Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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BeitragVerfasst: So 26. Dez 2021, 13:32 
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Folge 1804: Have yourself a merry little Christmas

Spieltag: Freitag, 24.12.2021 (Heilig Abend)

Helga ist bereits am frühen Morgen auf den Beinen. Grund dafür ist, dass heute die Kinder und Enkelkinder zum Abendessen und zur Bescherung kommen – und zwar sowohl ihre, wie auch die der Zenkers. Und sie alleine hat sich für das Weihnachtsmenü verantwortlich erklärt und hat mit der Zubereitung nun noch einiges vor sich. Daher hat sie die Küche der Alten-WG für den heutigen Tag zu ihrem alleinigen Hoheitsgebiet erklärt und für die anderen bereits vorsorglich den Frühstückstisch im Wohnzimmer gedeckt, damit bloß niemand auf die Idee kommt, sie zu stören. Für Andy und Gabi ist das eine Selbstverständlichkeit, schließlich kennen sie die Marotten ihrer Mitbewohnerin nur zu gut. Auch Bruno weiß Helga gut genug einzuschätzen, um nicht zu stören. Und Popo möchte ohnehin nur ihre Ruhe haben und ausschlafen. Helga muss also nicht befürchten, dass jemand sie unnötig ablenkt. Glaubt sie. Denn sie hat ihre Rechnung ohne Lola gemacht. Kaum hat Helga ihr Werk begonnen, da platzt Andys Mutter auch schon in die Küche und legt los.
„Helga, meine Liebe“, begrüßt Lola sie. „Was zaubern wir denn heute feines?“
„Nicht wir, sondern ich“, erklärt Helga freundlich lächelnd und betet ihre Menüplanung für den Abend herunter.
„Das hört sich wunderbar an“, freut sich Lola. „Dann werde ich jetzt die Kartoffeln schälen und anschließend den Teig zubereiten. Das ist nämlich meine Spezialität, musst du wissen. Und Andreas könnte eigentlich gut das Gemüse putzen, der Jungspund muss nicht den ganzen Tag faul rumlungern wie ein alter Mann! ANDREEEEAAAAS!“
„Oh nein, nein, bitte“, funkt Helga hektisch dazwischen. „Andy bringt hier nur Chaos und Unfrieden in die Küche. Das kann ich jetzt gar nicht gebrauchen. Und deine Hilfe… Also… also eigentlich wollte ich alleine…“
„Ach, so ein Unsinn“, krakeelt Lola. „Das ist viel zu viel Arbeit für einen alleine. Da bist du ja schon vor der Bescherung platt wie eine Flunder. Gabriele könnte ja auch mit anpacken. GABRIEEEELEEEE!“
„Nein, ich mach das immer alleine!“ erklärt Helga schnell.
„Dann wird es Zeit, dass sich das ändert“, beharrt Lola und schnappt sich den Kartoffelschäler. Und binnen Minuten ist Helgas weihnachtliche Stimmung verflogen und sie ist nur noch genervt…
Später, als es bereits zu dämmern beginnt und dass Essen fast fertig ist, beäugt Lola kritisch den Weihnachtsbaum, den Andy und Gabi während der Koch-Aktivitäten der beiden Frauen aufgestellt und geschmückt haben.
„Immer diese elektrischen Lichterketten“, kritisiert Lola. „Echte Kerzen wären doch viel schöner.“
„Und viel gefährlicher“, brummt Andy.
„Weißt du noch, Andreas, früher hatten wir immer echte Kerzen“, erinnert Lola sich wehmütig.
„Und jedes Jahr hatten wir fast einen Zimmerbrand“, bemerkt Andy.
„Ach, du übertreibst, Andreas!“ winkt Lola.
„Letztes Jahr an Weihnachten hatten wir Gäste“, berichtet Gabi. „Und eine von denen hat an einer Kerz’ Feuer g’fangen. Des war schrecklich!“
„Ihr Schal hat Feuer gefangen“, spielt Helga die Sache runter.
„Trotzdem ist offenes Feuer in der Wohnung g’fährlich“, mahnt Gabi. „So ist’s schon besser.“
Lola beklagt sich dennoch weiterhin lautstark über die Elektro-Lichterkette und auch darüber, dass sie und Helga in der Küche so verschiedene Ansichten und Vorgehensweisen haben – und geht Helga damit zunehmend auf die Nerven. Andy freut sich derweil, dass selbst Helga mittlerweile einsieht, dass seine Mutter keinesfalls so pflegeleicht ist, wie sie angenommen hat.
Am Abend füllt sich die Wohnung. Zunächst treffen Valerie, Iffi, Roland und Antonia ein. Kurz darauf tauchen Lea und Konstantin auf, dann kommt Nico mit Angelina.
„Des ist hier schon wieder fast soll voll, wie im letzten Jahr“, beklagt sich Gabi besorgt. „So viele Leut unter einem Dach… Und des bei der Omikron-Variante…“
„Wir haben hier keine Omikron-Variante“, winkt Helga schnell ab, doch Gabi fühlt sich mal wieder unwohl.
Schließlich kommen Klaus und Nina mit Mila und Ida.
Plötzlich steht auch noch Anna auf der Matte.
„Wer hat die denn eingeladen?“ fragt Helga mit empörter Stimme – und das so laut, dass auch Anna selbst es mitbekommt.
„Keine Sorge, Helga,“ erwidert Anna schnippisch. „Ich wollte Gabi nur kurz ein kleines Geschenk bringen.“
Sie überreicht ihrer Cousine ein Päckchen und erzählt ihr: „Ich freu mich so. Söphchen ist heute doch noch gekommen. Ihr Lehrgang wurde wegen den Corona-Zahlen abgesagt und nun bleibt sie bis zum 2. Januar hier.“
„Des ist ja schön“, freut Gabi sich.
„Ich glaube nicht, dass sie in erster Linie meinetwegen hier ist“, flüstert Anna verschwörerisch. „Sie hat sich letzten schon ein paar Mal mit einem ehemaligen Klassenkameraden getroffen, einem gewissen Ole. Und morgen wollen sie sich auch wieder treffen. Ich hab das Gefühl, dass da was im Busch ist…“
Anna lässt Gabi wissen, dass sie die Hoffnung hat, dass Sophie vielleicht wieder ganz nach Deutschland und nach München zurückkommen könnte, wenn sie hier einen Freund hat.
Etwas später sitzen alle bei Tisch und Gabi kippt unauffällig ein Fenster, damit die Aerosole besser entweichen können.
„Das ist aber sehr zugig gier“, plärrt Lola kurz darauf.
„Wer reißt denn hier mitten im Winter das Fenster auf?“ empört sich auch Helga und schließt es wieder – und Gabi überlegt ernsthaft, ob sie sich lieber einen Mund-Nasen-Schutz holen sollte…
„Letztes Jahr waren Sie doch mit dieser Frau hier“, wendet Helga sich plötzlich an Angelina. „Mit der Schwester von dem Herrn Lohmaier.“
„Das war nicht die Schwester vom Lohmaier, sondern eine miese Betrügerin“, erwidert Angelina schnippisch.
„Eine Betrügerin?“ fragt Lola interessiert.
„Ja, und stell dir vor“, erzählt Helga eifrig. „Die junge Frau Dressler hier ist nach Strich und Faden auf sie reingefallen – und das, obwohl sie doch sonst immer so raffiniert ist.“
Angelina verzieht angesäuert den Mund und dreht sich weg – warum hat sie sich von Nico nur zu diesem Mist überreden lassen?

Lisa tut an diesem Morgen sehr geheimnisvoll. Als Andrea im Bad ist, nimmt sie sich Murat zur Seite und flüstert: „Deniz und ich sind gleich mit Paul verabredet. Wir erledigen noch ein paar Einkäufe und besorgen einen Tannenbaum.“
„Tannenbaum?“ fragt Murat ungläubig. „Seit wann willst du denn einen Tannenbaum? Du sagst doch immer, dass du kein Weihnachten feiern willst, weil wir Moslems sind.“
„Wir machen das für Andrea“, zischt Lisa verschwörerisch. „Die hat genug Scheiße durch dieses Jahr. Erst die Sache mit diesem Jacob. Und jetzt ist sie auch noch obdachlos an Weihnachten…“
„Aber du hast auch viel Scheiße durch, dieses Jahr“, erinnert Murat sie. „Das mit deiner Mutter und so…“
„Es geht jetzt aber mal nicht um mich“, beharrt Lisa. „Andrea ist unser Gast und wir machen ihr ein schönes christliches Weihnachtsfest. Ich hab immerhin euch, die arme Andrea steht mit allem alleine da…“
Murat kann es kaum fassen. „Baby, ich weiß gar nicht… was ich sagen soll.“
„Du musst auch nichts sagen“, erklärt Lisa. „Du musst nur Andrea ablenken.“
„Ab… lenken?“ Murat ist verwirrt. Und plötzlich sitzt ihm der Schreck der Vorwoche wieder in den Knochen, als Lisa plötzlich vor der Badezimmertür stand und er ihr weisgemacht hat, er habe Durchfall und es würde noch länger dauern, damit Lisa zurück ins Bett gehen würde und er Andrea unbemerkt aus dem Bad schleusen konnte…
„Ja, sie soll ja nicht mitbekommen, wenn wir hier den Baum aufstellen und schmücken“, sagt Lisa. „Das soll eine Überraschung sein.“
„Aber was soll ich denn machen?“ fragt Murat perplex.
„Lass dir was einfallen“, faucht Lisa genervt. „Geh mit ihr spazieren oder so!“
„Spa… zieren?“
„Herrgott nochmal, du wirst sie ja wohl irgendwie für zwei, drei Stunden aus der Wohnung losten können“, keift Lisa genervt.
Nachdem sich Lisa schließlich mit Deniz auf den Weg gemacht hat, ist Murat mit der Situation erstmal gründlich überfordert. Er hat keine Idee, mit welcher Argumentation er Andrea aus der Wohnung locken sollte, ohne dass er gleich in gewisser Weise verfänglich wirken könnte. Überhaupt weiß er nicht mehr, wie er sich verhalten soll. Seit Tagen leben er und Andrea unter einem Dach und seit Tagen sind sie einem permanenten Spießrutenlauf ausgesetzt.
Irgendwann überwindet Murat sich schließlich, zu Andrea in Pauls ehemaliges Zimmer zu gehen und fragt zögerlich: „Hast du vielleicht Lust, mit mir eine Runde über den Weihnachtsmarkt zu gehen?“
Andrea starrt Murat fassungslos an. „Bist du sicher, dass das wine gute Idee ist?“ fragt sie.
„Ich, ja… äh… nee… also...ich“, stammelt Murat.
„Murat, wir dürfen das nicht! Das wäre letzte Woche beinahe schief gegangen und wir… wir dürfen das einfach nicht!“
„Ich… äh… ja“, sagt der überforderte Murat und verlässt Andreas Zimmer. Diese befürchtet nun, dass sie Murat vor den Kopf gestoßen hat und folgt ihm kurz darauf. Murat ist inzwischen in seinem Schlafzimmer und überlegt fieberhaft, wie er Lisas Forderung gerecht werden könnte…
„Bist du jetzt… sauer?“ fragt Andrea, die plötzlich in der Zimmertür steht.
„Sauer? Ich? Auf dich? Niemals!“
Die beiden stehen sich zaghaft gegenüber – und dann geht plötzlich alles ganz schnell: Eine flüchtige Berührung ufert darin aus, dass die beiden sich leidenschaftlich küssen, sich die Kleidung vom Leib reißen – und schließlich im Ehebett der Dagdelens landen und miteinander schlafen. Sie vergessen vollkommen die Welt um sich herum, vertreiben jegliche Gewissensbisse aus ihren Gedanken und geben sich einfach nur einander hin – völlig vom anderen fasziniert.
Nach einem langen, leidenschaftlichen Geschlechtsakt liegen die beiden nackt und immer noch eng umschlungen im Bett und schweigen einfach nur, als die Stille plötzlich durch das Zuschlagen der Wohnungstür und die lauten Stimmen von Lisa, Paul und Deniz durchschnitten wird. Entsetzt fahren Murat und Andrea hoch und beginnen hektisch, ihre Klamotten vom Boden aufzuklauben und sich anzuziehen.
„Murat? Andrea?“ hallt Lisas Stimme durch die Wohnung.
Murat bricht der Schweiß aus und Andrea presst sich die Hand vor den Mund.
Im nächsten Moment sind laute Geräusche aus dem Wohnzimmer zu hören. Nachdem sie fertig angezogen ist, gelingt es Andrea, sich unauffällig in ihr Gästezimmer zu stehlen.
Lisa, Paul und Deniz verwandeln das Wohnzimmer der Dagdelens schließlich in ein wahres Weihnachtszimmer. Murat begibt sich irgendwann verlegen und voller Scham hinzu und behauptet, dass Andrea noch schnell was einkaufen wollte, ehe alle Geschäfte zu sind.
Als Andrea sich auch irgendwann aus dem Gästezimmer traut und mitkriegt, was Lisa mit den Kindern für sie getan hat, ist sie zutiefst gerührt – und schämt sich umso mehr für das, was geschehen ist.
Beim späteren Abendessen, bei dem neben Paul nun auch noch Mika anwesend ist und bei dem sich Murat und Andrea immer wieder verstohlene Blicke zuwerfen, erzählt Lisa plötzlich, dass sie eine Weihnachtskarte von ihrer Mutter bekommen hat und das diese, mit etwas Verzögerung, Anfang Januar nun endlich aus der Reha entlassen wird.
„Ich sag euch, wenn die hier wagt aufzukreuzen, dann wird die mich richtig kennenlernen“, zischt Lisa.
Als Lisa bei der späteren Bescherung auch noch ein paar Weihnachtsgeschenke für Andrea bereit hält, ist diese endgültig zutiefst beschämt und wirft Murat einen Blick zu, der ihm eindeutig sagt, dass das, was heute Mittag passiert ist, nie wieder geschehen darf…

Tanja ist am heutigen Morgen in einer Mission unterwegs: Sie möchte Urszula und ihren Adoptivsohn Artjom in ihrer Sozialwohnung besuchen und ihnen ein paar Kleinigkeiten als Weihnachtsüberraschung vorbei bringen.
Als Tanja sich auf den Weg machen will, verlässt Sunny gerade das Bad – und scheint erneut Schmerzen zu haben.
„Geht’s dir schon wieder nicht gut?“ fragt Tanja besorgt. „Du hättest echt schon längst damit zu Iris gehen sollen.“
„Geht schon“, flüstert Sunny gequält – doch Tanja bleibt skeptisch, als sie sich auf den Weg macht. Sunny wartet einen Augenblick ab, ob Tanja nicht eventuell nochmal zurück kommt, denn sie weiß, dass ihre Partnerin die Tendenz hat, ständig etwas zu vergessen, dann wählt sie die Nummer von Dr. Manfred Pauli, entschuldigt sich für die Störung an Weihnachten und schildert ihm den Sachverhalt ihres Problems. Sunny äußert die Befürchtung, dass ihre Schmerzen eventuell doch von der Leber kommen könnten, doch Pauli versichert ihr, dass die Leberwerte bei der letzten Untersuchung vollkommen unauffällig waren.
„Nach den Feiertagen kommen Sie am besten nochmal zu mir“, schlägt Pauli fort. „Dann können wir Ihre Hormondosis vielleicht nochmal anpassen.“
„Anpassen?“ fragt Sunny besorgt. „Würde das… den Prozess verzögern?“
„Nein, keine Sorge“, verspricht Pauli. „Das würde nur bedeuten, dass Sie ein anderes Präparat bekommen, das weniger unangenehme Begleiterscheinungen mit sich bringt. Allerdings wäre das auch ein wenig teurer…“
„Das wäre es mir wer“, sagt Sunny und wünscht Dr. Pauli schöne Feieretage.
Tanja ist in der Zwischenzeit bei der Adresse angelangt, die Urszula ihr gegeben hat. Das Haus, ein trister und unpersönlicher Mietblock, sieht schon von außen alles andere als einladend aus. Als sie den Hausflur betritt, ist sie allerdings schockiert: Diverse Essensgerüche mischen sich mit dem Gestank von Fäkalien. Im Treppenhaus stehen nicht nur Fahrräder, Kinderwagen und Schuhe, sondern auch massenweise Müllsäcke, die teils nicht richtig verknotet sind und noch zusätzlichen Gestank verbreiten. Der Aufzug funktioniert nicht und Tanja nimmt die Treppe. Aus einer Wohnung im ersten Stock dröhnt eine laute Männerstimme: „Ich lass mir von dir nicht mein Kind vorenthalten, du Bitch!“
Aus einer anderen Wohnung ist ein lauter Fernseher zu hören, in der nächsten ist ein lautstarker Streit zwischen einem Mann und einer Frau in einer orientalisch klingenden Sprache zu hören.
Eine junge Frau von maximal 20 Jahren steht, nur in BH und Höschen bekleidet im Treppenhaus und raucht.
„Willste ´n Passbild, Alte?“ schnauzt sie Tanja an, als diese sie angewidert betrachtet.
„Mein Gott, das ist ja schrecklich hier“, sagt Tanja, als Urszula ihr die Wohnungstür öffnet.
Die Wohnung selbst ist allerdings auch nicht besser, als der Rest des Hauses, wie Tanja sehr schnell feststellen muss: Eine winzige Bruchbude, in der es an allen Ecken und Enden zieht. Während Tanja noch im Flur steht und Urszula ihre Mitbringsel überreicht, kommt ein blasser Teenager aus einem Zimmer.
„Das ist Artjom“, stellt Urszula Tanja ihren Adoptivsohn vor.
„Mutter, ich kann hier nicht lernen“, sagt Artjom, ohne Tanja zu beachten. „Die Wände sind dünn wie Papier. Und die Jugoslawen von nebenan haben wieder Sex. Ich bekomme das alles mit!“
„Du musst jetzt nicht lernen“, erwidert Urszula verlegen, „es ist Weihnachten.“
„Ich bezweifle, dass das hier nach Weihnachten besser wird“, sagt Artjom. „Ich möchte zurück in unser Haus!“
Urszula holt tief Luft und erklärt: „Artjom, das ist nicht mehr unser Haus! Wir müssen uns wohl oder übel mit dieser Situation arrangieren!“
„Dann möchte ich zu Vater ziehen!“ fordert Artjom.
„Christians Wohnung ist auch nicht größer als unsere“, erwidert Urszula. „Außerdem ist er momentan erstmal voll und ganz damit ausgelastet, sein eigenes Leben in den Griff zu bekommen und nicht wieder in die Spielsucht abzudriften!“
Der Junge sieht seine Mutter feindselig an und verschwindet dann Türe knallend in seinem winzigen Zimmer. Urszula führt Tanja in eine winzige Küche und kocht Kaffee für die beiden. Eine Weile sitzen sie schweigend beieinander. Irgendwann beginnen sie einen belanglosen Small Talk. Dann überwindet Tanja sich schließlich und sagt: „Das ist doch hier echt eine Zumutung. Für euch beide! Wollt ihr nicht mit zu uns kommen? Wenigstens über die Feiertage?“
Urszula blickt Tanja aus großen Augen an. „Aber ihr habt doch selbst nicht viel Platz“, entgegnet die Polin.
„Dann rücken wir halt etwas zusammen. Besser als hier ist es allemal.“
„Aber das kann ich doch nicht annehmen“, wendet Urszula ein. „Was soll denn deine Partnerin dazu sagen?“
„Sunny hat bestimmt nichts dagegen!“
Während Tanja weiterhin Überzeugungsarbeit zu leisten versucht, sitzt in der Schildknecht-Zöllig-Wohnung in der Lindenstraße Simon vor dem Fernseher, während die schmerzgeplagte Sunny sich in der Küche eine Wärmflasche bereitet und eine weitere Paracetamol einwirft. Da klingelt es an der Wohnungstür. Mühselig schleppt Sunny sich zum Öffnen in den Wohnungsflur und erlebt eine große Überraschung: Draußen steht – völlig unverhofft – ihre Mutter Christa.
„Was machst du denn hier?“ fragt Sunny ungläubig.
Christa betritt zögerlich die Wohnung und erklärt: „Ich wollte dieses Weihnachten mit meinen… Töchtern in München verbringen.“
„Ist Papa auch hier?“ fragt Sunny.
Christa schüttelt den Kopf. „Jürgen und ich hatten Streit. Es… es ist wieder das leidige Thema, dass er… deine… Lebensentscheidung nicht akzeptieren will. Aber ich… du hast so ein schlimmes Jahr hinter dir. Und ich möchte dich dieses Weihnachten nicht alleine lassen.“
Sunny ist sichtlich gerührt.
„Was sagt Papa denn dazu, dass du einfach alleine nach München bist?“ fragt sie.
„Er wird’s überleben“, meint Christa schulterzuckend.
Nach ein paar belanglosen Gesprächsthemen fragt Sunny ihre Mutter plötzlich: „Hast du eigentlich nochmal was von Anja gehört?“
Christa zögert. Dann antwortet sie: „Sie hat letzten Monat ihr Baby bekommen. Es ist ein Mädchen.“
„Schön“, flüstert Sunny bitter.
Christa zuckt die Schultern. Dann atmet sie tief ein und sagt: „Sie hat sie Yannicke genannt.“
Sunny starrt ihre Mutter ungläubig an und flüstert: „Oh mein Gott.“
„Sie kommt wohl auch überhaupt nicht klar, mit dem, was passiert ist… „erwidert Christa.
Simon steckt seinen Kopf zur Tür rein, murmelt ein kurzes „Hallo“ und verschwindet wieder.
„Anja war auch keine perfekte Mutter“, sagt Christa. „Für sie stand immer die Karriere an erster Stelle. Dass sie dir und dem Jungen die Schuld an Yannikas Tod gibt, ist nicht richtig.Sie hat selbst genug Fehler gemacht. Das mit den Drogen, das hat doch schon in Berlin angefangen.“
„Anja wird das bis ans Ende ihrer Tage anders sehen“, vermutet Sunny. „Sie hat sich immer als perfekte Mutter gesehen.“
„Keine Mutter ist perfekt“, sagt Christa.
„Du schon“, findet Sunny. „Du warst immer für uns da. Du hast ALLES für uns getan. Und du hast immer alles richtig gemacht. Eine bessere Mutter als dich kann man sich nicht wünschen.“
Christa schluckt gerührt. „Ich… ich habe ständig Angst um euch“, gesteht sie.
„Um uns?“ fragt Sunny verblüfft.
„Nicht um Peter und Mirko“, erklärt Christa. „Jedenfalls nicht mehr, als jede andere Mutter. Aber um Nina und dich. Du bist… versteh das nicht falsch, du bist gut so, wie du bist und ich will doch nur, dass du glücklich bist und dass es dir gut geht. Aber es gibt so viele Menschen, die Probleme damit haben, jemanden zu akzeptieren, der nicht… der nicht in ihr Weltbild passt.“
„Leute wie Papa?“ fragt Sunny.
„Papa ist altmodisch“, erwidert Christa. „Aber ich meine Menschen, die wirklich gefährlich sind. Faschisten zum Beispiel. Menschen, die zum allem bereit sind, nur damit nichts und niemand ihr kleinkariertes Weltbild stört. Und dann Nina, die als Polizistin Verbrecher jagt. Und die sich damit jeden Tag in Gefahr bringt. Ich lebe wirklich in ständiger Angst um meine Töchter.“
Sunny ist fassungslos. Zum einen, weil ihr nie bewusst war, dass ihre Mutter sich solche Sorgen um sie macht. Zum anderen jedoch, weil Christa sie so selbstverständlich als ihre Tochter bezeichnet hat. Eine größeres Weihnachtsgeschenk und einen größeren Liebesbeweis hätte sie sich von ihrer Mutter gar nicht wünschen können…
In diesem Moment entsteht im Flur ein riesiger Tumult und Tanja erscheint mit Urszula und Artjom im Gefolge in der Wohnung. Die Überraschung, dass auch Sunnys Mutter zu Gast ist, ist ziemlich groß und schnell wird klar, dass die Wohnung somit nun wirklich heillos überfüllt ist.
„Das tut mir leid, dass ich hier jetzt solche Umstände mache mit meinem Überraschungsbesuch“, entschuldigt sich Christa.
„Nein, mir tut es leid“, sagt Urszula. „Am besten gehen Artjom und ich wieder nach Hause.“
Doch Tanja hat eine andere Idee. Und als ihr ein Blick auf die Uhr verrät, dass es auch in Kalifornien inzwischen Morgen ist, holt sie ihren Laptop und startet einen Video-Chat mit Beate und Carsten - und mit ´Käthe´, der über seine Weihnachtsferien inzwischen auch nach San Francisco gereist ist. Beate und Urszula haben sich nach langjähriger Funkstille einiges zu erzählen. Alte Defizite lösen sichg in Luft auf und die beiden kommen zu dem Schluss, sich in nicht allzu ferner Zukunft mal wieder persönlich sehen zu müssen. Und am Ende zeigen sich Carsten und ´Käthe` damit einverstanden, dass Urszula und Artjom während Käthes Abwesenheit erstmal in deren Wohnung unterkommen können – der Hauptgrund dafür, dass Tanja den Chat gestartet hat.
Den Heilgen Abend wollen sie aber nun alle gemeinsam in der Schildknecht-Zöllig- Wohnung verbringen. Die Stimmung ist gut und wird nun nahezu weihnachtlich. Selbst Sunny, die ja bis vor ein paar Stunden noch Schmerzen hatte, fühlt sich nun etwas besser. Der einzige, dessen Laune sich auf einem Tiefpunkt befindet, ist Artjom. Tanjas Vorschlag, mit Simon fernzusehen oder Computer zu spielen, lehnt er ab – Computerspiele seien nichts für ihn…
„Darf ich kurz zum Weihnachtsmarkt runter?“ fragt Artjom Urszula.
„Die schließen aber gleich“, erklärt Tanja mit erneutem Blick auf die Uhr. „Und heute ist der letzte Tag.“
„Nur kurz“, meint Artjom und macht sich zum Aufbruch bereit.
„Soll Simon mitgehen?“ ruft Tanja ihm nach.
„Nein, danke!“ erwidert Artjom und ist schon verschwunden.
Während in der Wohnung die Vorbereitungen für den gemeinsamen Abend beginnen und man sich überlegt, wie man aus diversen Resten das Abendessen so erweitern kann, dass es für alle reicht, schlendert Artjom missmutig über den Weihnachtsmarkt. Doch zu sehen gibt es nichts mehr, denn die meisten Stände haben heute bereits früher geschlossen und auch die restlichen machen sich gerade für den Feierabend bereit. Artjom bummelt ziellos die Straße entlang und beobachtet irritiert, wie hinter einem der etwas abseits stehenden Stände ein blondgelockter Weihnachtsengel und ein Weihnachtsmann miteinander rummachen. Irritiert und fasziniert zugleich bleibt der Teenager stehen – bis der Engel ihn bemerkt und den Weihnachtsmann auf den Spanner aufmerksam macht.
„Ey, willste mitmachen, oder was?“ schnauzt Weihnachtsmann Ludde Artjom im aggressiven Tonfall an und der Junge ergreift die Flucht.
„Artjom ist ein wenig schwierig“, erzählt Urszula Tanja, während die beiden den Tisch decken. „Er hat kaum Freunde und interessiert sich überhaupt nicht für die Dinge, für die sich andere Gleichaltrige interessieren. Eigentlich interessiert er sich nur für Musik. Für klassische Musik. Aber seine Cello-Stunden können wir uns nun nicht mehr leisten. Jetzt hat er gar keine Hobbys mehr.“
„Die Situation ist bestimmt nicht leicht für ihn“, vermutet Tanja.
Als alle gemeinsam später bei fröhlicher, weihnachtlicher Stimmung bei Tisch sitzen, beobachtet Tanja, wie Artjom bedrückt auf seinen Teller starrt. Sie versucht Simon zu animieren, sich ein wenig mit ihm zu befassen, doch Artjom scheint daran gar kein Interesse zu haben und blockt Simons Versuche, mit ihm ins Gespräch zu kommen, ab…

Statt mit einem Cliffhanger endet diese Folge damit, wie man nochmal vorbeischwebend einen Blick in alle Wohnungen des Hauses Nr. 3 wirft:
Urszula und Artjom betreten zu später Stunde die Wohnung von Carsten und ´Käthe´. Urszula wirkt zufrieden, während Artjom sich missmutig umsieht. In der Wohnung gegenüber knallen sich Lea und Konstantin vor den Fernseher, nachdem sie die Feier in der Alten-WG verlassen haben.
Ein Stockwerk tiefer bescheren sich Alex und Iris gerade gegenseitig. Eine Wohnung weiter sitzen Murat, Lisa, Paul, Mika und Andrea noch gemütlich zusammen, während Deniz sich fürs Bett fertig macht. Die heimlichen Blicke, die Murat und Andrea sich zuwerfen, sprechen immer noch Bände.
Ein weiteres Stockwert tiefer bringt Nina gerade Ida ins Bett, während Klaus und Mila im Bad vor dem Spiegel stehen und sich die Zähne putzen. In der gegenüberliegenden Wohnung sitzen Anna, Sarah und Sophie bei einem Glas Wein beieinander, während Emil auf dem Sofa und Martin auf dem Wohnzimmerboden eingeschlafen sind.
Noch ein Stockwerk tiefer sitzen in der Alten-WG Helga, Lola, Andy, Gabi, Bruno, Popo, Roland, Iffi und Valerie bei einer wilden Spielerunde, während Antonia vor dem Fernseher hockt und finster vor sich hinstarrt…
In der gegenüberliegen Wohnung sitzen Sunny und Christa noch gemeinsam im Wohnzimmer, während Tanja und Simon sich bereits ins Bett begeben.
Im Erdgeschoss schaut Mandy leise in das Zimmer ihrer schlafenden Kinder Jeremy und Phoebe, dann öffnet sie schnell David die Wohnungstür und verschwindet mit ihm in ihrem Schlafzimmer.
In der anderen Erdgeschosswohnung gegenüber verschwinden Marcella und Sebastian gerade glucksend und quietschend unter Marcellas Bettdecke…
Man verlässt das Haus und gleitet durch die nächtliche Lindenstraße, wo Angelina und Nico gerade auf dem Heimweg vom Haus Nr. 3 in Richtung Kastanienstraße sind. Weihnachtsmann Ludde steht mit seinem blondgelockten Engel vom Weihnachtsmarkt knutschend neben einem der Stände des Marktes und steuert schließlich mit ihr die Villa an, wo die beiden im Eingang verschwindet…

Frohe Weihnachten!!!

Mitwirkende Personen
Helga Beimer
Klaus Beimer
Mila Beimer
Ida Zöllig
Nina Zöllig
Sunny Zöllig
Tanja Schildknecht
Simon Schildknecht
Urszula Winicki-Brenner
Artjom Brenner
Georg ´Käthe´Eschweiler
Dr. Carsten Flöter
Beate Flöter
Murat Dagdelen
Lisa Dagdelen
Paul Dagdelen
Deniz Dagdelen
Mika Arlen
Andrea Neumann
Bruno Skabowski
Gabi Zenker
Andy Zenker
Lola Zenker
Valerie Zenker
Iffi Zenker
Nico Zenker
Antonia Zenker
Angelina Dressler
Popo Wolfson
Roland Landmann
Konstantin Landmann
Lea Starck
David Krämer
Mandy Peschke
Jeremy Peschke
Phoebe Peschke
Ludde Mayer
Anna Ziegler
Sarah Ziegler
Sophie Ziegler
Martin Ziegler
Emil Ziegler
Marcella Varese
Dr. Sebastian Ritter
Alex Behrend
Dr. Iris Brooks
Dr. Manfred Pauli
Christa Zöllig

© popo wolfson 2021

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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Verfasst: So 26. Dez 2021, 13:32 


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BeitragVerfasst: Sa 1. Jan 2022, 16:18 
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Registriert: Mi 29. Sep 2010, 00:11
Beiträge: 11591
Schöne Weihnachtsfolge mit dem Blick in die einzelnen Türchen zum Schluss.
Ach, ich mag es, wie es zwischen Murat und Andrea funkt...und dann auch noch im Schlafzimmer von Murat und Lisa....das gibt Ärger....irgendwann....

Artjom scheint ein sehr eigenartiger Typ zu sein. Erinnert mich an Celin. Er dürfte ja noch nicht so alt sein, aber er spricht von den "Jugoslawen".... Hm, ich bin gespannt, wie wir Artjom noch erleben werden. Für Ursula in ihrer perfekten Spießerwelt ist er wahrscheinlich eine Bereicherung, wie auch die akute Situation, in der sie sich nun befinden.

Wer war nur der gelockte Weihnachtsengel?

Danke für die schöne Folge, liebe Popo. Juhuu, und morgen geht es weiter.


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