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Folge 1917 - Schuld und Schuldigkeit

Sa 4. Mai 2024, 23:08

Folge 1917: Schuld und Schuldigkeit

Spieltag: Donnerstag, 02.05.2024

Vasily staunt nicht schlecht, als Simone an diesem Morgen vor dem Akropolis parkt und das Gepäck, das sie von ihrem Auto in seine Wohnung zu schleppen beginnt, aus ihrem halben Hausstand zu bestehen scheint.
„Willst du jetzt doch deine Wohnung in Starnberg ganz aufgeben?“, fragt er. „Ich dachte, die behalten wir als Zweitwohnung. Da brauchst du doch nicht gleich alles mitbringen.“
„Ist ja auch nicht alles, nur das Nötigste“, erklärt Simone, während sie schnaufend einen weiteren Umzugskarton aus dem Kofferraum hievt und auf dem Gehweg abstellt.
„Meinst du, wir kriegen das alles bei mir unter?“, fragt Vasily skeptisch. „Ist ja nicht so, dass ich nicht immer noch meinen eigenen Hausstand hätte…“
„Raum ist in der kleinsten Hütte“, keucht Simone und stellt einen Wäschekorb voller Bücher neben einem Koffer voller Klamotten ab.
„Dass du jetzt plötzlich sooo Hals über Kopf zu mir ziehen willst, hat aber nicht zufällig etwas damit zu tun, dass Mary heute ankommt?“, fragt er grinsend. „Hast du vielleicht Angst, uns unbeaufsichtigt zu lassen?“
„Nein, natürlich nicht“, erwidert Simone hastig. „Das hatten wir doch geklärt; ich bin nicht eifersüchtig!“
„Na dann…“, grinst Vasily und verdonnert Mikis dazu, Simone dabei zu helfen, ihre Sachen nach oben in die Wohnung zu schleppen.
„Falls der alte Stinkstiefel nachts schnarcht, kannst du mich auch gerne jederzeit auf der Couch besuchen“, erklärt Mikis Simone augenzwinkernd, nachdem er den letzten Karton angestellt hat.
„Okay“, meint Simone gedankenverloren und hat ihm offenbar gar nicht richtig zugehört. Irgendwie wirkt sie ein wenig fahrig, fast schon nervös. Aber das interessiert Mikis herzlich wenig. Ihn freut es viel mehr, dass er sich ab heute außer mit Vasily die Wohnung gleich mit zwei schönen Frauen teilen darf…
Während Simone ihre Habseligkeiten in der Wohnung zu verstauen beginnt, schlendert Mikis kurz zum Supermarkt, um sich Zigaretten zu kaufen – und trifft dort prompt auf Jack.
„Na, wie cool, dass wir uns endlich über den Weg laufen!“, freut er sich. „Hab schon gehört, dass du jetzt stolze Villenbesitzerin bist. Hab’s aber noch nicht geschafft, dich mal zu besuchen …“
Jack starrt Mikis überrascht an. „Kennen wir uns?“ fragt sie irritiert.
„Na, hör mal…“, beginnt er – doch dann fällt ihm ein, was Vasily ihm erzählt hat. Die Sache mit Jacks Amnesie hat er zwar zur Kenntnis genommen, aber dann doch schnell wieder verdrängt. Etwas verlegen stellt er sich ihr vor und berichtet von ihrer früheren Verbindung.
„Ja, Vasily hat mal von dir erzählt“, sagt Jack. „Aber da ist nichts mehr, ich kann mich null an dich erinnern …“
„Tsss“, macht Mikis grinsend. „Normalerweise bleibe ich den Ladys nachhaltiger in Erinnerung.“ Dann wird er jedoch ernst und zeigt aufrichtiges Interesse an Jacks Schicksal.
„Schon krass, wenn ich mir vorstelle, dass das halbe Leben plötzlich einfach so weg ist“, meint er.
Die beiden unterhalten sich noch eine ganze Weile, ehe Mikis nach Hause zurückgeht. Trotz allem möchte er auf gar keinen Fall die Ankunft von Mary verpassen.
Und es dauert auch nicht mehr lange, bis ein Taxi vorfährt, aus dem Vasilys Ex-Frau aussteigt. Während Vasily und Mikis Mary überschwänglich begrüßen, beobachtet Simone das große Wiedersehen vom Rande des Geschehens aus doch mit einer gewissen Skepsis …
„Es freut mich, dich kennenzulernen“, sagt Mary schließlich freundlich zu Simone und streckt ihr lächelnd die Hand entgegen.
„Hmmhmm“, macht diese verbissen und ergreift nur sehr flüchtig Marys Hand.
„Simone ist ein bisschen eifersüchtig, weil sie glaubt, ich könnte noch was von meiner Ex-Frau wollen“, witzelt Vasily – und Simone spürt einen Schwall Wut in sich hochkochen.
„Oh Gott, das ist mir jetzt aber wirklich peinlich“, entschuldigt sich Mary und hält sich die Hand vor den Mund.
„Simone ist hart im Nehmen“, erklärt Vasily beiläufig und Simone fällt es zunehmend schwerer, diesen Sarkasmus zu ertragen. Was soll das denn jetzt? Muss er sich und seiner Ex irgendetwas beweisen?
„Ich kann auch in ein Hotel ziehen“, sagt Mary schnell. „Ich möchte wirklich nicht stören oder aufdringlich sein.“
„So weit kommt das noch!“, mischt sich nun Mikis ein. „Und wenn du dich in deinem Gästebettchen einsam fühlst, dann komme ich nachts zum Kuscheln vorbei. Oder du kommst zu mir auf die Couch …“
Mary lacht kurz auf und verdreht dann die Augen, Vasily straft Mikis mit einem vernichtenden Blick und Simone reicht es nun wirklich. Was läuft hier? Warum sind all diese griechischen Kerle so völlig verrückt nach der Ex aus Berlin?
„Ich muss nochmal was besorgen“, erklärt Simone knapp und verlässt fluchtartig das Lokal.
Mary lässt sich von Vasily und Mikis derweil das Gepäck nach oben tragen, danach verabschiedet sie sich.
„Ich möchte Anna besuchen“, erklärt sie.
Als Mary die Lindenstraße überquert und auf das Haus Nr. 3 zugeht, muss sie feststellen, dass sich hier gar nicht allzu viel verändert hat. Wie lange war sie jetzt nicht mehr hier? 17 oder 18 Jahre? Auf jeden Fall eine Ewigkeit, aber in diesem Moment fühlt es sich an wie gestern … Sie hat hier so viel erlebt. Gutes, wie Schlechtes. Und ihr Fortgang von hier stand definitiv unter keinem guten Stern. Aber das ist Vergangenheit. Und Frau Koch lebt ja ohnehin schon lange nicht mehr. Was soll sie sich also noch über den Schnee von gestern aufregen?
Das Wiedersehen mit Anna gestaltet sich für Mary als überaus angenehm und die beiden haben sich viel zu erzählen.
Derweil richtet sich auch Simone häuslich in Vasilys Wohnung ein und ist froh darüber, dass Mary momentan nicht zugegen ist.
„Kommst du zurecht?“, erkundigt Vasily sich, als Simone ihre Kleidung in seinem Schrank verstaut.
„Warum machst du dich über mich lustig?“, zickt sie ihn an. „Und das auch noch vor Mikis und vor deiner Ex-Frau…“
„Entschuldige bitte, das war nicht meine Absicht!“, versichert Vasily ihr, doch Simones Laune wird dadurch nicht besser. Sie wirkt die ganze Zeit über gereizt und fahrig. Aber vor allem nervös…
„Bist du etwa doch noch eifersüchtig?“, erkundigt sich der griechische Wirt.
„Nein, bin ich nicht!“, wehrt Simone giftig ab.
Simones Stimmung wird im weiteren Tagesverlauf nicht besser. Sie wirkt völlig angespannt und sowohl als Mary nach Hause kommt wie auch später, als an der Tür klingelt und ein Paketbote davor steht, erschreckt sie sich nahezu …
„Was ist denn bloß los?“, will Vasily wissen, während er am Abend mit Mary und Simone beim Abendbrot sitzt (Mikis vertritt ihn heute im Lokal) und das klingelnde Telefon Simone erneut aus der Fassung bringt.
„Nichts!“, zickt Simone erneut gereizt.
Mary spürt, dass sie gerade stört und Simone wohl gerne mit Vasily alleine reden würde. Daher verkrümelt sie sich mit der Aussage, sie würde noch einen kleinen Abendspaziergang machen.
„Willst du mir nicht endlich sagen, was du hast?“, erkundigt Vasily sich erneut, als die beiden alleine sind. Doch Simone antwortet nicht, sondern beginnt stattdessen, verbissen den Tisch ab- und die Spülmaschine einzuräumen …
Derweil schlendert Mary durch die Lindenstraße und hängt alten Erinnerungen nach. Interessiert bleibt sie vor dem Grundstück stehen, auf dem sich früher das Haus Nr. 5 befunden hat. Natürlich hat auch sie von der Hotel-Katastrophe gehört. Doch die Überreste des Infernos wurden mittlerweile abgetragen und ein Schild weist darauf hin, dass hier in der kommenden Woche der Bau eines neuen Mietshauses beginnen soll…
Mary geht weiter in den Park und genießt den Frühlingsabend – ohne zu ahnen, dass sich ganz in ihrer Nähe im Gebüsch Olaf Kling verbirgt und sie voller Hass beobachtet …
Mittlerweile hat Simone sich in Vasilys Wohnung ein wenig gefasst und ist nun endlich bereit, ihr sonderbares Verhalten zu erklären …
„Ich werde bedroht“, erklärt sie nervös.
„Bedroht?“, fragt Vasily erschrocken. „Von wem?“
„Offenbar von Society“, sagt Simone zerknirscht.
„Wie?“, will Vasily wissen.
„Ich bekomme anonyme Drohanrufe. Und irgendwelche zwielichtigen Gestalten schleichen vor dem Haus in Starnberg rum und beobachten meine Wohnung.“
„Und wie kommst du auf Society?“, fragt Vasily.
„Mir wurde mit verzerrter Stimme am Telefon mitgeteilt, dass ich öffentlich bekanntgeben soll, das mein Buch reine Fantasterei sei. Dass das alles nichts mit der Realität zu tun habe und meine Recherchen auf keinerlei fundierter Grundlage beruhen.“
„Oh“, macht Vasily. „Und willst du dich darauf einlassen?“
„Bist du verrückt?“, entfährt es Simone erbost. „Ich mache mich doch nicht vor aller Öffentlichkeit lächerlich, nachdem vorher so viel Werbung für die Authentizität meines Buches gemacht wurde! Ganz davon abgesehen, dass mein Verleger mich vermutlich teeren und federn würde…“
„Deshalb wolltest du so überstürzt aus Starnberg weg“, stellt Vasily fest.
„Naja, ich wollte schon ein wenig aus der Schusslinie“, gibt Simone zu. „Aber es ist trotzdem wirklich toll, dass wir jetzt zusammenwohnen, wirklich! Ich weiß gar nicht, warum ich mich so lange dagegen gesträubt habe…“
„Bist du bei der Polizei gewesen?“ fragt Vasily.
„Ach, die machen doch eh nichts!“, winkt Simone ab. „Ich lasse jetzt einfach ein bisschen Gras über die Sache wachsen, dann hören die irgendwann schon von selbst auf!“
Ein ungutes Gefühl bleibt in Simone insgeheim jedoch dennoch vorhanden. Sollte sie mit dem Buch über Society vielleicht doch einen Fehler gemacht haben …?

Jenny steht zunehmend unter Druck. Dirk Simonischek hat ihr auch in den vergangenen Tagen deutlich zu verstehen gegeben, dass er Kooperation von ihr erwartet und sie endlich Ergebnisse liefern soll. Für Jenny ist klar, dass die Frau, die in dem türkischen Supermarkt arbeitet, wirklich Marlies ist. Dennoch sträubt sie sich dagegen, ihre frühere Mitstreiterin einfach ans Messer zu liefern. Nach langem Hin und Her beschließt Jenny, Simonischek einfach zu belügen; sie will ihm sagen, dass sie sich absolut sicher ist, dass es sich bei der Frau nicht um Marlies Funke handelt. Zwar könnte er vermuten, dass sie ihn belügt, aber beweisen kann er es nicht, sie hat Marlies seit über 30 Jahren nicht gesehen… Und sollte Marlies dann später doch noch überführt werden, dann zumindest nicht durch Jennys Schuld… Nervös versucht Jenny, Simonischek anzurufen – und erreicht ihn ausgerechnet heute nicht … Sie hofft, dass er sie zurückruft, wenn er ihre Nummer in seiner Anrufliste entdeckt, doch es passiert nichts und Jenny wird zunehmend nervös. Dies bleibt auch Murat nicht verborgen. Er erkundigt sich bei ihr, ob alles in Ordnung ist, und als Jenny behauptet, sie fühle sich heute nicht gut, schickt er sie nach Hause … Doch ob das wirklich das Richtige ist? Bei der Arbeit hatte sie wenigstens Ablenkung und von Simonischek hat sie immer noch nichts gehört… Planlos getrieben zieht es Jenny schließlich nochmal in die Landwehrstraße, wo sie erneut den türkischen Supermarkt betritt. Warum sie das macht, ist ihr selbst nicht so recht bewusst, aber auch diesmal keine Spur von Marlies … Scheinbar arbeitet sie hier nur in Teilzeit.
Jenny verlässt den Supermarkt, blickt noch einmal an der Häuserfassade hinauf, dahin, wo sich in etwa Marlies’ Wohnung befindet und beschließt, sich auf den Heimweg zu begeben und dieses Kapitel endgültig zu schließen. An der Haltestelle angekommen, muss sie feststellen, dass ihr nächster Bus erst in etwa 20 Minuten kommt. Mürrisch setzt sie sich auf die überdachte Bank und starrt in den regnerischen Frühlingstag, als plötzlich eine Stimme hinter ihr sagt: „Hallo Jenny!“
Jenny dreht sich um und blickt in das Gesicht von Marlies.
„Du bist es also doch!“, sagt Jenny, der dies ja im Grunde von Anfang an bewusst war.
Marlies nickt zaghaft.
„Warum hast du letzte Woche so eine Show abgezogen?“, möchte Jenny wissen. „Du hast mich doch auch erkannt.“
„Ich bin nicht mehr Marlies“, erklärt sie. „Marlies gibt es nicht mehr. Ich bin Martina.“
„Trotzdem hättest du nicht so zu tun brauchen, als ob du mich nicht kennst“, erwidert Jenny.
„Wusste ich, ob ich dir trauen kann?“, entgegnet Marlies.
„Und jetzt weißt du es?“
Marlies wiegt den Kopf hin und her. „Nein“, sagt sie dann. „Ich weiß es nicht. Und ich traue grundsätzlich niemandem.“
„Und warum hast du mich dann angesprochen?“ fragt Jenny.
„Keine Ahnung. War vielleicht dumm“, gibt Marlies zu.
Die beiden schweigen sich einen Moment an. Dann fragt Marlies: „Möchtest du vielleicht mit zu mir rauf kommen? Ich wohne da drüben.“ Sie deutet auf den Häuserblock. Beinahe wäre Jenny ein „ich weiß“ rausgerutscht, aber sie kann es gerade noch rechtzeitig runterschlucken. Schließlich sollte Marlies nicht erfahren, dass sie sie bereits seit längerem beschattet.
Als die beiden Frauen wenig später bei einer Tasse Tee gemeinsam in Marlies’ alias Martinas Wohnung sitzen, fragt diese: „Wohnst du auch hier in der Gegend?“
„Nein“, antwortet Jenny. „Aber ich finde den Supermarkt gut, in dem du arbeitest. Ihr habt ein schönes Sortiment und seid relativ günstig.“
„Dementsprechend günstig´ sieht auch die Vergütung der Mitarbeiter aus“, lacht Marlies bitter auf. „Aber ich will mich nicht beklagen. Ich brauch das Geld und bin froh, dass ich den Job habe … Was machst du?“
„Döner-Imbiss“, erklärt Jenny. „Bis vor kurzem habe ich auch in einem Supermarkt gearbeitet, aber der Marktleiter hatte ein Problem mit meiner Vergangenheit…“
„Verstehe“, sagt Marlies. „Ich … habe keine Vergangenheit mehr…“
„Praktisch“, meint Jenny.
„Hast du noch Kontakt zu den alten Leuten?“, erkundigt sich Marlies.
Jenny schüttelt den Kopf. „Du?“
Marlies schweigt auf diese Frage. Stattdessen sagt sie: „Du hattest aber noch Kontakt zu Ralf, nicht wahr? Nach deiner Entlassung hast du mit ihm ein paar Überfälle durchgezogen und bist wieder eingebuchtet worden.“
„Du bist erstaunlich gut informiert“, stellt Jenny überrascht fest.
„Es ging durch die Presse“ ,meint Marlies schulterzuckend.
„Aber nicht unter unseren Klarnamen!“
„Das nicht! Aber wenn man euch persönlich kannte, wusste man trotzdem sofort, um wen es sich handelt. Hast du noch Kontakt zu Ralf?“
„Nein! Und das will ich auch nicht!“, sagt Jenny bestimmt. „Ich hätte schon 2003 ein neues Leben beginnen können, nachdem ich meine Haftstrafe wegen der RAF abgesessen hatte. Aber ich musste mich ja von Ralf zu diesem Scheiß überreden lassen.“
„Sitzt er noch ein?“, fragt Marlies.
„Ich habe keine Ahnung! Und ich will es auch gar nicht wissen. Der Mann ist pures Gift, ich will ihn nie wieder sehen.“
„Du hast ihn mal geliebt“, erinnert Marlies.
„Ein Fehler! Lange her!“
Nach einer kurzen Pause fragt Marlies zögernd: „War es sehr schlimm im … Knast?“
„Was denkst du?“ Jenny funkelt sie giftig an. „Das es ein Wellness-Urlaub war? Und du? Hast es geschafft, die letzten 30 Jahre unerkannt unter falscher Identität zu leben?“
„Wie du siehst“, meint Marlies schulterzuckend und ein Lächeln huscht über ihr verhärmtes Gesicht. Und plötzlich verspürt Jenny tief in sich eine unbändige Wut auf Marlies und darauf, dass sie all die Jahre in Freiheit verbringen durfte, die sie selbst hinter Gittern verbracht hat. Und das, obwohl Marlies zur RAF-Zeit weitaus schlimmere Dinge getan hat als sie selbst.
„Ich hab oft an dich gedacht“, sagt Marlies plötzlich. „Hab mich gefragt, wie es dir wohl ergeht …“
„Wie soll es einem schon ergehen, wenn man jahrelang die Sonne nur durch vergitterte Fenster oder bestenfalls in einem kleinen, von Mauern umgebenen Gefängnishof zu Gesicht bekommt“, erwidert Jenny.
„Immerhin bist du jetzt frei und kannst dein eigenes Leben weiterleben“, meint Marlies lapidar. „Ich muss mich immer noch verstecken…“
„Hättest dich ja stellen können“, sagt Jenny giftig. „Dann hättest du deine Strafe heute auch abgesessen. Dann hättest du dein Leben zurück …“
„War keine Option für mich!“
„Merkwürdig“, meint Jenny. „Wo du doch früher immer so solidarisch warst…“
Marlies lächelt, dann streicht sie ihr übers Haar und singt leise: „Jenny, Jenny, dreams are ten a Penny, leave them in the lost and found…“
„Lass das!“, faucht Jenny und schlägt ihre Hand weg.
„Früher mochtest du das?“, summt Marlies.
„Ich glaube es war ein Fehler, mit zu dir zu kommen“, erklärt Jenny aufgewühlt und zieht sich die Jacke an. „Du triggerst mich einfach zu sehr!“
„Oh, ich triggere dich“, lacht Marlies. „Da kommt die alte Pädagogenseele wieder durch, was!“
„Ich wünsch dir noch ein schönes Leben im Untergrund“, faucht Jenny und verlässt eilig Marlies’ beengte Wohnung …
Draußen angekommen, muss sie ihrer Wut erstmal Luft machen. Nachdem Jenny damals verhaftet worden ist und in all den Jahren, die sie im Gefängnis verbracht hat, war Marlies in Freiheit und hat sich einen Dreck um sie geschert.
Wenig später klingelt Jennys Handy.
„Sie haben versucht, mich zu erreichen“, meldet sich Simonischek am anderen Ende.
Jenny schließt die Augen und atmet tief durch. „Ich war nochmal im Supermarkt und habe die Frau getroffen“, erklärt sie. Noch einen weiteren Moment zögert sie, dann sagt sie: „Ich bin mir nun doch absolut sicher, dass es Marlies ist!“ Noch im gleichen Augenblick bricht eine Welle schlechten Gewissens über Jenny herein, doch sie findet, dass es an der Zeit ist, dass auch Marlies ihre Strafe bekommt. Die Strafe, die sie selbst unlängst abgebüßt hat …
„Wie kommt es, dass Sie sich plötzlich so sicher sind?“, fragt Simonischek.
„Wir haben uns unterhalten“, erklärt Jenny. „ Sie hat sich mir zu erkennen gegeben...“
Noch am gleichen Abend steht Dirk Simonischek vor Jennys Wohnungstür.
„Was wollen Sie denn noch?“, fragt sie gequält. Sie fühlt sich miserabel. „Ich dachte, ich hätte meinen Zweck jetzt erfüllt.“
„Sie sind sich absolut sicher, dass es Marlies Funke ist?“, vergewissert der Beamte sich nochmal.
Jenny zögert erneut. Dann sagt sie: „Ja!“
„Hat sie Ihnen irgendwas erzählt? Ob sie noch Kontakt zu anderen Leuten aus der Szene hat?“
„Nein, darüber haben wir nicht gesprochen!“
„Finden Sie das raus!“, fordert Simonischek.
„Wie bitte?“, fragt Jenny fassungslos.
„Bleiben Sie dran“, sagt Simonischek. „Es ist noch zu früh, um sie zu verhaften. Sie kann uns noch nützlich werden. Vielleicht finden wir über die noch andere Ehemalige, die irgendwo untergetaucht sind.“
„Das war so nicht abgemacht“, empört sich Jenny. „Ich sollte herausfinden, ob Marlies wirklich Marlies ist. Fertig! Mehr nicht! Das habe ich gemacht, damit habe ich meine Aufgabe erledigt. Lassen Sie mich jetzt einfach in Ruhe!“
„Wenn sie sich Ihnen zu erkennen gegeben hat, dann vertraut sie Ihnen ja offenbar noch“, lässt Simonischek nicht locker.
„Aber ich habe sie doch schon gefragt, ob sie noch Kontakt zu jemandem von damals hat!“ protestiert Jenny. „Und sie ist mir ausgewichen …“
„Bleiben Sie dran! Und melden Sie sich, wenn es neue Erkenntnisse gibt!“
Damit verschwindet er wieder und lässt sie fassungslos zurück. Dieses gottverfluchte Arschloch! Davon war vorher nie die Rede. So sollte das nicht laufen. Die sollen Marlies einfach festnehmen und dann wieder aus ihrem Leben verschwinden. Verdammt, verdammt, verdammt …!

David hat heute einen Termin. Eine Studentin stellt sich heute bei ihm vor, um ihn zukünftig als Kindermädchen zu unterstützen. Wie bereits zuvor telefonisch verabredet, klingelt sie pünktlich um 10 Uhr an seine Tür: Die 21jährige Kieu My Watanabe wurde als Tochter japanischer Eltern in München geboren und studiert Informatik und möchte sich neben dem Studium etwas dazu verdienen.
„Den ganzen Mai über bin ich noch in Elternzeit“, erklärt er. „Das habe ich mir extra so gelegt, dass ich damit erst angefangen habe, nachdem Frau Liebrecht nicht mehr für uns zur Verfügung stand. Ab Juni arbeite ich dann wieder. Aber Jeremy und Phoebe sind ja morgens in der Schule und für Hope habe ich ab Mitte Mai einen Krippenplatz. Ich bräuchte sie also nur nachmittags für ein paar Stunden, aber auch nicht täglich, weil ich an manchen Tagen im Home Office arbeiten kann. Meinen Sie, sie können das mit Ihrem Studium vereinbaren, wenn Sie hier an zwei bis drei Nachmittagen pro Woche aushelfen?“
„Klar. Aber sagen Sie doch bitte du zu mir.“
„Haben Sie… hast du Erfahrung mit Kindern?“, fragt David.
„Ich hab fünf jüngere Geschwister“, lacht Kieu My. „Und ich war immer der Babysitter!“
Nachdem auch die Bezahlung geklärt wurde und David sich von Kieu My verabschiedet hat, ist er zuversichtlich, dass er es mit ihrer Hilfe schaffen wird, Beruf und Privatleben in Einklang zu bringen. Dennoch ist das Leben nach Mandys Tod alles andere als einfach: Jeremy ist bockig wie eh und je und Phoebe vermisst ihre Mutter jeden Tag aufs Neue schmerzlichst. Nur die kleine Hope wächst und gedeiht und bekommt von all dem Drama um sie herum noch nichts mit.
Ines besucht ihren Neffen während ihres Deutschland-Aufenthaltes auch täglich und versucht, ihm so gut wie möglich zu helfen. Aber David fällt es schwer, sein Leben und seinen Alltag in den Griff zu bekommen. Alles fühlt sich unendlich schwer an und er wird von Selbstzweifeln und Schuldgefühlen geplagt.
Am Abend bekommt David Besuch von seinem Kumpel Wasti, doch auch der schafft es nicht, ihn aufzuheitern oder auf andere Gedanken zu bringen. Als Hope zu weinen beginnt, kümmert David sich um sie und kehrt danach zu Wasti ins Wohnzimmer zurück.
„Der Kleinen geht’s gut?“, erkundigt Wasti sich.
David nickt gedankenverloren. „Weißt du, manchmal frage ich mich, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn Mandy Hope nicht bekommen hätte“, sagt er plötzlich.
„Das ist doch jetzt Unsinn!“, findet Wasti.
„Warum?“, fragt David. „Wenn Mandy nicht schwanger geworden wäre, hätte sie ihre Chemotherapie machen können. Und vielleicht …“
„Das weißt du nicht!“, unterbricht Wasti ihn. „Das ist reine Spekulation. Genauso gut hätte es passieren können, dass die Chemo null Erfolg gezeigt hätte und Mandy trotzdem gestorben wäre, Schwangerschaft hin oder her …“
„Ich fühl mich so schuldig“, gibt David zu. „Ohne mich…“
„Jetzt hör aber auf, das ist wirklich Bullshit, den du da redest!“, weist Wasti ihn zurecht.
In dem Moment wird die nur angelehnte Wohnzimmertür aufgestoßen und Jeremy betritt mit hasserfülltem Blick das Zimmer.
„Ist das wahr?“, fragt er aufgebracht. „Mama ist nur gestorben, weil du sie geschwängert hast und sie deshalb ihre Therapie nicht machen konnte?“
„Jeremy, ich…“, beginnt David zögernd.
„Das ist völliger Unsinn!“, schaltet Wasti sich ein. „Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun!“
„Natürlich hat es das?“ schreit Jeremy. „Ohne dich und Hope würde Mama noch leben! Ihr habt sie umgebracht!!!“

CLIFFHANGER auf: David Krämer

Mitwirkende Personen
David Krämer
Ines Krämer
Hope Krämer
Jeremy Peschke
Phoebe Peschke
Wasti Huber
Vasily Sarikakis
Mary Sarikakis
Simone Stadler
Mikis Houeris
Olaf Kling
Jenny Lüders
Murat Dagdelen
Anna Ziegler
Jack Aichinger
Dirk Simonischek
Marlies Funke
Kieu My Watanabe

© ´popo wolfson` 2024

Sa 4. Mai 2024, 23:08

Re: Folge 1917 - Schuld und Schuldigkeit

Di 7. Mai 2024, 07:48

Liebe Popo, Danke für die spannende Folge! Olaf hat "Glück", denn wenn ich mich nicht täusche, hat er alle Frauen vor Ort. Sogar seine Ines ist da, oder ist die schon wieder weg?
Bzgl. Simone und der Sekte glaube ich ja, dass Klausi hinter den Anrufen steckt. Aber Klausi wird sich irgendwie verraten...und dann steht er noch mehr als Depp da... das wünsche ich ihm eigentlich nicht. 8-)
Freue mich auf die nächsten Folgen.

Re: Folge 1917 - Schuld und Schuldigkeit

Di 7. Mai 2024, 07:53

An Klausi habe ich dabei gar nicht gedacht :shock: Das wäre aber schon heftig und dass er dann in Starnberg abhängt oder jemand dafür bezahlt wäre auch krass.
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