Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1804 - Antihelden
BeitragVerfasst: Sa 16. Okt 2021, 23:04 
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Folge 1804: Antihelden

Spieltag: Donnerstag, 14.10.2021


Romy hat Paul nichts davon erzählt, dass Mika sich in der vergangenen Woche während seiner Abwesenheit an sie rangemacht hat. Und Mika ist sehr froh darüber, denn auf derartigen Stress hat er überhaupt keinen Bock. Dennoch behandelt Romy ihn seither eher abweisend und auch das gefällt Mika nicht, denn schließlich müssen die beiden ja zusammen wohnen und da ist ein solches Klima auf Dauer auch nicht angenehm. Zudem wird auch Paul allmählich skeptisch in Anbetracht der frostigen Stimmung zwischen den beiden und fragt beim Frühstück, ob es Streit gab, was beide jedoch verneinen. Paul hat aber auch keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn kurz nach dem Frühstück klingelt ein Paketdienst und liefert den riesigen, neuen Fernseher, den Mika in der letzten Woche im Internet bestellt hat.
„Was ist das denn?“ fragt Paul fassungslos.
„Cool, oder?!“ befindet Mika. „Damit wir endlich mal glotzen können, als ob wir live dabei wären. Passende Wandhalterung hab ich auch bestellt, können wir dann ja später anbringen.“
„Über meinen Account?“ entfährt es Paul empört.
„Klar, ich hab ja keinen“, lacht Mika.
„Bist du bescheuert?“ fährt Paul seinen Freund an. „Von dem Geld, das ich noch auf dem Konto habe, muss ich dringend meine letzten Fahrstunden bezahlen. Das muss bis nächste Woche überwiesen sein, für sowas hier hab ich absolut kein Geld zur Zeit!“
„Ach so…“, sagt Mika kleinlaut. „Vielleicht fragst du mal in der Fahrschule, ob du einen Aufschub kriegst. Oder du fragst im Supermarkt nach einem Vorschuss?“
„Aufschub, Vorschuss, sag´mal, hakt´s bei dir aus, oder was?“ motzt Paul. „Du kannst doch nicht einfach mein Geld verprassen!“
„Tu ich doch gar nicht“, entgegnet Mika empört.
Die Stimmung zwischen den beiden ist augenblicklich angespannt und schaukelt sich im weiteren Verlauf ihrer Diskussion zu einem ausgewachsenen Streit hoch, in dem Paul Mika vorwirft, dass er faul und verantwortungslos sei.
„Jetzt redest du schon wie deine Mutter“, knurrt Mika.
„Ja, manchmal hat sie auch gar nicht so unrecht mit dem, was sie sagt“, erwidert Paul. Daraufhin ist Mika endgültig eingeschnappt. Und während Paul sich dran macht, die Retoure der unerwünschten Bestellung vorzubereiten, macht Mika sich schmollend aus dem Staub.
Paul fasst später, nachdem er seine Finanzen nochmal berechnet hat, den Entschluss, den Fernseher doch zu behalten. Wenn er nun für den Rest des Monats den Gürtel wirklich enger schnallt und sich nichts anderes mehr gönnt, müssten sowohl die Bezahlung des Fernsehers wie auch die seiner Fahrstunden machbar sein.
Mika bekommt von alldem nichts mit. Nachdem er eine Weile durch die Gegend gelaufen ist, kehrt er schließlich ins Marcellas ein und beginnt dort, sich am helllichten Tag zu betrinken.
„Why so sad, sweet boy?“ fragt Kellnerin Popo ihn, als sie ihm irgendwann einen weiteren Kurzen serviert. Popo weiß genau, dass ihre Chefin es nicht gerne gesehen hätte, wenn ein Gast sich in ihrem Café maßlos betrinkt und das auch noch am Nachmittag. Aber Marcella ist heute nicht da und Popo versteht sich blendend mit dem zunehmend angeschickerten Mika. So gut, dass sie ihn nach Feierabend fragt, ob er mit zu ihr nach Hause kommen möchte. Und Mika ist sofort Feuer und Flamme. Auf Paul hat er nach dem Streit gerade überhaupt keinen Bock. Und nun bietet sich ihm die Gelegenheit, bei Popo das zu holen, was er in der Vorwoche bei Romy nicht bekommen hat…
Paul macht sich derweil zunehmend Sorgen um Mika, von dem es den ganzen Tag kein Lebenszeichen mehr gegeben hat. Er fragt Romy erneut, ob zwischen den beiden wirklich alles in Ordnung ist und Romy versichert ihn, mit so viel falscher Glaubhaftigkeit, wie sie nur aufbringen kann, dass es keinen Grund zur Beunruhigung gäbe.
Derweil hat Mika eine heiße Nummer mit Popo hinter sich. Während sie sich nackt neben ihm räkelt, beschließt er, zu mittlerweile doch sehr fortgeschrittenen Stunde, dass er allmählich mal nach Hause zurückkehren sollte.
„Warum du nicht bleibst hier heute Nacht?“ flüstert Popo, als sie bemerkt, dass Mika in seine Klamotten schlüpft.
„Sorry“, antwortet der, „war echt schön, aber ich muss…“
„Wenn du meinst…“, murmelt Popo und dreht sich um.
Mika verlässt ihr Zimmer, schleicht durch den dunklen Wohnungsflur – und trifft dann prompt auf Gabi, die sich gerade aus der Küche eine Flasche Wasser geholt hat und damit zurück in ihr Schlafzimmer will.
„Oh, hi, sorry“, nuschelt er und verlässt die Wohnung. Gabi starrt ihm fassungslos nach. Im nächsten Moment steht sie in Popos Zimmer und fährt sie an: „Des war der Mika. Sag mal, schämst denn du dich net? Des ist der Freund vom Paul! Musst´s den jetzt auch noch verführen.“
„Oh, Gabi, es ist mitten in die Nacht“, stöhnt Popo.
„Des ist mir egal“, zischt Gabi, „sowas kannst nicht machen!“
„What’s your problem?“ fragt Popo genervt.
„Mein Problem ist, dass du dich da gerade in eine Beziehung drängst“, erklärt Gabi wütend. „Und dann auch noch ausgerechnet in die vom Paul! Hast du denn gar nix g´lernt, aus dieser G´schicht mit dem Mr. Hopper?“
„Potter“, murmelt Popo, dreht sich um und steckt den Kopf unters Kissen.
„Darüber reden wir noch, mein Fräulein“, droht Gabi und schließt die Tür.
Und Mika verlebt derweil, nachdem er bei Popo schon `Abwechslung´ bekommen hat, zuhause nochmal Versöhnungssex mit dem ahnungslosen Paul…

Konstantin gibt heute sein Drogen-Präventions-Seminar vor den 7. Klassen und ist alles andere als entspannt. Bereits gestern, als er seinen Vortrag vor dem 6. Jahrgang hielt, hat sich schon nach wenigen Minuten Dr. Brigitte Klöckner hinzu gesellt, ihn mit Argus-Augen beobachtet und am Ende kritisiert, was er ihrer Meinung nach alles hätte anders machen können. Konstantin befürchtet, dass sie heute das gleiche Spiel mit ihm abziehen wird – und er behält Recht! Noch bevor der allgemeine Tumult unter den Schülern so weit abgeflacht ist, dass Konstantin überhaupt richtig loslegen kann, betritt die Klöckner bereits den Medienraum und nimmt in der hinteren Reihe Platz. Die Art und Weise, wie sie ihn sogleich fixiert, macht ihn nervös. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Schüler der 7. Klassen weitaus penetranter und aufmüpfiger sind als die Sechstklässler gestern. Während die halbwegs brav und diszipliniert seinem Vortrag gefolgt sind, treten bei den Siebtklässlern sofort Zwischenrufe und unangemessene Bemerkungen auf. Konstantin graut bereits jetzt vor den 8. Klassen, die ihn morgen noch erwarten. Aber heute muss er nun erstmal durch den sauren Apfel der 7. Jahrgänge – und durch die Anwesenheit der ihn mit Blicken traktierende Eiskönigin. Konstantin muss sich ziemlich schnell eingestehen, dass seine Vorbereitungen größtenteils für die Katz waren und dass, womit er die 6. Klassen noch einigermaßen gewinnen konnte, heute überhaupt nicht mehr fruchtet. Zu allem, was er sagt, kommen von vielen Schülern nur neunmalkluge Bemerkungen und Konstantin wird sich sehr schnell bewusst, dass es vor allem Cedric und Lenny auf ihn abgesehen haben und kein gutes Haar an seiner Arbeit lassen – ist das nun die Rache dafür, dass er die Klöckner nicht von dem Brief an ihre Eltern abhalten konnte? Dabei ist es den beiden mit ihrer Kifferei auf dem Schulgelände doch letzten Endes überhaupt erst zu verdanken, dass er nun diese Veranstaltung ausrichten darf. Einige wenige Schüler, darunter Sina, zeigen sich aufmerksam und interessiert, aber der Großteil zieht das ganze „Event“ ins Lächerliche und macht es Konstantin wirklich schwer. Der ist froh, als er das Ganze endlich hinter sich hat. Doch auch in seinem Büro findet er keine Zeit zum Verschnaufen, denn bereits kurze Zeit später taucht die Klöckner bei ihm auf.
„Ich muss zugeben, dass ich sehr enttäuscht von Ihnen bin“, erklärt sie ihm mit ihrer rauchigen Stimme. „Ich habe tatsächlich mehr erwartet. Das war nun nicht unbedingt preisverdächtig.“
„Ich bin Sozialpädagoge und kein Drogenberater“, meint Konstantin dazu nur.
„Und damit wollen sie sich nun aus der Affäre ziehen?“ schnaubt die Direktorin.
„Ich hab mein Bestes gegeben“, erklärt Konstantin so selbstbewusst wie möglich. „Aber wie gesagt…“
„Ja, ja, Sie sind kein Drogenberater“, sagt Klöckner verächtlich. „Dennoch hatten Sie Zeit genug, um sich etwas besser vorzubereiten. Als Sozialpädagoge an meiner Schule sollten Sie schon etwas flexibler und kreativer sein. Aber…“ sie senkt ihre Stimme, „das könnten wir auch mal nach Feierabend bei einem Gläschen Wein im privaten Rahmen besprechen. Da könnte ich Ihnen dann nochmal genau erklären, was ich von Ihnen erwarte und wie Sie das zu meiner Zufriedenheit umsetzen können.“
Bei diesen Worten kommt sie Konstantin mal wieder bedrohlich nahe und es läuft ihm bereits heiß und kalt den Rücken runter. Doch dann reißt er sich zusammen und sagt laut und bestimmt: „Nein!“
„Wie bitte?“ fragt die Klöcknerin irritiert.
„Meine Aufgaben hier wurden mir im Vorfeld erläutert und sind mir bekannt“, sagt Konstantin. „Ich glaube daher nicht, dass wir diesbezüglich noch irgendwas besprechen müssen. Und erst recht nicht bei Wein und im privaten Rahmen.
Brigitte Klöckner blickt ihn mit einer Mischung aus Empörung und Bestürzung an. „Wie Sie meinen“, sagt sie schließlich und verlässt hoch erhobenen Hauptes sein Büro… Und Konstantin fühlt sich wie von einer Zentnerlast befreit.
Als er am Abend zuhause Lea davon erzählt, feiert diese seine Reaktion sogleich begeistert ab.
„Na, die wird dich in Zukunft nicht mehr belästigen“, lacht sie.
„Weißt du was“, sagt Konstantin. „Ich glaube, du könntest recht haben.“
„Manche Leute brauchen eben nur mal eine klare Ansage“, findet Lea.
Und als Konstantin ins Bett geht, ist er doch noch hochzufrieden mit dem weiteren Verlauf dieses Tages. Er mag seine Arbeit und fühlt sich im Grunde wohl in seinem Job. Aber er findet auch, dass er sich nicht alles von seiner Chefin gefallen lassen muss, und er glaubt, dass er heute einen wichtigen Schritt gegangen ist, um sich gegen sie durchzusetzen…

Simon steht an der Bushaltestelle vor dem Akropolis und wartet auf den Bus, der ihn zur Schule fahren soll, als ihm auffällt, dass auf der anderen Straßenseite, vor dem Hauseingang zwischen Shisha-Bar und Pizzeria, eine aufgeregte Diskussion zwischen Helga, Gabi und Kerstin entflammt, die immer wieder auf den Boden deuten, hektisch durcheinander schnattern und fassungslos die Köpfe schütteln. Da der Bus offenbar sowieso wieder Verspätung hat, überquert Simon die Straße, um zu sehen, was dort los ist. Zeitgleich hat Simone ein Stück vor dem Akropolis geparkt. Sie hat die letzten Tage in ihrer Wohnung am Starnberger See verbracht und will nun übers Wochenende wieder zu Vasily. Auch ihr ist das aufgeregte Grüppchen aufgefallen und in der Hoffnung, sich vielleicht ein paar Inspirationen für ihr neues Buch zu holen, begibt sie sich ebenfalls erstmal dazu.
„Ich finde das ist eine riesige Sauerei“, klagt Helga lautstark. „So etwas tut man doch nicht!“
„Was ist denn passiert?“ fragt Simone.
„Die Stolpersteine haben’s mit roter Farbe beschmiert“, erklärt Gabi. „Sehen’s sich des an!“
Tatsächlich sind die Stolperteine vor dem Haus in der Kastanienstraße allesamt unter einer dicken roten Farbschicht verschwunden.
„Was soll das denn?“ fragt nun auch Simone empört.
„Ja, das würde ich auch gerne wissen“, jammert Helga. „Die arme alte Frau Rosenberg lebt doch in den USA, die kann hier doch gar keine Feinde haben!“
„Ich glaub ja auch net, das des was mit der Frau Rosenberg persönlich oder mit ihrer Familie zum tun hat“, vermutet Gabi. „Des ist wahrscheinlich genereller Judenhass von irgendwem.“
„Das denke ich auch“, pflichtet Kerstin ihr bei. „Hier in der Gegend hat es in den letzten Wochen mehrere solcher Schmierereien gegeben, auch bei den Stolpersteinen in der Kiefernstraße und im Birkenweg.“
„Wirklich?“ fragt Helga fassungslos. „Das habe ich gar nicht mitbekommen!“
„Sowas hört man ja leider generell immer häufiger“, bedauert Kerstin.
„Ja, leider“, sagt Helga. „Es geht schon wieder los. Dabei sollte man doch meinen, dass die Menschheit eigentlich etwas aus dem Holocaust gelernt haben müsste.“
„Es geht nicht los, wir sind quasi schon wieder mittendrin“, findet Simone. „Wenn man sich anguckt, wie es in diesem Land abgeht mit Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus.“
„Naja, ganz so schlimm wie damals im dritten Reich ist es ja jetzt nicht“, wirft Gabi ein.
„NOCH nicht“, fügt Simone hinzu.
„Aber… was haben die denn gegen Juden?“ mischt sich nun auch Simon in die Unterhaltung ein.
„Judenhass ist eine Sache, die wahrscheinlich so alt ist, wie das Judentum selbst“, erklärt Simone. „Den hat es schon lange vor Hitler und dem dritten Reich gegeben.“
„Aber ich versteh nicht, warum“, sagt Simon. „Was finden die so schlimm an Juden?“
In diesem Moment kommt der Bus und Simon muss los, aber die Sache mit dem Judenhass geht ihm nicht aus dem Kopf…
Simone begibt sich derweil rüber zum Akropolis. Vasily ist gerade vom Großmarkt zurück und die beiden nehmen sich Zeit für ein ausgiebiges Schäferstündchen in Vasilys Wohnung. Nachdem er sich anschließend wieder in sein Lokal begibt, setzt Simone sich an ihren Laptop und versucht, an ihrem neuen Buch weiterzuschreiben. Doch auch mit ihrem Roman über den wütenden jungen Mann, den Antihelden, will sie nicht so recht in die Gänge kommen. Es ist wie verhext. Wie kann man kreativ nur so verdammt blockiert sein, wie es bei ihr in den letzten Monaten der Fall ist?
Irgendwann klappt Simone ihren Laptop zu und begibt sich runter ins Lokal, um Vasily Gesellschaft zu leisten. Als sie dort ankommt, ist dieser gerade in der Küche in eine hitzige Diskussion mit seinem Koch Roland verwickelt.
„Es kann nicht sein, dass du ssson wieder deine Maske nicht trägst!“ poltert der Grieche. „Du weißt, wie die Corona-Bessstimmungen sind! Du arbeitest hier mit Läbänsmitteln. Unsere Gäste ässen die Sachen. Da musst du dich ssson an die Vorsssriftren halten!“
„Aber üsch kann nüsch dän gönzen Dooch in diese Moske atmen“, mosert Roland. „Hier in den heißen Kochdämpfen. Dös gääht nösch. Da kipp üsch örgendwann um!“
„Und was ist jetzt eigentlich mit deiner Impfung?“ fragt Vasily, ohne auf Rolands Klagen einzugehen. „Wie lange willst du damit noch warten?“
„Üsch lass müsch nüsch mit diesem Treckszeusch impfe“, poltert Roland los. „Dös is des pure Gift! De Gabi wäre fast daran gestorben!“
„Du hast hier auch eine Verantwortung für unsere Gäste“, versucht Vasily möglichst ruhig zu erklären. „Mal abgesehen davon, dass es einen Riesenärger gibt, wenn das Gesundheitsamt hier unangemeldet auftaucht und dich ohne Maske beim Kochen antrifft! Und wenn du weder Maske trägst noch endlich einen Impftermin machst… dann könnte es sein, dass ich mich nach einem anderen Koch umsehen muss!“
Roland starrt Vasily sekundenlang fassungslos an. „Dös is jötzt nüsch dei Örnst“, flüstert er schließlich erregt. „Des du mür jetzt mit Kündigung drohst, weil üsch diesen ganzen Wohnsinn nüsch midmachen will!“
Vasily deutet lediglich auf die Maske, die neben Roland auf dem Tisch liegt, und verlässt dann wortlos die Küche, während der Koch ihm böse nachblickt und mit seiner Fassung ringt.
Vasily ist dafür umso erfreuter, Simone im Lokal anzutreffen. Und noch erfreuter ist er darüber, dass sie ihm in Bezug auf seine Standpauke an Roland recht gibt. Nach einer kurzen Auszeit bei Vasily an der Theke holt Simone ihren Laptop und setzt sich damit in den Gastraum in der Hoffnung, im Trubel der allmählich eintrudelnden Gäste vielleicht Inspirationen zu gewinnen – vergebens. Doch dann betreten Jack und Ludde den Gastraum, um in ihrer Mittagspause etwas zu essen. Interessiert zieht Simone mit ihrem Laptop ein paar Tische näher heran und lauscht interessiert ihrer Unterhaltung. Eine Weile essen die beiden schweigend, dann sagt Ludde plötzlich zu seiner Schwester: „Hör mal, Jack… ich… ähm.“
„Ja?“ fragt Jack, als Ludde nicht weiterspricht.
„Also, dieser Rechtsverdreher“, setzt Ludde erneut an. „Also, der kleine schwule Pisser wird ja wohl seine Anzeige nicht zurückziehen. Und der Rechtsverdreher meint… also, wenn ich jetzt immer noch auf Bewährung wäre, dann müsste ich wohl sofort zurück in den Bau. Aber so… also…“
„Worauf willst du denn jetzt hinaus?“ Jack starrt ihren stammelnden Bruder irritiert an.
„Also, wenn ich eine Lehrstelle vorweisen könnte, dann würde ich vermutlich mit einer Geldstrafe davon kommen“, kommt Ludde endlich zur Sache.
Bei Jack fällt der Groschen. „Du willst jetzt doch eine Lehre bei mir machen?“ fragt sie. „Als Mechatroniker?! Ich dachte, das wäre nicht dein Ding?!“
„Ich stell mich ja nicht ganz so dumm an, wie ich gedacht habe, oder?“ entgegnet Ludde.
„Nein, absolut nicht!“ versichert Jack. Und während die beiden somit beschließen, dass Ludde Jacks neuer Lehrling wird, überlegt Simone krampfhaft, wie sie die neuen Informationen in ihrem Buch verwerten könnte – mit dem Resultat, dass nichts dabei raus kommt. Der Antiheld, der eine Mechatroniker-Lehre macht, wen interessiert denn das? Bratpfannenmörderin, nein, Antiheld, nein, es ist zum Verrücktwerden…
Derweil leistet Simon seine letzte Sozialstunde mit Vorlesen bei Ibraim Finkelstein in der Seniorenresidenz ab.
„Ich bin dann jetzt fertig“, sagt Simon, nachdem er geendet hat. „Also, ich bin jetzt durch mit meinen Sozialstunden.“
„Dann bist du ja jetzt ein freier Mann“, krächzt Finkelstein heiser. Als Simon nicht antwortet, sondern lediglich mit den Schultern zuckt, fragt der alte Mann: „Kommst du mal zu Besuch?“
Simon sieht auf. „Wollen Sie das denn?“ fragt er.
„Natürlich“, knurrt Finkelstein, „wer soll mir denn sonst so schön schlecht vorlesen?“
Finkelstein lacht heiser auf und auch Simon muss kurz mitlachen, wird dann aber wieder nachdenklich.
„Bedrückt dich etwas?“ fragt Finkelstein. „Du solltest glücklich sein, dass du diesen Sozialmist hinter dir hast.“
Simon zögert einen Moment, dann erzählt er von den beschmierten Stolpersteinen in seinem Viertel.
„Es hört nicht auf“, sagt Finkelstein anschließend bitter. „Ein Jude bleibt ein Jude und ist seit jeher vielen ein Dorn im Auge. Aber ich hatte mein Leben lang Zeit, mich daran zu gewöhnen. Die Menschen werden sich nicht mehr ändern.“
Simon verabschiedet sich von Herrn Finkelstein und verspricht, ihn bald zu besuchen. Als er nach Hause kommt, wird er gleich von Sunny und Tanja abgefangen. Sunny führt die beiden zum Abendessen ins Akropolis aus und ist gut gelaunt wie lange nicht mehr. Sie hat einen neuen Auftrag für ihren Bier-Vertrieb an Land gezogen und möchte das mit den beiden feiern. Tanja ist froh, dass es Sunny besser zu gehen scheint. Sie ahnt nicht, dass der Grund für ihre Euphorie nicht der Auftrag an sich ist, sondern die Tatsache, dass Sunny damit das Geld für ihre Hormontherapie bei Dr. Pauli auftreiben kann…
Sunny ist während des Essens die ganze Zeit völlig aufgekratzt. Aber nicht nur er, sondern auch Simon, der aufgeregt von den beschmierten Stolpersteinen berichtet und zudem noch so einiges erzählt, was Finkelstein aus seiner Zeit im KZ preisgegeben hat.
Simone, die immer noch genervt mitsamt Laptop im Lokal sitzt und sich mangels Ideen die Haare rauft, hört interessiert mit. Nachdem Sunny, Tanja und Simon das Restaurant verlassen haben, reift in ihr plötzlich ein Gedanke… Und weil es zu späterer Stunde wieder mal zu einer Auseinandersetzung zwischen Vasily und Roland wegen Rolands Nicht-Einhaltung der Corona-Regeln kommt, stiehlt Simone sich nochmal heimlich davon, schleicht zum Haus Nr. 3 rüber und klingelt bei Schildknecht/Zöllig.
„Ja, bitte?“ fragt Tanja, die gerade im Bett lag und leicht verärgert über die später Störung ist.
„Hallo, Frau Schildknecht“, begrüßt Simone sie. „Wir kennen uns vom Sehen. Aus dem Akropolis. Ich bin die Freundin von Vasily. Ist ihr Sohn da?“
„Simon?“ fragt Tanja irritiert. „Warum? Hat er wieder was angestellt?“
„Nein, nein“, erwidert Simone schnell, „es ist nur, ich hätte da eine Frage…“
„Jetzt?“ keift Tanja. „Wissen Sie, wie spät es ist? Simon hat morgen früh Schule!“
„Was’nn hier los?“ brummelt Simon und kommt aus seinem Zimmer geschlurft.
„Hallo Simon! Ich bin Simone! Lustig, nicht? Simon und Simone!“ Sie gluckst und kichert, wie ein alberner Teenager.
„Was ist das denn hier für ein Auflauf?“ Nun erscheint auch Sunny an der Wohnungstür und Simone wird sich bewusst, dass sie vielleicht mal allmählich zur Sache kommen sollte, bevor sie hier für noch mehr Aufsehen sorgt.
„Also es ist so, dass ich vorhin im Akropolis Ihre Unterhaltung mitangehört habe“, beginnt sie schließlich. „Und da ist mir eine Idee gekommen. Also, ich bin Schriftstellerin. Und als du von diesem Herrn Funkelstein erzählt hast…“
„Finkelstein“, korrigiert Simon sie.
„Wie auch immer. Jedenfalls… also, ich würde gerne… ich möchte die Biographie von diesem alten Herrn schreiben. Ich meine, das ist vielleicht einer der letzten Holocaust-überlebenden Juden in diesem Land. Das ist schon ein hochinteressanter Stoff. Und so brisant, wenn man sieht, was hier so alles wieder passiert in Bezug auf Antisemitismus und so…“
Tanja und Sunny starren Simone weiterhin an wie eine Erscheinung und sagen kein Wort, während Simon stottert: „Ich… äh… ich glaube nicht, dass Herr Finkelstein sowas will.“
„Und da kommst du ins Spiel“, erklärt Simone. „Du kennst den Mann doch und hast einen Draht zu ihm. Und da dachte ich… also, vielleicht könntest du uns miteinander bekannt machen und ein gutes Wort für mich und mein Projekt einlegen. Würdest du das machen?“

CLIFFHANGER auf: Simon Schildknecht

Mitwirkende Personen
Simone Stadler
Vasily Sarikakis
Roland Landmann
Konstantin Landmann
Lea Stark
Gabi Zenker
Sunny Zöllig
Tanja Schildknecht
Simon Schildknecht
Ludde Mayer
Jack Aichinger
Mika Arlen
Paul Dagdelen
Romy Brinkmann
Popo Wolfson
Helga Beimer
Kerstin Wendland
Dr. Brigitte Klöckner
Ibraim Finkelstein
Sina Kleist
Cedric Heltau
Lenny Croon

© ‚popo wolfson‘ 2021

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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Verfasst: Sa 16. Okt 2021, 23:04 


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1804 - Antihelden
BeitragVerfasst: So 17. Okt 2021, 09:39 
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Ohje, Konstantin, das wird wohl böse enden.


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Autor: popo wolfson
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