Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1833 - Die Entscheidung
BeitragVerfasst: So 8. Mai 2022, 07:12 
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Folge 1833: Die Entscheidung

Spieltag: Donnerstag, 05.05.2022

Marcella fühlt sich heute hundeelend. Und das liegt nicht nur an ihrer morgendlichen Schwangerschaftsübelkeit, sondern auch an ihrem heutigen Abtreibungstermin. Seit der letzten Woche hat Sebastian sich nicht mehr bei ihr gemeldet und Marcella hat es, nachdem sie den ersten Schock darüber verdaut hatte, dickköpfig hingenommen. Warum auch nicht, hat sie sich anfangs selbst eingeredet. Sie und Sebastian waren gerade mal ein Jahr zusammen. Sie hatten eine gute Zeit, okay, aber sie sind ja kein Ehepaar, das jahrelang gemeinsam durch dick und dünn gegangen ist. Und wenn Sebastian die Beziehung nun wegen dieses Sache gleich beenden muss, dann ist das halt so. Kein Weltuntergang. Sie wird es überleben. Es werden andere Männer kommen. Und kein Mann ist es wert, die eigenen Prinzipien über Bord zu werfen und sich selbst nicht mehr treu zu sein. Kein Mann ist es wert, sich seinetwegen ein Kind ans Bein zu binden… So hat es sich Marcella in den ersten Tagen nach der überraschenden Trennung selbst immer wieder eifrig eingeredet. Und die Tatsache, dass Sebastian keine Anstalten mehr gemacht hat, sich bei ihr zu melden, hat sie in ihrem Standpunkt noch bestärkt… Und sie würde ihm ganz sicher nicht hinterher laufen. Kein Mann ist es wert, sich für ihn zum Affen zu machen. Keiner! Auch Sebastian nicht!! Doch dann ist Marcella im Laufe der kommenden Tage, in denen der große Termin immer näher rückte, auch immer nachdenklicher geworden… Das Jahr mit Sebastian war doch mehr als einfach nur gut gewesen. Es war ein wirklich verdammt schönes Jahr. Und sie hat sich noch nie so wohl gefühlt mit einem Mann, wie mit Sebastian… Und wie sehr er ihr fehlt, merkt Marcella jeden Tag deutlicher… Aber ein Kind? Auf gar keinen Fall. Das ist ein zu hoher Preis für eine gute Beziehung! Kinder sind einfach die Pest…!!!
Als Marcella die Wohnung verlässt, trifft sie im Hausflur auf Mandy, die Jeremy und Phoebe gerade antreibt, damit sie ihren Bus nicht verpassen. Marcella und Mandy nicken sich zum Gruß kurz zu und die Italienerin beobachtet mit etwas Abstand, wie die junge Mutter ihre Kinder aus dem Haus und draußen dann in Richtung Bushaltestelle treibt, ehe sie sich auf den Weg in Richtung ihres Cafés macht. Bevor sie ihren Termin in der Praxis ihres Gynäkologen hat, hat sie im Marcellas noch ein paar Dinge zu erledigen.
Ihre Kollegin Laura bietet ihr beflissentlich an, sie zu vertreten, wenn sie sich nach dem Eingriff noch einige Tage erholen möchte, doch Marcella ist wild entschlossen, morgen wieder selbst in ihrem Café zu stehen – schlimmer als die Symptome, die das Frühstadium ihrer Schwangerschaft ihr ohnehin schon seit Wochen bescheren, können die Folgen des Abbruchs ihrer Meinung nach auch nicht sein…
Kurz bevor Marcella sich auf den Weg machen will, betritt Mandy das Café. Sie setzt sich an die Theke und bestellt einen Espresso.
„Sah sehr stressig aus bei euch heute Morgen“, bemerkt Marcella etwas zaghaft, als sie Mandy ihre Bestellung serviert.
„Routine“, meint Mandy schulterzuckend. „Jedenfalls nichts, was mich irgendwie aus dem Tritt bringen würde.“
„Ich glaube, dass wären mir zu viel Stress und Chaos am frühen Morgen“, lacht Marcella.
„So ein Café zu wuppen stelle ich mir weitaus schwere vor“, erwidert Mandy.
„Was machst du denn eigentlich beruflich?“ erkundigt sich Marcella, die sich insgeheim eingestehen muss, dass sie nicht allzu viel über die Nachbarin weiß, mehr der sie nun schon seit gut anderthalb Jahren Tür an Tür lebt.
„Zur Zeit gar nichts“, erwidert Mandy etwas verlegen. „Es war mir halt lange gar nicht nötig, einer regelmäßigen Arbeit nachzugehen, wegen meiner Krankheit und der vielen Therapien und Klinikaufenthalte. Da haben wir dann halt von dem gelebt, was der Staat so zahlt. Aber momentan geht’s mir gut. Und ich will mir auch wieder was suchen, wenn ich das mit den Kids unter einen Hut bringen kann.“
„Was hast du denn gelernt?“ fragt Marcella.
„Nichts“, räuspert Mandy sich. „Nach der Schule hab ich nur so rumgejobbt. Ausbildung habe ich nie angefangen. Und Studium war erst recht nicht möglich mit Hauptschulabschluss.“
„Also ich kann hier eigentlich immer Aushilfen gebrauchen“, erklärt Marcella. „Der Laden läuft gut.“
„Ist das ein Angebot?“ fragt Mandy.
„Wenn du Interesse hast!“
„Ich kann’s ja mal versuchen“, überlegt Mandy. „Ich weiß aber nicht, ob ich das kann.“
„Wer zwei Kinder bändigen kann, der kann auch das hier“, lacht Marcella.
Es entsteht ein Moment betretenden Schweigens, dann sagt Mandy: „Ich hab das letzte Woche natürlich mitbekommen. Die Auseinandersetzung zwischen dir und deinem Freund. Wir saßen ja auch hier im Café…“
„Ex-Freund“, verbessert Marcella sie.
„So schlimm, der Streit?“
„Schlimmer.“
„Du willst abtreiben lassen?“ platzt es schließlich aus Mandy raus.
„Ich hab nachher einen Termin“, entgegnet Marcella. „Ich muss jetzt auch langsam mal los…“
„Abtreibung wäre für mich nie in Frage gekommen“, sagt Mandy. „Als ich damals mit Jeremy schwanger war… Also… das passte alles überhaupt nicht. Ronny, mein Mann, hatte gerade seine Stelle verloren, ich hatte so ein paar Aushilfsjob. Putzen, im Lager Kartons auspacken, in einer Videothek aushelfen… Nix festes. Und nichts, womit man große Sprünge machen kann. Der Zeitpunkt war so dermaßen unpassend. Und wir waren so jung. Und dann mussten wir auch noch aus unserer Wohnung raus. Es lief alles so beschissen schief…“
„Und du hast nie drüber nachgedacht, ob du…?“
„Natürlich“, gibt Mandy zu. „Das war mein erster Gedanke, gleich als der Test positiv war. Ich hab gedacht, das ist die einzige vernünftige Entscheidung, wie soll das sonst gehen? Aber schon im nächsten Moment hab ich gedacht, dass das nicht geht. Das ist ein Kind. Ein Mensch. Ein neues Leben. Und ein Wunder. Und dann hab ich gedacht, dass das kein Zufall ist. Dass so etwas nie ein Zufall ist. Dass es auch wahrscheinlich nie einen richtigen Zeitpunkt gibt. Also zumindest keinen, den man festlegen oder planen kann wie… eine Hochzeitsfeier oder so. Ich hab gedacht, wenn es passiert, dann ist der Zeitpunk richtig, egal, wie beschissen alles andere auch gerade aussieht.“
„Hast du’s nie bereut?“ fragt Marcella vorsichtig.
„Nie!“ sagt Mandy ohne nachzudenken. „Natürlich war das echt nicht immer einfach. Gerade am Anfang, als Ronny noch arbeitslos war. Und auch später nicht, als er seinen Unfall hatte und wir plötzlich alleine waren. Aber meine Kinder sind das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist. Alle beide. Und ich würde um nichts auf der Welt auf sie verzichten wollen, weder auf Jeremy noch auf Phoebe. Ich glaube, ich habe nie in meinem Leben etwas richtiger gemacht, als sie zu bekommen…“
Kurze Zeit später bricht Marcella zu ihrem Termin auf. Sie ist nachdenklich geworden. Kinder waren für sie immer etwas komplett utopisches. Etwas, das nicht in ihr Leben passte und sie sich nicht vorstellen konnte. Sie hat ja nichts gegen Kinder – solange es nur nicht ihre eigenen sind. Kinder können durchaus süß sein – mit genügend Distanz… Aber Kind als das höchste Glück im eigenen Leben zu sehen, war für sie immer unvorstellbar gewesen…
In der Praxis informiert der Gynäkologe Dr. Harald Körner seine Patientin darüber, wie er nun vorgehen wird und erklärt ihr nochmal, dass das Ganze eine ambulanter Routineeingriff ist und sie danach unbesorgt nach Hause gehen kann. Doch Marcella ist plötzlich skeptisch.
„Ich will das nicht!“ sagt sie plötzlich.
„Wie bitte?“ fragt der Arzt überrascht.
„Ich… ich glaub, ich hab es mir anders überlegt“, erwidert Marcella. „Kann ich… kann ich das hier noch abblasen?“
„Aber natürlich“, sagt Dr. Körner lächelnd.
Mit gemischten Gefühlen verlässt Marcella kurz darauf die Praxis. Sie ist sich immer noch nicht sicher, ob sie wirklich die richtige Entscheidung getroffen hat. Aber es gibt kein zurück mehr, einen späteren Termin für eine Abtreibung kann Marcella nicht mehr machen, da die Frist der 12. Schwangerschaftswoche dann überschritten sein wird. Dennoch begibt sie sich am Abend mit einem recht guten Bauchgefühl zu Sebastian. Der ist auch ziemlich überrascht, als Marcella nach Tagen der Funkstille plötzlich unangemeldet vor seiner Wohnungstür steht.
„Hast du alles gut überstanden?“ erkundigt er sich.
Marcella schüttelt den Kopf. „Ich hab’s nicht gemacht“, erklärt sie.
„Wie?“ fragt Sebastian. „Heißt das…?“
Marcella nickt. „Gibst du uns noch eine Chance?“ fragt sie.
„Bist du dir denn sicher?“ möchte Sebastian wissen.
Marcella atmet tief ein und schluckt ihre Zweifel und Ängste kurzerhand runter. „Ja, bin ich!“ sagt sie mit so viel Entschlossenheit wie möglich in ihrer Stimme. Die Versöhnung mit Sebastian tut so unendlich gut. Und dennoch ist da immer noch die Angst vor dem, was vor ihr liegt. Ein Kind. Eine eigene Familie. Das klingt so übermächtig groß und gewaltig, dass es Marcella im Grunde immer noch den Atem verschlägt…

Klaus surft bereits beim Frühstück mit rauchendem Kopf im Internet. Immer noch sucht er nach einer Möglichkeit, um sein Society-Buch so schnell wie möglich im Selbstverlag zu veröffentlichen. Doch das Hauptproblem liegt beim Wörtchen ´schnell`, denn es scheint nahezu unmöglich, diesen Prozess auf das von Klaus erwünschte Maß zu beschleunigen.
„Ach, das ist doch alles eine gottverdammte Kacke!“ mault er und knallt den Deckel seines Laptops zu.
„Immer noch dein Buch?“ fragt Nina, während Ida irritiert über Klaus’ Gefühlsausbruch ihr Frühstück vergisst.
„Das dauert scheinbar Jahre, bis man sowas eigenständig auf den Markt werfen kann“, schimpft Klaus.
„Vielleicht solltest du dir eingestehen, dass es allmählich wirklich an der Zeit ist, die ganze Sache zu vergessen“, meint Nina mit gereiztem Tonfall – und Mila verdünnisiert sich bereits vorsorglich in ihr Zimmer, um ihren Schulkram zusammen zu suchen – sie spürt genau, dass wieder einmal schlechte Stimmung in der Luft liegt…
„Da steckt so viel Arbeit drin“, protestiert Klaus. „Und so viel Herzblut! Das lasse ich doch jetzt nicht einfach fallen, nur weil diese Scheiß Verlage alle die Hosen voll haben und sich nicht trauen, auch mal etwas brisanteres zu veröffentlichen!“
„Was ja auch seine guten Gründe hat“, wirft Nina ein. „Klaus, du hast du gesehen, wozu diese Leute im Stande sind. Die lassen sich nicht einfach in die Suppe spucken, wer sich mit denen anlegt, ist wirklich dumm. Und die Verlage wissen das auch, die fürchten halt die Konsequenzen. Nur du, du machst verbohrt weiter. Als ob die nicht schon genug Druck auf uns ausgeübt hätten.“
Klaus sieht Nina skeptisch. „Du hast doch immer gesagt, dass du glaubst, dass Nastya dahinter steckt.“
„Ich hab gesagt, dass ich Nastya so etwas durchaus auch zutrauen würde“, korrigiert Nina. „Aber seit wir wissen, dass die Ines Krämer in dem Verein ist und dass die euch für ihre Leute munter bespitzelt und den Informationsmaterial geliefert hat… Jedenfalls werden die es sich nicht einfach bieten lassen, wenn du dieses Buch wirklich veröffentlichst!“
„Ich hab keine Angst vor denen!“ sagt Klaus entschlossen – und erntet einen fassungslosen Blick von Nina.
„Es geht hier aber nicht nur um dich!“ zischt sie ihn empört an. „Denkst du vielleicht auch mal an Ida und an Mila?“
„Och, Minnie, bitte“, sagt Klaus. „Jetzt mach doch nicht wieder so ein Fass auf. Die werden wohl kaum die Kinder entführen und foltern. Ein bisschen Psychoterror, das machen die, aber mehr auch nicht. Weil denen dann nämlich die Puste ausgeht.“
„Dieses bisschen Psychoterror reicht aber schon“, giftet Nina. „Hast du vergessen, wie geschockt Mila war, nachdem sie den toten Vogel in ihrem Zimmer gefunden hat? Willst du, dass sie sowas nochmal erleben muss?“
„Natürlich nicht!“ weist Klaus empört zurück. „Aber wenn das Buch erst draußen ist, dann müssen die sich eben damit arrangieren. Dann werden die nichts mehr tun, was die Veröffentlichung verhindern kann, sondern sie müssen sich damit abfinden müssen, dass endlich mal jemand Tacheles über ihr Handeln redet. Beziehungsweise schreibt. Und dass die zu solchen Mafia-Methoden greifen, um die Leute einzuschüchtern, damit werde ich auch nicht hinterm Berg halten!“
„Du denkst wirklich immer nur an dich und an deine Karriere!“ empört sich Nina. „Ich, ich, ich! Alle anderen sind dir Latte, selbst deine eigene Familie!“
Beleidigt räumt Nina ihr Geschirr in die Spülmaschine und macht sich ohne Abschiedsgruß auf den Weg zur Arbeit.
„Geht das jetzt ewig so weiter?“ will Mila wissen, bevor sie zur Schule aufbricht. „Das ihr euch ständig in die Haare kriegt wegen diesem Mist? Nur, weil du unbedingt dieses Buch veröffentlichen willst?“
„Euch wird nichts passieren!“ versichert Klaus.
„Das sieht Nina aber offenbar anders“, sagt Mila.
„Wenn das Buch erst einmal draußen ist, können die es sich gar nicht mehr erlauben, uns zu bedrohen“, erklärt Klaus. „Stell dir mal vor, es kommt an die Öffentlichkeit, dass die den Autor ihres Enthüllungsromans und seiner Familie in irgendeiner Weise Schaden zugefügt haben. Damit stellen die sich selbst doch in ein noch schlechteres Licht, als sie ohnehin schon stehen. Das machen die nicht, die sind ja nicht blöd. Die werden schön die Füße stillhalten, sich ihre Wunden lecken und hoffen, dass das, was ich da geschrieben habe, bald in Vergessenheit gerät. Die werden nicht tun, um das Bild, dass ich von ihnen vermittle auch noch zu forcieren!“
„Wenn du meinst“, erwidert Mila schulterzuckend und bricht auf.
Klaus stinkt es gewaltig, dass nicht nur Nina ihn wegen seines Buches ständig in den Rücken fällt, sondern dass nun auch noch Mila beginnt, in die gleiche Kerbe zu hauen…
Während er weiterhin im Internet über die Möglichkeiten einer Veröffentlichung recherchiert, klingelt es an der Tür. Draußen steht Jekaterina, die ihre Eltern besuchen möchte. Anatoli und Oxana sind nach wie vor bei Klaus und Nina zu Gast, erweisen sich aber als überaus erträgliche Mitbewohner, die sich überwiegend in ihrem Zimmer aufhalten, ruhig und zuvorkommend sind und sich alle Mühe geben, um ihren Gastgebern nicht zur Last zu fallen.
„Du wieder schreiben an große Story?“ erkundigt sich Jekaterina, als sie nach dem Elternbesuch einen kurzen Blick in die Küche wirft, wo Klaus mit Laptop und allerlei Unterlagen den Tisch vereinnahmt – ein eigenes Arbeitszimmer hat er derzeit nicht, da darin die ukrainischen Eltern untergebracht sind.
„Ich versuche, ein Buch zu veröffentlichen“, erklärt Klaus. „Ist allerdings nicht ganz so einfach, ich finde nämlich keinen Verlag und muss es somit selbst verlegen. Naja, zumindest versuche ich es…“
„Was für eine Buch?“ fragt Jekaterina. Als Klaus nichts sagt, sondern sie nur skeptisch anblickt, fragt sie: „Oder ist Geheimnis?“
Klaus atmet tief durch – und erzählt ihr von seinem langwierigen Society-Projekt. Warum er das macht und ausgerechnet mit der jungen Ukrainerin darüber redet, weiß er selbst nicht so genau. Vielleicht hat er einfach das Bedürfnis, sich diesbezüglich jemandem mitzuteilen, der neutral ist und bei dem er mit dieser Sache nicht auf so viel Gegenwehr stößt wie bei seiner Lebensgefährtin, seiner Mutter – und nun scheinbar auch noch seiner Tochter. Und das ausgerechnet Jekaterina ihm in den Rücken fallen, dass sie womöglich gar selbst Mitglied bei Society sein könnte, hält er dann doch für äußerst unwahrscheinlich. Und tatsächlich zeigt sich Jekaterina überraschend offen für sein Projekt, nachdem er seine Ausführungen beendet hat.
„Ist gute Sache“, befindet die Ukrainerin. „Solltest du unbedingt bleiben dran. Ist total irre Sekte, ist längst überfällig, dass jemand damit geht an die Öffentlichkeit und das so klar, wie sagt man, auf das Komma bringt!“
„Auf den Punkt bringt“, lacht Klaus. Er und Jekaterina unterhalten sich noch eine ganze Weile weiter und plötzlich kommt die Ukrainerin auf die Idee, dass sie für ihn und ihre Eltern kochen könnte und sie dann später alle gemeinsam essen.
„Ist Lola sowieso bis späte Nachmittag in die Tages-Reha“, erklärt sie. „Da ich habe sowieso nicht viel sinnvolles zu tun.“
Gesagt, getan. Klaus ist ganz überrascht, wie gut Jekaterina kochen kann, das hätte er ihr gar nicht zugetraut.
Als Nina von der Arbeit nach Hause kommt, findet sie um ihren Küchentisch eine illustre deutsch-ukrainische Tischgesellschaft beim essen, zu der sich aus Klaus und Jekaterina nebst den Eltern Anatoli und Oxana angesichts der Mengen, die Jekaterina zubereitet hat, auch noch ihre jüngere Schwester Daria sowie Mila gesellt haben.
„Was ist hier denn los?“ fragt Nina fassungslos – und müde, wie sie von ihrem Arbeitstag ist, wenig begeistert.
„Setz dich, Minnie, iss mit“, fordert Klaus sie auf. „Jekaterina hat gekocht, schmeckt super!“
„Jekaterina hat…“, murmelt Nina. „Wo ist Ida?“
„Mit Mum zum Spielplatz“, erklärt Klaus. „Sie hat schon ihr Möhrengemüse gegessen. Ich glaube, das hier ist ein bisschen zu scharf für sie…“
Die Stimmung wirkt fröhlich und gelöst. Was soll dieser Blödsinn? Dass sie Jekaterinas Eltern bei sich aufgenommen haben, okay. Aber dass Jekaterina nun bei ihnen kocht?! Und dann sitzt sie glucksend und kichernd neben Klaus. Und plötzlich erinnert die junge Ukrainerin sie wieder fatal an Nastya und vor ihrem inneren Augen spult sich in Sekundenbruchteilen dieser verdammte alte Film ab…
„Ich geh duschen und dann hol ich Ida bei deiner Mutter ab“, erklärt Nina patzig und verschwindet wütend im Bad…
„Das war echt ein schöner Abend“, sagt Klaus später zu Nina, als die beiden im Bett liegen. „Ich glaube, das hat Jekaterinas Familie gut getan, nach den schlimmen Wochen, die sie hinter sich haben. Einfach mal ein paar Stunden in so einen befreiten Zustand eintauchen und all den Mist verdrängen, der sich gerade in ihrer Heimat abspielt… Schade, dass du dich nicht dazu gesetzt hast…“
„Ich bin müde!“ faucht Nina gereizt und dreht sich auf die andere Seite.
„Du bist in letzter Zeit irgendwie IMMER müde“, beschwert sich Klaus. „Sind das schon die Wechseljahre, oder was?“
„BITTE?“ fragt Nina empört.
„Jekaterina findet das mit meinem Buch übrigens gut“, labert Klaus ungerührt weiter. „Sie meint auch, dass ich mich von Society nicht einschüchtern lassen und weitermachen soll.“
„So, meint sie das?“ zickt Nina schnippisch.
„Solche ukrainischen Gerichte sind echt nicht übel“, meint Klaus. „Und Jekaterina kann super kochen, hätte ich von ihr gar nicht erwartet.“
„Ich will jetzt schlafen“, zischt Nina wütend.
„Vielleicht sollte ich ihr mal ganz unverbindlich mein Manuskript zum lesen geben“, plappert Klaus ungebremst fort. „Einfach mal eine neutrale Meinung von einer Außenstehenden einholen.“
Nina presst sich ihr Kopfkissen über das eine Ohr, während sie das andere in die Matratze drückt. Und während sie Klaus wie weit entfernt gedämpft weiterplappern hört, ohne noch ein einziges Wort von dem, was er sagt, zu verstehen, weint sie sich still und heimlich in den Schlaf…

Claudio und Enzo sitzen an diesem Morgen gemeinsam mit Murat in ihrer Pizzeria und beratschlagen sich. Murat ist es, trotz aller schlechten Prognosen, inzwischen gelungen, einen Kredit zu bekommen. Mit ihm und seiner wenigen Rücklagen will er seine Shisha-Bar nun endlich zur Dönerbude ummodeln.
„Das iste fantastico!“ freut sich Onkel Claudio. „Keine Konkurrenzkampf, sondern gemeinsam an eine Faden ziehen, oder wie sagt man? Iche habe auch schon eine Idee: Wir lassen machen eine große Schilde für über die Hauseingange…“
„Natürlich nur, wenn Herr Seegers und sein Okay dafür gibt“, unterbricht Enzo.
„Si si“, lacht der italienische Onkel. „Und dann kommte über die Hauseingange eine Schild, auf dem stehte ´Südländische Spezialitäten` , in die linke Laden, es gibte dann die italienischen Spezialitäten, also bei Enzo und mir, und in die rechte Laden, es gibte die türkische Spezialitäten, also bei dir!“
Murat gefällt das Konzept. Und da die Pizzeria von Claudio und Enzo tatsächlich im Viertel gut angenommen wurde und sehr zufriedenstellend läuft, hofft er, davon profitieren und auf diesen Zug aufspringen zu können. Und wenn sein Laden dann ebenfalls läuft – woran er im Grunde keine Zweifel hat, denn sein früherer Döner lief ja auch – können beiden Läden gegenseitig voneinander profitieren…
„Oh, haben Sie so früh schon geöffnet?“ erklingt plötzlich eine weibliche Stimme von der Ladentür. Dort steht Anna und lächelt den drei Männern zu.
„Noch nichte, erst in eine Stunde“, erwidert Claudio und strahlt Anna wie ein Honigkuchenpferd an.
„Dann komme ich später nochmal wieder. Oder kann ich für heute Abend schon eine Familienpizza bestellen?“
„Naturalmente!!“ lacht Claudio. „Sie können bei mir immer bestellen! Jederzeit! Gibt es denn was zu feiern bei Ihnen?“
„Ach nein, aber Sarah hat ein paar Freunde zu Besuch und Martin übernachtet mal wieder bei uns. Und Emil hat ja sowieso immer einen Mordshunger!“ Anna lacht und Claudio stimmt schallend in ihr Lachen ein. Dann sagt er: „Wie ware das noche? Wollten wir nichte endlich lassen dieses alberne Sie?“
„Na gut,“ entgegnet Anna, die sich diesbezüglich immer noch ein wenig geziert hat. „Ich bin Anna!“
„Und ich binne Claudio!“
„Und ich bin Murat!“ meint der Türke mit einem dämlichen Grinsen hinzufügen zu müssen.
„Ja, das wissen wir“, lacht Anna. Und als Murat ihr davon erzählt, dass er demnächst wieder einen Döner-Imbiss eröffnen wird, freut sie sich für ihn.
Als Anna im Anschluss die Pizzeria wieder verlässt und Claudio ihr wie hypnotisiert nachblickt, können Enzo und Murat sich ein erneutes Grinsen nicht verkneifen.
„Na, dich hat’s ja ganz schön erwischt!“ bemerkt Murat folgerichtig.
Und Enzo fragt: „Willst du nicht endlich mal die Initiative ergreifen? Du bist ja völlig verrückt nach ihr!“
„Quatsche“, wehrt der Onkel ab. „Wir sinde nur gute Nachbarn. Und Kunde und König… äh… Kunde… und ich…. Also… oder so ähnlich! Ach, meine Junge, du machste mich noch ganz verrückte!“
Nachdem Claudio und Enzo eine Weile später ihren Laden geöffnet und ihr Tageswerk angetreten haben, fragt Claudio seinen Neffen plötzlich: „Kannste du diche vielleicht kümmern bei dem Seegers um die Genehmigung für die neue Schilde? Du hast da eine… wie sagte man… bessere Händchen für…“
„Hast du dich eigentlich schon mal schlau gemacht, was so ein Schild nun wieder kostet?“ erkundigt Enzo sich. „Können wir uns das überhaupt leisten? Murats Laden muss ja erstmal anlaufen, der wird im Moment noch nicht viel beisteuern können…“
„So teuer wirde dase schon nichte sein!“ überlegt Claudio.
„Na, ich weiß nicht… Bei der Größe, die du haben willst…“
„Zur Note, wir fragen einfach Angelina!“ beschließt Claudio. „Meine Principessa wirde uns sicher helfen gerne…“
„Dein Wort in Gottes Ohr“, prustet Enzo, der sich nicht wirklich vorstellen kann, dass seine Schwester nochmal irgendwas für sie bezahlen wird…
Onkel Claudio ist derweil guter Dinge. Mit sehr viel Liebe bereitet er später die Familienpizza für die Zieglers vor und bringt sie ihnen am Abend höchstpersönlich vorbei.
„Aber die hätte ich doch auch abholen können“, lacht Anna.
„Füre Sie immer gerne!“ strahlt Claudio.
„Ich dachte, wir sind jetzt endgültig beim Du angekommen“, erinnert Anna ihn.
„Stimmte!“
„Irgendwie brauchen wir beide wohl noch ein bisschen, bis wir uns dran gewöhnt haben.“
Die beiden verabschieden sich und Anna begibt sich mit der Pizza ins Wohnzimmer. Sarah hat Ole, Jack und Ben zu Besuch, Martin ist ebenfalls anwesend und Emil wartet schon gierig auf die Pizza. Alle machen sich hungrig darüber her und verbringen einen schönen Abend miteinander…
Ole verabschiedet sich schließlich ein wenig früher als die anderen, da er am nächsten Morgen ziemlich zeitig einen wichtigen Termin hat. Er verlässt das Haus, zündet sich eine Zigarette an und schlendert auf sein Auto zu. Seit dem letzten Vorfall ist er immer ein wenig skeptisch, wenn er sein Auto in der Lindenstraße abstellt, doch die erste Inspizierung zeigt ihm, dass er Glück hat und diesmal keiner seine Reifen zerstochen hat. Er umrundet das Auto nochmal. Als er an der Fahrertür steht und seinen Schlüssel aus der Hosentasche nestelt, bekommt er plötzlich mit einem harten Gegenstand einen kräftigen Schlag in die Kniekehlen verpasst, danach bekommt er einen Stoß in den Rücken. Vor Schmerz stöhnend sackt er auf die Knie und kriegt im nächsten Augenblick einen Schlag auf den Hinterkopf. Dann wird im schwarz vor Augen…

CLIFFHANGER auf: Ole Krawinkel

Mitwirkende Personen
Nina Zöllig
Ida Zöllig
Klaus Beimer
Mila Beimer
Anna Ziegler
Sarah Ziegler
Martin Ziegler
Emil Ziegler
Claudio Russo
Enzo Buchstab
Murat Dagedelen
Marcella Varese
Dr. Sebastian Ritter
Mandy Peschke
Jeremy Peschke
Phoebe Peschke
Jack Aichinger
Ben Hofer
Laura Steinke
Jekaterina Litwinski
Anatoli Litwinski
Oxana Litwinski
Daria Litwinski
Ole Krawinkel
Dr. Harald Körner

© ‚popo wolfson´ 2022

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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Verfasst: So 8. Mai 2022, 07:12 


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1833 - Die Entscheidung
BeitragVerfasst: So 8. Mai 2022, 10:18 
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Beiträge: 10014
Schön, eine etwas ruhigere Folge mit einem dramatischen Finale top


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