, Jekaterina zukünftig wieder genauer im Auge zu behalten…
Die Ukrainerin hat es eine Weile später ins Bahnhofsviertel begeben, muss aber sehr schnell feststellen, dass der Straßenstrich dann doch eine andere Adresse ist als ihr Love-Mobil, in dem sie letztendlich selbst entschieden hat, wem sie Zutritt gewährt und wem nicht, und in dem sie mehr Kontrolle über die Situation hatte. Auf dem Straßenstrich zwischen anderen Prostituierten, missbilligenden Zuhältern und allerlei zwielichtigen Freiern fühlt sie sich viel ausgelieferter und schutzloser… Dennoch schafft sie es an diesem Abend, einige Freier an Land zu ziehen und Geld zu verdienen – und das ist im Moment das Wichtigste. Geld für ihre Familie zu verdienen, muss weiterhin oberste Priorität behalten…

Wie es in den letzten Tagen bereits zu einem festen Ritual geworden ist, treffen sich auch an diesem Abend einige Mitstreiter der freiwilligen Bürgerwehr der Nachbarschaft zur Lagebesprechung in der Pizzeria von Claudio und Enzo. Hier wird abgeklärt, wer, wann, wo und wie lang in dieser Nacht durch die Siedlung patrouilliert und im Auge behält, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Nicht in jeder Nacht sind alle Freiwilligen am Start, schließlich haben sie alle auch noch berufliche und familiäre Verpflichtungen, aber es finden sich dennoch jeden Abend genug Helfer, um die ganze Nacht irgendwie abzudecken. Heute Abend haben sich Nico, Andy, Roland, Ben und Nils bei Claudio und Enzo eingefunden. Und wie sich zunehmend herauskristallisiert, ist vor allem Jungspund Nico Feuer und Flamme für das Projekt und überschlägt sich fast mit seiner Einsatzbereitschaft.
„Ich mache heute die erste Schicht“, ereifert er sich sogleich. „Es kann so früh eh noch nicht schlafen. Ist ganz gut, wenn ich mir noch ein bisschen die Beine vertrete.“
„Aber du brauchste doch nicht da draußen rumrennen“, sagt Claudio. „Von unsere Balkone aus man hatte doch die ganze Lindenstraße wunderbar in die Blicke!“
„Ja, die Straße vielleicht“, sagt Nico. „Aber wenn der Typ sich an den Häuserfassaden lang drückt, sieht man das von da oben nicht unbedingt. Wenn er vorm Hotel lang schleicht, ist er ratz fatz bei der Drei und verschwindet von dort aus im Hauseingang.“
„Aber dere Hauseingange ist doch nachts wohl abgeschlossen?!“ erkundigt sich Claudio.
„Sollte er eigentlich!“ motzt Andy. „Aber irgendwelche Leute, die zu faul sind, ihren Schlüssel zu benutzen, lassen ihn immer wieder auf. Da hat sich vor Jahrzehnten die alte Kling schon immer drüber aufgeregt. Und wisst ihr was? In dem Fall hatte sie sogar Recht! Es kann echt nicht sein, dass die ganze Nacht die Haustür los steht und jeder da rein und raus kann, wie er lustig ist!“
„Abere Anna und Sarah werden doch nach den Vorfällen abends sicher nochmal nachprüfen, ob die Tür zu iste, oder?“ erkundigt sich Claudio.
„Und was nützt es, wenn Anna die Tür abschließt und fünf Minuten später kommt Marcella nach Hause oder die Peschke oder der Eschweiler und die lassen die Tür wieder auf?“, stänkert Andy. „Man kann doch nicht die ganze Nacht lang ständig wieder runter rennen und die Tür kontrollieren!“
„Eben drum müssen wir auch auf der Straße patrouillieren und nicht nur vom Balkon aus gucken“, erklärt Nico. „Das schreckt dann auch ab!“
„Iche möchte heute Nachte mal pausieren“, erklärt Claudio. „Ich binne nachher noch verabredet mite Murat beim Griechen, wir wollen besprechen unsere zukünftige Zusammenarbeite. Das kanne später werden...“
Und so macht sich Nico kurz darauf voller Motivation ans Werk, schreitet die Lindenstraße auf und ab, dreht eine kleine Runde durch den Park – und fühlt sich bei all dem unglaublich wichtig! Auffälligkeiten gibt es aber keine… Irgendwann im Verlauf dieses Abends steht er vor der Buchhandlung Engel, raucht eine Zigarette und wirft einen Blick durch das Schaufenster des Ladens. In dem kleinen Büro hinter dem Verkaufsraum brennt noch Licht, zu sehen ist aber niemand. Ist dieser Engel noch da oder hat er nur vergessen, das Licht auszumachen? Nicos Aufmerksamkeit wird auf die andere Straßenseite gelenkt, als dort Jekaterina und Nina stürmisch das Haus Nr. 3 verlassen, offenbar in eine hitzige Diskussion verwickelt, und dabei beinahe mit diesem Hermann Benodakt zusammenprallen, der oben in einer der Dachgeschosswohnungen lebt. Interessiert beobachtet Nico das Treiben, als Jekaterina jetzt offensichtlich mit dem alten Benodakt aneinandergerät. Kurz darauf löst sich die kleine Ansammlung auf und es kehrt wieder Stille ein in der Lindenstraße, als plötzlich eine Stimme hinter ihm sagt: „Na, was lungern Sie denn hier rum? Wollen Sie zu mir oder wissen Sie einfach nicht, wo Sie sich sonst rumtreiben sollen?“
Als Nico herumfährt, steht Robert Engel in der geöffneten Tür seines Buchladens und blickt ihn mit einem süffisanten Grinsen an.
„Haben Sie jetzt noch geöffnet?“ fragt Nico irritiert.
„Nein, aber die Arbeit eines Buchhändlers besteht ja nicht nur darin, Bücher zu verkaufen“, erklärt Engel mit der für ihn so typischen schleimig-schnurrenden Stimmlage. „Ich mache gerade noch ein bisschen Büroarbeit: Abrechnungen, Steuerkram, Bücherbestellungen, das übliche, Sie wissen schon… Wollen Sie mir vielleicht ein bisschen Gesellschaft leisten? Ich hab auch noch eine Flasche Wein im Kühlschrank!“
„Nein, danke!“, wehrt Nico empört ab. Was soll das denn jetzt?
„Haben Sie vielleicht auch so eine für mich?“ fragt Engel schnurrend und deutet auf die Zigarette in Nicos Hand. Nico gibt ihm eine, Robert bedankt sich und fragt: „Vielleicht doch ein kleiner Absacker?“
„Nee, echt nicht!“
„Schade“, flüstert Robert und blickt ihn vieldeutig an. „Ich überlege ja schon seit längerem, ob ich Sie nicht mal da drüben in Ihrem kleinen Fitness-Studio aufsuchen sollte. Ich roste langsam etwas ein, was meinen Sie? Wäre das was für mich?“
Nico sieht Robert abschätzig von Kopf bis Fuß an und sagt dann herablassend: „Eher nicht. Sie sind ja auch schon mehr Kompost als was anderes, versuchen Sie’s doch lieber mit ´nem bisschen Senioren-Gymnastik oder so!“ Er schnippt seine Kippe in den Rinnstein und setzt seinen Rundgang fort.
„Ich frag mich ja schon, auf wen Sie eigentlich kommen?“ ruft Robert ihm nach. „Die große Klappe haben Sie eindeutig von Ihrer Mutter. Aber rein optisch finde ich weder besonders viel Ähnlichkeit mit der rothaarigen Dampfwalze, noch mit dem spindeldürren Rasta-Mann. Sind Sie sicher, dass Sie als Baby nicht vielleicht vertauscht wurden?“
Nico wirft ihm noch einen vernichtenden Blick zu, dann geht er weiter…
Der Abend bleibt ruhig, niemand ist mehr auf der Straße unterwegs. Nur irgendwann sieht er eilig eine Frau aus dem Haus Nr. 3 stürmen, in der er die Arzthelferin Andrea Neumann erkennt. Die hat bestimmt die Dagdelens besucht. Oder ihre Chefin Iris…
Gegen Mitternacht wollte sein Großvater ihn eigentlich ablösen, aber Andy erscheint nicht. Wahrscheinlich ist er wieder eingepennt, denkt sich Nico, Kurz denkt er darüber nach, ihn anzurufen, beschließt dann aber, Andys Wache gleich mit zu übernehmen. Er ist immer noch nicht müde und sein Opa ist ja auch nicht mehr der Jüngste und braucht seine Nachtruhe vermutlich dringender als er…
Als Nico von der Kastanienstraße kommend eine weitere Runde durch die Lindenstraße machen will, entdeckt er plötzlich aus dem Augenwinkel vor der Nummer 3 eine dunkle Gestalt, die blitzschnell in der Hofeinfahrt verschwindet…
Wer war das? Wer auch immer sich um diese Uhrzeit in den Hinterhof schleicht, führt ganz bestimmt nichts Gutes im Schilde…! Mit ein paar Schritten hat Nico die Hofeinfahrt erreicht und sieht hinein, doch außer tiefschwarzer Dunkelheit ist nichts zu erkennen. Nico überlegt für einen Augenblick, ob er einen seiner Kameraden zur Verstärkung rufen soll, verwirft den Gedanken dann jedoch wieder, denn bis je,and da ist, ist der Typ vermutlich längst getürmt. Also Eigeninitiative ergreifen!
„Wer ist da?“ ruft Nico mit fester Stimme in die Dunkelheit hinein und betritt dann mit großen Schritten den Hof. Wie aus dem Nichts schält sich plötzlich der Umriss eines Menschen aus der gähnenden Schwärze und will an ihm vorbei. Dann geht alles ganz schnell. Der überraschte Nico hebt, mehr aus einem Reflex raus, die rechte Faust und schießt sie seinem Gegenüber entgegen. Er hört ein Klatschen, ein unterdrücktes Stöhnen, spürt einen Schmerz in der rechten Hand und sieht schemenhaft, wie jemand vor ihm zu Boden geht. Fuck, das war wohl etwas zu feste… Nico fingert sein Handy aus der Hose und schaltet die Taschenlampe ein, um zu sehen, mit wem er es da zu tun hat und was genau geschehen ist – und erstarrt: Vor ihm auf dem Boden liegt dieser unsympathische Herr Benodakt, blickt kurz aus glasigen Augen zu ihm empor – und verliert dann das Bewusstsein…

CLIFFHANGER auf: Nico Zenker

Mitwirkende Personen
Hermann Benodakt
Nico Zenker
Andy Zenker
Gabi Zenker
Lola Zenker
Roland Landmann
Helga Beimer
Klaus Beimer
Nina Zöllig
Claudio Russo
Enzo Buchstab
Corinna Marx
Andrea Neumann
Murat Dagdelen
Lisa Dagdelen
Deniz Dagdelen
Nils Wendland
Ben Hofer
Vasily Sarikakis
Robert Engel
Jekaterina Litwinski

© ´popo wolfson` 2022

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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Verfasst: So 12. Jun 2022, 13:04 


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BeitragVerfasst: So 12. Jun 2022, 13:25 
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Juhu eine neue Folge! Jetzt mache ich mir erstmal einen Kaffee top


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BeitragVerfasst: Do 16. Jun 2022, 17:20 
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Beiträge: 11587
Auch Juhu. Und ich habe nun, glaube ich zumindest, die letzten 4-5 Folgen nachgelesen, die ich verpasst habe. Bin sehr gespannt, wie es weitergeht. Es ist ja an ganz vielen Stellen gleichzeitig sehr aufregend! Bin wieder genauso gespannt wie früher, wenn die echten Folgen so cool waren.

Es freut mich, dass Andrea und Murat so eine aufregende Zeit erleben. Allerdings gruselt es einen vor Lisas Rache..
Corinna Marx ..., sofort sehe ich das alles vor mir, ihr schnippiger motziger Ton ... :lol: ... toll, das man sie wiedererkennt. Ich habe noch die Szene vor mir, wie sie den armen Matthias Steinbrück mit dessen Kuchen so motzig abserviert an dessen Todestag. :lol:
Um den armen Simon und die dubiose Internetfreundin ("Shiatsu2006" oder so ähnlich :D ) mache ich mir auch schon Gedanken...
Konstantin und die schwarze Witwe... :shock: ... sagen wir mal so: freuen wir uns erstmal, dass dieser arme Pechvogel wenigstens einmal bisschen Entspannung erfährt...
Naja, und PsychoValerie schiesst sowieso alle Vögel ab. Hoffentlich bleibt sie uns noch lange erhalten! Zwischendurch kann sie, von mir aus, wieder vollgeschminkt wie ein bunter Papagei auf dem Kinodach balancieren.

Auf Sarahs Stalker freue ich mich auch schon sehr. :hunger:


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