Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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BeitragVerfasst: So 16. Jan 2022, 08:17 
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Folge 1817: Es wird Stille sein und Leere, es wird Trauer sein und Schmerz...

Spieltag: Donnerstag,13.01.2022

Christa sitzt appetitlos wie jeden Morgen am Frühstückstisch in der Küche von Nina und Klaus. Nachdem sie am Mittwochabend der vergangenen Woche mit dem Nachtzug zurück nach Berlin gefahren ist, sind sie und Jürgen bereits am Donnerstag mit dem Auto wieder nach München, nachdem sie über Sunnys Tod unterrichtet wurden. Das Verhältnis der Eheleute Zöllig ist angespannt, da Christa ihrem Mann schwere Vorwürfe wegen seines Verhaltens Sunny gegenüber macht. Während Christa bei ihrer Tochter Nina und ihrer Familie untergekommen ist, hat Jürgen sich ein Zimmer in einer nahegelegenen Pension genommen. Alle Hinterbliebenen warten derweil auf das Ergebnis der durch die Kriminalpolizei veranlassten Obduktion aufgrund der ungeklärten Todesursache Sunnys. So auch Tanja und Simon, die immer noch nicht begreifen können, was da in der letzten Woche geschehen ist. Doch heute nun erhält Tanja den lange erwarteten Anruf aus der Gerichtsmedizin – und macht sich gemeinsam mit Christa, Jürgen und Nina auf den Weg dorthin.
Neben dem Gerichtsmediziner ist auch ein Kommissar der Kripo vor Ort. Und was sich auf die verzweifelten Hinterbliebenen von Seiten des Forensiker ergießt, ist zunächst einmal ein Schwall von medizinischen Fachausdrücken, ehe dem Mann bewusst wird, dass keiner der Anwesenden ihn zu verstehen scheint. Seine Bemühungen, den Stand der Dinge in verständlicher Sprache wiederzugeben, machen die Gesamtsituation jedoch nicht besser. Der Rechtsmediziner erklärt, dass Sunny an Multi-Organ-Versagen gestorben ist und dass sich sowohl in ihrem Blut wie auch im Gewebe Rückstände von Substanzen finden ließen, die in Deutschland größten Teils gar nicht erlaubt sind, die aber aufgrund der erhöhten Östrogen-Werte darauf schließen lassen, dass sich Sunny erneut einer Geschlechtsumwandlung zu unterziehen versucht habe. Vor allem die Leber, aber auch die Nieren und die Bauchspeicheldrüse seien durch die Kombination aus verschiedenen illegalen Inhaltsstoffen so stark belastet worden, dass es schließlich zum Versagen der entsprechenden Organe gekommen sei. Den anwesenden Kripo-Beamten scheint nur die Frage zu interessieren, ob Sunny die verhängnisvollen Mittel gegen ihren Willen verabreicht worden sein könnten – gewaltsam oder heimlich untergemischt… Der Forensiker kann dies jedoch verneinen und erklärt, dass einige der Dosen intravenös, andere oral aufgenommen wurden, dass dies in jedem Fall aber nicht unbemerkt und unbewusst stattgefunden haben könne, da die entsprechenden Präparate nicht geschmacksneutral seien und es auch keine Hinweise auf eine gewaltsame Verabreichung vorlägen.
„Frau Zöllig wird die Präparate mit absoluter Wahrscheinlichkeit ganz bewusst zu sich genommen haben“, beendet der Rechtsmediziner seine Ausführungen.
„Das passt“, stößt Jürgen hervor. „Dieser dumme, dumme Junge!“
„Hör endlich auf damit!“ jammert Christa.
„Ist doch wahr!“ brüllt Jürgen. „Das alles ist doch nur passiert, weil er diese dummen Flausen im Kopf hatte.“
„Vielleicht sollten wir das jetzt nicht gerade hier ausdiskutieren“, sagt Nina schnell in Anbetracht des etwas merkwürdig dreinschauenden Forensikers.
„Wir müssen überhaupt nichts ausdiskutieren!“ Christa durchbohrt ihren Mann mit bösen Blicken. „Es ist alles gesagt!“
Tanja ist inzwischen einfach nur fassungslos darüber, dass Sunny hinter ihrem Rücken und ohne ihr Wissen wieder eine Hormonbehandlung aufgenommen hat.
„Hat sie dir nichts davon erzählt?“ möchte Nina wissen.
„Kein Wort“, sagt Tanja.
„Das ist kriminell“, sagt Nina. „Dieser Arzt hätte ihr niemals diese Präparate geben dürfen. Nicht bei ihrer gesundheitlichen Vorgeschichte. Und erst recht nicht, wenn die in Deutschland sowieso nicht zugelassen sind.“
Die beiden schweigen einen Moment, dann sagt Nina entschlossen: „Den kriegen wir dran! Wenn der ihr das Zeug verordnet hat, dann kriegen wir den dran!!“
Die Anspannung zwischen dem Ehepaar Zöllig zieht sich derweil durch den weiteren Tagesverlauf. Christa zeigt ihrem Mann nur allzu deutlich, dass sie ihm durch sein ignorantes Verhalten Sunny gegenüber eine klare Mitschuld an ihrem Tod gibt. Doch Jürgen zeigt sich unbelehrbar. Als Tanja später mit Nina und den Zöllig-Eltern beisammen sitzt, um über Sunnys Beisetzung zu sprechen, zu der ihr Leichnam nach Abschluss der Obduktion nun freigegeben ist, sagt Jürgen erneut: „Das war alles unnötig. Marek würde noch leben, wenn er sich nicht mit diesem komischen Zeugs vergiftet hätte. Alles nur, weil der Junge diese kranke Phantasie hatte, dass er auf Biegen und Brechen eine Frau werden muss. So ein Unsinn, verdammt!“
„Sunny!“ schreit Christa und schlägt energisch mit beiden Handflächen auf die Tischplatte. „Unsere TOCHTER heißt SUNNY!“
„Gott verdammt, Christa!“ brüllt Jürgen. „Nina ist unsere Tochter. Und unser SOHN hieß MAREK! Und er hat sich umgebracht mit dieser perversen Scheiße!!!“
„Warum kannst du nicht mal nach ihrem Tod akzeptieren, dass sie nicht mehr der Sohn war, den du in ihr gesehen hast“, jammert Christa. „Dass sie das wahrscheinlich NIEMALS wirklich gewesen ist!!!“
„Sie, sie, sie!“ schreit Jürgen wütend. „Marek war keine sie. Er war… offensichtlich… geisteskrank!“
„Nenne unsere Tochter in meiner Gegenwart nie wieder geisteskrank!“ Christa überschlägt sich mittlerweile fast vor Hysterie.
„Was haltet ihr von einer Ballon-Bestattung?“ fragt Tanja plötzlich mit dünner Stimme in die immer weiter ausschweifende Auseinandersetzung der Zöllig-Eltern hinein. „Ich glaube, dass Sunny so etwas gefallen hätte.“
„Das ist eine schöne Idee“, flüstert Nina.
„Seid ihr denn alle von Sinnen?“ brüllt Jürgen aufgebracht. „Ballon-Bestattung? Erst dieser Spuk mit den Perücken und Frauenkleidern und jetzt eine Ballon-Bestattung? Marek wird in der Familiengruft zuhause in Berlin beigesetzt! Wie sich das gehört!!!“
„Sunny bekommt eine Ballon-Bestattung!“ beschließt Christa und sieht mit festem Blick zwischen Jürgen, Tanja und Nina hin und her. Dann steht sie auf und verlässt ohne jedes weitere Wort die Küche und die Wohnung. Jürgen blickt ihr fassungslos nach. Dann steht auch er auf und geht hinaus…
Am Abend flüchtet Tanja hinauf zu `Käthe’ und Urszula. Sie informieren sich im Internet über die Möglichkeiten einer Ballon-Bestattung und Tanja ist fest entschlossen, morgen bei dem Bestatter das Thema anzusprechen. Schließlich sitzen die Drei schweigend beisammen, als Urszula plötzlich in die Stille hinein sagt: „Ich hatte gestern den Termin in Artjoms Schule…“ Sie seufzt schwer, dann setzt sie fort: „Es ist, wie ich es befürchtet habe. Er muss zum Halbjahr die Schule wechseln. Sein Direktor hat quasi schon alles über meinen Kopf hinweg organisiert und für nächste Woche einen Termin mit der Direktorin der Gesamtschule gemacht. Eine Frau Dr. Glöckner oder Klöckner oder so ähnlich… Es ist alles so schrecklich. An dieser Gesamtschule… da wird Artjom vollkommen untergehen. Das packt er nicht, er ist viel zu sensibel für so etwas…“
`Käthe’ schaut Urszula fassungslos an. In Tanjas Blick liegt noch mehr als bloße Fassungslosigkeit. Ihre Augen sprühen förmlich Blitze, als sie Urszula anraunt: „Wie schrecklich! Der arme Junge! Eine Gesamtschule, mein Gott!!!“ Dann schnappt sie sich ihre Tasche, springt auf und brüllt beim Hinausgehen: „Tut mir leid, dass ich für solche Lappalien jetzt gerade keinen Nerv habe…“
„War das jetzt unsensibel von mir?“ fragt Urszula, nachdem die Tür hinter Tanja ins Schloss gefallen ist. Georg sieht die Polin immer noch ungläubig an. „Bei allem Verständnis für deine Lage“, sagt er schließlich, „aber vielleicht ist es allmählich mal an der Zeit, dass du wieder aussteigst aus deinem goldenen Käfig.“


„Ich hab keinen Bock darauf, heute Nachmittag wieder zu diesem Zombie zu müssen!“ mault Maite lautstark am Frühstückstisch der Wendlands.
„Ich auch nicht“, pflichtet Merle ihrer Schwester bei.
„Ach, Mädels, jetzt macht doch nicht wieder so ein Drama draus“, versucht Kerstin das Thema abzuwenden. „Wir haben doch lang und breit besprochen.“
„Aber bei dem Alten da oben stinkt’s wie in einer Gruft“, motzt die freche Maite.
„Und lernen tun wir da auch nichts“, erklärt die bravere Merle. „Der kann das alles noch schlechter erklären, als unsere Lehrer. Das ist totale Zeitverschwendung.“
„Ihr geht weiter dahin und Schluss!“ spricht Nils ein Machtwort.
„Und ich habe Herrn Benodakt gesagt, dass du heute auch endlich kommst“, wendet sich Kerstin nun an Annalena.
„Das kannst du voll vergessen“, wehrt die älteste Tochter ab. „Im Frühjahr bewerbe ich mich an der Schauspielschule. Und wenn die mich nehmen, dann war’s das sowieso mit Abi!“
„Ja, wenn…“, grinst Lovis.
Die Diskussion im Hause Wendland zieht ihre üblichen Kreise. Den Zwillingen ist klar, dass sie um die Nachhilfestunde beim Dachgeschoss-Zombie ohnehin nicht rum kommen werden. Da schmieden sie einen Plan: Sie wollen heute wieder ihren Rollentausch vollziehen, so dass erst Maite statt Merle in die Mathe-Nachhilfe geht und dann Merle anstelle von Maite in die für Englisch.
„So kriegen wir das easy gewuppt“, meint Maite.
„Aber das merkt der Zombie doch sofort“, befürchtet Merle.
„Na, wir dürfen jetzt natürlich auch nicht plötzlich zu gut sein“, erklärt Maite. „Aber wenn wir rüberbringen, dass wir’s so halbwegs kapiert haben, dann denkt der Zombie, dass seine Nachhilfe allmählich Erfolg zeigt und freut sich. Und dann sind wir heute schnell aus der Nummer raus.“
Gesagt, getan. Am Nachmittag begibt sich also zunächst Maite in der Rolle ihrer Zwillingsschwester in die Mathe-Nachhilfestunde. Obwohl Maite die zu bestreitenden Rechenwege beherrscht, gibt sie sich zunächst ahnungslos, tut dann aber so, als würde sie langsam kapieren, was Hermann Benodakt ihr zu vermitteln versucht und spielt ihm große Freude vor, als sie das Ganze endlich verstanden zu haben scheint.
Im Anschluss spielt Merle in der Rolle von Maite bei der Englisch-Nachhilfe das gleiche Spiel. Der alte Benodakt beendet schließlich die Stunde.
„Also nächste Woche wieder zu gewohnten Zeit?“ fragt Merle und fügt dann hinzu: „Und wenn das weiter so gut läuft, wie heute, können wir das mit der Nachhilfe ja vielleicht auch bald ganz sein lassen, nicht wahr?“
„Falsch!“ widerspricht Benodakt ihr. „Morgen, meine liebe Merle, kommt ihr beide zur nächsten Nachhilfestunde…“
„Ich bin Maite“, sagt Merle schnell.
„… und dann kommt jede von euch als die, die sich wirklich ist!“
„Wie meinen Sie das?“ spielt Merle die Überraschte.
„Glaubt ihr eigentlich, dass ihr mich auf den Arm nehmen könnt?“ fragt Hermann Benodakt gereizt. „Meint ihr, ich bin so dumm, dass ich nicht merke, dass ihr heute eure Rollen getauscht habt?“
„Ich bin wirklich Maite!“ protestiert Merle erneut.
„Und ich bin Albert Einstein!“ erwidert Hermann Benodakt. „Sag deiner Schwester bitte, dass ich euch morgen pünktlich zur Nachhilfe erwarte. Und zwar als diejenige, die ihr wirklich seid!“
Zerknirscht begibt sich Merle auf den Weg runter in die Wohnung, wo sie Maite mitteilt, dass sie aufgeflogen sind.
„Ich versteh das überhaupt nicht“, motzt Maite. „Ich hab dich so gut gespielt. DU hast das bestimmt verkackt!“
„Ich?“ Merle ist empört. „Ich hab dich auch voll echt gespielt. Aber der Alte ist total unheimlich, den kann man nicht verarschen, der merkt alles!“
„Voll creepy, der Zombie“, findet auch Maite.
Im nächsten Moment entbrennt in der Küche ein lautstarker Streit zwischen Nils und Annalena. Von Nils’ Seite dringen Wortfetzen wie „Ich hab die Schnauze voll von dieser ewigen Zickerei“ und „solange du deine Füße unter unseren Tisch stellst“ in das Zimmer der Zwillinge hinüber.
„Ist ja gut, ist ja okay“, gibt Annalena schließlich klein bei. „Wenn’s euch so glücklich macht, dann gehe ich halt zu ihm. Aber glaubt mal ja nicht, dass sich dadurch irgendwas an meiner Entscheidung ändert.“
Am späteren Nachmittag findet sich also auch Annalena in der Dachgeschosswohnung von Herrn Benodakt ein. Der pensionierte Lehrer lässt sich von Annalena auf den aktuellen Stand ihres derzeitigen Unterrichtstoffes und ihrer Defizite bringen und überlegt sich einen Ansatz für die Nachhilfe. Annalena zeigt sich jerdoch äußerst desinteressiert an dem, was Hermann Benodakt diesbezüglich einzubringen versucht.
„Ich bin nur hier, weil meine Eltern das so wollen“, erklärt sie trotzig. „Wenn ich an der Schauspielschule aufgenommen werde, dann schmeiß ich eh mein Abi.“
„Wenn“, betont der alte Lehrer. „Weißt du, wie viele Bewerber und wie viele frei Studienplätze es jedes Jahr an den Schauspielschulen gibt? Die Chance, sich da durchzusetzen ist schon äußerst gering.“
„Ja, wenn jeder so denken würde, dann bräuchte sich da ja gleich gar keiner mehr zu bewerben“, entgegnet Annalena schnippisch.
„Und selbst, wenn du genommen wirst und die Ausbildung schaffst“, sinniert Benodakt. „Was dann? Glaubst du, danach warten Glitter und Glamour auf dich? Rote Teppiche? Filmangebote? Hollywood? Traumgagen? Ein Leben in Saus und Braus? Das ist sehr utopisch, das schafft nicht mal ein Bruchteil der ausgebildeten Schauspieler. Die meisten halten sich mit Aushilfsjobs über Wasser und wenn sie überhaupt ein Engagement an einem Theater bekommen, dann sind die Gagen auch nichts, um damit reich zu werden. Die Traumwelt des Star-Ruhms beim Film hat wenig bis gar nichts mit der Realität eines Schauspielers zu tun…“
„Das weiß ich auch, ich bin ja nicht blöd“, schnauzt Annalena ihn gereizt an.
„Du träumst also nicht davon, vor der Filmkamera und im Rampenlicht zu stehen?“ fragt Benodakt ungläubig.
„Ich möchte auf der Bühne stehen und spielen“, sagt Annalena. „Ich will keinen Oscar gewinnen, ich will… einfach spielen.“
„Dein hübsches Gesicht alleine bringt dich da aber nicht weiter“, erklärt Benodakt. „Hast du denn überhaupt das Zeug dazu? Hast du denn überhaupt schon mal auf einer Bühne gestanden?“
„Ich spiele seit der Grundschule Schultheater“, erwidert Annalena schnippisch.
„Das ist ja immerhin schon mal ein Anfang“, mein Hermann Benodakt. „Und was hast du da bislang gespielt?“
„Naja, früher war das natürlich eher so’n Kinderkram“, sagt Annalena. „Da hab ich die Fee im Räuber Hotzenplotz gespielt und die Maria im Krippenspiel und die Hauptrolle in Momo. Anspruchsvollere Sachen haben wir dann halt erst in den letzten Jahren gemacht.“
„Und was hast du da gespielt?“
„Lena in Leonce und Lena von Georg Büchner. Und Shakespeare. Puck im Sommernachtstraum. Und Desdemona in Othello. Und ich war die Zweitbesetzung der Julia in Romeo und Julia.“
„Alle Achtung!“ Hermann Benodakt wirkt nun tatsächlich beeindruckt. „Shakespeare ist ja schon Königsdisziplin. Wenn ihr so etwas wirklich mit eurer Theater-AG auf die Bühne bringt, dann scheint ihr die Sache ja durchaus ernst zu nehmen.“
„Ja, sag ich doch!“
„Trotzdem ist es utopisch zu denken, dass du später einmal von der Schauspielerei leben kannst“, mahnt Benodakt. „Ein guter Schulabschluss und eine bodenständige Ausbildung oder ein Studium für einen Beruf mit Perspektive ist das Fundament für…“
„Blablabla“, fällt Annalena ihm ins Wort. „Ich hab keinen Bock auf dieses Theater!“
„Ach, doch nicht?“ fragt Benodakt mit gespielter Überraschung. „Ich dachte, du willst unbedingt zum Theater?!“
„Ich… äh… ja, ich meine… dieses Theater hier mit Ihnen!“
Über Benodakts Gesicht huscht der Anflug eines Grinsens, dann erhebt er sich plötzlich, stellt sich in eine theatralische Pose und ruft laut: „Hast du schon zur Nacht gebetet, Desdemona?“
Annalena sieht dann Mann einen Augenblick lang irritiert an, dann steigt sie ein und erwidert: „Ja, mein Gemahl!“
„Kannst du dich einer Sünde noch erinnern?“ fragt Benodakt, „nicht ausgesöhnt dem Himmel und der Gnade, so flehe jetzt alsbald!“
„Ach, mein Gemahl, was willst du damit sagen?“ fragt Annalena.
„Wohl tu’ es und sei kurz“, entgegnet Benodakt, „ ich geh’ beiseite, nicht möcht’ ich deinen Geist in Sünden töten, nein, Gott verhüt’s, nicht deine Seele töten!“
„Sprichst du vom töten?“ fragt Annalena.
„Ja!“
„Dann, güt’ger Himmel, erbarm dich mein!“
„Amen von ganzem Herzen!“ schließt Benodakt das kleine Schauspiel.
„Sie sind aber echt textsicher“, sagt Annalena beeindruckt.
„Du aber auch“, entgegnet Benodakt. „Ich hätte nicht erwartet, dass du die Dialoge so aus dem Stegreif beherrscht.“
Herman Benodakt und Annalena unterhalten sich noch eine Weile und schließen eine Art Pakt: Am Ende einer jeden Nachhilfestunde wollen sie gemeinsam eine Szene aus einem Shakespeare-Stück spielen…
Als Annalena nach Hause kommt, sitzt ihre Familie bereits beim Abendessen und die Zwillinge brennen darauf, zu erfahren, welche schlechten Erfahrungen ihre große Schwester beim Dachgeschoss-Zombie gemacht hat.
„Es war cool“, sagt Annalena und setzt sich gut gelaunt an den Tisch. „Der Alte hat’s voll drauf!“
Sowohl Nils und Kerstin wie auch Maite und Merle tauschen überraschte Blicke aus, wobei die Blicke der Eltern Zufriedenheit, die der Mädchen blankes Entsetzen und Unverständnis ausdrücken…



Andrea kann endlich wieder in ihre Wohnung zurück. Nach Wochen als Gast bei Lisa und Murat hat sie gestern Abend von ihrem Vermieter die Benachrichtigung erhalten, dass die Schäden durch den Brand und das Löschwasser mittlerweile behoben wurden. Auch die Versicherung hat inzwischen gezahlt und Andrea ist froh darüber, die Gastfreundschaft der Dagdelens nicht länger ausnutzen zu müssen – zumal sie sich in permanenter Nähe von Murat immer noch unwohl fühlt.
„Heute Abend nach Feierabend hole ich dann nur noch schnell meine Sachen und dann fahre ich nach Hause“, freut sich Andrea am Frühstückstisch darüber, dass endlich wieder Normalität in ihr Leben einkehren wird. Sie fühlt sich immer noch schuldig, inzwischen schon zwei mal mit Murat geschlafen zu haben und es fällt ihr schwer, Lisa überhaupt noch in die Augen zu sehen. Aber sie hofft, dass sich dies mit der Zeit wieder legen wird, wenn erst einmal wieder eine größere räumliche Distanz zwischen ihr und Murat besteht und sie ihn nicht mehr ständig sehen muss.
In der Praxis herrscht den ganzen Vormittag über der übliche Trubel. Doch als gerade die letzten Patienten vor der Mittagspause das Haus verlassen haben, betritt eine resolut auftretende Dame das Vorzimmer.
„Wir haben jetzt Mittagspause“, blafft Lisa sie gleich an.
„Sie können heute Nachmittag wiederkommen“, sagt Andrea freundlich. „Wenn es was dringendes ist, können wir Sie bestimmt noch irgendwo dazwischen schieben, aber mit längerer Wartezeit!“
„Ich möchte bitte Ihre Arbeitgeberin sprechen“, erwidert die Frau barsch. „Mein Name ist Neuner, ich komme von der Ärztekammer.“
„Was ist denn los?“ fragt Iris, die gerade das Behandlungszimmer verlässt, während Lisa und Andrea sich skeptische Blicke zuwerfen.
Iris schickt ihre beiden Angestellten in die Mittagspause und begibt sich mit Renate Neuner in ihr Sprechzimmer. Dort beginnt die Frau von der Ärztekammer zu berichten: „Frau Dr. Brooks, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass es in den letzten Wochen ein erhöhtes Aufkommen von Covid19-Infektionen bei Patientinnen und Patienten gegeben hat, die in ihrer Praxis geimpft wurden.“
Iris sieht die Frau irritiert an. „Nun ja, dass es immer mal wieder zu Impfdurchbrüchen kommen kann, ist ja jetzt auch nichts Neues“, meint die Ärztin.
„Wir reden hier aber nicht von Impfdurchbrüchen“, erklärt Frau Neuner mit bissigem Unterton. „Es ist bei einer ganzen Reihe von Menschen zu ernsthaften Covid-Infektionen gekommen, die zwischen dem 01. und dem 05. Oktober in Ihrer Praxis geimpft wurden. Überdurchschnittliche viele Menschen, mit für Impfdurchbrüche teilweise sehr schweren Verläufen. Und bei Blutentnahmen der betreffenden Personen hat sich herausgestellt, dass sich in sämtlichen Fällen überhaupt kein Impfschutz aufgebaut hat.“
Iris ist nun noch verwirrter. „Worauf genau wollen Sie jetzt hinaus?“ fragt Iris und ahnt nichts Gutes.
„Nun, man kann wohl mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass all diesen Menschen überhaupt kein Corona-Impfstoff verabreicht wurde“, erwidert die Neuner aggressiv.
„Was… wollen Sie damit sagen?“
„Dass Sie in der Zeitspanne vom 01. bis zum 05. Oktober 2021 hier in Ihrer Praxis bei den Covid19-Impfungen keinen Covid19-Impfstoff verwendet haben!“
Iris fällt aus allen Wolken. „Das muss ein Missverständnis sein“, sagt sie.
„Gewiss nicht“, entgegnet die Neuner. „Dafür sind die Indizien zu eindeutig.
„Indizien?“ fragt Iris fassungslos. „Wir sind hier doch nicht bei der Polizei. Und überhaupt… was soll denn hier Ihrer Meinung nach angelaufen sein?“
„Das würde ich gerne von Ihnen wissen“, gibt Renate Neuner giftig zurück. „Was haben Sie Ihren Patientinnen und Patienten unter Vortäuschung, es handle sich um einen Covid19-Impfstoff tatsächlich verabreicht?“
„Vortäuschung?“ Iris ist ihrer Empörung kaum noch Herr. „Warum Vortäuschung? Was soll ich denn stattdessen mit dem Impfstoff angestellt haben, den ich ANGEBLICH nicht verimpft habe?“
„Das gilt es für mich, herauszufinden“, antwortet die Neuner schnippisch. „Vielleicht wollten Sie die Krankenkassen betrügen. Oder den Impfstoff unter der Hand auf dem Schwarzmarkt weiter verkaufen!“
„Wie bitte?“ Iris kocht vor Empörung. „Ich möchte, dass Sie jetzt sofort meine Praxis verlassen!“
„Das wird leider nicht möglich sein!“ Mit einem nahezu triumphierenden Gesichtsausdruck zieht Renate Neuner ein amtliches Schreiben hervor und erklärt: „Ich bin bevollmächtigt, bis zur endgültigen Klärung des Sachverhaltes Ihre Praxis zu schließen. Ebenfalls bin ich bevollmächtigt, alle ihre Daten und Patientendokumentationen in der Zeitspanne vom 01. bis zum 05.10. 2021 einzusehen und zu überprüfen. Ich denke, bis Anfang der kommenden Woche wird es ein Ergebnis geben, danach werden weitere Schritte entschieden.“
Iris sieht mit offenem Mund zwischen Frau Neuner und dem Schreiben in ihren Händen hin und her und kann das alles kaum fassen.
„Gut“, sagt sie schließlich. „Tun Sie, was Sie für richtig halten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich dann alles aufklären wird und Sie sehen werden, dass hier in meiner Praxis alles mit rechten Dingen zugeht.“
Obwohl Iris sicher ist, dass sich die ganze Geschichte im Endeffekt als dummes Missverständnis herausstellen wird – denn was sollte das sonst sein? - ist sie nach dem Gespräch mit Frau Neuner doch ziemlich durch den Wind. Sie macht sich aufgewühlt auf den Weg zu den Dagdelens, in dem Wissen, dass sie dort ihre beiden Mitarbeiterinnen antreffen wird.
„Das wird sich alles aufklären“, versichert Iris den beiden, nachdem sie ihre Ausführungen beendet hat.
„Natürlich wird es das“, glaubt auch Andrea. „Stimmt’s, Lisa?“
Lisa schreckt aus ihren Gedanken hoch. „Ja, klar“, sagt sie schnell – doch innerlich spürt sie bereits die Panik über ihren Fehler aufsteigen. Mist! Wie soll sie jetzt aus der Nummer wieder rauskommen?
Nachdem der Betrieb in der Praxis vorerst eingestellt ist, packt Andrea nun bereits am Nachmittag ihre Sachen und begibt sich zurück in ihre Wohnung, nachdem sie sich bei Murat und Lisa ein weiteres Mal für ihre Gastfreundschaft bedankt hat.
Iris unterhält sich in der Zwischenzeit mit Alex über die Anschuldigungen, die ihr die Neuner an den Kopf geknallt hat, aber auch Alex ist der festen Überzeugung, dass es sich dabei nur um einen Irrtum handeln kann, der nach der Prüfung durch die Ärztekammer aus der Welt geräumt sein wird. Lisa wird derweil jedoch immer unruhiger und ihr wird zunehmend bewusst, dass die Wahrheit definitiv an Licht kommen wird.
„Kann ich mal mit dir reden?“ fragt sie schließlich Murat zögerlich.
„Was gibt’s denn, Baby?“ möchte er wissen.
„Ich glaub, ich hab Scheiße gebaut…!“ Und dann erzählt sie Murat die ganze Geschichte; von den versehentlich zerstörten Impfdosen und davon, dass sie im Anschluss leere Ampullen mit Kochsalzlösung aufgefüllt hat, um ihren Fehler so zu vertuschen.
„Baby, das musst du Iris sagen!“ Murat starrt seine Frau fassungslos an.
„ Aber dann wird sie mich rausschmeißen“, jammert Lisa. „Die Sache mit der gefälschten Krankmeldung für Paul damals… Und jetzt das… Das wird sie mir doch niemals durchgehen lassen. Und deshalb hab ich das doch auch überhaupt erst gemacht, mit der Kochsalzlösung. Damit sie nicht schon wieder einen Grund hat, um mich…“
„Das mit den kaputten Impfampullen war ein Unfall“, fällt Murat ihr ins Wort. „Das hätte Andrea oder Iris genauso passieren können. Aber dass du das dann durch Kochsalzlösung ersetzt hast, war kein Unfall. Du hättest direkt die Wahrheit sagen müssen!“
„Ich weiß ja! Aber… ich war so durcheinander. Und dann hab ich Panik bekommen… Ich dachte, das merkt keiner. Ach Mensch, warum passen denn die Leute nicht besser auf? Sollen die doch zuhause bleiben. Und wenn sie weg gehen, Abstand halten und sich vernünftig die Hände desinfizieren…“
Murat starrt Lisa fassungslos an. „Du willst jetzt allen ernstes den betroffenen Patienten die Schuld geben, dass sie sich mit Corona infiziert haben?“
„Nein, natürlich nicht…“
„Du musst zu Iris gehen und ihr alles sagen“, fordert Murat sie auf. „Es wird doch jetzt sowieso alles rauskommen, du machst es nur noch schlimmer, wenn du nichts sagst. Am besten gehst du gleich zu ihr und machst reinen Tisch. Sie wird dir schon nicht den Kopf abreißen.“
„Da wäre ich mir diesmal nicht so sicher“, murmelt Lisa. Aber natürlich ist ihr klar, dass Murat recht hat und so macht sie sich zähneknirschend auf den Weg zu Iris und Alex und legt ihr Geständnis ab.
„Das glaub ich jetzt nicht“, stößt Iris am Ende von Lisas Beichte ungläubig hervor.
„Das ist mal wieder so typisch“, lacht Alex laut auf. „Du bist und bleibst einfach unverbesserlich. Du bist echt die unangefochtene Königin des Scheißebauens.“
Lisa wirft ihm einen bösen Blick zu, schluckt aber in Anbetracht ihrer misslichen Situation eine entsprechende Bemerkung runter.
„Okay, ich werde jetzt die Neuner anrufen und dann wirst du ihr das alles auch nochmal so erzählen“, beschließt Iris und Lisa nickt schuldbewusst. „Ich weiß nicht, wie das danach weitergeht“, sagt Iris weiter. „Ich habe keine Ahnung welche rechtlichen Konsequenzen das für dich haben wird, aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass du eine Anzeige bekommst.“
Lisa schluckt, sagt aber nichts.
„Was das für unser Arbeitsverhältnis bedeutet, ist dir klar, oder?“ fragt Iris. „Das war es mit uns. Endgültig.“
„Das kannst du nicht machen!“ schreit Lisa mit Tränen in den Augen. „Die Shisha-Bar läuft miserabel, wovon sollen wir denn leben, wenn du mich rausschmeißt?“
„Das ist nicht mein Problem, Lisa“, sagt Iris. „Es ist ja weitaus nicht der erste Bock, den du schießt. Es tut mir leid, Lisa, aber bei aller Freundschaft kann ich jemanden, der mich immer wieder so hintergeht und mich dann auch noch in solche Schwierigkeiten bringt, nicht weiter in meiner Praxis beschäftigen…“

CLIFFHANGER auf: Lisa Dagdelen

Mitwirkende Personen
Tanja Schildknecht
Simon Schildknecht
Nina Zöllig
Klaus Beimer
Urszula Winicki-Brenner
Georg `Käthe´ Eschweiler
Nils Wendland
Kerstin Wendland
Annalena Wendland
Lovis Wendland
Maite Wendland
Merle Wendland
Hermann Benodakt
Alex Behrend
Dr. Iris Brooks
Murat Dagdelen
Lisa Dagdelen
Andrea Neumann
Christa Zöllig
Jürgen Zöllig
Renate Neuner

© ‚popo wolfson‘ 2022

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: So 16. Jan 2022, 08:17 


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BeitragVerfasst: So 16. Jan 2022, 09:31 
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Registriert: Mi 15. Sep 2010, 12:37
Beiträge: 10008
Whoa, das ist eine Menge Drama für eine Folge. Diesmal hat es Lisa aber richtig übel erwischt...


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