Elses Erben

Lindenstraße 1985 bis 2015 - 30 Jahre Lindenstraße, laßt uns darüber im Lindenstraßenforum schnacken.
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 Betreff des Beitrags: Folge 1784 - Entschlossenheit
BeitragVerfasst: So 30. Mai 2021, 04:09 
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Folge 1784: Entschlossenheit


Spieltag: Donnerstag, 27.05.2021


Angelina ist heute mit Hubertus zu Hohenlobese zum Mittagessen verabredet. Sie hofft, den Hotelkettenbesitzer von seinem Plan, das Hotel in der Lindenstraße in seiner ursprünglich geplanten Form zu vollenden, abhalten zu können. Onkel Claudio schlägt seiner Nichte vor, dass sie sich in der Wohnung mit Herrn zu Hohenlobese treffen könnte und er dann für sie kocht, doch diese Angebot lehnt Angelina schnell ab. Als sie sich auf den Weg macht, wünscht Nico ihr viel Glück, zuvor macht Angelina noch einen kleinen Abstecher zu Kornelia, um noch ein paar Details mit ihr zu klären. Auch Kornelia hofft natürlich inständig darauf, dass Angelina Erfolg hat, denn ansonsten wäre ihre Arbeit hier gar nicht mehr erforderlich, die Pläne für das alte Hotelkonzept stehen schließlich schon.
Angelina und Hubertus zu Hohenlobese treffen sich im Ratsbraukeller, einem Gourmet-Tempel in den Kellergewölben eines alten Zunfthauses, der inzwischen unter Auflagen wieder öffenen durfte. Angelina findet das auf dicken Säulen getragene Keller-Restaurant zunächst einen wenig erdrückend, kann sich dann aber doch nicht dem speziellen Charme des Gewölbes erwehren. Von zu Hohenlobeses Charme mal ganz zu schweigen.
Nachdem Angelina ihm während des Essens nochmal in aller Deutlichkeit vor Augen geführt hat, wie perfekt das von Kornelia entworfene Hotel in seine Kette passen würde und dass Lohmaiers ursprünglich angedachtes Projekt hingegen so rein gar nicht passen würde, muss zu Hohenlobese doch schmunzeln.
„Mir ist schon klar, warum Sie sich so ins Zeug legen“, sagt er. „Es geht Ihnen um Ihren eigenen Gewinn.“
„Nicht nur“, erwidert Angelina hastig. „Ich will auch, dass Sie...“
„Natürlich wirft das große Projekt, das Frau Harnisch entworfen hat, auch für Sie mehr ab“, sagt zu Hohenlobese. „Aber mein Entschluss steht fest. Ich habe mehr als genug von diesen großen Luxusbauten. Und ich finde etwas kleineres, etwas ganz anderes, mal wirklich reizvoll. Und das kleine Hotel in der Lindenstraße passt einfach perfekt!“
„Aber das wird niemand auf Anhieb mit Ihnen in Verbindung bringen. Sowas erwarten die Leute nicht, wenn Sie Ihren Namen hören“, hält Angelina dagegen.
„Eben drum“, antwortet Hubertus zu Hohenlobese. „Ich will Veränderung. Ich will zeigen, dass ich auch noch innovativ und überraschend sein kann.“
Angelina muss schlucken, so kommt sie hier nicht weiter.
„Ihre und Frau Harnischs Ideen gefallen mir“, redet zu Hohenlobese weiter. „Aber Hotels in dieser Art gibt es bereits ausreichend in meiner Kette. Und sagen Sie mir, warum ich mich darauf einlassen sollte. Das kleine Hotel von Herrn Lohmaier muss nur vervollständigt werden, das dauert nicht mehr lange. Im Herbst oder spätestens zum Jahresende könnten wir eröffnen. Bei Ihren Plänen hingegen müssen wir erst dieses Haus abreißen, dazu müssen dann erstmal die Mieter raus sein, es müssen noch tausend Dinge mit dem Bauamt und mit anderen Behörden geregelt werden. Es würde Jahre dauern, bis das Ganze fertig wäre.“
Angelina denkt einen Moment angestrengt nach, dann sagt sie eilig: „Ich hätte da ein nettes Grundstück in der Hinterhand. In Bogenhausen. Das könnte ich Ihnen verkaufen und da könnten Sie dann noch ein kleines Hotel hinsetzen. So ähnlich wie das von Lohmaier.“
„Ich will nicht irgendwo ein kleines Hotel bauen“, erwidert zu Hohenlobese. „Ich will dieses, das ist schließlich schon so gut wie fertig.“
Angelina wird immer verbissener. Sie ärgert sich innerlich maßlos darüber, dass sie nach all den Unannehmlichkeiten, die sie mit dem Hotel bereits hatte, jetzt schon wieder vor solch einer Hürde steht.
„Sie sind doch eine ehrgeizige junge Frau“, sagt zu Hohenlobese plötzlich. „Sie haben so viel Energie und bestimmt noch viele großartige Ideen. Warum beißen Sie sich ausgerechnet an dieser Sache so fest?“
„Weil ich dieses verdammte Haus loswerden will“, erklärt Angelina schließlich. „Das habe ich von meinem Vater geerbt. Und es ist mir nur ein Klotz am Bein. Aber die Lage zu diesem Hotel ist perfekt. Etwas besseres, als das Grundstück mit in das Hotelprojekt einzubeziehen, könne ich damit gar nicht anstellen.“
„Es tut mir leid“, sagt zu Hohenlobese schließlich. „Ich kaufe Ihnen das Hotel gerne ab. Aber nur das Hotel. Das Nachbargrundstück interessiert mich nicht. Und das Hotel würde ich so vollenden, wie Herr Lohmaier es vollendet hätte und nicht anders.“
Angelina atmet tief durch, dann entgegnet sie: „Dann tut es mir ebenfalls leid, aber unter diesen Umständen kommen wir nicht ins Geschäft. Ich verkaufe das Hotel nur zusammen mit dem Nachbargrundstück und mit Frau Harnischs Plänen.“
Dann steht Angelina ohne jeden weiteren Blickkontakt auf und verlässt mit energischen Schritten den Ratsbraukeller. Hubertus zu Hohenlobese blickt ihr schmunzelnd nach. Die Frau gefällt ihm. Und ihre Konsequenz ebenfalls.
Als Angelina nach Hause kommt, wollen Nico und Claudio sofort wissen, ob es etwas zu feiern gibt, doch Angelina erwidert nur knapp: „Der Deal ist geplatzt!“ Dann zieht sie sich in ihr Arbeitszimmer zurück und ruft Kornelia an, um auch sie über das missglückte Essen mit Herrn zu Hohenlobese in Kenntnis zu setzen. Auf Angelinas Frage, ob sie eventuell noch einen anderen Interessenten kennen würde, muss Kornelia passen.
„Ich versteh das nicht“ nörgelt die Architektin. „Ich kenn' den zu Hohenlobese schon so lange und weiß eigentlich, wie der tickt. Dieses Projekt passt doch wie maßgeschneidert zu ihm.“
„Offensichtlich sieht er das ja wohl anders, so gut scheinen Sie ihn ja doch nicht zu kennen“, entgegnet Angelina schnippisch. „Ich werde nach all dem Ärger jedenfalls nicht klein beigeben. Wenn der nicht will, dann finde ich halt einen anderen Interessenten, der das Projekt nach unseren Plänen umsetzt...“

Tanja weiß nicht mehr weiter. Simon verkriecht sich immer noch in seinem Zimmer und weigert sich, zur Schule zu gehen. Nicht mal an seinem Geburtstag vorgestern hat er sich ein Stück weiter aufmuntern lassen. Und von Sunny hat sie seit ihrem Umzug in die Pension in der Ulmenstraße auch kein Lebenszeichen mehr erhalten. Nachdem Tanja im Friseur-Salon 'Lotti' und Lea ihr Leid über ihre momentane Situation geklagt hat, macht sie sich in der Mittagspause auf den Weg ins Akropolis in der Hoffnung, Sunny dort anzutreffen, doch sie wird enttäuscht: Vasily teilt ihr mit, dass Sunny sich schon unmittelbar nach ihrer Rückkehr aus Berlin bei ihm krank gemeldet hat und seither nichts mehr von sich sehen oder hören lassen hat. Und auch Nina hat in den letzten Tagen nichts von Sunny gehört. Tanjas Sorge wächst. Und so begibt sie sich schließlich auf den Weg zur Pension, die nur wenige Straßen entfernt ist. Dort angekommen erkundigt sie sich bei der Pensionswirtin Vroni Hallhuber, einer übergewichtigen, sehr lauten Frau um die 60 nach Sunny.
„Diese merkwürdige Person, die vor zwoa Wochen do neizong is'?“ poltert sie in unverkennbarem Bayerisch. „Die kennen Sie? Ja, mei, hören's mir bloß auf mit dera? Eine Frau soll des soan? A Mannsbuid in Frauenkleidern is des. Hat man hier seither nimmer g'seng. Des Essens soll ich ihr vor die Tür stellen, wenn ich dann später die Teller wieder abhole, hat's kaum was angerührt. Wenn's mir net ab und an durch die Tür was zuraunen würd', I hätt' schoa längst die Polizei gerufen, weil I denken tät' die wär' dera drinnen verstorm, verstehn's? A merkwürdige Person. Aber die Zimmermiete überweist's mir jede Woch' pünktlich online. Und die kennen's? Na, dann versuchen's mal ihr Glück. Zimmer 17. I glaub net, dass die eana aufsperrt.“ Und die Pensionswirtin behält recht. Tanja klopft und ruft mehrere Minuten verzweifelt vor Sunnys Tür, doch es rührt sich nichts. Schließlich sucht Tanja erneut die Hallhuber auf und erkundigt sich nach einem Generalschlüssel. „Freilich dad i in alle Zimmer 'neikimma“, poltert die Dicke. „Aber des geht natürlich net so einfach. So lange die Gäst' zahlen und sich nichts zu Schulden kommen lassen, kann I doa net einfach so 'neiplatzen, des verstehn's doch sicher?! Privatsphäre und so.“Tanja ringt sich dann nach reiflicher Überlegung dazu durch, Vroni Hallhuber zu erzählen, dass Sunny vor wenigen Wochen auf tragische Weise ihren Sohn verloren hat und dass sie sich wirklich Sorgen mache und sich nicht sicher sei, ob Sunny nicht doch in der Lage wäre, sich etwas anzutun.„Jessus, Maria“, gröhlt Vroni.. „Des is dera Bua, der von dem Kran g'stürzt ist?? Himmel!! Und Sie meinen's er... also sie... also die Person könnte... In meiner Pension? Josef, Maria..Aber heute Morgen hat sie mir noch des halbe Frühstück wieder vor die Tür g'stellt, die Person... Jesses... Was mache ich? Soll ich vielleicht doch lieber die Polizei...?“„Es würde schon reichen, wenn Sie mir das Zimmer aufschließen könnten“, bittet Tanja sie. „Ich nehme das alles auf meine Kappe.“„Jesses, i woas net“, überlegt Frau Hallhuber. „So etwas tu I ja goar net gerne. Sind Sie denn verwandt mit derer... Person?“„Wir sind verheiratet“, erklärt Tanja. Vroni Hallhuber starrt sie daraufhin sekundenlang fassungslos an. „Jesses“, sagt sie schließlich. „Sie san verheiratet? Mit dera Person da drinnen? Ja, Sachen gibt’s! Wenn des mei Manfred noch erleben tät', Gott hab ihn selig. Also guat, wenn Sie des nachher wirklich auf Ihre Kappe nehmen und ich keine Scherereien krieg deswegen...“Vroni Hallhuber händigt Tanja schließlich ein Schlüssel aus und diese begibt sich mir klopfendem Herzen erneut zu Zimmer 17. Was sie sieht, erschreckt Tanja zu Tode: In dem abgedunkelten Zimmer liegt Sunny, nur in Unterwäsche bekleidet mit dem Gesicht zur Wand. Der Raum stinkt erbärmlich und ist offenbar seit Tagen nicht mehr gelüftet worden, auf dem Fußboden verteilt liegen diverse Kleidungsstücke und Sunnys Perücke, auf dem Tisch stehen diverse leere Flaschen; Bier, Wein, auch Hochprozentiges.„Sunny?“ fragt Tanja vorsichtig. Doch vom Bett kommt keine Reaktion.„Himmel! Sakrament! I glaub, I werd' narrisch!“ poltert es plötzlich lautstark von hinten. Unbemerkt ist Vroni Hallhuber Tanja in das Zimmer gefolgt. „Ja, wie schaut's denn hier aus? Und wie des stinkt! Pfui, Deivel. So oane Sauerei! Des sieht hier ja aus wie in eine von diese Messie-Wohnungen. Na! Des geht so net! In so kurzer Zeit hier so einen Saustall zu hinterlassen. Des dulde ich nicht. Des is an anständiges Haus! Sie müssens sofort wieder auszuziehen, hörn's?“Tanja, die sich gerade unweigerlich an Else Kling erinnert fühlt, bittet die Pensionswirtin, das Zimmer wieder zu verlassen, doch die zetert unablässig weiter. Nun regt sich auch endlich Sunny auf ihrem Bett. Schwerfällig dreht sie sich um und blickt die ungebetenen Gäste aus rotgeweinten, von schwarzen Schatten umrandeten Augen an. „Ich möchte allein sein!“ ist das einzige, was sie hervorbringt.„Sie haben es doch gehört!!“ sagt Tanja zu der Zimmerwirtin.„Gehört ja“, entgegnet diese. „Und gesehen. Vor allem gesehen. Und natürlich gerochen. Des dulde ich net. Entweder diese Person ist bis heute Abend um 18 Uhr ausg'zogen – oder ich rufe die Polizei. Pfui, so eine ekalhafte Person!“ Und laut zeternd verlässt die dicke Frau das Pensionszimmer, während Tanja ihren Blick nochmal über das Chaos ringsherum schweifen lässt und dann das Gespräch mit Sunny sucht. Sie redet eine ganze Weile auf sie ein und versucht Sunny zu einer Rückkehr nach Hause zu bewegen. Doch Tanja dringt überhaupt nicht zu ihr durch: Sunny liegt regungslos und schweigend auf dem Bett, dreht Tanja den Rücken zu und starrt die Wand an. Nach geraumer Zeit verlässt Tanja das Pensionszimmer schließlich und legt Frau Hallhuber beim Hinausgehen wortlos den Schlüssel auf den Anmeldetresen. „Sie!“ ruft die Hallhuber ihr noch nach. „I hab des ernst g'meint. Wenn Ihre... also diese Person bis heute Abend um Sechse nicht ausg'zog'n ist, denn ruaf I die Polizei!“„Tun Sie, was Sie nicht lassen können!“ erwidert Tanja, wirft der Dicken noch einen vernichtenden Blick zu und verlässt die Pension.Anschließend ist Tanja völlig durch den Wind. Sie sieht sich heute nicht mehr in der Lage, noch zu arbeiten und nimmt sich den Nachmittag frei. 'Lotti' und Lea sind in Anbetracht der vielen Termine heute alles andere als begeistert und fragen sich, wie sie diesen Kundenansturm zu zwei bewältigen sollen – aber sie versuchen, Verständnis aufzubringen für Tanjas Situation.Als Tanja mehrere Stunden später alleine am Abendbrottisch sitzt – Simon weigert sich mal wieder, sein Zimmer zu verlassen und mit ihr zu essen – hört sie plötzlich einen Schlüssel in der Wohnungstür. Und dann erscheint Sunny.„Oh, Gott sei Dank“, sagt Tanja erleichtert.„Ich geh duschen“, sagt Sunny und stellt ihr Gepäck im Flur ab. Und noch im selben Augenblick verlässt Simon, der Sunny gehört hat, sein Zimmer. Wortlos stehen die beiden sich gegenüber, dann sagt Simon zu ihr: „Es tut mir so leid!“Sunny mustert ihn mit ausdruckslosem Blick von oben bis unten und sagt leise: „Ich weiß.“Dann verschwindet sie im Badezimmer. Simon, der sich etwas mehr von ihr erhofft hat als diese knappe Antwort, verbarrikadiert sich sofort wieder in seinem Zimmer. Und auch Sunny zieht sich nach dem Duschen ohne jedes weitere Wort sofort ins Bett zurück. Und Tanja hockt immer noch alleine vor ihrem unangerührtem Abendbrot. So viele zerbrochene Seelen nach Yanniks Tod um sie herum – und sie weiß nicht, wie sie ihnen helfen soll...

Marcella und Sebastian haben eine schöne gemeinsame Nacht in Marcellas Wohnung verbracht.
„Ich hab überhaupt keinen Bock, aufzustehen und ins Café zu gehen“, stöhnt Marcella.
„Dann bleiben wir heute im Bett“, schlägt Sebastian vor.
„Oh ja. Und dann hab ich Hülsch wieder auf der Matte stehen, der mir sonst was erzählt“ sagt Marcella. „Bevor die George-Kette verkauft wurde, hab ich echt lieber dort gearbeitet. Aber jetzt... Ich hab null Freiheiten, alles muss nach Schema F laufen.“
„Klingt nicht sehr angenehm“, stimmt Sebastian ihr zu.
„Ganz früher hat das Café ja mal meinem Vater gehört“, schwelgt Marcella in Erinnerungen. „Dann hat er den Laden irgendwann an die George-Kette verkauft, aber damals war das auch noch okay. Das Café gehörte zwar offiziell der Kette, aber die haben mich trotzdem immer mein Ding machen lassen und zu allem Ja und Amen gesagt, solange das Geschäft lief. Es war immer noch gefühlt so, als ob das mein eigener Laden wäre. Aber seit diese Taiwaner übernommen haben, bin ich total fremdbestimmt. Das hat nichts mehr mit dem alten George zu tun.“
„Dann gönn' dir mal was Schönes“, schlägt Sebastian vor. „Raus aus dem Alltagsmief.“
Marcella lehnt sich verträumt zurück. „Mein großer Traum ist es ja, einmal nach Australien zu fliegen und im Great Barrier Reet zu tauchen. Letztes Jahr wollte ich das machen, dafür hab ich lange gespart. Und dann kam Corona. Seitdem liegen meine Reisepläne auf Eis. Aber wenn dieser ganz Scheiß irgendwann mal endlich vorbei ist – dann hol ich das nach!“
„Klingt nach einem guten Plan!“ befindet Sebastian. „Nimmst du mich mit?“
Marcella ist ein wenig unschlüssig. Sie war nicht auf der Suche nach einer Beziehung, als sie Sebastian begegnet ist, und hat ihr Single-Leben eigentlich immer genossen. Aber sie mag Sebastian und verbringt gerne Zeit mit ihm. Dennoch ist sie sich immer noch nicht sicher, ob das nur ein schönes aber vorübergehendes Abenteuer ist oder ob sich daraus wirklich etwas Festes entwickeln könnte – und ob Marcella das überhaupt will...
„Wenn du brav bist“, sagt sie, um möglichst unverfänglich zu bleiben. „Aber jetzt muss ich ins Café.“
„Ich bin immer brav“, ruft Sebastian ihr hinterher, als Marcella im Bad verschwindet.
Eine Weile später, bei ihrer Schicht im George, erhält Marcella mal wieder ungebetenen Besuch von Hülsch.
„Frau Varese, ich muss mit Ihnen reden“, begrüßt er sie im gereizten Tonfall.
„Was ist denn jetzt schon wieder?“ fragt Marcella, der es mittlerweile gewaltig auf die Nerven geht, dass Hülsch sie mittlerweile alle Nase behelligt.
Herr Hülsch seufzt und sagt dann: „Es geht um Ihre Mitarbeiterin, diese Lola Steinke.“
„Laura Steinke“, verbessert Marcella ihn.
„Ja, genau die.“
„Was ist mit ihr?“ will Marcella wissen.
„Nun ja, wie soll ich sagen“, druckst Hülsch rum. „Die... also sie passt einfach nicht in das Konzept dieses Unternehmens.“
„Wie meinen Sie das denn jetzt?“
„Naja“, erwidert Hülsch. „Ich hatte Ihnen ja gesagt, dass das Unternehmen eine weibliche Service-Kraft zwischen 20 und 30 bevorzugt.“
„Und dieser Wunsch wird mit Laura ja wohl voll erfüllt“, meint Marcella.
„Alter und Geschlecht, ja... Aber...“
„Aber was?“
„Sie... sie ist halt einfach zu...“
„Einfach zu was?“
„Einfach zu fett“, platzt es aus Hülsch raus.
„Wie bitte?“ fragt Marcella empört.
„Sehen Sie, Frau Varese, ein Großteil unserer Kundschaft besteht aus jungen Menschen zwischen 20 und 30. Und unsere Mitarbeiter... also, verstehen Sie, es ist förderlich für das Geschäft, wenn unsere männliche Kundschaft sich von den Kellnerinnen angezogen fühlt und unsere weibliche Kundschaft sich mit ihnen identifizieren kann.“
„Aber unsere weibliche Kundschaft ist ja nicht durchgängig gertenschlank“, wirft Marcella ein. „Außerdem finde ich es reichlich unverschämt, wenn Sie sagen...“
„Aber trotzdem wirkt so eine Presswurst eher abschreckend auf die Kundschaft“, unterbricht Hülsch sie. „Und abgeschreckte Kunden zahlen nicht so gut.“
In diesem Moment bemerkt Hülsch Popo, die gerade ein paar Gäste an den Außentischen bewirtet hat und nun wieder ins Café kommt, ein paar neue Bestellungen auf ihr Tablett stellt und wieder nach draußen verschwindet.
„Und wer ist das?“ fragt er - und richtet dabei ein verstärktes Augenmerk auf Popos Hintern.
„Das ist Popo“, antwortet Marcella.
Herr Hülsch starrt die Italienerin fassungslos an. „Das ist bitte was???“
„Nicht was, sondern wer“, erklärt Marcella grinsend. „Popocatepetl Wolfson.“
„Popocate... Nicht Ihr Ernst?“ erwidert Hülsch kopfschüttelnd. „Unglaublich, was manche Eltern ihren Kindern antun. Und was macht sie hier? Meines Wissens ist diese Dame hier nicht offiziell angestellt.“
„Sie arbeitet hier sozusagen ehrenamtlich“, berichtet Marcella, „Um die deutsche Sprache besser zu lernen. Sie ist Kanadierin.“
„Ahaaa“, macht Hülsch, während er durch die Fensterfront Popos Körper von oben bis unten mit Blicken abtastet.
„Jetzt fangen Sie mal nicht an zu sabbern“, sagt Marcella sarkastisch, nachdem sie Hülsch einen weiteren Moment lang beobachtet hat.,
Herr Hülsch hat sich schnell wieder im Griff. „Also ehrenamtlich lobe ich mich“, erklärt er. „Und das ist – allein schon rein optisch – mal eine Service-Kraft, die perfekt ins Konzept der Kette passt. Und daher werden Sie dieser jungen Dame eine bezahlte Stelle geben und dafür die dicke Österreicherin entlassen.“
„Was?“ fragt Marcella entsetzt. „Das ist jetzt nicht Ihr Ernst?“
„Und ob“, entgegnet Hülsch. „Bis nächste Woche haben Sie die Presswurst offiziell durch dieses nette Geschöpf da ersetzt.“ Als Popo just in diesem Augenblick ins Café zurückkommt, erklärt Hülsch ihr: „Herzlichen Glückwunsch, Fräulein Popocate...dingsda. Sie haben gerade eine bezahlte Anstellung erhalten, Frau Varese wird sich um alles Weitere kümmern.“
„Und wer sind Sie?“ fragt Popo und blickt irritiert zwischen Hülsch und Marcella hin und her. Herr Hülsch stellt sich ihr vor und die beiden versinken innerhalb kürzester Zeit in eine sehr angeregte Unterhaltung, bei der Hülsch es sich nicht nehmen lässt, Popo zwischendurch immer wieder wie zufällig am Arm oder an der Hüfte zu berühren – und seinen Blick wiederholt in Richtung Ausschnitt wandern lässt. Popo scheint dies nichts auszumachen. Marcella kocht unterdessen innerlich vor Wut darüber, wie Hülsch ihre Personalentscheidungen spontan über den Haufen wirft...
Nachdem Hülsch fort ist und Popo euphorisch in Anbetracht ihrer bezahlten Anstellung die Gäste bewirtet, überlegt Marcella fieberhaft, wie sie Laura die ganze Sache beibringen soll. Und als ob der Tag nicht schon schlimm genug wäre, platzt dann auch noch Gina ins Café.
„Buon pomeriggio tesoro mio“, schreit sie beim Eintreten.
„Auch das noch“, entfährt es Marcella.
„Chiedo scusa?“ fragt Gina, ignoriert dann aber die Spitze ihrer Tochter und fährt ungebremst fort: „Marcella, la mia amica del cuore, ich musse schimpfen mit dir. Seit Wochen, seit WOCHEN, ich warte darauf, dass du mir endlich vorstellst meine zukünftige Schwiegersohne. Und es passiert nichts! Niente! Was soll das? Schämst du dich für deine alte Mutter? Oder haste du den nur erfunden, oder was?“
Es entflammt eine hitzige Diskussion, Schließlich verspricht Marcella ihrer Mutter entnervt, ihr Sebastian bald vorzustellen.
„Das versprichst du mir schon seit Wochen!“ klagt Gina. In diesem Moment wird sie auf Popo aufmerksam und fragt: „Wer ist denn das? Madonna, noch kürzer ging das Teil ja wohl nicht, warum geht die nicht gleich nackt!!?“
„Das ist meine neue Mitarbeiterin Popo“, erklärt Marcella.
„Popo???“ schreit Gina schrill. „Was ist das denn für eine Name:Popo? Wie kommst du denn an sowas? Kannst du dir nicht mal mehr anständiges Personal leisten?“
„Das ist die Enkelin von Herrn Schiller“, sagt Marcella. „Du weißt schon, der verstorbene Mann von Frau Beimer.“
In Ginas Kopf arbeitet es sichtlich, dann scheint ihr ein Licht aufzugehen und sie schreit: „Madonna mia! Dann ist dieses Popo die Tochter von diese Person, mit der dein Vater damals seine Polin hat betrogen, nur ein paar Jahre, nachdem er mit der Polin mich hat betrogen?!“
„Geht es vielleicht ein bisschen leiser?“ fragt Marcella.
„Madonna!“ kreischt Gina unverblümt weiter. „Dieses Popo ist jetzt aber nicht womöglich sogar deine Halbschwester?“
Marcella hält jetzt selbst einen Moment verunsichert inne, dann sagt sie jedoch hastig: „Nein, nein, nein! Das ist völlig ausgeschlossen, als sie gezeugt wurde, war das mit Papa und Pat schon längst vorbei.“
„Na dann“, meint Gina und beobachtet Popo skeptisch. Diese bekommt von alledem nichts mit und ist nach ihrer Festanstellung durch Herrn Hülsch einfach nur noch gut gelaunt – wenigstens verdient sie mit diesem Bullshit hier jetzt Geld und muss sich nicht mehr umsonst abrackern. Gina verabschiedet sich schließlich und mahnt Marcella erneut, dass es ihr sehr wichtig sei, endlich den Zahnarzt kennenzulernen – schließlich würden ihre Cousinen Francesca und Graziella aus Bologna auch schon ständig am Telefon danach fragen.
Als Marcella später Feierabend macht, fühlt sie sich völlig geschlaucht vom heutigen Tag und beschließt, ihr Gespräch mit Laura auf morgen zu verschieben. Als sie später erneut Besuch von Sebastian bekommt, klagt sie ihm ihr Leid über die heutigen Ereignisse.
„Also ich würde deine Mutter ja schon auch endlich gerne mal kennenlernen“, erklärt er – doch Marcella scheint mit den Gedanken schon wieder ganz woanders zu sein.
„Weißt du was?“ meint sie plötzlich. „Ich hab mir was überlegt. Ich mach diesen Scheiß nicht mehr länger mit!“
„Welchen Scheiß meinst du jetzt genau?“ erkundigt Sebastian sich.
„Dieses ganze Theater mit Hülsch und der blöden Kette“, erklärt Marcella. „Ich will wieder meinen eigenen Laden, wie früher. Und das mache ich jetzt auch!“
„Wie meinst du das?“
„Das Great Barrier Reef muss noch warten. Ich nutze meine Ersparnisse als Grundlage für ein eigenes Cafe. Dann erkundige ich mich mal bei der Bank nach einem Kredit. Und ich frag den Hülsch, ob die George-Kette mir nicht diese Filiale hier abtritt. Und wenn nicht, dann suche ich mir halt ein anderes Lokal. Aber diesen Mist mache ich nicht länger mit.“
„Bist du sicher, dass du dich damit nicht übernimmst?“ fragt Sebastian skeptisch. „Vielleicht ist es keine so gute Idee, gerade in Zeiten wie diesen, wo die Gastronomie wegen der Corona-Krise überall den Bach runtergeht, ausgerechnet ein eigenes Cafe aufmachen zu wollen?“
„Ach was“, entgegnet Marcella entschlossen. „Diese Krise wird auch bald endlich ausgestanden sein. Und wer nicht wagt, der nicht gewinnt!“

CLIFFHANGER auf: Marcella Varese

Mitwirkende Personen
Marcella Varese
Dr. Sebastian Ritter
Popo Wolfson
Angelina Dressler
Claudio Russo
Nico Zenker
Kornelia Harnisch
Nina Zöllig
Sunny Zöllig
Tanja Schildknecht
Simon Schildknecht
Peter 'Lotti' Lottmann
Lea Starck
Vasily Sarikakis
Hans-Wilhelm Hülsch
Gina Conti
Hubertus zu Hohenlobese
Vroni Hallhuber


© 'popo wolfson' 2021

_________________
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was dir passiert und zu 90% daraus, wie du darauf reagierst
Charles R. Swindoll


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: So 30. Mai 2021, 04:09 


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 Betreff des Beitrags: Re: Folge 1784 - Entschlossenheit
BeitragVerfasst: So 30. Mai 2021, 08:12 
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Registriert: Mi 15. Sep 2010, 12:37
Beiträge: 10015
Danke Popo, Else Kling lebt :D

Sunny und Simon sind ein Fall für den Psychiater. Und Angelina bekommt noch ein Magengeschwuer, wenn sie so weiter macht.


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